Bulgarien ist eine einzige Pfütze (Tag 242-252)

Meine letzte Arbeitswoche hat begonnen. Die Woche vor den Ferien. Vor eineinhalb Wochen wurde ich noch von Hunden verfolgt und hatte ziemlich Angst. Jetzt fühle ich mich auch gehetzt. Zwar nicht so stark und nicht vor Hunden, aber von der Zeit. Wie kann es sein, dass die letzten Monate so schnell vergangen sind?

Seit gestern laufe ich also ein bisschen sentimental durch die Straßen, präge mir nochmal gut die Häuser ein, die Menschen mit ihren Karl Lagerfeld Tshirts, oder auch Karla Gerfeld, grüße die Kassiererin bei Billa ein letztes Mal, gehe zum letzten Mal auf den Markt, na ja vielleicht auch nicht, Wer weiß… Doch bald ist der Alltag vorbei. Ich freue mich auf sommerliche Abenteuer, mein vorübergehendes Zuhause wird mein Rucksack sein, aber es fällt mir wirklich schwer mich zu verabschieden.

Das letzte Wochenende habe ich nochmal sehr gut ausgenutzt. Der Regen konnte Simon und mich nicht davon abhalten in unseren FlipFlops durch die Straßen, oder eher Flüsse Shumens zum Busbahnhof zu laufen um ans Meer zu fahren, nach Balchik. Hut ab an die Kanalisation in Deutschland, die hat es echt drauf!

Mit Verspätung und Stau kamen wir am Freitagabend im trockenen Balchik an. Im Bus wollten wir eigentlich schlafen, aber die Filme in den Bussen hier sind einfach zu herrlich schlecht. Da kann man nicht anders, als hinzuschauen. Balchik ist in zwei Teile geteilt. Im oberen wohnen die Einheimischen, dann folgen 2 km Pampa und am meer ist das Touri-Balchik. Eine Frau im Bus hinderte uns mehrmals daran auszusteigen, weshalb wir uns mehr und mehr von unserer Unterkunft entfernten und zu einem Abendspaziergang gezwungen wurden. Balchik liegt am Hang, weshalb wir einen wunderschönen Blick auf die Stadt hatten. Verwirrende kleine Straßen und Sackgassen, dazwischen bewaldete Ebenen und Wege voller Minischnecken. Bei jedem Schritt hat es sehr laut unter unseren Füßen geknirscht. Eine Schande! Die Delikatessensammler hätten wirklich Glück gehabt auf den Straßen in Balchik. In Didis Guesthouse angekommen, hat sie uns unser Zimmer mit Meerblick, mit meerblick für 17€ für 2 Nächte!!!, gezeigt und wir haben uns auf Nahrungssuche begeben. Natürlich Shopska Salat.

Eigentlich ist Balchik eine Tourihochburg, aber weil so schlechtes Wetter war und vorallem durch Covid, waren ziemlich wenige Touristen unterwegs, wir fast alleine am Strand, die Restaurants alle geöffnet aber ziemlich leer. EIn bisschen traurig, aber auch schön so ohne Menschenmassen. Ein abendlicher Hafenspaziergang, einmal hochklettern auf einen Minileuchtturm und schlafen.

Vergleichsweise zu Shumen haben wir sehr wenige Möwen gehört, und da es in Shumen auf den Straßen unmengen von Wasser gibt konnten wir nun das schwarze Meer mit dem meer von Shumen vergleichen. Balchik gewinnt! Der Ausblick vom Balkon traumhaft. Zum Frühstück gab es, man glaubt es kaum, Baniza, aber in nicht fettig! Sehr lecker! Dann ging es im Starkregen Richtung Sommerresidenz der rumänischen Königin Maria. Samstag war unser Rentnertag, Sonntag dann der Abenteuertag. Komplett durchnässt standen wir dann im Palast.

Eine Ausstellung von Bildern vom Meer, Informationen über den Palast, der ziemlich schlicht für eine Königin gehalten ist und ich habe besonders gerne die Zeilen gelesen mit denen die Köigin den Ort, ihr Paradies, beschrieben hat. So konnte ich mir trotz Regenwetter die Residenz in vollem Glanz vorstellen. Da es sich um eine rumänische Königin handelt, war es auch nicht verwunderlich, dass wir plötzlich mitten in einer rumänischen Reisegruppe waren. Scusa! War nicht unsere Absicht! So viele Rumänen habe ich noch nie in Bulgarien gesehen. Ständig wurden wir auf rumänisch angesprochen, alle Informationen standen auch auf Rumänisch und die Rentergruppe wurde in einem Affentempo durchgeschleust. Umgeben von Senioren ging es dann den terrassenförmigen botanischen Garten rauf. Mittlerweile ohne Regen, konnten wir die riesige Anlage genießen. Weinverkostung und Süßigkeiten, ein Wasserfall, zahlreiche Villen für die Angestellten, Rosenbeete, die Kapelle, in der das Herz der Königin aufbewahrt wird, davor die Stände in denen man Kerzen für Lebende und die Toten entzünden kann. So viele Wege verwirren mich immer, aber letztendlich haben wir es zur anscheinend zweitgrößten Kakteensammlung Europas geschafft. Mediterranes Klima, sehr einschläfernd. Es gibt Kaktusleder. War mir neu. So ein Haus mit riesigem Garten am Meer, hat schon was.

