Alltag in Worten

Ich bin momentan ein wenig erkältet. So erkältet, dass die Sechstklässler neulich die Sätze „Philippa ist krank. Sie trinkt einen Tee.“ gelernt haben und die Elftklässler mich gefragt haben, ob ich denn „schrank“ sei, ein Witz, der mich jedes Mal zum Lachen bringt. Ich habe jedenfalls beschlossen, meinen Schnupfen dem Wetter zu zu schreiben, es wird herbstlich im Moment und in Bukarest hat es wohl sogar schon geschneit. Das Positive daran ist, dass ich nun auf Rumänisch „sunt răcită“ (ich bin erkältet) sagen kann und an meinem Geburtstag vielleicht für mich zum ersten Mal Schnee liegt, wie aufregend! Ansonsten bin ich tatsächlich schon ein wenig im Alltag, obwohl es immer noch wunderbar viele aufregende Ausnahmen zwischendurch gibt und ich mit meinen achtundfünfzig Tagen hier natürlich immer noch viel zu entdecken habe! Das Wort Alltag ist also für mich im Moment etwas Schönes und bedeutet vielmehr die Rückkehr von komplizierteren Zeitplanungen und den Versuchen, wieder viel zu viel an nur einem Tag zu erledigen und zu erleben. Ich bin fast jeden Wochentag in der Schule beschäftigt, egal ob als Hilfe beim Deutschunterricht oder als Vertretungslehrerin, was zuweilen etwas erschreckend sein kann, aber auch das in aufregendem Sinn. So musste ich neulich eine Horde Fünftklässler unterrichten, bei denen ungefähr sechs Schüler laut waren und der Rest sich niedlicherweise durchgehend für eben diese Kollegen entschuldigt hat. Nach einer Vorstellungsrunde, bei der jeder auf Deutsch von sich, seinen Geschwistern und Haustieren erzählt hat und ich dasselbe dann auf Rumänisch getan habe, sind alle aufgestanden und haben mir applaudiert, zu herrlich! Und dann war ich in einer zwölften Klasse, in der die Schüler ungefähr so alt waren wie ich oder auch älter und ich fröhlich als Vertretung hineinspaziert bin und dann vorne am Lehrerpult saß, was irgendwie total verrückt war! Sie waren alle so freundlich und interessiert daran, was ich denn hier so mache (und wieso Rumänien?) und wieder einmal waren Leute verwirrend irritiert darüber, wie gerne ich Rumänisch lernen will. Aber ich kann es tatsächlich nicht erwarten diese Sprache endlich besser zu beherrschen! Und auch das ist Teil von meinem Alltag. Mal bei meinem Sprachkurs, bei dem ich eine Gruppe super netter und herzlicher Studenten aus aller Welt kennen gelernt habe, weshalb ich auch des Öfteren nach meinem eigenen Studium gefragt wurde und dann nach einer variierender Plauderei über meinen Freiwilligendienst zu dem Punkt komme, an dem ich sage, dass ich achtzehn bin und dann ein „Ooooh 18, also bist du jung.“ bekomme, oder auch bei den zunehmenden Gesprächen mit rumänischen Menschen auf Rumänisch, wobei meine holprigen Sätze mir irgendwie zu langsam erscheinen und es noch einige fehlenden Worte gibt, aber ich verstehe mittlerweile schon deutlich mehr im Vergleich zum Anfang und meiner wortlosen Zeit hier und es wird besser. Nun denn, Schule und Sprachkurs sind die beiden größten Teile meines Alltags, daneben treffe ich mich noch mit Freunden, die viel zu lieb sind, mich so schnell in ihr Leben aufzunehmen, schreibe in mein Tagebuch und male mir aus, auf welche Reisen ich noch gehen könnte. Es geht mir also gut hier in meinem neuen Alltag, obwohl das wohl durch meine Verlängerungsentscheidung ein wenig außer Frage steht, wie schön.

Waaaaah. Neuigkeiten!

Waaaaaaaaaaaaah.

