Schritte durch den Frühling
Mit einem Glas usbekischen Rotweins, nicht die beste Sorte, sitze ich vor dem elenden Computer, den in den letzten Tagen ich selten offen gesehen habe, und versuche kurz und in einem Rutsch die Ereignisse der anderthalb Wochen, die wieder hinter mir liegen, zu rekapitulieren, um frei und entspannt ins Wochenende zu gehen. Meine Familie kommt am Samstag um halb Drei am Flughafen an und dann startet eine Woche ständigen Stresses, ich bin immerhin Guide und Manager, Verwalter und Zentrale für diese Masse an acht Leuten, die mich alle überfallen. Meine Eltern, meine drei Geschwister, mein Großvater und zwei Tanten, mir gruselt’s. Wenigstens kann ich mich in ihre Jetlag-Müdigkeit geben, denn nicht minder müde bin ich doch, werde ich in all dem Trubel doch sein. Doch, zurück, die Zukunft ist ungeschrieben, ich schaue auf die Vergangenheit.
Zu Shum bola, dem Kinderfilmfestival Ende April, hatten wir vor neun Tagen Sponsorenbesuche. Wie letztes Jahr wird uns der Restaurantbesitzer Bek (Taschkent ist mit 17 Filialen sein Hauptstandort) großzügig mit Essen unterstützen, d.h. abends für die Delegation aus Deutschland – sechs Leute – und mittags für die Volontäre, die ich verwalten darf. However, zum Festival wird es genügend Neuigkeiten an anderer Stelle geben – fast jede Woche füllt sich die Hälfte des Protokolls des Jour-Fixe der Programmabteilung mit neuen Fragen, Ordnungen, Fakten zu Shum bola – Bek jedenfalls, wie es seine Tätigkeit nahe legt, lud uns in eines seiner Restaurants, das „Nur“ ein und Asya, unsere Kontaktperson von Uzbekkino, Partner des Festivals, beschloss daraufhin, sich anzuschließen und ihr ausstehendes Gespräch mit dem Institut auf dieselbe Zeit zu legen. Der alte Bek saß zentral und Julia gegenüber, am Tischende sein Sohn und Geschäftsführer, der den Kellnern immerwährend zuflüsterte und das Gespräch im Griff hatte. Ich will nicht länger über die Speisen reden, so oder so gibt es immer dasselbe in Variation A#1-5, und auch usbekischen Rotwein, aber besseren als den, der vor mir angenehm im Glas schimmert. Erwähnenswert vor allem das Frühlingssomsa, als Variation A#3.2 nur in der frischen Jahreshälfte erhältlich und mit Spinat gefüllt – für usbekische Verhältnisse eine Delikatesse. Nur das Eis, das nach allen Besprechungen, die natürlich auf Russisch verliefen, dessen Klang ich zum ersten mal das Gefühl hatte, verstehen zu können, ohne allerdings viel zu behalten, nicht hätte essen sollen – warum denn esse ich sonst so wenig davon? Um bei erneuter Probe wieder sagen zu können, dass mein Magen es nicht gern hatte. Besonders in diesem Fall, da wir aus dem Restaurant ins Dienstauto zu unserem Fahrer stiegen und in Richtung des Vertriebbüros von Haribo fuhren, irgendwo in der Nähe von meiner Wohnung. Denn die Ringstraße, die das weit gefasste Zentrum umfängt, ist keine deutsche Autobahn, es ruckelt und wackelt in dem silbernen VW-Bus, was das Zeug hält, und ich halte mir meinen Bauch. Julia ist nicht mitgekommen, musste zur Botschaft, aber Ravshan und ich, wir leiden ein wenig unter dem Zustand der Straße, bis wir in irgendeine Mahalla einbiegen und vor einem großen Tor Halt machen. Ravshan und ich steigen aus, der Dienst habende Polizist klärt ab, bei wem wir vorsprechen dürfen, und lässt uns ein. Das Gebäude ist im Grunde braun, mäßiger Zustand, mit braun getönten Fenstern und sieht alleine deshalb schon aus wie aus früherer Zeit. Ebenso die Dame, die uns in ihrer Kleiderauswahl Braun in Braun überrascht, aber