Neulich im Urwald

Liebe Freunde,

letztens war ich einen Kumpel im Urwaldbesuchen: Daswar eine wirklich interessante Tour mit unglaublich vielen typisch-bolivianischen Erlebnissen.

Fangen wir vorn an. In La Paz suchte ich mir ein Sammeltaxi nach Caranavi. Nachdem sich nach eine halben Stunde auch fünf andere Leute fanden, die mitfahren wollten, stieg der Fahrer ein. Oder sagen wir besser: Das was vom Fahrer noch übrig war – ein kokakauender Jüngling mit einem Kater, der eher einer Grosskatze glich. Natürlich raste er (so wie sich da gehört) mit aufgedrehter Cumbia-Musik durch den erfrischend kühlen Morgen, ohne sich dabei an irgendwelche Geschwindigkeiten zu halten. Wie immer ein wenig überrascht, wie ganz wir noch waren, kamen wir dann im Nebelwald bei Yolosita an, um eine Stunde auf die Öffnung der Baustelle zu warten.

Diese Strasse (eine der gefährlichsten derWelt, durch den steilen Abhang, die Erdrutschgefahr sowie den Fahrbahnzustand = reiner Matsch) war nämlich ausser nachts nur mittags und nur für zwei Stunden geöffnet. Verständlicherweise begann unser Fahrer also eine Kette waghalsigster Überholmaneuver, um trotz der zahlreichenn Busse, LKWs und anderen Gefährte innerhalb der zwei Stunden am anderen Ende der Baustellen anzukommen. Trotz eines anfänglichen „Rückstands“ von geschätzten 700m auf das erste Fahrzeug, schafften wir es tatsächlich zehn Minuten vor Baubeginn die letzte Baustelle zu überqueren und kamen überpünktlich in Caranavi an.

Hier war es wie immer angenehm heiss und ich gönnte mir ein „pollo a la parilla“ – gegrilltes Hähnchen mit Yucca und Reis. Frisch gestärkt dann in den Busin Richtung des tieferen Urwalds. Der kam zufällig gerade vorbei – jemand wies mich darauf hin. Und nachdem ich ihm dann zu Fuss hinterherrante, zeigte er sich nach ein paar hundert Metern auch erkenntlich und nahm den „Gringo“ noch mit. Schwitzend wie ein Wasserschwein hatte ich das Glück, sogar noch einen freien Sitzplatz vorzufinden, neben mir ein älterer Herr. Sich um ein Gespräch bemühend – wollte er sich meine Uhr angucken. Ich gab sie ihm, und er war hellauf begeistert, um mir darauf gleich von seiner Casio-Uhr vorzuschwärmen (die aus 100% Plastik gefertigt war): „Es original, buena calidad de China“. Ich meinte, Casio käme doch bestimmt eher aus Japan, woraus sich dann tatsächlich ein Gepräch über die Wirtschaftskraft Japans sowie die Boliviens entfaltete.

Nach zwei Stunden Fahrt angekommen, traf ich meinen Kumpel Beymar im FC Bayern-Trikot über beide Backen grinsend – weil diese soeben Real Madrid im Elfmeterschiessen aus der Champions League geworfen hatten.

Abends war es immer noch T-Shirt-Temperatur, für mich als alten Paceño (Bewohner von La Paz) eine Wonne! Nach einem Bierchen und mehr Grillfleisch gings dann schlafen – auf dem Boden in einem Haus ohne Wasser oder Fenster – aber mit Mosquitonetz.

Am nächsten Tag ging es dann gleich in der Früh los: Mit dem Auto der Lokalverwaltung in Richtung eines Dorfes, in welchem uns eine Gruppe locals eine zwei-Tages-Tour angeboten hatten – auf einen Berg, auf dem es angeblich einen Vulkan geben sollte.

Nur, noch so ein Bolivien-Dejavu, waren, als wir dort ankamen, natürlich keine Leute im Dorf, die irgendetwas von einer vereinbarten Führung gehört hatten – drum fiel das ins Wasser und wir fuhren einfach ein bisschen weiter dschungeleinwärts. Nachdem wir durch Flüsse gefahren, geschwommen und gewatet waren kamen wir dann irgendwann in Mayaya an – einem ruhigen Städtchen mitten im Nichts. Am „Hafen“ (eher Strand) kamen gerade Ladungen von frisch geernteten Papayas an. Auf dem Rückweg sahen wir dann noch einen gerade abgestürzten Bagger, den einer der Goldgräberlastwagen verloren hatte (was für ein teures Missgeschick!) und machten einen Abstecher in den Urwald. Auf einer Kakaoplantage bekamen wir noch eine „cabeza“ (Kopf, oder dt.: Staude) „maduros“ (unreife Kochbananen), einen Sack Orangen, einen Sack Mandarangen (Mix aus Orangen und Mandarinen) und Zuckerrohr geschenkt (Fotos gibts weiter unten).

Die nächsten Tage waren dann mangels Abenteuer eher entspannt – jedoch nicht minder lustig: Es gab viel „fiesta“ (Feierei) und ich hatte einen tolle Zeit mit der Dorfjugend (inklusive Dynamitfischen) – immer als einziger Gringo in town. Am letzten Abend gab es dann einen „15 años“ – eine unglaublich pinke Feier für ein Mädchen, dass 15 wurde. Mir wurde erklärt, dass ein Mädchen hier mit 15 sozusagen zur Frau wird und es deshalb jedem Vater zukommt, am 15. Geburtstag seiner Tochter ein Fest für das halbe Dorf zu organisieren. Als Vergleich kam mir nur das amerikanische „Sweet 16“ in den Sinn. Alles in allem war dieser Abend ein absurdes Spektakel, was ich so schnell nicht vergessen werde.

Am nächsten Morgen gings dann auch schon zurück Richtung La Paz – weg von den ganzen Goldminen im Regenwald ab in die Höhe. Und nach einer 10-stündigen Busfahrt zwischen lebenden Hühnern und cholitas (den traditionell gekleideten Frauen des Hochlandes) kam ich dann auch wieder zu Hause an – empfangen von zwei anderen Kulturweitfreiwilliginnen, die spontan nach La Paz gekommen waren.

Hier die Bilder (disfrútenlas, geniesset sie!):

 

Bis bald mit Neuem aus La Paz,

Euer Fernando