Ihr fragt…

ich antworte.

Denn eure Fragen schicken mich auf den Weg, Antworten zu suchen und helfen mir, mehr über Land und Leute zu erfahren. Gleichzeitig kann ich euch so teilhaben lassen an meinem Aufenthalt und ihn zu einer -wenn auch begrenzt- gemeinsamen Erfahrung werden lassen. Auch Fotowünsche könnt ihr äußern.

Komplexe Fragen beanworte ich in Artikeln. Ihr findet diese unter der Kategorie „Ihr fragt“.

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Frage 1 (Marisa): Warum gibt es einen Strommast auf der einen und eine Karaffe auf der anderen tadschikischen Briefmarke?

tadschikische Briefmarken

fotografiert von Marisa

Der Strommast steht für das Wasserkraftwerk Roghun. Dieses soll zukünftig Hauptenergielieferant und Einnahmequelle Tadschikistans werden. Mehr Informationen zum nicht unkomplizierten Bau findet ihr hier.

Die Karaffe könnte, laut Aussage einer tadschikischen Bekannten, für einen traditionellen Alltagsgegenstand stehen. Denn solcherlei Karaffen hätten früher zum Händewaschen (insbesondere vor dem Beten oder bei Besuchen) gedient. Sie wurden dann vom Wasserhahn abgelöst. Einige stark religiöse Menschen würden sich wohl nach wie vor die Hände mit Wasser aus einer solchen Karaffe waschen.

Frage 2 (Carl): Ein gängiges Klischee bei uns ist ja, dass rational begabte Menschen emotional schwächer sind und andersherum. Sieht man „Intelligenz“ (z.B. in die mathematische Richtung) als einen Gegenspieler zur Emotionalität?

Ja, dieses Klischee gibt es offenbar auch hier: Eine tadschikische Freundin meinte, dass Menschen, die in technischen oder mathematischen Berufen arbeiteten, aufgrund ihrer Intelligenz wertgeschätzt würden. Ihnen würde aber weniger Emotionalität zugetraut. Ich denke aber, dass es auch hier nicht mehr als ein Klischee ist. In diesem Zusammenhang finde ich noch interessant, dass sie mir erzählte, dass der Beruf des Lehrers hier nicht sehr respektiert sei.

Frage 3 (Marisa): Welche Region ist auf geographischen Karten im Zentrum?

Die Karten sehen aus wie bei uns: Europa ist im Zentrum. Das könnte, denke ich, daran liegen, dass in Tadschikistan das Verlagswesen kaum entwickelt ist. Das wiederum führt dazu, dass in Schulen und Universitäten, soweit ich es gesehen habe, noch das Anschauungsmaterial aus der Zeit der Sowjetunion verwendet wird und in Buchhandlungen vielfach nur importierte Bücher und Materialien erhätlich sind.

Frage 4 (Opa Manfred): Sind nach wie vor umgesiedelte Wolgadeutsche vor Ort und integriert?

Nein bzw. kaum. Die Wolgadeutschen sind mit dem Zerfall der Sowjetunion und den aufkommenden Bürgerkrieg aus Tadschikistan migriert. Sonja Bill schreibt in ihrem Reiseführer, dass Deutschtadschiken bzw. Russlanddeutsche das Land Anfang der 90er Jahre massenhaft verlassen hätten. 1992 sei das Spitzenjahr der Auswanderung gewesen. Russen, Deutschstämmige und die kleine jüdische Gemeinde hätten das Land während der ersten Unruhen verlassen. Um wieviel Menschen ging es dabei? – Bill zitiert die Volkszählung von 1989, laut der etwa 33.000 Deutschstämmige (etwa 1,6 Prozent der Gesamtbevölkerung) in Tadschikistan lebten. Nur noch sehr wenige leben weiterhin hier; Bill: „In Nordtadschikistan zählt man heute noch 250 bis 300 Deutschstämmige. (…) In ganz Tadschikistan wird die Zahl der Deutschstämmigen heute auf etwa 1500 geschätzt, aber es werden immer weniger.“ Diese seien, so vermutet eine Freundin, durch Heirat oder ein „gutes Leben“ an das Land gebunden oder könnten aufgrund von Armut nicht emigrieren.

Frage 5 (Opa Manfred): Können die Bürger immer noch preiswert nach Moskau fliegen um Erdbeeren zu verkaufen?

Heutzutage sind die Flüge nach Moskau, gemessen insbesondere am durchschnittlichen Einkommen der Bevölkerung, sehr teuer. Knapp unter 300,00€ lag das billigste Angebot, das ich, nur für einen Hinflug, soeben gefunden habe. Die Bürger fliegen daher nicht zum Erdbeerkauf, sondern meist aus beruflichen Gründen nach Russland, wo sie entweder Geschäfte (z.B. mit Trockenobst) machen oder als Gastarbeiter unter oft schlechten Bedingungen leben. Darüber berichtete unter anderem bereits der SPIEGEL. Arbeitsmigranten erwirtschaften, laut einem Bericht der bpb, mit ihren Rücküberweisungen etwa die Hälfte des BIP (2011 ca. 2-3 Mrd. US$).

Ein Gedanke zu „Ihr fragt…

  1. Es ist interessant wie sich die Darstellung und Preisung technischen und ökonomischen Wandels in den Ländern gleicht. Was die Karaffe angeht, so hätte ich eher auf den „typischen“ Behälter eines Nationalgetränks getipp, etwa Tee. Merci.

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