Was soll das sein? Ich glaube ich bin gerade an dem Punkt angekommen, an dem ich Umweltbildung nicht mehr klein reden will. So lange habe ich das was ich studiere abgetan. Aber es geht nicht um die Studieninhalte. Es geht darum was Umweltbildung für mich bedeutet.
Es geht um meine Leidenschaft. Ich möchte mich dazu bekennen. Ich glaube an die Zukunft, die noch besser werden kann als der momentane Zustand. Ich glaube daran, dass Bildung die Antwort ist.
An alle da draußen, die glauben das ist naiv und die Zukunft ist verloren: ich kämpfe bis zum Schluss. Ich weiß, dass ich nicht die Welt verändern kann. Aber ich kann mein unmittelbares Umfeld ändern. Wenn es mehr wie mich gibt, die ihr unmittelbares Umfeld ändern, dann ist es am Ende die Welt.
Ich möchte mehr darüber reden was mir wichtig ist. Ich möchte es niemandem aufzwingen. Aber ich möchte begeistern. Es ist schön an etwas zu glauben.
Und ich glaube an Bildung. Ich glaube daran, dass wir eine neue Art der Bildung brauchen. Keine Halbbildung, sondern eine ganzheitliche.
Ich glaube an Kopf, Hand und Herz. Alle sind wichtig. Ich glaube daran, dass es wichtig ist langfristig zu denken. Das ist sowieso der Punkt. Ich glaube wir müssen lernen das große Ganze zu sehen und dann wieder auf die kleinere Handlungsebene zurückfinden. Wir müssen Zusammenhänge verstehen um zu agieren.
Nicht jeder muss die Natur zu seiner Passion machen. Denn darum geht es ja: Umwelt ist nicht nur Ökokram. Umwelt ist alles! Soziales, politisches, ökonomisches. Alles hängt zusammen. Deshalb ist es ja so schwer zu verstehen und anzupacken. Aber kann es nicht auch leicht sein? Wenn alles zusammenhängt, dann ändert eine Sache so viel anderes.
Ich glaube an Kinder als unsere Zukunft. Umweltbildung sollte zu Allgemeinbildung gehören. Ich meine nicht „nur“: wie recycelt man richtig und welche Vogelarten gibt es. Das sind Basics, die selbstverständlich dazugehören. Das ist die Grundlage.
Es geht darum abstrakt zu denken, langfristige Prozesse und Zusammenhänge unseres Planeten zu verstehen. Nur dann können wir die Umwelt verstehen. Und in Harmonie mit ihr leben. Es geht nicht darum sie an uns anzupassen, sondern zu verstehen, dass wir Teil der Umwelt sind. Was wir nehmen müssen wir zurückgeben.
Es geht um einen gesellschaftlichen Wandel. Die ewige Debatte wo der Wandel anfangen muss: in der Politik, der Gesellschaft, der Wirtschaft. Wenn man erkennt, dass alles zusammenhängt, dann muss man nicht mehr darauf warten, dass „die anderen“ anfangen. Wir alle machen etwas. Wir beeinflussen uns gegenseitig. Auch wenn wir es uns nicht vorstellen können, heißt es nicht, dass Veränderung nicht möglich ist. Wir verändern und entwickeln uns in jeder Sekunde.
Für mich geht es darum einen Sinn im Leben zu haben. Ich sehe es als meine Aufgabe etwas für eine bessere Zukunft zu geben. Das erfüllt mich und macht mich glücklich mit Leidenschaft an etwas zu glauben.
Es geht um Bewusstsein. Bewusstsein für sich selbst und die eigene Umgebung. Wenn wir bewusster leben, dann fällt uns so viel mehr auf. Wir leben intensiver und glücklicher.
Alles hängt zusammen. Gesellschaft ist dynamisch, wir sind dynamisch. Wir sind ein offenes System, aber verschließen uns viel zu oft. Was steht uns im Weg? Bequemlichkeit. Die Lücke zwischen Wissen und Verhaltensänderung ist groß. Ich habe große Lust sie zu überwinden. In manchen Bereichen fällt mir das leicht, in anderen nicht. Aber es macht so großen Spaß vor neuen Herausforderungen zu stehen. Wenn man einmal die comfort zone verlassen hat, dann merkt man wie man selbst wächst. Wie stolz man auf sich ist. Es ist eine Sucht. Alle Bereiche sind betroffen. Jede Leidenschaft ist mitinbegriffen in dieses Netz. Das ist das, was uns alle verbindet und viel mehr noch verbinden sollte. Ein Netzwerk aus Menschen, auf das wir viel mehr setzen sollten. Man muss nichts alleine schaffen. Man darf es gemeinsam umsetzen.
