Super excited, very nice!

Wieder liegen zwei Wochen meiner Reise hinter mir. Zwei Wochen intensiver Begegnungen, vielen Fragen und Erkenntnissen, neuen Freunden und Inspirationen. Wenn in so kurzer Zeit so viel passiert, dann kann ich mich nur an Bruchstücke und Momente erinnern, nicht an die vollen Tage. Alles geht ineinander über.

Bevor mein Erasmus plus Projekt Youth exchange zum Thema Selbstversorgung losging, war ich mit ein paar Mandelerntehelfern und 50 Millionen Mosquitos alleine auf dem Campingplatz. So viel Ruhe. Dann kamen 15 europäische Freiwillige von ihrem freien Tag zurück. Gemeinsam Mandeln vom Baum schütten, gute Musik hören und die Mandeln von ihrer Schale lösen. Eine sehr meditative Aufgabe. Ein paar Tage lang konnte ich nicht an Mandeln vorbeigehen ohne sie aufzuheben und zu sortieren.

Der Ankunft der anderen Teilnehmenden stand ich mit gemischten Gefühlen gegenüber. 60 Leute, 2 Duschen und ein Waschbecken. Kann das funktionieren? Bin ich bereit dazu mit so vielen Leuten ununterbrochen zusammen zu leben?

Ein hin und her in meinem Kopf und dann waren sie plötzlich alle auf einmal da und ich mitten im Geschehen. Spannend so ein soziales Gefüge. Spannend wie schnell man sich aneinander gewöhnt. Ich habe sehr schnell meine Vertrauenspersonen gefunden.

Eine Bulgarin, ein Pole und eine Deutsche. Klingt nach dem Anfang eines schlechten Witzes, aber es war kein Witz und auch nicht schlecht. Es war eine sehr wertvolle Begegnung mit vielen Inspirationen und viel Humor.

Christos, der Leiter des Projekts, Kostas, sein Vater, der vor 20 Jahren das erste Lehmhaus gebaut hat und die anderen 6 dauerhaft dort lebenden haben wohl wie alle Griechen die Angewohnheit immer „super nice, very excited“ zu sagen. Mit diesem süßen griechischen Akzent. Nach sehr kurzer Zeit wurde das zum running gag unter allen.

Meine Lieblingstätigkeit, ich hätte es nicht gedacht: nature building. Meine Hobbys sind: Cobbing (erklärung folgt), auf Trauben treten und generell alles stampfen. Meine Liebe zu Cob: cob ist ein Baumaterial aus Lehm, Sand, Wasser und Stroh. Mit den Füßen stampft man sich da eine gute Pampe zusammen. Mit der richtigen Musik kann man schön im Matsch tanzen. Aber ganz schön viel Arbeit. Wir haben nur eine Wand gebaut. Um ein ganzes Haus zu bauen braucht man sehr viel Zeit und Material. Aber trotzdem eine Inspiration für die Zukunft. Die ganzen Lehmhäuser waren so kuschlig und gemütlich.

Was haben wir sonst noch so gemacht: Seife, Zahnpasta, Feigenmarmelade, eingelegte Zucchini, Brot, im Foodforest Zwiebeln und Spinat gepflanzt, ein neues Beet angelegt, workshops am open farm day angeboten, einen Teppich aus Stoffresten und einen aus Stroh geflochten. So viel Freiheit und Kreativität. Die Freiwilligen haben jeden Abend eine andere Nationalität gekocht. Spanisch, polnisch, portugiesisch, türkisch, aserbaidschanisch? Es war ein Fest. Dazu Tänze und Musik.

Ab Tag 3 war die Vertrautheit so groß, dass das größte Gesprächsthema das Kompostklo war. Lag auch daran, dass uns alle nacheinander Durchfall erreicht hat. We’re all in this together.

Jeden morgen wurde es schwieriger aufzustehen. Wir haben Dienste verteilt und der Weckdienst lief trommelnd über die Zeltwiese um alle aufzuwecken. Vor dem Prijekt war ich kein großer Halvafan. Jeden Tag Halva und Brot zum Frühstück hat meine Meinung geändert.

Die Hitze war ganz schön anstrengend. Die Mittagspause ein großer Genuss und ein Mittagsschlaf immer mehr als Willkommen. Eine gammlige Matratze, die ich am Anfang noch supereklig fand, wurde schnell zum heißbegehrten Siestaort.