jung ist und hübsch. So verhält sie sich leider auch, und redet im Grunde zwanzig Minuten über unsere Vorstellungen und Wünsche, bis sie uns mitteilt, nach reiflicher Überlegung könne sie noch nicht zusagen, müsse erst ihren Chef fragen – ein Schritt, zu dem sie offenbar in den vorherigen zwei Wochen, seitdem sie unseren Brief erhalten hat, keine Zeit gehabt hatte. Man ist ja beschäftigt in solch einem Vertrieb. Wir sprachen neulich in deutscher Runde über die Arbeitsmoral der Usbeken und kamen zum Schluss, es mag etwas dran sein am Sprichwort: „Vor dem Tee fehlt die Kraft, und nach dem Tee die Lust zum Arbeiten“. Sie spielte groß und ließ uns unverrichteter Dinge wieder abziehen, wahrscheinlich werden wir dieses Jahr ohne Haribo auskommen müssen. Ein Telefonanruf hätte dafür gereicht. Ich hätte mir die Bauchschmerzen erspart. Obwohl ich damit wieder ganz gut leben kann – jetzt, wo ich ziemlich viel, auch abends, auf Achse bin, d.h. meine wohlbehütete Einsamkeit zugunsten geselliger Späße verlasse, wo ich mich fühle, als wären acht oder neun Stunden Schlaf nicht genug, da meldet sich auch mein Magen wieder und wieder, gar nicht selten, und ich beruhige ihn mit leisen Worten und Zeit, soweit es geht. So höflich gering im „Nur“ die von mir verspeiste Menge Eis auch war, auf den schlaglochübersähten Straßen dachte ich, viel häufiger sollte ich das nicht machen.
Nun, das waren Sponsorenbesuche, Kennenlernen einer Geschäftskultur, wie sie hier existiert. Solche Häuser wie jenes, in dem auch die Haribo-u.a.-Vertriebsfirma sitzt, braune Klötze, ununterscheidbar, mit Toren und Wächtern zwischen Wohnhäusern versteckt, sieht man häufiger, meist ohne zu wissen, was drin ist. Sterile Treppenhäuser, eine Überlast des Braunkanals der Augen und Firmen, kleine, große. So lernt man auch die Stadt kennen. Ich freute mich riesig, als ich zudem die Gelegenheit bekam, ein Taschkenter Tonstudio von innen zu sehen, als ich angefragt wurde, für ein Deutschlehrbuch, dessen schriftlichen Teil ich bereits grammatikalisch, orthografisch und rechtschreiblich korrigiert hatte, nicht eben inhaltlich überarbeitet, wie es die Lektoren an den Universitäten zuweilen tun (müssen), auch die Texte für eine CD einzusprechen. Alleine aus Eigennutz, wieder einmal ordentlich sprechen zu dürfen, vor dem Mikrofon, aber auch aus dem Wissen heraus, dass sie wohl keinen besseren Sprecher als mich im ganzen Land finden würden, der ihnen kostenlos seine Stimme leiht, nahm ich sofort und begeistert an. Eine Seance fand am Dienstag statt, und ich sprach einfach hintereinander ein – niemand war da, der mich korrigieren konnte außer mir, und ich hatte keine Lust, die Kleinigkeiten, die mir auffielen, auseinander zu nehmen und dreifach aufzusprechen, nur der Perfektion wegen, deshalb flossen die Wörter in einem Rutsch und natürlich war die Lehrerin, die sich, ebenfalls ehrenamtlich, für die Erstellung der CD verantwortlich zeigt, begeistert, wollte mich zum Essen einladen – aber ich musste arbeiten. Zumindest habe ich meinen Teil schnell absolviert und gemerkt, mit ein wenig Training wäre auch die alte Reinheit der Sprache wieder zu erreichen, die ich im Alltag doch sehr schleifen lasse. Die Studiotechnik sah modern aus, weniger überraschenderweise als tatsächlich mit leisem Bedauern – man kann so schön überheblich lächeln, wenn das Equipment alt ist, man den Vorwurf geltend machen kann, diese Staaten lebten hinterm Mond. Was in dem Fall stimmt, wenn der Geldautomat im Grand Mir Hotel mit Windows