Vielleicht ist das alles ein bisschen wirr. Für mich macht es sehr viel Sinn. Und das ist erst der Anfang. Meine Gedanken hier sind nicht die Antwort, nicht ansatzweise vollständig. Niemand versteht alle Zusammenhänge, deshalb müssen wir ja zusammenarbeiten. Es gibt nicht eine, sondern tausende von Lösungswegen. Wenn das keine Hoffnung gibt…
Das hier ist mein Standpunkt, der sich noch tausendmal ändern wird und differenzierter wird. Das hier ist geprägt von meinen Gefühlen und Hoffnungen, Motivation und Tatendrang.
Es geht hier ganz egoistisch darum mich für Dinge einzusetzen, die mir wichtig sind. Das ist ein Aufruf an alle sich für Dinge einzusetzen, darüber zu reden was euch wichtig ist und zu versuchen dementsprechend zu handeln! Ich lebe nicht energieneutral, ich streame Musik und Filme, ich esse Schokolade in Plastik verpackt. Und ich darf das. Und trotzdem darf ich darüber sprechen, wie die Welt meiner Meinung nach eine bessere wäre, denn wenn ich die Zusammenhänge verstehe, dann fällt es mir leichter mich zu ändern und ich darf immer noch Dinge beibehalten. Mit größerer Wertschätzung und Dankbarkeit. Niemand muss sich komplett auf einmal ändern. Wir dürfen Fehler machen, Rückfälle haben. Es ist ein dynamischer Prozess. Vor und auch wieder zurück. Wenn man einmal anfängt wird es immer leichter. Wechselwirkend reagieren wir aufeinander. Gesellschaft und Politik/Wirtschaft. Der individuelle Wandel scheint klein und unbedeutend. Aber wenn sich alle individuell wandeln, dann wandelt sich die Gesellschaft. Es ist viel schöner mit Hoffnung zu leben, als sie schon aufgegeben zu haben. So vieles ist möglich! Wir müssen mehr darüber sprechen uns zuhören und unterstützen mit unseren Ideen, offen sein für andere Perspektiven. Das ist hier nur mein Vorschlag. Ich möchte sehr gerne offen für andere sein 🙂
Wenn alle ein Bewusstsein für die Zusammenhänge entwickeln und danach handeln, dann verändern wir die Welt.
Die Überschrift, weise Worte meiner Pädagogik Professorin. Auf Pädaogik hatte ich nicht so richtig Lust, aber jetzt freue ich mich immer. Einfach nur wegen den witzigen Stories meiner Dozentin. Mit ihrem Akzent und ihren Sprüchen: „Colleagues, I always joke I wake you up.“, bereitet sie mir in den Onlinevorlesungen immer Lachtränen. Es ist alles ein bissschen chaotisch, aber trotzdem macht es Spaß. Unsere Aufgaben sind uns unsere Traumlernumgebung vorzustellen und Essays über verschiedene Themen zu schreiben. Macht mir großen Spaß. Bald besuchen wir eine Waldorfschule mit ihr. Ich freue mich schon darauf sie in echt kennenzulernen. Auch gestern hat sie wieder erzählt. Von ihrer 91-jährigen Nachbarin, die ihr manchmal Frühstück macht und vorbeibringt. Gestern gab es dann zusätzlich noch Pfannkuchen. SIe hat gemeint, wenn wir uns sehen, dann bringt sie mal welche mit. Klingt vielversprechend.
Was ist alles sonst so passiert in der letzten Zeit? Ich versuche dem Wetter zu trotzen und jeden Tag rauszugehen. Mich nicht von der Sonne abhängig zu machen. Zusammen mit Lina war ich auf einem Friedhof. Wir sind mit Wikipedias Hilfe hinter die Bedeutung der russisch orthodoxen Kreuze gekommen. Der untere schiefe Querbalken steht für die Entscheidung zwischen Himmel und Hölle. Ziemlich krass.
Ansonsten habe ich einen sehr schönen Markt entdeckt und mich mit himmlischen Oliven, eingelegten Pilzen und seltsam gelbem, süßlich schmeckenden Brot eingedeckt. Brot auf lettisch heißt übrigens maize (meise). Die Markthalle an diesem sonnigen Tag war lichtdurchflutet, ein richtig schöner Ort an dem man sich gerne aufhält. Die Sonne macht richtig gute Laune.
Lettisch finde ich ganz schön kompliziert, aber nach der 4. Stunde geht es jetzt schon ein wenig besser. Man weiß, dass man im Ausland studiert, wenn man mit einer Südkoreanerin auf Englisch kommuniziert um sich einen lettischen Dialog auszudenken und ein paar Worte auf Deutsch und Koreanisch austauscht. Ganz schön viel für den Kopf.
