Nur das, was ich habe

Hier sitze ich und grüble, wie ich einen Artikel schreiben kann, der sich mit der Frage beschäftigt, ob und inwiefern Menschen, die mir im Laufe meines Aufenthaltes begegnen, zufrieden sind mit dem, was sie haben. Ich kann euch sagen, ich lösche mehr, als dass ich schreibe. Ich fürchte, dem Thema nicht gerecht werden zu können.

Zugleich: Danach zu fragen, finde ich spannend und wichtig. (- Danke, Carl!) Hier nun also möchte ich eine Antwort wagen. Dieser will ich jedoch noch folgende Frage voranstellen: Was eigentlich ist „Zufriedenheit“ für dich? Bist du immer zufrieden? Womit hängt das zusammen? – Ein „weltwärts“-Freiwilliger brachte, als wir uns auf einer Wanderung über diese Frage unterhielten, immer wieder „die Möglichkeit, Freude an etwas haben zu können“ ins Spiel. Wikipedia erklärt den Begriff folgendermaßen:

Zufriedenheit ist gemäß dem Bedeutungswörterbuch des Duden: a) innerlich ausgeglichen zu sein und nichts anderes zu verlangen, als man hat; b) mit den gegebenen Verhältnissen, Leistungen o. ä. einverstanden zu sein, nichts auszusetzen zu haben. Adjektivisch ist man zufrieden (etwa mit sich und der Welt).

Für mich bedeutet das im Umkehrschluss, dass es einen Zustand gibt, der es einem nicht erlaubt, „Freude zu spüren“ bzw. „nichts anderes zu verlangen“. Und hier ist ein Punkt, an dem ich ansetzen kann:

Denn in den Straßen sind mir Menschen begegnet, die offensichtlich so wenig haben, dass ich davon ausgehe, dass sie gedanklich ausschließlich damit beschäftigt sind, sich ihre Lebensgrundlage zu beschaffen. // Ein junger, magerer Buckliger, den Oberkörper fast in der Waagerechten, schlissige Klamotten, schmutzige Haut. / Eine weinende, russische Alte, die schluzend durch die Straßen irrt, die Passanten um Almosen anflehend. / Ein stinkender Obdachloser mit löchrigen Gewändern, die Zehen durch die Schuhe lukend, Müll durchwühlend. //  Ob sie jemals Zufriedenheit gespürt haben?

Der „weltwärts“-Freiwillige erzählte mir, dass er kürzlich mitbekommen habe, dass es eine staatliche Armen- und Obdachlosenspeisung gäbe. Dort habe er wiederholt beobachten können, wie diese Menschen Freude situationsbedingt ausdrücken, z.B. wenn sie einen Bekannten treffen.

Ich glaube, viele TadschikInnen kennen Zufriedenheit als einen punktuellen Zustand, der sich aus der Freude über etwas einstellt: ein Gefühl von Sättigung, gutes Wetter, das Wiedersehen von Bekannten/Freunden/Familie. Eine Art von Zufriedenheit, die mir mit Gelassenheit und Genügsamkeit einherzugehen scheint. Ich habe sie hier unerwartet oft angetroffen. Unerwartet, weil ich in einem Land, das offiziell als „Entwicklungsland“ bezeichnet wird, mit so viel mehr offensichtlicher Armut und Unglück gerechnet habe. Doch:

Ich glaube, viele sind relativ zufrieden mit dem, was sie haben. Denn sie wissen, dass sie schon mehr als andere haben, also z.B. Frieden, die Möglichkeit, regelmäßig Fleisch zuzubereiten oder die Ausbildung ihrer Kinder zu finanzieren. Sie freuen sich an der Gemeinschaft und der wunderschönen Landschaft.

Ich glaube aber auch, dass es andere gibt; diese, die nach mehr streben, die sich mit den Bessergestellten und den reichen Ausländern vergleichen und nicht mit den Armen; die, die unzufrieden sind, weil sie wissen, dass es ihnen besser gehen könnte.

Zurück zu dir: Bist du zufrieden (mit dir selbst? deinem Leben?)? Wie sieht es in deinem Umfeld aus? Was fehlt zur Zufriedenheit?

Wir sollten über unser Streben nach immer und immer mehr nicht vergessen, wie wichtig Gemeinschaft ist.

2 Gedanken zu „Nur das, was ich habe

  1. Ich glaube, dass Gelassenheit eine große Schnittmenge zur Zufriedenheit hat.
    Auch in der westlichen Welt kann ein Medienkanon von Krise, Unsicherheit und Zuspitzung unterbewusst viel von der Gelassenheit nehmen, die für Zufriedenheit bestimmt Voraussetzung ist, bzw. die Wahrnehmung des eigenen Wohlstands überlagern.
    Ich finde auch den Punkt des „nichts an den bestehenden Verhältnissen auszusetzen habens“ ziemlich wichtig, der, meinem Empfinden nach, die allgemeine Zufriedenheit weniger beeinträchtigt, als die (meist unnötige?) Sorge um sich selbst.

  2. Ich glaube: Zufriedenheit kann erst da einsetzen, wo der Mensch nicht hungern und nicht frieren muss und sich eingebettet in eine Gemeinschaft fühlt, wie klein oder groß diese auch immer ist. Alles darunter ist unwürdig und der harte Kampf ums Überleben. Aber selbst darin gibt es Glücksmomente, wie der Obdachlose, der einen Bekannten in der Suppenküche trifft.
    Und: Zufriedenheit steigt mit Wertschätzung, Anerkennung, aktivem Teilhaben an Familie und Gesellschaft. Geld bringt Zufriedenheit von kurzer Dauer.
    ….

Kommentare sind geschlossen.