Tiflis/Georgien? Taucht in meinem geistigen Memorandum der „europäischen“ Länder und ihrer Hauptstädte nur auf einem kleinen Erinnerungsfetzen auf, irgendwo im Topografieunterricht zwischen der siebten und neunten Klasse. Gerade so, dass es mir bekannt vorkommt.
Tbilisi (tatsächlich ausgesprochen wie’s geschrieben steht), so die internationale Bezeichnung, allerdings unaussprechbar für Russen, die es der Einfachheit halber zu Tiflis änderten, lässt sich am einfachsten als aufgequollenes Dorf beschreiben. Man muss sich nur ein paar Meter aus seiner Umgebung/Komfortzone bewegen, in meinem Fall die siebenhundert Meter zwischen Freedom Square (თავისუფლების მოედანი) und Rustaweli Ave. und trifft schon auf bekannte Gesichter. Einmal, gleich in den ersten Tagen, stand ich ratlos vor einem Taxifahrer, der mir den Weg zur Metrostation erklären sollte, und dessen Englisch auf dem selben Niveau wie mein Georgisch rangierte, als neben mir plötzlich ein Englisch mit ziemlich deutscher Färbung auftauchte und mir erklärte, dass sie gleich um die Ecke, vielleicht zwanzig Meter, wäre. Wie sich herausstellte Luis, Berlin.

An manchen Straßenecken stehen Tische um die herum sich Grüppchen älterer Männer drängen und an denen gezockt wird. Die einen, die die Karten in der Hand haben und die anderen, die ihnen über die Schulter gucken und Kommentare zum Spielgeschehen abgeben. Am Ende wechselt das Geld zügig, quer über den Tisch seinen Besitzer.
Man könnte die Stadt um ihr vieles Grün fast beneiden, es ist als würde ein Park fließend in den nächsten übergehen. Zur Mittagszeit ist es schwer hier einen Sitzplatz zu finden, denn auf jeder Bank sitz ein schmusendes Pärchen (Glücklicherweise sind Wiesen in Tiflis zum Sitzen da.. ), man trifft sich hauptsächlich in der Öffentlichkeit, denn zuhause wohnt meist die ganze Familie, ausgezogen wird in der Regel erst mit der Heirat, in manchen Fällen sogar noch später.
Das macht es auch schwierig WG’s zu finden, speziell Georgische, denn das Land ist kaum größer als Bayern, und, bei etwas mehr als einer Millionen Einwohner innerhalb der Stadtgrenzen, hat auch derjenige der in der entlegensten Ecke wohnt Verwandtschaft in Tiflis, wo er während des Studiums wohnen kann. Über die Sommermonate ist es unter den Städtern üblich, dass man in sein Heimatdorf fährt und die Ferien bei Großeltern und Familie verbringt.
Einige winzige Gässchen erinnern mich an arabische Städte, und dieses Verwinkelte ist vielleicht auch, was die Stadt so unüberschaubar erscheinen lässt. In den ersten Tagen bin ich einfach zu Fuß losgegangen, zu Treffpunkten und zur Schule, und habe mich ausnahmslos jedes Mal verlaufen. In meinen Augen die Beste und vielleicht auch einzige Methode eine Stadt richtig kennenzulernen, Reiseführer hatte ich von Anfang an als unnötigen Ballast aus meinem Gepäck verbannt.
Tiflis wird von der Mtkwari (Georgisch ausgesprochen ungefähr vergleichbar mit dem Geräusch unterdrückten Niesens) in zwei Hälften geschnitten und von Bergen umsäumt, der höchste davon, Mtazminda mit siebenhundertdreißig Metern, erhebt sich direkt vor meinem Fenster und auf ihm der Fernsehturm, der nachts wie eine kitschig beleuchtete, windschiefe Karikatur des Eiffelturms über der Stadt hängt.
Alles in allem beinahe ländliche Idylle, wäre da nicht der Verkehr.
Ich bin von Berlin, wo die Verkehrsregeln von Millionen Autoreifen so sehr eingeebnet wurden, dass man sie vom Asphalt kratzen müsste, einiges gewohnt, daher hatte ich mit den Verhältnissen der Tiflisser Straßen nicht so zu kämpfen wie andere Deutsche, die aus ruhigeren Ecken des Landes kommen, aber anfangs habe ich mich echt schwer getan.
Generell sind zwei Punkte zu beachten:
Straßen überqueren: Nach fünfzig abgebrochenen Versuchen über die Straße zu kommen fasste ich noch häufig den Entschluss die fünfhundert Meter zurückzulaufen und die Unterführung zu nehmen. Jetzt weiß ich’s besser. Wenn ich irgendeinem Georgier in meiner Nähe die Absicht ansehe, die selbe Straße wie ich zu überqueren, laufe ich einfach synchron mit und zwar auf der rechten Seite, sodass ich beim Aufprall wenigstens etwas abgedämpft werde. Letztens hab ich’s alleine geschafft, würde mich aber noch nicht als Fußgänger erster Klasse bezeichnen, die Natives hier stellen meine Bemühungen doch sehr in den Schatten.
Hupen: Wird man, egal ob als Fußgänger Auto – oder Beifahrer, angehupt, sollte man nicht den Fehler begehen, dies als Warnsignal (solange das Auto nicht brennt) oder Ankündigung einer Überholabsicht deuten! Das käme in dieser Stadt einer völligen Zweckentfremdung dieses schönsten aller Automobilen Organe gleich. In neunundneunzig Prozent der Fälle hat es folgende Gründe:
- Du hast dich vollkommen korrekt und ordnungsgemäß verhalten
- Fahrer hat gute Laune und möchte dies der Welt mitteilen
- Fahrer kennt dich und möchte dich darauf durch zweiunddreißigmaliges Betätigen der Hupe aufmerksam machen
- Fahrer hat keinen Führerschein
- Du bist eine attraktive Frau
- Fahrer ist am Steuer eingeschlafen
- Ein Tier sitzt am Steuer
- Du bist zu weit entfernt um angebrüllt oder beschimpft zu werden