Am Mittwoch habe ich mich mit meinem von Erasmus bereitgestellten buddy Amanda getroffen. Es war richtig schön mit ihr. Wir sind am Fluss, der Daugava, entlanggelaufen und haben über Auslandserfahrungen geredet und wie das Gefühl ist, wenn man dann wieder zurück ist. Sie hat Erasmus in Mannheim gemacht und war noch sehr in der Sehnsucht drin. Das kann ich gut verstehen und so hat es großen Spaß gemacht mich mit ihr auszutauschen. Sie hat mir ganz viele Orte gesagt die ich besuchen soll und gezeigt wo am Sonntag ein Benefizkonzert für die Ukraine stattfindet. Am Sonntag jährt sich der Kriegsbeginn. Wir haben über Politik gesprochen. Ich finde es wirklich krass, wie die sowieso schon sehr individualistische Gesellschaft hier aus zwei Seiten besteht, der russischen und der lettischen, die im gleichen Land, aber zwei verschiedenen Welten leben. Russische und lettische Schulen, Läden, usw.
Am Donnerstag gab es eine Veranstaltung von Erasmus. Lettischer traditioneller Tanz. In einem wunderschönen Gebäude. Die Decken und die Wände erst… Ein Traum! Ich habe Melanie aus Pädagogik getroffen und wir haben gemerkt, dass wir beide sehr gerne ins Museum gehen. Und Kuchen essen. Ab jetzt machen wir das zusammen. Sie wohnt mit ihrer Katze auf der anderen Flussseite und studiert Kulturmanagement. Sehr cool.
Die Tänze haben auch großen Spaß gemacht. Da es draußen Minusgrade hat, hatte ich eine Strumpfhose und Wollsocken an. Nach dem ersten Tanz habe ich das schon sehr bereut. Eine Band mit Mitgliedern von 20 bis 80 Jahren, hat uns mit Musik begleitet, während wir herumgehüpft sind, uns im Kreis gedreht und in die Hände geklatscht haben. Lettischer Gesang klingt total schön und die Tänze haben mich ein bisschen an die Kindheit erinnert. Ich wünschte so etwas hätten wir in Deutschland. Nach dem Tanzen haben wir noch ein bisschen der Band zugehört. Ich hatte Gänsehaut, es war so wunderschön.
Freitags habe ich es dann endlich zu meinem georgischen Imbiss geschafft. War ganz schön viel Käse. Für eine Möchtegern-Veganerin ein bisschen zu viel. Aber trotzdem lecker. Es war schön in dieser kleinen Plastikbox, in der der Imbiss ist, zu sitzen und die Menschen draußen zu beobachten.
Für den Abend habe ich mir eine Konzertkarte der Kunstakademie besorgt. Mit einer Person, die ich davor nicht kannte. Entpuppt hat er sich als tschechischer Philosophiestudent im Ledermantel, mit der gleichen Frisur wie ich. Wenn das kein Zeichen ist. Wir sind zusammen im Regen und mit meinem ersten lettischen Bier zur Kunstakademie gelaufen. Carnevale stand überall. Wir sind nicht drauf gekommen, dass alle verkleidet sein könnten. So sind wir auch herausgestochen. Allerdings waren es keine deutschen Faschingskostüme, wobei zwei Frauen im Dirndl sind auch an mir vorbeigelaufen, aber keine trash Kostüme. Viel schwarz-weiß und selbstgemacht. Imposante Kopfschmuck Kreationen, viele Lichterketten. Ich habe ein Konzert mit einer Bühne erwartet und etwa 100 Menschen.
Als wir dann ins Gebäude eingetreten sind habe ich große Augen bekommen. Über drei Etagen gab es zahlreiche verschiedene Räume, so kunstvoll dekoriert, dass es bestimmt mehrere Tage gedauert haben muss alles herzurichten. Ich habe mein Grinsen den ganzen Abend nicht aus dem Gesicht bekommen so aufgeregt und glücklich war ich. Schon allein für diesen Abend hat es sich gelohnt nach Riga zu kommen. Wir haben uns sofort auf Entdeckungstour gemacht. Da war ein Raum, eine frühere Kirche, in der eine Rockband gespielt hat.
Ein anderer Raum war mit weißem Schaumstoff ausgekleidet.
Eine Gruppe Trommler ist herumgelaufen. Aber nicht die traumatischen Musikkappellen Trommeln aus Weingarten, wegen denen ich das Land verlassen habe, nein es war richtig cool. Überall Kunst. Jeder Raum ein neues Universum, eine Neue Musik auf die man sich eingelassen hat. Hunderte von Menschen. Aufblasbare Orcas und rotes Licht in einem Raum, Nadelbäume ohne Nadeln im Gang.