Ein paar deutsche Touristen sind uns auch begegnet. Eine mittagliche Snackrunde, ein Spaziergang durch die Stadt und dann der Entschluss schwimmen zu gehen. Am Strand zwei Kinder im Wasser. Alle anderen in Pullovern, die Strandbar mit lauter Musik lag leergefegt hinter uns und es hat mich schon ein wenig Überwindung gekostet ins Wasser zu gehen. Aber wer im November schwimmen geht, der sollte auch im Juni ins Wasser gehen. Und so wie immer, wenn man mal drin ist, ist es gar nicht mehr so schlimm. Und auch gar nicht tief. Also ein bisschen das Wasser genießen und dann sind wir zum Hafen gelaufen.

Auf der Mauer standen zahlreiche Angler, an den Angeln mehrere Fische, alle paar Minuten wurde die Angel neu ausgeworfen. Angeln ist also ziemlich stressig. An die schräge Hafenmauer gelehnt standen wir da und haben das Spektakel im Abendlicht beobachtet.

Beim Kochen haben wir Fußball geschaut. Ich bin dieses Jahr wirklich schlecht bei kicktipp… Dann haben wir noch Pläne geschmiedet für den nächsten Tag.

Ausgecheckt und wunderbar hässliche Magnete bekommen. In der schwülen Hitze wieder in den oberen Teil von Balchik und weiter ortsauswärts gelaufen. Da standen wir dann, neben einer Tankstelle und haben 20 Minuten lang den Daumen rausgestreckt. So lange musste wir noch nie warten. Dann endlich hält ein Auto! Unser Ziel ist das Kap Kaliakra. Ein Ziel, dass eigentlich nur Touristen ansteuern. Also fragen wir, ob er uns ins nächste Dorf mitnimmt, damit wir von dort aus weitertrampen können. Wir fangen an zu reden. Er sagt, dass wir unbedingt als Kap sollen, wir sagen, dass das unser Ziel ist und er fährt uns hin. Richtig lieb! So haben wir extrem viel Zeit gespart und fahren kurz darauf durch Kavarna, Rockhauptstadt Bulgariens, und weiter über eine flache Ebene mit zig Windrändern. Mit 130 über die Straße. Auf meinem FInger ein blinder Passagier, ein Marienkäfer.Wir bedanken uns und steigen aus. Als erstes sehen wir ein Monument, dahinter ein Rahmen aus Säulen, Balken an denen Glocken hängen und das Meer wird eingerahmt. Es fängt wieder stark an zu regnen und die Landschaft erinnert mich sehr an Irland.

Wir laufen durch das Tor der Festung, die aussieht wie alle anderen Festungen, die ich in Bulgarien gesehen habe. Unter dem Torbogen sitzt ein Mann und spielt Akkordeon, vor uns läuft ein Mann in Badehose, so kann man auch seine Kleidung vor dem Regen schützen. Eine Frau läuft an uns vorbei und schützt ihren Kopf vor dem Regen mit einer Lidltüte, ein Auto fährt durch den Torbogen und hält um aus dem Auto dem Akkordeonspieler Geld zu geben. Hinter dem Tor geht es einen steilen Hügel hinauf. Die Klippen links und rechts sind rötlich gefärbt, der Himmel ist diesig, die Luft schwül, das Meer leuchtet in verschiedenen Blautönen. Je länger man darauf schaut, umso mehr sieht es aus wie ein flimmernder Fernseher oder wie animiert. Wir laufen an Souvenirständen vorbei, vor uns Militärschutzgebiet. Vorbei an einem Restaurant bis ganz nach vorne ans Kap. Neben einer kleinen Kapelle geht es Stufen hinunter. Wir stellen uns auf den vordersten Felsen in die Sonne und halten Ausschau nach Delfinen. Das Meer liegt still unter uns.

Nach einer Weile machen wir uns auf den Rückweg, füllen unsere Flaschen an einer Quelle auf und laufen die Straße entlang. An den Seiten bunte Wiesenblumen. Diesmal haben wir schneller Glück. Eine Frau hält an. Die Windradfrau. Ihren Spitznamen bekommt sie, da sie zweimal anhält um auszusteigen und die Windräder zu fotografieren. Wir versuchen nicht zu lachen, aber irgendwie ist es lustig wie sehr sie von ihnen fasziniert ist.

Im nächsten Dorf steigen wir aus und laufen wieder ortsauswärts. Überwinden Pfützen, in denen man nicht auf den Grund sehen kann, ziehen die Regenjacken aus und wieder an. Es ist eine wenig befahrene Straße. Wir überlegen, ob wir umkehren sollen und es auf der anderen Straße versuchen sollten. Um 21 Uhr müssen wir am Busbahnhof in Kavarna oder Shabla sein und wir haben es nicht wirklich in der Hand, wann wir dort ankommen. Wir beschließen noch eine halbe Stunde zu warten. Nach 10 Minuten hält Adrian, border police. Er nimmt uns mit, ist neugierig:“ Why are you hitchhiking? I don’t get it.“ Wir unterhalten uns mit ihm. Er muss nur ins nächste „Dorf“, ca 10 Häuser, seine Oma besuchen, aber er fährt uns netterweise ein „Dorf“ weiter, weil dort mehr Verkehr sei. Na ja, mehr als im Dorf davor. Ein Rentnerpaar hält an. Wir sagen, dass wir zum Leuchtturm von Shabla wollen. „Lighthouse?“ Sie haben keine Ahnung wovon wir sprechen, aber zum Glück ist er am Horiziont zu sehen und so bringen wir ihnen ein neues Wort bei, werden bis auf den Parkplatz gefahren, es regnet wieder und wir stehen vor der Häuseransammlung.