XP bespielt ist, aber nicht im Falle dieses Studios – der zweite Mann schnitt mit Premiere einen Film auf seinen zwei Bildschirmen, die Tonregler wirkten ausreichend professionell und ebenso die Rechner und Kabel. Nur der Innenraum, in den vier Musiker gepasst hätten und wo anscheinend auch Fernsehaufnahmen gemacht werden – mich starrte die ganze Zeit das schwarze Auge einer wuchtigen Kamera an – entsprach ganz den Vorstellungen eines zurückgebliebenen Usbekistans – der graue Teppich an Boden, Wand und Decke, der alte Tisch, hinter dem ich saß und die angeschrägte Tafel hinter mir, auf die offenbar Bilder wie für eine Nachrichtensendung projiziert werden können – allerdings mit einem Look des prädigitalen Zeitalters – alles erinnerte mich an die Bilder, die ich aus Filmen, Büchern von der DDR kenne – farblos mit Sepiastich, modrig, unproportional. Und eben auch vor diesem Haus, das neben dem Studio noch zwei Etagen voll Büroräumen hat, ist eine hohe Mauer mit Tor und Wache, bei der jeder Passierende sich mit Namen, Zeit des Eintritts und Wertgegenständen am Mann eintragen muss. Wenigstens war der Bau weniger braun als der von Haribo, erinnerte in dieser weiß dreckigen Ästhetik eher an eine Schule.
Mehrmals erwähnte ich in meinen Beiträgen schon das Ilkhom-Theater mit seinen „avantgardistischen“ (Reiseführer) Stücken, die auch Konzerte organisieren und vieles mehr – das Attribut in Gänsefüßchen passt sicher zu keiner meiner Besuche so sehr wie zu dem des letzten Samstags (?). Zu dritt, Vera, Simon und ich, gingen wir in ein Alisher Navoi, des großen nationalen Dichters (15. Jh.) Usbekistans, zugeschriebenes Stück mit dem lyrischen Titel „Sieben Monde“ – englisch untertitelt. Das Theater befindet sich etwas versteckt unter dem Shodlik Palace Hotel, man muss über die breiten Treppen den Betonbau von unten durchqueren, zwischen den Säulen auf einen kleinen Platz, dessen Arkade links auf den Eingang zuläuft, geradeaus weiter zur Kasse und links in das warm gestaltete Foyer, das zuerst mit einem Shop für die eigenen Marketingartikel aufwarten kann. Schräg links hat man den Blick auf das Café, aus dessen kleinen Menü mir bereits eine Speise empfohlen wurde, nur habe ich vergessen, was. Ob hier auch Leute tagsüber Kaffee trinken gehen? Vielleicht haben sie nicht einmal echte Bohnen, Nescafé ist immerhin tragender Sponsor und verlost vor einigen Aufführungen, so auch heute, Granulat in Dosen. Gegenüber des Cafés befindet sich eine Leseecke mit wunderbar alten Büchern, nicht nur Dostojewski und Tschechow, auch Dumas oder R. L. Stevenson finden sich hier – alles auf Russisch. Eine Leinwand zeigt Trailer aktueller oder kommender Produktionen und alles ist in einer Mischung aus Zeitgeist und Nostalgie gehalten, die mich immer wieder erstaunt. Im Foyer findet sich eine Ausstellung mit Bildern jenseits der klassischen nationalen Kunst, zu „Jessenin“ hingen hier noch Gemälde Taschkenter Künstler, surreal bis klassisch avantgardistisch, nie geschmacklos. Heute, wie auch beim letzten Mal, als ich zu einem mit zweieinhalb Stunden die Geduld deutlich strapazierenden Rockkonzert hier war, hängen Fotos von Tattoos – auf Menschenhaut, Frauenhaut, man mag es kaum glauben. Ich freue mich, nicht weil ich Tattoos mag, aber die Freiheit, die mag ich – hier fühle ich mich frei. Zu Beginn gewinnt Simon tatsächlich das Glas Kaffeegranulat und wir steigen ab in den Keller, an zahlreichen Plakaten entlang, von denen einige das Logo des Goethe-Instituts zieren, und durch einen