Lettischer Rap, eine Jazzband mit einem Gitarristen im Taucheranzug, ein Techno dance floor, draußen Foodtrucks, Studierende und sehr alte Dozierende auf einem Fleck und wir mitten drin. Eine Wand auf die man seine Wünsche aufschreiben konnte und danach in einen Socken auf einer anderen Wand stopfen sollte. Dann waren wir plötzlich in ein Reinigungsritual verwickelt. Ich habe eine Rassel aufgehoben und Venca eine Flöte, während die Perfomancer mit ihren Händen ein Bild aus Kohle gemalt haben. Danach haben wir uns ein bisschen „verkleidet“. Venca hatte die Idee, dass wir uns ja die Kohle ins Gesicht schmieren könnten. Ab da sahen wir sehr wild aus. Im verlaufe des Abends habe ich noch eine indigene Pappkrone auf dem Boden gefunden. Wir haben getanzt und getanzt. So frei habe ich mich noch nie gefühlt beim Tanzen. Es hat sich so angefühlt, als ob ich genau dort sein sollte in diesem Moment. Kurze angetrunkene Unterhaltung mit einer Halb-Lettin Halb-Estin, die mir gesagt hat mein Name heißt Fisch auf Estisch. Nachdem wir geklärt hatten, dass ich nicht Kala, sonder KaRla heiße, haben wir uns umarmt und sie meinte ich solle mal nach Estland gehen. Aye! Gegen 3 Uhr sind wir dann nach Hause gegangen. Bis 6 Uhr morgens war das ganze angedacht, aber ich war so müde und zufrieden nach meiner Schale Pommes und bin mit voller Vorfreude auf mein Bett durch die Straßen gelaufen.
Den Samstag habe ich gemütlich brunchend und lesend in einem Café in meiner Straße verbracht. Es heißt Gauja, wie ein Fluss zu dem ich jetzt unbedingt einen Ausflug machen will, weil es so schön ist in dem Café. Da das Wetter hier wohl noch eine Weile kalt und regnerisch sein wird kann ich nicht alles was ich machen will auf gutes Wetter verschieben. Deshalb muss ich mich wohl oder übel auch bei schlechtem Wetter auf Entdeckungsreise begeben. Aber was ist schon schlechtes Wetter?
Nach dem Café wollte ich noch ein bisschen den Regen genießen. Ich laufe also gerade aus. Halte nur für Ampeln an und will sehen wann die Straße aufhört. Es macht Spaß genau das zu machen was ich will, mich mit niemandem absprechen zu müssen und Zeit mit mir selbst zu verbringen. Wenn ich so durch die Straßen laufe fühle ich mich immer so, als ob ich auf Schatzsuche bin nach coolen Events, Cafés, Dingen die ich finde.
Am Sonntag war ich mit Melanie im nationalen Kunstmuseum. Allein das Gebäude ist den Eintritt wert. Wow!
So viele Gemälde, Skulpturen, Bilder und gleichzeitig Geschichte über das Land. Es war wieder so, dass ich ganz in einer anderen Welt verschwunden bin. Es waren wirklich schöne Gemälde dabei. Danach waren wir Kuchen essen und haben uns über Kultur und Geschichte in Lettland, Frankreich und Deutschland unterhalten. Sehr spannend.
Putzen muss natürlich auch mal sein. Nachdem Bruno letzte Woche zurück nach Deutschland gefahren ist, sind Joseph und ich jetzt alleine in der WG. Bei unserer Putzsession haben wir gescherzt, dass wenn das Gebäude ein Palast wäre, dann wären unsere Zimmer mit den niedrigen Decken definitiv die Ställe. Wir haben beide ein eigenes Zimmer in dem unsere Wäsche zum trocknen hängt. Die Wäschezimmer sind luxuriöser als unsere. Meinen Arbeitsplatz habe ich in das Zimmer neben den WLAN Router verlegt und dann haben wir noch ein Wohnzimmer. Ganz schön dekadent.
Die letzten beiden Tage war ich ziemlich erkältet. War vielleicht doch ein bisschen viel Kälte und Regen und Alkohol und lange wach sein. Fand mein Immunsystem noch nie so cool wie ich. Meinen Estland Trip habe ich kurzerhand sausen lassen. Bin aber gerade schon wieder am planen und träumen. Es ist so wichtig diese kurzzeit Pläne zu haben.
Vorhin war die Sonne da. Klar, dass ich da raus musste. Ich bin mit dem Bus zum Mežapark gefahren. Einem riesigen Waldpark mit Zoo, gigantischem, zugefrorenen See und riesiger Freiluftbühne auf der im Sommer Festivals stattfinden. Meine Finger und Zehen waren nach den ersten Minuten draußen total gefroren und sind es immernoch, aber mein Gesicht immer der Sonne nach, ist teilweise ein bisschen aufgetaut. Der Sand am See war gefroren, der komplette Boden glatt. Beim fast ausrutschen habe ich einen Bauchmuskel gespürt von dessen Existenz ich gar nichts wusste. Die Sonne hat mich so glücklich gemacht!
