ankommen

Dienstag, 18. März 2014
Es geht los. Um sieben Uhr morgens stehe ich am Gate in Tegel, China noch halb im Herzen, Georgien im Kopf, und werfe noch einen letzten Blick zurück nach Deutschland. Halten tut mich nichts mehr, nicht nach drei Monaten sinnloser Bemühung um ein Visum, Vorbereitung auf 12 Monate China und letztendlich zwei Wochen Gammeln in permanenter Ungewissheit, garniert mit zwei Einsatzstellenwechsel (China – Serbien – Georgien).
Ich habe sie hauptsächlich in meinem Zimmer verbracht um mich ja nicht wieder an Deutschland zu gewöhnen, während achtundneunzig Prozent der anderen Freiwilligen direkt nach dem Seminar ausgereist sind. Natürlich ein Vorhaben, dass zum Scheitern verurteilt ist, da mein Zimmer und das bisschen drumherum deutscher ist als eine schwarz – rot – goldene Kartoffel, die Transkulturalität fällt dem Besucher beim Eintreten nicht vor die Füße.
Als das Flugzeug den letzten Rest Schwerkraft abschüttelt und Berlin anfängt in eine Fensterluke zu passen, habe ich also irgendwie immer noch Bodenhaftung. Daran ändert sich auch vorerst nichts, nach meiner Zwischenlandung in Istanbul. Zwei Stunden Zwischenstopp sind eingeplant, leider zu wenig um mein Schlafdefizit (nicht viel länger als mein Zwischenstopp) aufzuholen aber zu viel um nicht wegzunicken, denn in Flugzeugen mache ich normalerweise kein Auge zu. Also renne ich quer über den Flughafen, der deutlich exotischere Eindrücke bietet als alle anderen, die  ich bisher von Innen sah.
Wundert mich nicht, ist ja mein erstes mal außerhalb Europas.
Hier scheinen so ziemlich alle Ethnien Asiens vertreten zu sein, (wahrscheinlich) gottgewidmete Bärte und Trachten in den verrücktesten Farben und Formen, an einer Stelle hat sich eine Gruppe Afrikanischer Reisender einquartiert und schläft, an anderen riecht die Luft nach angesengtem Gummi, wohl durch die zweirädrigen Roller bedingt, mit denen das Personal über den Flughafen brettert, für meinen Geschmack zu hektisch, aber komischerweise noch nicht in Deutschland angekommen.
Der Weiterflug nach Tiflis, von jetzt an nur noch Tbilisi ,dauert knapp zwei Stunden. Dass die Zahl der Deutschen im Flugzeug drastisch gesunken ist, wird schon nach einer Viertelstunde deutlich, denn die Stimmung ist ausgelassen, Menschen laufen durch das Flugzeug, unterhalten sich laut und über mehrere Sitzreihen hinweg auf Georgisch, aber ihre Vorfreude darauf, endlich anzukommen, kann nicht größer sein als meine!
Es ist siebzehn Uhr, noch ca. zwanzig Minuten bis zur Landung, als wir in Georgischen Luftraum einfliegen. Da die Wolkendecke zu dicht ist, bekomme ich erst kurz vor Ankunft freie Sicht auf das Land. Der erste Eindruck ist rau und karg, Ockerfarben und hügelig soweit das Auge reicht, hier und da einige Häuser, die wirken als wären sie über der Landkarte fallen gelassen worden.
Siebzehn Uhr über Georgien
Der Flughafen ist eine mehr oder weniger sandige Piste, ein paar Kilometer vor der Stadt. Beim Verlassen, nehmen mich die Taxifahrer aufs Korn und zwinkern in Richtung ihrer geöffneten Taxitüren. Wie ich im Nachhinein rausfinde, hauen die jeden ahnunglosen Ausländer über’s Ohr, und das wahrscheinlich ohne, dass er es mitbekommt. Warum auch? Sechzig Lari, fünfundzwanzig Euro, erscheinen auf den ersten Blick als guter Preis für die Dreiviertel  Stunde Fahrt zwischen Flughafen und Zentrum. Erst wenn man erfährt, dass jeder Preis über fünf Lari innerhalb der Stadt für eine Taxifahrt größter Wucher ist, erkennt man, dass man freundlichst übers Ohr gehauen wurde. Denn übelnehmen kann man es den meisten dieser Jungs nicht, egal wie grimmig und düster ihre Mienen auf den ersten Blick erscheinen. In Sachen Gastfreundlichkeit sind sie kaum zu schlagen.
Ich bin jedenfalls froh, dass Robert, entsandter Deutschlehrer aus Süddeutschland, und Sopo, seit kurzem Lehrerin an der Zwanzigsten Öffentlichen Schule, meiner Einsatzstelle, irgendwann auf dem fast menschenleeren Flughafen vor mir stehen. Wir fahren zu Robert, wo ich die ersten Tage wohnen kann. Unterwegs holen wir sein Auto aus der Werkstatt ab. Vielleicht auch nur bei einem Autoschrauber. Oder vielleicht auch nur bei einem Mann, der in seiner Garage an Autos rumbastelt. So richtig sicher scheint sich da niemand zu sein und es interessiert wohl auch niemanden, solange das Auto hinterher wieder fährt.
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Einen TÜV gibt’s hier nicht. Der Versuch ihn einzuführen, würde laut
Robert auch zu den größten Protesten führen, die das Land je gesehen hat.
Obwohl es bei meiner Landung gegen halb sechs noch hell ist und die Sonne den Horizont noch nicht berührt, sind wir erst lange nach Sonnenuntergang zuhause. Georgische Wege scheinen länger zu sein, auch wenn sie kürzer aussehen.