Die integrierende Gesellschaft

...und nach dem Gespräch ein Foto/ mit zwei Russen vor dem Puppentheater.

„Hello“, grüßte mich gerade auf dem Nachhauseweg ein Mädchen, das ich nicht kannte. Ich drehte mich um und grüßte zurück. „Hello, how are you?“ – In manch anderer Situation hat sich daraus schon ein kurzes Gespräch entsponnen über meine Tätigkeit hier, meinen Gesundheitszustand, Deutschland oder die Deutschen in Tadschikistan, den Krieg.Nach wie vor bin ich schnell als „fremd“ bzw. „europäisch“ zu identifizieren – Ich habe gehört, dass Tadschiken Europäer neben der Kleidung auch an ihrem Gang erkennen. – und das führt zu integrierenden Angeboten: Gesprächen, freundlichen Nachfragen, spontaner Übersetzungshilfe, Einladungen zum Tee. Selbst am Telefon, als sich jemand verwählte und dann feststellte, dass ich Ausländerin bin, stellte er mir die Frage, was ich hier mache. – Das fand ich in dem Moment allerdings so absurd, dass ich auflegte (Es kam auch hinzu, dass es etwa halb acht an einem Samstag war und derjenige bereits zum dritten Mal anrief.).

Es ist diese zumeist unaufdringliche, aber sehr aktive Art, Interesse an Ausländern zu zeigen, dank der ich mich hier so willkommen fühle. Denn die Nachfragen der Tadschiken ermöglichen mir, eine Brücke zu schlagen zwischen meiner Herkunft und meinen bisherigen Erfahrungen, und dem Hier und Jetzt. Niemand erwartet, dass ich mich anpasse oder nur im „Hier“ lebe. Vielmehr merke ich, dass mir aufgrund meiner Fremdheit Verständnis entgegengebracht wird, dass sich die Menschen mit mir über meine sprachlichen Erfolge freuen, dass es sie interessiert, wie ich Dinge wahrnehme.

Ich denke, dass wir davon lernen können. Ich möchte das nach meiner Rückkehr ebenso machen. Denn ich weiß, dass es einem mitunter viel abverlangt, sich im Ausland zu bewegen. Besonders schwierig stelle ich es mir vor, wenn man diese Wahl nicht freiwillig getroffen hat. Ich bin überzeugt, dass aktives Aufeinanderzugehen eine Möglichkeit ist, dem anderen das Ankommen zu erleichtern (egal, wie lange es dauert).  – Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an hilflose Touristen vor dem Fahrkarten-Automaten am S-Bahnhof Friedrichstraße, an diverse Verirrte mit Stadtplan in Prenzlauer Berg oder Unter den Linden, an einen einzelnen Fremden am Bahnhof Potsdam, den die Polizei grundlos um seinen Ausweise bat. Helfen, sich dazustellen, Solidarität zeigen und einfach häufiger nachfragen, nicht WER jemand ist, sondern WIE es ihm geht. Das würde unsere westliche Gesellschaft in meinen Augen schöner machen.

Ja, wirklich gesellschaftlichen Zusammenhalt kann ich hier spüren, viel mehr als jemals in Deutschland.

3 Gedanken zu „Die integrierende Gesellschaft

  1. schön. sehr schön. und seh ich auch so.
    (ich kann quasi hören, wie du sagst „Hello, how are you?“ 🙂

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