Morgen habe ich zum ersten Mal eine Vorlesung in der Fakultät. Ich finde es so geütlich in meinem Zimmer und will gar nicht in der Dunkelheit und Kälte morgen früh da hinfahren. Aber ist natürlich trotzdem viel besser als online Uni. Bin sehr gespannt auf die Veranstaltung in Präsenz.
Jetzt muss ich meine Finger und Zehen wieder warm kriegen!
Saying goodbye with an open heart, letting go full of joy
Die letzten Tage in Weingarten. Sentimentale WG Momente in einer Konstellation, die es in Zukunft nicht mehr geben wird. Die letzte Prüfung, packen. So viele Abschiede. Ich realisiere es gar nicht richtig. Gefangen zwischen zwei Leben. Vorfreude auf das Unbekannte, Sehnsucht nach dem Bekannten.
Gestrandet im Schnee
Zum ersten Mal Flixtrain fahren. Das ist ja das komplette Gegenteil der DB. Ständig sind wir zu früh am nächsten Stop. Mit einem riesigen Fladenbrot eindecken. Zug nach Warschau. Erinnerungen an die letzte Reise nach Polen. Gut 10 Jahre her und in der brühenden Hitze. Kostenlose Getränke werden auch im Winter verteilt. Ich schaue den polnischen Sinnenuntergang an und lese fast ein komplettes Buch auf der Fahrt. Nur noch einen Umstieg muss ich schaffen. Das geht fit, denke ich. Ein bisschen zu vorschnell. 40 km vor Warschau kommt der Zug zum Stehen und fährt auch nicht mehr weiter. Meine polnischen Mitfahrer übersetzen mir die Durchsage: alle aussteigen. WIr steigen also aus, in die Kälte, den Schnee. Was nun? Auf den nächsten Zug warten. Zum Glück nur 10 min. Und dann mit dem Regio nach Warschau rein. Ein Mann erklärt mir den Weg zum Busbahnhof und macht mir Mut den Umstieg rechtzeitig zu schaffen. Und tatsächlich, ich habe sogar noch Zeit am Busbahnhof umherzuirren und den richtigen Bus zu finden. Die letzte Etappe. Niemand sitzt neben mir. Sehr praktisch wenn man nicht so groß ist. In Embryonalstellung kann ich sehr gut auf zwei sitzen schlafen. Zwischendurch wache ich einmal auf. Litauen. Das erste was ich sehe sind riesige, klobige Bauten und extrem große Bildschirme. Total fremd. Wir biegen um die nächste Ecke und dort stehen riesige Kreuze am Straßenrand. Mich überrascht nichts. Ich schlafe nochmal ein und werde wach, weil es so hell ist. Weite Ebenen voll Schnee. Gleich sind wir in Lettland. Latvija klingt viel schöner. Schon seit Berlin sehe ich viele Birken und Kiefern. Die ziehen sich hoch bis nach Latvija. Die Menschen, die vorne am Panoramafenster waren sind schon ausgestiegen. Also beschließe ich dort meinen Frühstücksplatz einzurichten.
Aussicht auf so eine Weite. Wälder, am Straßenrand Holzhäuser, die so zerbrechlich aussehen, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass es darin warm ist. Neben uns ein LKW. Was für ein wundervoller Anblick dort ins Fahrerhäuschen zu schauen und zu sehen, wie der Fahrer in sein Wurschtweckle beißt. Wir nähern uns Riga. Nach 29h Fahrt steige ich aus dem Bus. Es ist krass was möglich ist, wenn man sich darauf einstellt. Sobald es weniger als 24h waren dachte ich mir: easy.
Riiiiiga
Am anstrengendsten ist es jetzt sich ein Busticket zu besorgen. Doch auch das schaffe ich. Ich fahre vorbei an der Merkela iela und als ich aussteige werde ich direkt vom ersten Second Hand Laden gegrüßt. Ankommen, Zähne putzen. Herrlich! Die Vermieterin zeigt mir zuerst das falsche Zimmer. Nachdem ich mich dort eingerichtet und erfolgreich im Hinterhof eingeschlossen habe, ziehe ich nochmal um. In das richtige Zimmer. Deckenhöhe etwas höher als ich. Viel Spaß an alle, die mich besuchen kommen. Aber wir haben ein paar leere Zimmer mit hohen Decken, keine Sorge! Vorteil an der niedrigen Decke: es fühlt sich an wie in einem Geheimversteck zu wohnen. Und: nach den ersten Tagen wird es tatsächlich ein bisschen warm im Zimmer!
