Sind wir nicht alle Arier?

Irgendwie ist es passiert, dass mir hier vor Ort dieser Satz schon begegnet ist. Wie darauf reagieren, wenn man plötzlich mit einem einnehmenden Lächeln so etwas gefragt wird? Mit „Nein?!“, für mich ganz klar. Aber worauf habe ich da eigentlich reagiert? Laut Sonja Bills Reiseführer (2010) bestehen die Tadschiken auf ihre Verwandtschaft mit den Deutschen. Dies sei auf ein sprachliches Missverständnis zurückzuführen: Tadschikisch als indoeuropäische Sprache zähle zu den iranischen Sprachen, welche in ihrer indo-iranischen Urform auch als „arisch“ bezeichnet würden. Und da sich der Mythos des Deutschen als Arier hält, wird man auf diese Verwandschaft stolz hingewiesen (insbesondere ausserhalb der Städte). Als Grund führt Bill die „identitätsbildende Abgrenzung zu den anderen (turksprachigen) Völkern Zentralasiens“ an. Gegipfelt habe dies 2006 im „Jahr der arischen Zivilisation“, dass Präsident Rachmon ausrufen ließ. Darüber hinaus gewinne ich den Eindruck, dass „ursprüngliche“ kulturelle Wurzeln fernab der Zeit der Sowjetunion entdeckt und betont und dadurch das Selbstverständnis der Tadschiken gestärkt werden sollen. Auch eine meiner tadschikischen Bekannten vermutet, dass sich darin die Suche nach Vorfahren und ein Abgrenzungswille gegenüber den Turksprachen und -völkern ausdrückt.

Diese Rückbesinnung beobachte ich auch im aktuellen Umgang mit bzw. der Vernachlässigung der russischen Sprache wider. Auch wurden nach dem Zerfall der Sowjetunion die Denkmäler ersetzt durch „alte“ Dichter, wie den Poeten Rudaki, und den Begründer des Samanidenherrschers Somoni. Zur Sprache möchte ich euch in einem kommenden Beitrag mehr erzählen.