atmosphärischen Gang in den kleinen Raum, dessen Bühne nicht viel größer ist als die der heimischen „Schille“, aus der sie doch immer wunderbare Sachen zaubern. Dieses Mal durfte es ein Spektakel mit 20 Akteuren sein – Musikern, Spielern, die einander die Gesten zuwarfen, teilweise atemberaubend und präzise, selten platt oder durchschaubar und so war auch das Stück – Alisher Navoi durfte lediglich mit seinem Namen herhalten, die Geschichte wurde von einigen anderen vor und nach ihm erzählt, und wurde so einfach gehalten, dass sie mit all ihrem Elementen fast zur Nebensächlichkeit wurde zwischen allen Zitaten, die wir nicht verstanden, und einer Symbolik, die viel aus dem Präislamischen und Persischen gewonnen habe, wie uns nachher jemand erzählte, so dass es schwer wurde, alles aufzunehmen und aneinander zu heften, trotz der englischen Übertitel, die nicht immer der Sprache folgten, auch mal stur stehen blieben, und viele der Zitate, viel des Usbekischen, das hier und da in Sätzen eingestreut wurde, nicht abbildeten. Ein Spektakel, fantastisch, zu dem wir in gemeinsamem Beschluss im April noch einmal gehen wollen, um die Lust zu spüren und besser zu verstehen, was dieser Herrscher, dessen Schauspiel an den Grenzen des Wahnsinns flackerte, mit seiner Blüte aus dem Osten, die er nachher in die Wüste trieb zu verhungern, und was sie mit ihm getan hatte, wie viel der Wein, wie viel die Frau Verantwortung tragen, und was eigentlich der Anfang damit zu tun hatte. Für den nächsten Monat habe ich im erst kürzlich erschienenen Programm schon fünf Kreuze gezeichnet – nun, natürlich werde ich für mindestens drei zu faul sein – und für Freitag habe ich eine Karte, die Julia, weil sie nicht da ist, an mich weiter gereicht hat, zu einem Teil der „Laboratorium“-Serie – Mischung aus Musik und Theater, Konzert und Schauspiel, ich bin gespannt. Das Ilkhom ist ein guter Ort.
Weil ich wenig Zeit habe und mir keine langen Überleitungen ausdenken will, folgt der nächste Punkt, wie schon der letzte, ohne langes Überlegen. Eines der größten, schönsten, wichtigsten Volksfeste Usbekistans ist Navruz, der Frühlingsanfang am 21. März. Ein Glück, dass der dieses Mal ein Montag war, so hatten wir alle ein langes Wochenende und hätten lange schlafen können, wäre das nicht so gegen die Gesetze der Jugend. Obwohl ich doch noch ziemlich lange penne, muss ich mir zugestehen. Im Navoi-Park, wo das Parlamentsgebäude oder so – jener Regierungsbau jedenfalls, der auf dem 5000-Sum-Schein zu sehen ist – steht, fand eine offizielle Veranstaltung mit Rede des Präsidenten und Gästeliste statt. Wir mussten also auf einen anderen Park ganz in unserer Nähe ausweichen. Usbekische Parks, wurde mir gleich am ersten Tag von Alisher erzählt, sind nicht wie deutsche. Der Boburpark spiegelt das, glaube ich, gar nicht schlecht. Es gibt ein Riesenrad, zwei Bühnen, einen künstlichen See, auf dem Tret- und Ruderboot gefahren werden kann, Geschäfte, die Snacks und Getränke anbieten, Schießbuden und verrostete Stahlkarusselle und Fahrattraktionen aller Art. Eines mussten wir ausprobieren, für 2500 Sum, und waren sicher froh, uns für ein völlig Harmloses Späßchen entschieden zu haben. Denn die Kinderachterbahn, das war es mehr oder weniger, verhielt sich in ihrem Tempo ungleichmäßig und ruckelte, unabsichtlich, als erschöpfte sich ihr Atem langsam. Naja, was soll schon passieren bei Stahlträgern und Eisenketten. Damit ähnelte das Gelände eher einem Vergnügungspark und heute war er natürlich besonders gut