Im Umland lauter Güllewagen. So riecht es auch. Wir suchen einen unterdachten Vesperplatz hinter dem gescheiterten EU-Projekt Ferienresort und essen nemski chlab (Deutsches Brot) mit Aussicht aufs Meer. Neben uns ein kleiner verängstigter Welpe. Wir laufen zum Fischerhafen und dann den langen Strand entlang. Es liegt ganz viel zeug herum. Algenzeug. Der Strand weiter hinten sieht ganz schön aus. Wir sammeln eine ganze Tüte voll große Muscheln, das Wasser ist warm. Wir überlegen , ob wir noch genug Zeit haben um schwimmen zu gehen und entscheiden uns zum Glück dafür. Ein Strand ohne hässliche Hotels, keine Menschenseele, Aussicht auf den irgendwie schön heruntergekommenen Leuchtturm, das Wasser ist erfrischend und ich freue mich über die kleinen Wellen, schwimme weiter hinaus und sehe nur Meer. Mehr Meer.

Voller Meer und Sand laufen wir dann die letzten Kilometer Richtung dem Ort Shabla. Am Anfang ist die Straße leer, sieht aus, als ob sie ans Ende der Welt führt. Die Grillen zirpen, die Abendluft ist warm. Dann kommen viele Autos, aber wir haben Lust zu laufen und wollen nicht trampen. Plötzlich fängt es wieder an zu regnen. Kleine Frösche hüpfen über die Straße. Der Himmel hinter uns blau und vor uns grau. Wir laufen weiter und ein Auto hält. Ein Angler, der uns bedeutet einzusteigen. Wahrscheinlich sahen wir ziemlich mitleidserregend aus, wie wir da im Dauerregen an der Straße entlang gelaufen sind. Wir steigen in sein Auto, das richtig schön benutzt aussieht. Wir fahren langsam, er hat ein Boot auf seinem Anhänger. In Shabla dann ein Regenbogen. Wir spielen Mau Mau vor der Община (Obschtina), da dort der einzige trockene Platz ist, essen Pizza und steigen dann in den Bus ein.

Ein Tipp: Niemals Birnen in eine Tasche voller Muscheln werfen und dann drei Stunden vor sich hinmanschen lassen…

Der Himmel sieht faszinierend aus, auf dem Bildschirm läuft ein noch witzigerer bulgarischer Film, ich bin erschöpft, aber glücklich. Wir sind stolz, dass wir es tatsächlich geschafft haben an die abgelegensten Orte, am östlichsten Teil Bulgariens, zu gelangen. Ohne Auto und mit ganz vielel glücklichen Fügungen. Für uns ein Abenteuer und bestimmt haben wir den Tag von allen, die uns mitgenommen haben auch ein bisschen abenteuerlicher gemacht.

Es ist nach 0 Uhr und wir kommen wieder in Shumen an.

Die Flasche Himbeerwein, die Viki und ich vergangene Woche geleert haben steht noch auf dem Balkon. Mein Kühlschrank ist voller Käse, weil Käse und Wein ist ne gute Kombi.

Jetzt, nach meinem Abenteuer realisiere ich: es ist Zeit für den Abschied. Von der Wohnung, meinem Balkon, meinen Nachbarn, den Schülern und Lehrern und allen, die mir hier begegnet sind, zu nehmen.

In der Schule haben wir alte Bücher ausgelegt und zu verschenken geschrieben. Tatsächlich waren es heute schon weniger Bücher. Ich hoffe mal, dass ein paar wirklich in den Ferien lesen.

Der Regen hat aufgehört, es ist heiß. Heute habe ich mich von der 8. Klasse verabschiedet. Ein letztes Mal haben wir deutsche und bulgarische Zungenbrecher aufgesagt und unseren Spaß dabei gehabt. Meine letzte Stunde mit ihnen. Dann der Pausengong. Ein paar letzte Abscheidsworte, Umarmungen, wir werden uns sicherlich noch in der Stadt sehen. Trotzdem wurde mir das Herz schwer. Meine lieben Achtklässler.

Nach der Schule war ich kurz noch bei easypay um meine Rechnungen zu bezahlen, trete wieder auf die Straße und begegne zwei meiner Achtklässler, mit einem großen Blumenstrauß. Ich bin gerührt, sie sind verlegen.

Jetzt werden Pakete und Koffer gepackt, Pflanzen verschenkt und Lebensmittel aufgegessen. Auf die letzte Aufgabe freue ich mich besonders. Und zum Glück habe ich fleißige Helfer. Jasmin und Debora essen mit.

Ein bisschen überwältigt bin ich von der Situation, meine erste eigene Wohnung bald verlassen zu müssen und von so vielem Abschied zu nehmen. Aber wie gesagt, freue ich mich auf neue Abenteuer!

Reisen mit Herz / Baden mit Bergblick (Tag 233-241)

5:30 Uhr. So früh bin ich seit Februar nicht mehr wach gewesen.

Das Haus verlassen. Wärmer als gedacht. Perfekt in Jeans und Pulli.

Der altbekannte Weg zum Bahnhof.

Das Morgenlicht ist so schön, dass ich ständig stehen bleiben muss um Fotos zu machen.

Plattenbauromantik

Jetzt aber schnell zum Bahnhof rennen!

„Един билет до Казанлък.“

„Касанлък? Ehhh.“ Bekomme ich als Antwort.