Bruno, mein Mitbewohner weist mich ein in die Welt der Second Hand Läden und warnt mich vor den vielen Verführungen. Klar, dass ich gleich losziehe. Kann mich am ersten Tag aber noch zurückhalten. Abends essen wir drei WG Mitglieder Bruno, Joseph und ich Pelmeni und spielen UNO. Ich freue mich so auf mein Bett.
Süddeutschlandversammlung in Riiiiga
Was darf in keiner Stadt fehlen? Eine free walking tour. Nachdem ich mir ein Monatsticket für die Öffis besorgt habe nehme ich gleich an einer Teil. Wer auch? Na klar, eine Studentin aus Weingarten. Zufälle gibts… Wir lernen wie sehr Riga von Deutschaldn geprägt, ja sogar von einem Deutschen gegründet wurde. Rote Backsteinkirchen sind die Überbleibsel. Wenn über einem Vokal ein Strich ist, dann bedeutet das, dass man ihn in die Länge zieht. Riiiiiiga. Richtig schön. Auch hier wird mein Name mit einem rollenden R ausgesprochen. Das klingt toll! Die Bremer Stadtmusikanten schauen hier durch den eisernen Vorhang nach Westen, Partnerstadt Bremen.
1989 gab es eine Menschenkette durch Estland, Lettland und Litauen als stillen Protest gegen Russland. Dieses Ereignis wurde vom Berliner Mauerfall verschluckt. Auf den Straßen hört man sehr viel Russisch. Jede zweite Person ist Russisch. Vor dem 2. Weltkrieg war Latvija sehr Wohlhabend, gebildet und immernoch die größte Stadt im Baltikum. Dann mussten viele gebürtige Deutsche zurück nach Deutschland, zahlreiche Menschen wurden deportiert und in den vergangenen Jahren verlassen immer mehr Menschen das wirtschaftsschwache Land. Mal sehen wie sich das ganze in der Zukunft entwickelt. Der Februar ist der kälteste Monat. Aber ich erfahre, dass man hier im Moment den Klimawandel deutlich spüren kann. Und zwar an den Winden. Eigentlich sollten es Nordostwinde sein, die die Kälte bringen. Im Moment gibt es aber Südwestwinde, die es „wärmer“ machen. Ein bisschen wärmer ist es tatsächlich geworden in den letzten Tagen. Ich habe aber auch aufgehört gegen die Kälte anzukämpfen. Wenn man sie hinnimmt, dann kann man ganz gut mit ihr leben. Es ist auch nicht wirklich kälter als in Deutschland. Nur die Luftfeuchtigkeit ist viel höher, weshalb es sich kälter anfühlt.
DIe Dunkelheit macht mir zu schaffen. Ich bin sehr müde. Am Freitag habe ich zum ersten Mal die Sonne gesehen! Man hat das was an meiner Stimmung geändert.
Unimäßig ist alles noch sehr chaotisch. Vorlesungen 5 einhalb Stunden!!! Und eine richtige Routine habe ich noch nicht. Aber es macht großen Spaß die Stadt zu erkunden. Ich war in einem sehr süßen Kino. Lettischer Film mit Untertitel. Ich will unbedingt lettisch lernen. Morgen gehts los. Der Film, vorallem die Kälte im Film hat mich sehr beeindruckt. Die Alberta iela habe ich auch schon erkundet. Prachtvolle Bauten im Jugendstil. Riga hat die höchste Jugendstildichte in Europa oder so.
Und einen georgischen Imbiss habe ich entdeckt. Jetzt muss ich nur noch herausfinden wann der geöffnet hat.
In der WG über mir war ich jetzt auch schon. Süddeutschland die zweite und dritte. Zwei Studentinnen aus Konstanz. Zu Besuch Cathy aus Luxemburg, die in Friedrichshafen studiert. Das ist ja wie zuhause! Wir haben trotzdem auf Englisch geredet, wegen einem spanischen Mitbewohner. Die ehemaligen Mitbewohner hatten auch eine starke Secondhand Sucht und haben einiges an Kleidern dagelassen. Das habe ich gleich alles durchstöbert und ein paar tolle Sachen abgegriffen.