Anders kann ich diesen Beitrag nicht anfangen! Es gibt Neuigkeiten. Vorgestern habe ich die Nachricht bekommen, dass ich tatsächlich länger bleiben darf! Und es hat mich irgendwo so glücklich gemacht. Da habe ich gemerkt, dass es wohl die richtige Entscheidung ist. Natürlich gibt es auch Teile, die mir an diesem Weg nicht gefallen, dazu gehören Vermissensgedanken und Verpassensgedanken und all so etwas (wobei das nicht nur für mein Zuhause gilt, sondern auch für mein Leben hier), aber insgesamt ist es gut so und ich fühle mich auch nicht bereit dieses Land in vier Monaten schon wieder zu verlassen, obwohl sechs Monate mehr es wohl auch nicht leichter machen werden zu gehen. Ich erlebe hier so viele Dinge, lerne so viel und freue mich immer noch über jedes neue Wort Rumänisch, das ich halbwegs beherrsche. Natürlich denke ich auch oft an Zuhause und die Dinge, die dort auf mich warten, aber ich hoffe eben einfach, dass sie genau das tun und dort sind, wenn ich zurückkehre. Und besonders wenn ich von meiner Zeit hier erzähle, merke ich wie gut sie mir doch gefällt und wie viele kleine Abenteuer schon Teil von ihr waren. Und nun bin ich aufgeregt auf zehn weitere Monate, was verrückt ist, denn ich wusste nicht, dass man Vorfreude gleich auf so eine lange Zeit haben kann.

Alltag in Zahlen

  • 41 Tage, die ich in Rumänien erlebt habe
  • 2 Lei für eine Schokoladenbrezel
  • ungefähr 47 Sekunden, um von meinen Bett zum Deutschklassenraum zu gelangen
  • 588 gelesene Romanseiten seit ich hier bin und definitiv zu wenig Lesematerial
  • 7:03 Uhr, die Zeit auf die mein Wecker momentan eingestellt ist
  • 5 rumänische Städte, die ich bisher besichtigt hab und 1 Lachanfall als ich sie bei meiner Erzählung darüber sehr falsch ausgesprochen habe
  • 1 Tasse: zum Müsliessen, Teetrinken oder als Glas nützlich
  • 2 Teller und 2 Lagen Besteck, man weiß ja nie wer zu Besuch kommt
  • 18 Schulstunden pro Woche
  • 2 Konversationsstunden als Vorbereitung auf mündliche Prüfungen
  • 7 Stunden, um nach Bukarest und damit zur nächst-wohnenden Freiwilligen zu gelangen
  • 1 Notfallschokolade, die unter allen Umständen immer existieren muss
  • 7 Paar Schuhe, die ich hier besitze und von denen mich meine Hausschuhe am glücklichsten machen
  • 2 Handys, deren Anzahl mich ziemlich überfordert
  • 4 Gruppen von Leuten, die ich durch zeitweiliges Umherwandern in Parks kennen gelernt habe
  • 2 Backsessions seit ich hier bin (wie ich es vermisse)
  • 61 beschriebene Reisetagebuchseiten
  • 1 Abend in der Oper und 1 Abend in der Philharmonie
  • 1000 (o mie), wie erwähnt die höchste Zahl, die ich auf Rumänisch sagen kann
  • 1 einsame Seite Briefpapier, die noch übrig ist und dazu noch 3 brauchbare Briefmarken
  • 31 Tage bis zu meinem 19. Geburtstag
  • 7 neue Wörter, die ich jeden Tag lernen will
  • 3 Schulwochen, die ich bereits hinter mir habe
  • 26 Lei für meinen Wasserkocher, der nach einer Woche nur noch Leuchten konnte und nun in Reparatur ist (ich brauche Wärmflaschen und Tee!)
  • 1 eigener Kühlschrank, der brummt und Joghurt zu gefrieren versteht
  • 3 Versuche bis ich die Kunst des Lehrerzimmer-Kopierers beherrscht habe
  • 136 Schritte von meiner Schule (meinem Zuhause) bis zum nächsten kleinen Laden an der Ecke
  • 2 Kinobesuche
  • 93 gesichtete Straßenhunde (die Zahl als stilistisches Mittel, ich habe natürlich keine Ahnung wie viele es wirklich sind, aber doch einige)
  • 29 Sechstklässler in einer Doppelstunde Vertretungsunterricht letzte Woche, ein Glück, dass sie alle so lieb sind
  • 1 Unendlichkeit an „So why are you in Romania?“-Fragen
  • 36 Punkte auf der Pro-Seite einer weiteren Liste, die ich kreirt habe (und 17 Notizen auf der Contra-Seite)
  • 5 Tage bis ich weiß, ob meine Idee auf ein Jahr zu verlängern möglich ist (zu diesem Thema auch die erwähnte Liste)

Ich habe dazu übrigens beschlossen, diesen Eintrag als Anfang für die Kategorie „Da sein“ zu verwenden, denn wenn das Wort „Alltag“ schon im Titel steht ist das doch wohl eine gerechtfertigte Maßnahme. Außerdem fühle ich mich hier so langsam tatsächlich angekommen, ich kenne mich jeden Tag ein bisschen mehr in der Umgebung, in der Sprache und bei den Menschen aus und weiß jetzt schon, dass ich traurig sein werde das alles hier wieder zu verlassen.