Ich beeile mich, der Zug steht schon da. Wir fahren los und wie immer bin ich eine gute Stunde einfach nur damit beschäftigt fasziniert aus dem Fenster zu schauen. Ohne Musik, ohne Handy, Buch, Tagebuch. Einfach nur schauen. DIe wahrhaftig blauen Berge, das goldene Morgenlicht, gelbe Felder, alles grün vom Regen, der Klatschmohn rot dazwischen. Dann hole ich doch mein Tagebuch heraus. Irgendwann schlafe ich ein, wache zum Glück rechtzeitig vor dem Umstieg auf. Wir sind schon im Zentralbalkangebirge. Die Luft ist kühler, es ist zugewuchert, der Dschungel Bulgariens. Wir fahren durch kleine Dörfer. Jeder Bahnhof sieht gleich aus. Hübsche Kirchen, wilde Flüsse. Noch ein letztes Mal umsteigen, dann habe ich es geschafft. Ich sehe die ersten Rosenfelder im Tal der Rosen. In der Ferne im Gebirge das riesige Ufo. Das Buzludzha Monument. Beeindruckend.

Ich steige aus. 5 Stunden fahrt hinter mir. Die Luft ist schwül. Simon sitzt auf einer Bank vor dem Bahnhofsgebäude. Ich laufe straight an ihm vorbei um zu allererst nach dem Schlüssel für die Toilette zu fragen. Mal wieder kein Klopapier, die Tür geht auch nicht zu, aber was solls. Dann, so wie es die Tradition will, wenn man unterwegs ist folgt ein Billafrühstück. Baniza mit Sirene und Spinat und ein Apfel. Wir sitzen, bis wir uns zum Busbahnhof aufmachen. Wo fährt bloß der Bus nach Koprinka? Nach ein wenig umhergeirre und ein paar Fragen sitzen wir tatsächlich an der richtigen Bushaltestelle. Wir haben keinen Zeitdruck, nirgendwo zu sein. Deshalb macht es uns nichts aus, dass der Bus sich anscheinend nicht an den Fahrplan hält. Irgendwann kommt er dann doch um die Ecke. Wir steigen ein in den Bus mit der Aufschrift: Reisen mit Herz. Ja, das tue ich hier immer. Dem Busfahrer geht es ähnlich wie mir, er muss es sich schön machen an seinem Arbeitsort. Auch, wenn ich eine andere Auffassung von schön habe. Sein Fahrerbereich sieht aus wie die buntgeschmückten Lastwagen in Pakistan, außerdem dröhnt uns Musik entgegen. Es fängt an zu nieseln und wir sitzen mal wieder.

In Koprinka, einem Dorf, steigen wir aus um nach Koprinka, dem See, zu laufen. Zum Glück habe ich mein Navi Simon dabei und laufe ihm einfach hinterher, pflücke Kirschen vom Baum an der Straße und genieße die Sicht auf die Berge. Wir laufen an der Straße entlang, über Felder, die Luft ist immernoch schwül und die Regentropfen tun gut. Wir laufen durch einen Kiefernwald, es riecht nach Urlaub. Dann sehen wir den See! Umgeben von Anglern, in der Ferne eine Staumauer, beherbergt der See eine thrakische Stadt, von der wir nichts gesehen haben. Wir machen uns auf die Suche nach dem besten Platz um unser Zelt aufzuschlagen. Dabei entdecken wir einen innoffiziellen Campingplatz. Dauercamper haben sich dort ihr eigenes Paradies erschaffen und wir laufen neugierig über den Platz.

Hier hat wohl jemand einen Arbeitsplatz in der Natur eingerichtet

Der perfekte Platz ist wie immer der Erste, den man sich ausgesucht hat. Also ran an die Arbeit! Nach ein paar Irritationen steht das Zelt. Ein Zwei-Mann/Frau Zelt. Wir sind zu Dritt. Jeder hat 40cm.

Sieht man doch gleich, dass hier drei Personen locker Platz haben

Jetzt wo das Zelt steht muss ich ein bisschen lachen aus Verzweiflung. Wir sitzen am See, schauen aufs Wasser und die Berge, die Zeit vergeht. Wir laufen zurück ins Dorf zum Mini Market, kaufen Brot, Frischkäse und Lutenitsa, warten auf der bank auf den mysteriösen Bus. Ein Taxi hält und nimmt uns für den Buspreis mit zurück nach Kazanlak. Im Zentrum laufen wir an der Bühne vorbei an den Rosenständen entlang. Rosen in jeglichen erdenklichen Produkten, hässliche Plastikfiguren, Holzbretter, Messer, Schmuck. Nichts, was mich ansprechen würde.

Am Bahnhof holen wir Josi, Maite, Paula und Bele ab. Vollbepackt geht es wieder zur Bühne und wir schauen zu wie die Rosenkönigin auf einem Streitwagen von einem Typ im Cäsarkostüm herbeigezogen wird. Wir müssen unser lautes Lachen unterdrücken. Über uns mal wieder ein Feuerwerk. Die Luft ist grau. Nach der Krönung suchen wir uns ein Plätzchen im Rasen, bilden Kompetenzteams: Bier, Essen, Rosenkränze und Aufpasser und schwärmen aus. Mit unseren eigenen Rosenkränzen ausgestattet, an die Masse assimiliert, und im Regen essend, lauschen wir dem bulgarischen Sänger, der uns nicht so recht von der Picknickdecke haut. Alle sind müde und wollen unbedingt ins Zelt. Also zurück mit dem Taxi zur Kreuzung an den See. Unter den Sternen laufen zum See. Dort brennen Lagerfeuer und natürlich in der Ferne wieder ein Feuerwerk. Wir machen uns zeltfertig, kriechen in unsere Zelte, Mount Everest und Kilimanjaro und lachen noch eine Runde. Ich schlafe ein, wache aber kurze Zeit später wieder auf, da meine Nase platt an der Zeltwand anliegt. Das ist mir zu eng. Platzangst! Ich drehe mich um, umgeben von Füßen habe ich auf einmal so viel Platz. Wundervoll!

Nächster Morgen, Reißverschluss auf, Glück gehabt, die Berge sind noch da.