Am Freitag habe ich mich verabredet um auf den Markt, in die Markthallen zu gehen. Kurz auschecken, wo wir uns treffen und herausfinden, dass wir im gleichen Haus wohnen! Riga ist ja fast ein Dorf. Oder alle Deutschen wohnen an einem Fleck. Also war ich mit Marius, Marek, den ich auch schon am Tag vorher kennengelernt habe und Marcel auf dem Markt und danach in secondhand Läden unterwegs. In einem Secondhand Laden habe ich eine stumme Unterhaltung mit einer Frau, die mir einen Neonpinken Pullunder vor die Brust hält und ihn mir anbietet. Sehr nett, dass sie anscheinend denkt der würde mir stehen, aber ist nicht so ganz mein Ding. Ich bedanke mich trotzdem. Marek und Bruno sind kulturweit Freiwillige, gleich eine Gemeinsamkeit. Zusammen mit Lina aus Konstanz habe ich mich spontan angeschlossen ins Schokoladenmuseum von Laima zu gehen. Wir haben flüssige Schokolade zu trinken bekommen und mehr über die Geschichte von Laima erfahren. Danach haben wir Cabo, oder Cambio gespielt. Typisches kulturweit Spiel. Ich habe mich in mein Zimmer zurückgezogen um ein paar Sachen für die Uni zu machen. Lange war ich aber nicht allein. Marek, Bruno und Marius haben sich kurzerhand zu mir gesetzt und wir haben zusammen Pläne geschmiedet und Quatsch geredet. Nochmal abends ins Kino. Diesmal auf Englisch mit lettischem Untertitel. Dann habe ich nochmal eine neue Hose von Bruno bekommen. Ich glaube ich muss gar nicht selbst einkaufen gehen. Eine sehr schöne Zeit zusammen mit meinen HausbewohnerInnen.
Offenheit und Spontanität
Am Samstag habe ich mir vorgenommen ans Meer zu fahren. Regenschauer als ich aufgewacht bin. Egal. Ab zum Bahnhof. Natürlich knapp den Zug verpasst. Die Zeit habe ich genutzt um Stalins Geburtstagstorte, ein Gebäude, dass dem Empire State building ähnlich sieht, von nahem zu betrachten.
Wieso ist es eigentlich so, dass man in jedem Land Tickets im Zug kaufen kann nur in Deutschland nicht?
In Majori bin ich ausgestiegen und voller Vorfreude im Nieselregen ans Meer gelaufen. Oh wie schön und kalt und frei! Am Strand entlang. Typischer Tourikurort. Im Winter wunderschön trostlos. Im Sommer suche ich mir wohl einen naturbelasseneren Strand. Die hässliche Fußgängerzone entlang, tolle russische Kirche und süße Holzhäuser. Vor einem grünen bleibe ich stehen. Kaue auf meinem Marmeladenbrot und überlege. Meine Haare nerven mich total. Ich will unbedingt zum Friseur und hier stehe ich nunmal vor einem. Soll ich es einfach machen? Ich beschließe, dass heute der Tag der Intuition und des Gefühls ist und betrete den Laden. Haishop, lauter Shampooflaschen. Zwei Frauen, ein wenig Russisch und Englisch im Mix. Ich werde nach oben begleitet. Friseursalon. Ich soll später wiederkommen. Ich frage ob ich dort warten kann. Schon ziemlich kalt darußen. Ich mache es mir auf einem geblümten Sofa bequem und bekomme ein Frisurenbuch aus dem letzten Jahrtausend in die Hand gedrückt um mir eine Frisur herauszusuchen. Ich nutze die Zeit lieber um Tagebuch zu schreiben. Dann bin ich an der Reihe. Ich zeige an wie kurz ich meine Haare abgeschnitten haben möchte. Erster Schnitt: „oh wow beautiful“. Kommentar der Friseurin. Ich fühle mich geborgen und entspannt. Im Hintergrund tudeln zwei verschiedene Radiosender. Die Sonne kommt heraus und wärmt mich. Paldies, danke für die neue Frisur. Noch ein bisschen Mousse hier und Spray da. Ich verlasse diese andere Welt, rieche aber noch den ganzen Tag danach. Die Sonne ist da! Ich muss nochmal zum Strand. Überall Pfützen, aber ich bin so glücklich und singe die ganze Zeit. Es ist schön Zeit alleine zu verbringen und endlich mal wieder zur Ruhe zu kommen. Die ganzen Reize der letzten Tage zu verarbeiten. Der Regen ist zwar weg, aber der Wind ist so stark und wechselt ständig die Richtung. Ich werde hin und hergeschubst und torkele am Strand entlang. Den Zug sehe ich gerade noch davon fahren. Ein bisschen dehnen und ein paar Sprachnachrichten anhören. Auf den Fluss schauen. Dann ist auch schon der nächste Zug da.
Triathlon ala Karla
Gestern, am Sonntag holt mich morgens Liga (Liiiiga) ab. Ich bin einer Gruppe zum Wandern beigetreten. Wir fahren eine Stunde lang raus aus Riga. Richtung Nordosten. Elche eingezäunt, kleine Dörfer. Unterwegs holen wir noch Renate ab. Insgesamt sind wir zu sechst. Es ist spannend mit fremden zu wandern. Ich merke, wie sich mein Bild von den 5 auf der Wanderung immer wieder verändert, je nachdem welche Informationen ich bekomme. Generell war ich mit einer Gruppe berufstätiger Mittvierziger Teilzeit PsychologiestudentInnen unterwegs. Sehr spannend. Die verschiedenen Charaktere zeichnen sich immer deutlicher ab. Mein Bild nach der Wanderung:
Liga: Sieht aus wie meine Tante Irina. Erst schüchtern, dann sehr witzig. Wohnt am Meer, hat Söhne. Ist ein bisschen chaotisch, sehr hilfsbereit.