Mir hat es großen Spaß gemacht in einer Gruppe von Menschen zu sitzen und einfach zu beobachten in welcher Harmonie jeder das macht, was er gerade tun will. So ein Friede und eine Gelassenheit. Das habe ich davor noch nie so oft nacheinander gespürt.

Immer wieder kamen neue Leute an. Ganz selbstverständlich, dass wir dann mit denen zusammen leben. So auch Hans Joachim aus Lübeck. Gerade auf dem Weg nach Athen. Umzug mit seiner Frau wollte er sich das Eco Dorf anschauen und blieb ein paar Tage. Machte ganz selbstverständlich mit uns einen Ausflug im Reisebus zu einem Wasserfall und dann ans Meer. So schöne Steine wieeder im Meer. Tolle Gespräche. Kurze, intensive Verbundenheit mit den anderen. Eine große Familie.

Die zwei Wochen fühlen sich an wie eine Ewigkwit und sind trotzdem so schnell vergangen. Was für Persönlichkeiten: Czymon, Pole mit Style und den besten outfits. Rali: drummerin aus Bulgarien, immer mit Flöte und großer Schokoladenliebe. Bo: spirituelle Bulgarin mit einer Menge guter Fragen. Simone: der pünktlichste Italiener, den ich kenne. Radek: unser Masseur, der gute Reden schwingen kann. Ayberk: Türke mit den besten dancemoves und toller Künstler. Natascha: schüchterne Griechin mit großem Herz und tollem Humor. Annalaura: temperamentvolle Italienerin, die einfach nicht fassen konnte, dass die Queen tot ist. Lau: Niederländer mit großer Gelassenheit und Ruhe.

Ich hätte nicht gedacht, dass die Diversität bei so einem Projekt so groß ist. Es war eine Freude alle kennenzulernen. Mit Radek und Bo habe ich ein tolles Dreiergespann gefunden.

Alles teilen, immer von Menschen umgeben zu sein. Das fiel mir leichter als gedacht. Es war wie auf einem anderen Planet zu sein. Weit weg von der Realität. 60 Menschen in einem Mandelhain.

Erasmusprojekte kann ich wärmstens weiterempfehlen. Auch, wenn das hier sehr speziell war, wie mir viele gesagt haben. Ich bin bereit für ein nächstes Projekt. Zwei Wochen lang Englisch reden, so viel Vertrauen haben, dass man manchmal einfach in der Muttersprache mit den anderen rredet und danach erst kapiert, dass man auf Englisch umschalten muss. Ich konnte ganz ich selbst sein. Alle waren so freundlich und offen. Wir haben ein Ritual bei Vollmond gemacht, mit Lreide unsere Augenbrauen bunt bemalt, gesungen, getanzt, geweint und gelacht. Höhen und Tiefen. Geschwommen im Teich, unsere Füße von den Fischen anknabbern lassen, uns das Blut von den Mosquitos aussaugen lassen, eine Taverne besucht, gute Gespräche geführt, billigen Wein getrunken.

Bis ich die ganzen Ereignisse verarbeitet habe vergeht wohl noch ein bisschen Zeit. Es war auf jeden Fall bereichernd. Ich bin sehr dankbar für die Begegnungen und was ich von all den Menschen neues gelernt habe. Über mich und generell.

Vir drei Tagen bin ich in Athen angekommen. Nach zwei Tagen voller Abschied, sehr auslaugend, eine neue Reisepartnerin. Jetzt reise ich mit Franzi weiter. Wir haben die Viertel von Athen erkundet, geschlemmt und eine Insel besucht. Agistri. Nun warten wir am Bahnhof auf den Zug nach Thessaloniki. Camping wartet auf uns.

Der letzte Reiseabschnitt hat also begonnen. Kroatien kommt mir so lange her vor. Ich habe viel flashbacks von dieser Reise. Mit jeder Änderung meiner Reisepartnerinnen verändert sich auch die Reise komplett. Spannend. Ich bin bereit für diesen letzten Abschnitt.

Es fühlt sich so an, als ob ich richtig im Reisen angekommen bin. Ganz gelassen und offen für alles was mir an dem Tag begegnet. Ich bin gerade sehr glücklich und fühle mich frei. Bin umgeben von einer tiefen Zufriedemheit. Ein grober Plan reicht mir. Ich freue mich unterwegs zu sein, ich freue mich aber auch auf zuhause. Meine standards sind stark gesunken, meine Wertschätzung gestiegen. Ich weiß, was es für ein Privileg ist diese Reise zu machen. Ich gebe mein Bestes jeden Moment zu genießen!

 

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