Etwas verschlafen starre ich mit Paula aufs Wasser und wir beschließen schwimmen zu gehen. Simon checkt die Lage aus:“ Bei dem toten Fisch kann man gut ins Wasser.“ Also dann…Am toten Fisch vorbei, durch die Schlingpflanzen schwimmen mit Bergsicht. Das Wasser macht wach und trotz der zahlreichen toten Mücken auf dem Wasser fühle ich mich danach sauberer. Wir hängen noch ein bisschen in der Gegend herum, ziehen uns an, laufen los. Am Rosenfeld machen wir halt. Absolut kitschig. Rosen in verschiedenen Rosatönen und dahinter die Berge, wir pflücken einen Blumenstrauß für das Geburtstagskind Nele und Paula verschwindet auf dem Kirschbaum um uns mit Kirschen zu versorgen.

Unsere kreative Eigenkreation

Es folgt ein weiterer Einkauf im Mini Market mit Bergkäse aus Oberstdorf, mehr Kirschen, drei Broten, Aufstrichresten, Obst, Gurken, was das herz begehrt. Der Bus ist wirklich ne Legende. Wir beschließen an der Straße entlang zu laufen. Paula, Josi, Simon und Maite nehmen ein Taxi, das zufällig vorbeifährt, Bele und ich stehen in der brütenden Hitze und haben schon Angst, dass kein Auto mehr kommt, aber es kommt eins und nimmt uns sogar mit. Im Rosarium, dem Rosenpark vereinen wir uns nach einigen Verwirrungen wieder um erneut zu vespern und uns wieder zu trennen. Kuchen und Eis kaufen, SecondHand shoppen und dann treffen mit den anderen aus dem AirBnB.

Wir singen, wir suchen ein Restaurant, wir brauchen sehr lange mit der Bestellung, stressig. Ich setze mich zu den anderen auf den Rasen und wir spielen Karten. Es gibt eine riesige Runde Pizza. Gestärkt besuchen wir danach die Wein Expo. Zusammen mit Elias und Bele spiele ich Wein-Experte und wir probieren uns durch verschiedene Sorten Wein und Rakia. Auch Rosenwein ist dabei. Ein Erlebnis. Sehr süß und sehr rosig. Jetzt erstmal eine kurze Pause. Wir kaufen Wein in der Plastikflasche. Sieht sehr nach Essig aus. Ein Trauma kommt wieder zum Vorschein…

Es soll eine Parade geben, aber nach einer gewissen Zeit glauben ein paar von uns, darunter das ungeduldige Ich, nicht mehr daran und wir stellen uns lieber vor die Bühne und starten mit anderen Touristen und sehr wenigen Bulgaren eine bulgarische Tanzrunde. Die einfachen Schritte haben wir drauf. Irgendwann kommen die anderen dazu und berichten, dass wir die Parade, aus drei Wagen bestehend, verpasst haben. Sehr traurig bin ich also nicht darüber. Wir tanzen weiter. 12 Deutsche und 2 Amis starten durch, sodass nach kurzer Zeit gleich viele Menschen zu uns schauen wie zur Bühne. Was soll’s, wir haben unseren Spaß. Auch gegen die Kälte hilft das Tanzen. Wir bewegen uns in der Masse. Ein Gefühl der Verbundenheit kommt bei mir auf.

Es wird Dunkel und die Veranstaltung ist vorbei. Die AirBnBler verabschieden sich und wir sitzen alleine auf dem Boden des riesigen Platzes. Ein Bulgare läuft an uns vorbei und gibt uns die Info: „It’s very cold.“ Danke. Wir glühen noch vom Tanzen und von der verdächtigen Essigflasche. Nach ein paar schlechten Witzen brechen wir auf um eine Bar zu suchen. Die erste ist uns zu schick, als nur ein Klostopp und weiter zum „Hipe“ Club, den wir tagsüber schon gesehen haben. Im nachhinein wird mir klar, dass der Club „Hope“ Club heißt. Wir gehen die Treppe hinunter, ich bin aufgeregt. Das ist wie der bulgarische Kellerklub! Unten werden wir aufgeklärt, dass es ein Livekonzert gibt. I’m here for it! Es ist ein kleiner Raum. Ganz hinten gibt es noch ein wenig Platz. Ich hole Bier und Chips und wir sind bereit. Die Menschen hier sehen gar nicht so aus, wie typische Bulgaren. Fast alle sind sehr alternativ. Eine ganz neue Bulgarienerfahrung. Auch die Musik, obwohl auf Bulgarisch, etwas ganz Neues. Richtig gut. Ein bisschen melancholisch, bulgarisches Element of Crime, oder auch nicht. Eher auch ein wenig Mittelalter, ich weiß es nicht. Mysthisch.

Таралеща (Taraleshta)

Wir trinken Bier, essen Chips. Paula, Maite und ich stehen vor der winzigen Bühne und bewegen uns zur Musik. Ganz fasziniert schaue ich dem Akkordeonspieler zu. Ich versuche mich auf den Text zu konzentrieren. Burgas ist das einzige, dass ich herausfiltern kann. Ich schließe die Augen beim Tanzen und denke an die morgendliche Schwimmrunde und wie entspannt der gesamte Tag verlaufen ist. Ohne Stress. Dieses Livekonzert jetzt ist der perfekte Ausklang für den Tag.

Wieder geht es per Taxi zurück. Neben unseren Zelten stehen ein paar Motorräder. 6 Polen haben ihr Lager aufgeschlagen. Eine Runde smalltalk und eine Tasse Rakia später verabschieden wir uns und kriechein unsere Zelte. Die Geräuschkuliise ist skurril. Link von mir höre ich Chalga, vor mir die Grillen, rechts von mir einen schnarchenden Polen und eine sehr ambivalente Playlist und hinter mir wollen auch noch die Frösche ihren Teil beitragen. Erschöpft schlafe ich ein und schlafe deshalb vielleicht auch deutlich besser.