besucht. Was mitten darin eine japanische Glocke und Nachbildung eines traditionell koreanischen Gebäudekomplexes verloren haben, fragt man sich wohl umsonst. Navruz ist ein heiteres Fest, alle sind glücklich, für viele ist es ein enges Familienfest, vergleichbar vielleicht mit unserem Ostern. Sogar wir im Goethe-Institut begingen Navruz als Ausklang der Woche zuvor in einem riesigen Restaurant mit Schaschlik, Wodka, Wein, Salaten – dem Üblichen. Typisch zu Navruz ist Sumalak, eine aus Weizen gewonnene Flüssigkeit mit dem Geschmack vom Malz und dem Gesicht von Schokopudding, der aber gar nicht so übel ist, hat man sich einmal dran gewöhnt. Neben dem Wein ist der Rest Sumalak aus dem 400-Gramm-Becher das Zweite, das meinen Tisch ziert und mein Schreiben begleitet. Während ich zunächst auch interessiert von dem Geschmack angezogen wurde, fuhr es doch am Wochenende in mich ein wie ein Blitz: Die lettische Maizes zupa – Brotsuppe – ist ähnlich diesem Sumalak, vielleicht fester, und bereichert durch Sahne und Früchte, ein echtes Dessert – hier wird es pur als Zwischenmahlzeit gegessen oder weiß was ich. Vilja erzählte, dass auch in Finnland, speziell zu Ostern, eine ganz ähnliche Speise bereitet würde – die mit Sahne, aber ohne Früchte gegessen werde. Der Kreis schließt sich einmal mehr, wie diese beiden Kulturregionen zueinander gefunden haben, bleibt mir schleierhaft. Vielleicht passierte es alles im großen Knoten der Sowjetunion, als Völker bleiche Albträume der Politik bedeuteten.
Eine Weile standen wir inmitten des Trubels, sehr groß war der Platz nicht, vor der Bühne, auf welcher kleine Mädchen, gelegentlich Jungs, tanzten, deren Alter im Verlauf der Zeit zu steigen schien, immer zu usbekischer Musik oder russischen Kinderliedern. Ihre Kleider glänzten prächtig in der Sonne, auf der Rückseite konnte man die Haufen an Stoff sehen, die sich dort türmten, jedes Kleid für einen Auftritt von drei Minuten. Die Lautsprecher waren scheußlich, die Musik auszuhalten und die Inhalte, selbst auf Usbekisch, erahnbar, wenn „O’zbekistan“ das zentrale Wort im Chorus ausmacht. Es ist schade, aber so laufen die Sterne hier, dass kleine Mädchen wie diese mit ihrer Niedlichkeit in solcher Art zu Propagandazwecken verwendet werden. Hier, heute, ist alles Sonnenschein und Freude, kein Wölkchen trübt den Himmel der Festlichkeit und alle Tänzer beweisen durch ihren Auftritt – es scheint kein Elternhaus in ganz Taschkent ausgelassen worden zu sein – die patriotische Bindung an das Vaterland. Vilja meinte auf einen Kommentar von mir, sie könne heute nicht zynisch sein, genieße einfach die Atmosphäre, das Grün, die Fröhlichkeit und Gemeinschaft – und ich antwortete, ich könne jeden Tag zynisch sein. Es stimmt, ich habe vielleicht Angst, die Oberfläche zu genießen, weil mir die Tiefe des Gegenstands bewusst ist – Bewusstsein, das mir wertvoll ist, dafür opfere ich auch die einfache Fröhlichkeit. Dass ich so negativ nicht zu sein brauche, dass man sich in Dinge, die man nicht ändern kann, auch hineingeben kann, das will ich nicht verstehen.
Jetzt sind vier Seiten voll. Ich habe noch immer keinen Titel. Vielleicht, leicht gesprochen, erzähle ich Frühlingsgeschichten. Aber das ist eine Ausrede. Es sieht aus wie deutsches Wetter, die Sonne kommt leise durch. Also Sonntagsgeschichten. Ausflugswetter. On the road. Wege durch die Stadt. Leute und Spiele. Eine Zeit in Verwirrung und Arbeit. Zeiten des Lebens. Schritte durch den Frühling – kaum wahrgenommen, leise, vielleicht gut.