Renate: die coole, elegante, stille Renate. Findet immer den trittsichersten Weg, redet nicht viel, ist selbstbewusst und strahlt unglaublich viel Gelassneheit aus.
Rihards: einen Rucksack voller Energydrinks und Schwarztee voll. Schwerer als mein Rucksack, den ich mit nach Latvija genommen habe. Ist unmenschlich schnell, wie eine Gazelle. Sehr viel Humor, ein lautes Organ und weiß so tendenziell alles. Ein Lexikon auf zwei Beinen.
Anda: sehr still, läuft immer hinten und passt auf, dass ich nicht ausversehen einen Abhang hinunterrutsche. Sehr fürsorglich.
Jana: Deutsch- und Englischlehrerin, hat zusammen mit Anda 6 Söhne. Jetzt studieren die beiden noch nebenher Psychologie. Meinen Respekt. Sie ist ein wenig pessimistisch, aber auch sehr witzig. Natürlich hat auch sie eine Freundin am Bodensee die sie öfter besuchen.
16 km, wobe wir für die ersten 4 circa die Hälfte der Zeit brauchten, sind wir durch den Schnee gelaufen. Oder besser gesagt, die 5 sind gelaufen. Nicht, dass ich Vorurteile oder so hatte, aber ich war doch sehr beeindruckt, dass die 5 so schnell und trittsicher unterwegs waren. Niemand ist hingefallen. Das habe ich dafür ausgeglichen. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich den Boden aus dem Liegen betrachtet habe. Meine Docs sind im Sommer sehr gute Wanderschuhe, aber auf Eis ist es dann doch schwieriger. Ich bin sehr verwundert, dass ich mich nicht verletzt habe. Wie ein tollpatschig, frischgeborenes Rehkitz habe ich einen neuen Triathlon entwickelt. Bestehend aus Klettern auf allen vieren, laufen und die meiste Zeit Poporutschen. Oder auch auf einem Fuß, das andere Bein gestreckt. Hat sehr viel Spaß gemacht, aber es war auch ziemlich anstrengend immer wieder rauf und runter. Gefroren habe ich nicht, obwohl wir den ganzen Tag draußen waren.
Into the wild
Die Landschaft ein Traum. Rote Klippen an zugefrorenen Flüssen mit Kiefern on top. Das habe ich mir gar nicht so vorgestellt. Wasserplätschern, Stille. Das Geräusch unserer Schritte auf dem Schnee, im Schnee. Die unterschiedlichen Schnee Konsistenzen. Ausgelassene Tänze auf Eisflächen. Lachanfälle mit 40-jährigen Letten. Wie schön, es kommt nur darauf an wie offen man gegenüber neuen Situationen ist.
Walking on water
Mein Highlight: auf einem zugefrorenen Fluss laufen. So cool! Spuren von Elchen sehen und von einer großen Raubkatze. Ein paar Geocaching Funde unterwegs. Ein paar Gespräche über die Kinder. Jana wollte mir schon ihren Sohn schmackhaft machen. Irgendwann waren meine Schuhe dann am Ende. Durchgeweicht, schrumpelige Zehen. Trotzdem noch nicht kalt. Doch es war dann doch ganz schön wieder an den Autos anzukommen.
Auf der Rückfahrt geröstete Nüsse, lettische Msuik, AnnenMayKantereit und Sonnenuntergang. Der Tag hat mich echt geschlaucht. Überall Muskelkater. Aber eine wundervolle Erfahrung. Beim Laufen ganz inspiriert geworden für die nächste Zeit. Es gibt so viel was ich machen will. Ein bisschen stresst mich die Uni. Will natürlich alle Prüfungen bestehen. Habe jetzt schon meinen Wortschatz erweitert, aber muss mich noch ein wenig einfinden.
In der Stadt finde ich mich ganz gut zurecht. Ist aufgebaut wie ein Schachbrett. Ich wohne sehr zentral. Sehr cool, aber mich zieht es doch raus aus der Stadt. Ich höre gerne den Möwen zu und schaue morgens aus meinem Fenster auf die Straße.
Es ist interessant, wie schnell man sich an einen neuen Ort gewöhnen kann. Ich nehme Sachen hin, weil sie auf Zeit sind. Nicht perfekt, aber okay. Ich freue mich, dass die Tage länger und heller werden.
Ich freue mich auf den Sommer. Aber dieser Winter ist auch sehr schön!