Von Paulas Wecker wache ich auf. Sie ist die Erste die aufbricht. Wir anderen packen gemächlich unsere Sachen zusammen, verschenken unser übriges Dosenbier und laufen zur Kreuzung, an dem eigentlich ein Taxi warten sollte. Aber war nicht so. Dann also per Anhalter. Maite, Josi und Bele müssen sich beeilen, der Zug kommt doch schon früher als gedacht. Wir teilen uns auf. Simon und ich frühstücken wieder vor dem Mini Market und beschließen auch zu trampen. Schon das erste Auto, ein Transporter, hält an, obwohl wir ihm nicht unbedingt ein Zeichen gegeben haben. Ein Mann und zwei alte, sehr freundlich guckende Frauen sitzen vorne. „Kazanlak?“ „Da.“ Er steigt aus um uns die Schiebetür zu öffnen. Wir steigen ein und finden uns umgeben von Säcken voller Rosenblüten frisch von den Feldern wieder.  Es riecht rosig. Auf beiden Seiten sind Fenster geöffnet und der Fahrtwind tut bei der Hitze so gut. Ich wünschte der Transporter würde mich bis nach Shumen weiterfahren. Wäre deutlich schneller und angenehmer als der Zug. Aber natürlich fahren wir nur bis Kazanlak. Und dort auch nicht besonders weit.

Alles ist abgesperrt für die große Parade. Wir bedanken uns und steigen aus. Menschen in traditionellen Kostümen mit Puppen an Stielen, Kinder aus Sportvereinen, Schulklassen und ganz viele Frauen mit Rosen in Körben stehen in den Startlöchern. Wir bewegen uns durch die Masse, bis Simon irgendwann auffällt, dass ich auf die andere Straßenseite muss um zum Bahnhof zu kommen. Leichter gesagt als getan. Alles ist abgesperrt und überall stehen Polizisten. Aber wir sind schon so lange gelaufen, also beschleunigen wir unsere Schritte um ans Ende der Parade zu gelangen, bevor diese sich in Bewegung setzt. Über uns mal wieder ein Feuerwerk. Die Parade beginnt und wir schlüpfen unter der Absperrung durchum auf die andere Seite zu rennen. Mission accomplished. Jetzt können wir in Ruhe und von einem guten Platz aus dem Straßenzug zuschauen. Ein Spektakel. Der Höhepunkt des Festes. Wir werden mit Rosenwasser besprüht und mit Rosen beworfen. Kindern in kommunistisch wirkenden Kostümen und mit dutzenden Medaillen behängt laufen vorbei. Auch der Turnverein von Shumen ist dabei. Alles super interessant. Der Tag verläuft nach perfektem timing. Zuerst der Rosentransport pünktlich zur Parade, dann endet die Parade auch noch genau rechtzeitig, sodass ich es zum Bahnhof schaffe um dort zu erfahren, dass die Informationen im Internet nicht stimmen und ich 2 Stunden kürzer brauche als gedacht. Sehr glücklich verabschiede ich mich von Simon, steige in den Zug und bin bal wieder vor Erschöpfung eingeschlafen. Ein Tipp übrigens für bulgarische Züge: reisen mit leichtem Gepäck ist hier nicht zu empfehlen, da man einen schweren Rucksack braucht um die oft kaputten Fenster unten zu halten. Froh über meine Wohnung, mein riesiges Bett, meine Toilette und meine Dusche genieße ich den Abend noch und gehe früh ins Bett.

Es geht wieder früh raus. Unterrichten, anschließend meinen Kühlschrank füllen. Die ganze Woche liegt ein Gewitter in der Luft. Ich spiele zahlreiche Spiele mit den 10.Klässlern, lache viel mit ihnen. Mit Soner, DeboraH und Jasmin habe ich zusammen ein Curry gekocht, Jasmin und ich haben Yoga gemacht und dabei sehr viel gelacht und es war sehr schön die drei mal wieder um mich herum zu haben und ein wenig außerhalb der Schule zu reden.

Die 11.Klässler sprechen endlich mal, ohne dass ich ihnen alles aus der Nase ziehen muss. Wir üben argumentieren. „Was ist besser süß oder salzig?“ Antwort Aleksandr: „Süß.“ „Warum? Argumente bitte.“ „Es gibt ein italienisches Sprichwort, das heißt Dolce Vita  und das heißt süßes Leben und nicht salziges Leben.“ Ich finde das ist ein sehr gutes Argument. Got me.

Ich genieße also noch ein wenig mein Dolce Vita hier und singe weiterhin das hier sehr beliebte „Corona ciao, haide ciao, haide, ciao, ciao, ciao!“ Vielleicht bringt es ja was…

Rumy – Geschichte(n) aus Bulgarien – Folge 4

Als Rumy mit mir Kontakt aufgenommen hat war ich noch in Deutschland. Sie hat mir Bilder von ihren Tieren und ihrem Haus geschickt und die hatten eine total beruhigende Wirkung auf mich. Obwohl ich aufgeregt war vor all dem Fremden wusste ich, dass ich mich bei ihr wohlfühlen werde.

Bei unseren Waldspaziergängen hat sie mir nach und nach ihre Geschichte erzählt. Die Geschichte, wie sie zu ihrem Haus am Wald kam.

Gott hat ein Stück vom Garten Eden für Bulgarien reserviert…

Das erzählt eine Legende.

Wie üblich kam der Bulgare zu spät und kam als letzter, als Gott das Land verteilte. Um sein Versprechen zu erfüllen, dass alle Nationen der Welt Land haben, stellte er ein Stück Garten Eden für die Bulgaren zur Verfügung.

Es gibt Ebenen, Tiefland, hohe Berge, abgerundete Hügel, Flüsse, Seen und Meer. Über ihnen scheint die Sonne, die mit Licht und Wärme schlummernde Samen zum Leben einlädt und Türen zur Freude gequälter Herzen und Seelen öffnet. Die reiche, vielfältige Natur Bulgariens ist sein wahrer Reichtum.

Und so verlief mein Leben bis in die fünfziger Jahre im Zentrum von Shumen, keine große Stadt, in Bulgarien. Aber die Zeit der Moskwitsch-, Lada- und Trabant-Autos ist vorbei und die Invasion des neuen Kapitalismus ist mit Hunderten von Neuwagen- und Altautomarken aus Europa gekommen…

Es war Zeit zu fliehen. Ich konnte nicht denken, ich konnte nicht an die Herausforderungen denken. Ich verließ die Wohnung im Zentrum, nahm ein paar Tüten Bücher und tauschte mein Eigentum gegen einen Schuppen neben einem hundertjährigen Walnussbaum. Dort lebten ein Eichhörnchen, ein Specht, ein Walnussfaultier und eine Familie von Eichelhähern, und die Walnuss selbst hatte eine große Mulde, was bedeutete, dass sie krank war. Und ich hatte kein Geld, um ein Haus zu reparieren, ich begann mit der Behandlung der Walnuss und mit der Pflege meines kranken alten Hundes, der jetzt einen Garten und ein Stück vom Himmel hat.

Das Haus, als Rumy dort ankam
Inga, der schiefe Kopf kommt von einem Schlaganfall. Dank der schönen Umgebung hat sie noch 6 Jahre länger gelebt und ist nach18 Jahren gestorben meint Rumy
Ohne Geld begann Rumy selbst Hand anzulegen…
…Unterstützung bekam sie von Schülern, die sie als ihre Freunde zählt und von ihrer Familie

So entstand ihr kleines Paradies in dem Menschen…
…und Tiere noch viel mehr Willkommen sind

Besonders ihr Enkel liebt es sie zu besuchen

Er liebt es Zeit mit den Katzen zu verbringen
Jetzt ist Rumy angekommen, da wo sie sein möchte: so nah wie möglich am Wald, umgeben von Büchern und Tieren

Ein Zuhause am Wald zu haben ist die klügste Entscheidung. Sie danken Gott jeden Tag, dass er Ihnen den Mut gibt, nicht dem „Standard“ zu folgen, sondern Ihrem Traum von Harmonie und Komfort in Verbindung mit der Erde, den Bäumen und anderen lebenden Bewohnern unseres Planeten zu folgen.

Das Foto zeigt Rumy vor Jahren, als sie mit Sinti und Roma Arbeitern bei einem Symphonie Konzert in Madara war.

Das Bad riecht nach Pfannkuchen (Tag 226-232)

Wenn es in Shumen regnet, dann sind wahre Akrobatikskills gefragt. Die Straßen verwandeln sich in einen reisenden braunen Strom, auf dem man locker Kanu fahren könnte. Ab und zu schimmern die Pfützen regenbogenfarbig vom auslaufenden Öl der Autos, aus denen man auch sehr gut eine dunkle Abgaswolke entweichen sieht. Eine Umweltplakette, geschweige denn TÜV hat hier niemand.

Wenn man es also geschafft hat die Straße zu überqueren ohne, dass einem das Wasser bis zum Knöchel steht, folgt die nächste Herausforderung. Ich habe es mir zur Mission gemacht zur Schule zu laufen, ohne eine Fontäne von Wasser auf meiner Hose zu verteilen. Die Sache ist nämlich die: die Platten auf dem Gehweg sind manchmal lose. Es ist wirklich ein Glücksspiel die richtigen zu erwischen. Wenn man auf eine tritt die wackelt, dann hat man eine Sekunde später den Swimmingpool unter der Platte in Schwung gebracht und kann froh sein, wenn die Fontäne nicht bis hoch ins Gesicht spritzt.

Regen ist also wirklich ein Abenteuer. Stur wie ich bin habe ich mir in beinahe 8 Monaten hier auch noch nicht einen Regenschirm gekauft. Obwohl der manchmal ganz praktisch wäre. Vorallem, da die Regenrinnen hier auf Duschkopfhöhe aufhören und man sehr gut ausweichen muss, wenn man nicht auf dem Gehweg duschen möchte.

Soviel zum Regen, der seit dieser Woche anscheinend aus Deutschland hergezogen ist und sehr unpassend kommt, wenn man eigentlich gerne campen gehen möchte.

Dafür war der ganze Mai sehr schön sommerlich. Meine letzte Woche war nachdem ich am Anfang der Woche die Clubs in Shumen ausgecheckt habe sehr ruhig, ich habe viel Schlaf nachgeholt, zu Chalga tanzen geübt,  mit den Schülern Spiele gespielt und auch ein sehr entspanntes Wochenende gehabt. Schon lange bin ich nicht mehr am Wochenende „zuhause“ gewesen. Da ich Elena lange nicht mehr gesehen hatte, habe ich sie gefragt, ob wir am Samstag ein bisschen Zeit miteinander verbringen wollen.

So sind wir durch Shumen gelaufen, haben die alten Häuser angeschaut, an der Brauerei vorbei, bis zum Kyoshkovete Park. Das letzte Mal als ich dort war lag noch Schnee. Dieses Mal wurden gerade die Autos aufs Karusell geschraubt, in einer riesigen Metallwatte gab es Zuckerwatte zu kaufen, eine alte Frau hat den neusten Plastikscheiß für Kinder zum Verkauf angeboten, also eine ganz normal bulgarische Parkatmosphäre.

Zu den Geräuschen der Brauerei sind wir die Parkallee entlanggeschlendert, haben die schön bemalten Bänke bestaunt und den Tierpark erkundet. Der wird gerade umgebaut und ich hoffe es wird besser danach. Man kann Tauben bestaunen, davon habe ich aber schon echt genug im Zentrum. Es gibt Ziegen, Hasen und ein Huhn.

Dann sind wir richtig in den Wald gestartet. Keine Geräusche mehr, außer das Vögelgezwitscher. Die Luft im Wald nach dem Regen himmlisch. Wir haben uns unterhalten und irgendwann hat Elena gemeint, dass wir auf dem falschen Weg sind. Also ging es einen steilen Hang hinunter, Abkürzung. So abenteuerlich habe ich mir Elena gar nicht vorgestellt. Sie hat von früheren Zeltabenteuern gesprochen. Wir haben über die richtige Topfgröße für Tomaten- und Gurkenpflanzen gesprochen und sind irgendwann an einer kleinen Brücke angekommen. Dahinter eine Höhle, daneben eine Quelle. Heiligenbilder in Steinfelsen. Elena hat immer wieder auf die Uhr geschaut und meinte: „So, jetzt ist es an der Zeit Hunger zu haben.“ Also war es an der Zeit Hunger zu haben. Wir sind zum Restaurant im Park gelaufen und haben sehr lange die Speisekarte studiert und dann eine Menge bestellt. Woraufhin der Kellner meinte, dass wir bestimmt keinen Nachtisch mehr schaffen. Er sollte Recht behalten…

Nach Ewigkeiten habe ich mal wieder die von der Farbe einem Spülmittel sehr ähnlichen Limonade getrunken. Es gab eine riesige Platte mit gedünstetem Gemüse, Палинка (Palinka) Knoblauch- und Sirene(Feta)Brot , Brokkoli mit Sirene, superlecker. Beim Essen wurden wir immer langsamer und langsamer, bis Elena meinte: „also das lohnt sich jetzt auch nicht mehr mitzunehmen. Das müssen wir aufessen.“ Also Hosenknopf auf und weiter.

Für Nachtisch und Bier haben wir uns für ein anderes Mal verabredet. Ich habe mich so wohl gefühlt. Es war eine super entspannte Stimmung. Kaum Menschen, alles grün. Auch Elena hat den Ausflug sehr genossen und mehrmals betont wie gut ihr das Laufen getan hat. Der Tag war also ein voller Erfolg. Zurück in meiner Wohnung ein bisschen lesen auf dem Balkon. Dann nochmal los, weil ich unbedingt Schokolade kaufen musste.

Am Sonntag bin ich einfach losgelaufen. Ohne Plan durch die Stadt. In eine Gegend in der ich noch nie war. Bin intuitiv immer abgebogen, wenn es sich richtig angefühlt hat, habe Tagebuch geschrieben auf den Eingangstreppen einer verlassenen Schule, Eis und Bier gekauft, neues Shumenskobier, das fast so schmeckt wie deutsches Bier.

Jetzt aber zu meinem Bad voller Überraschungen. Meistens riecht es ganz neutral. Ein leichter feuchter Betongeruch, soweit ich das erfassen kann, den ich sehr liebe. Aber manchmal wenn ich ins Bad komme, dann riecht es nach Zigarettenrauch, Waschmittel, Shampoo, oder eben auch mal nach Pfannkuchen. Wird wohl was mit der Lüftung sein. So bin ich immer up to date was meine Nachbarn gerade so machen: rauchen, Wäsche waschen, duschen, kochen.

Der Regen macht müde. Trotzdem habe ich ein paar interessante Diskussionen mit den Schülern geführt, diveres bottleflips hautnah miterlebt, ich werde weiterhin von allen Seiten immerzu gegrüßt, wodurch ich mich sehr beliebt fühle und die Schule ist wieder voller leben.

Heute habe ich ein Paket bekommen. Und obwohl ich ja immer sage, dass ich kein Zeug brauche, bin ich trotzdem immer wieder sehr neugierig und habe einen neuen Rekord aufgestellt. Von der Schule nach Hause in 13 Minuten.

Mein Rucksack ist auch schon wieder gepackt. Ich habe mir fest vorgenommen morgen den frühen Zug zum Rosenfestival zu nehmen und weiß jetzt schon, dass ich in ein paar Stunden gar nicht mehr so motiviert dafür sein werde. Aber mein Schlafrhythmus muss sich dringend ändern, da ich nächste Woche ein paar Mal zur ersten Stunde habe.

Ein paar andere Alltagsbeobachtungen: Bulgarien hat ein gravierendes Problem. Es gibt einen enormen Wassereismangel! Ich weiß nicht wie lange ich das noch aushalte…Das Softeis, welches neben den Maiskörnern am Straßenrand verkauft wird, wird in 10Liter Wasserkanistern geliefert. Interessant. Diese Woche wurde morgens wieder der Parkplatz im Zentrum geräumt für eine Kranzniederlegungszeremonie. Ich habe keine Ahnung worum es diesmal ging. Außerdem haben die Abiturienten mal wieder neue schicke Kleider angezogen, nochmals Autos gemietet um ein Hupkonzert zu veranstalten. Ich weiß nicht wie oft sie im Mai gefeiert haben.

So, Zeit fürs Bett. Lekar Noscht! (Süße Träume)