Rumy – Geschichte(n) aus Bulgarien_Folge 1

Wir sind wie die Zellen eines Körpers – des kosmischen Körpers unserer Welt – Sterne, Galaxien, lebende, leblose Systeme. Und alle Menschen, so unterschiedlich sie sind, pochen in einem universellen Puls und messen den Rhythmus der Sanduhr der Welt.

 

Ich bin Rumy, ich wurde in Bulgarien am Ufer der Donau geboren. Der gleiche Fluss, der aus dem Schwarzwald in Deutschland entspringt. Es soll der Beginn eines Baches sein, der im Schloss „Fürstlich Fürstenbergisches Schloss“ bei Donaueschingen entspringt, wo Adolf Heer 1895 über der erbeuteten Quelle im Schlosspark eine skulpturale Komposition errichtete.

Die Skulptur zeigt Mutter Baar – den Namen des Plateaus, auf dem sich die Quelle befindet. Mutter Baar weist den Weg zur jungen Donau. Ich bin sicher, dass Mutter Baar sich Sorgen um die junge Donau gemacht hat. Und die Donau sammelt ihr Wasser in mehr als 14 Ländern.

Sie konnte nicht anders, als mich zu kennen. Als kleines Mädchen verbrachte ich viel Zeit im damals klaren Wasser der Donau. Wir Kinder wagten es, die Hügel zu beobachten, die von den Wellen zu unseren Füßen gefaltet und von tanzenden Sonnenstrahlen durchschnitten wurden. Und in den Muscheln, so groß wie unsere Handflächen, sammelten sich alle Farben des Regenbogens in ihrem Perlmutt!

 

Sie können nicht zweimal in denselben Fluss treten … jetzt ist der Fluss anders, schlammig und zieht sein Wasser hart.

Mutter Baar weist den Weg zur jungen Donau, aber der Fluss reicht mit seinem Wasser nicht aus, um uns in einem Kreis des Friedens und des Teilens zu verbinden.

Bulgarien liegt auf dem Balkan. Das Wort „Balkan“ bedeutet Berg, aber in der öffentlichen Rede der reichen europäischen Länder ist es ein Schimpfwort. Es ist mit Barbarei, Elend und Blut verbunden. Diese strategisch zwischen Ost und West gelegenen Länder auf dem Balkan sind der Apfel der Zwietracht zwischen den Großmächten. Und sie, die Großmächte, verteilen sie, verteilen sie neu, kämpfen um Einfluss, um Macht. Und so häufen sich in den endlosen Kriegen und Auseinandersetzungen Wut und Hass zwischen Serben, Bulgaren, Griechen, Türken, Rumänen, Kroaten, Albanern, Slowenen …

Aber zurück zu meiner Geschichte, bevor ich geboren wurde.

Wusstest du, dass die ersten beiden Fürste von Bulgarien Deutsche waren? Der erste hieß Batenberg und war nicht lange an der Macht. Der zweite, Ferdinand Maximilian Karl Leopold Maria von Sachsen-Coburg und Gotha, regierte das Land 31 Jahre lang zusammen mit kurrupten bulgarischen Händlern.

Bulgarien ist in eine Reihe von wahnsinnigen, endlosen Kriegen verwickelt.

Und jetzt werde ich endlich sagen, was das mit meiner Geschichte zu tun hat, bevor ich geboren wurde.

Meine Vorfahren väterlicherseits lebten in Thrakien, das nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches zur Türkei gehörte.

Eine Million Bulgaren blieben nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und der Zerlegung und Neuordnung der Gebiete auf dem Balkan durch die Großmächte hinter den Grenzen Bulgariens zurück.

Und als der Balkankrieg aufflammte, während der Prinz und die Generäle träumten, erhaben von dem Ehrgeiz, Konstantinopel / Istanbul, zu erobern, begann ein Massaker an der bulgarischen Bevölkerung in diesen Ländern.

Mein Urgroßvater wurde gehängt. Meine Urgroßmutter und ihre Kinder konnten zusammen mit 100.000 Flüchtlingen aus den Gebieten entlang der Grenzen zur Türkei, nach Griechenland und Serbien fliehen.

Meine Familie väterlicherseits überlebte und erreichte die Grenze Rumäniens. Sie beschlossen, nach Russland zu fliehen. Damals war Russland das freundliche Wort und die große Hoffnung für die Bulgaren.

Aber zu dieser Zeit, nach dem Balkankrieg, fanden sich Banditenbanden zusammen. Die versprochenen Boote, um den Fluss zu überqueren, warteten nicht auf die Flüchtlinge. Eine Bande von Räubern kam. Meine Vorfahren versteckten sich im Wald, ließen aber das Baby, meinen Großvater Stoyan, in einem Karren, eingewickelt in Stroh, um nicht von seinem Gebrüll verraten zu werden. Das Baby schlief ein. Die Räuber, die mit Bajonetten im Karren gruben, verschonten ihn…

Deshalb wurde ich geboren. Wenn Baby Stoyan nicht überlebt hätte, dann hätte ich nie die weise Donau zu sehen bekommen und könnte jetzt nicht von Bulgarien erzählen.

Aber Stoyans Mutter, meine Urgroßmutter, noch erschöpft von der Geburt, starb unterwegs. Sie liegt in einem jahrhundertealten Wald in Dobrogea (Grenzgebiet Rumänien/Bulgarien) begraben. Alles, was übrigbleibt, ist eine Erinnerung an diese Wälder, die jetzt in riesige Felder verwandelt wurden.

Als sie in das Dorf Kamentsi kamen, trennten meine Verwandten eine Ziege, von der Herde und sie fütterten meinen Großvater Stoyan. Die Ziege weinte sogar um ihn. Sie kehrte vom Weiden und Blöken zurück und wollte zum Baby gebracht werden. Man könnte sogar sagen, dass diese süße Mutterziege eine Verwandte von mir ist.

 

Mein Urgroßvater mütterlicherseits, ebenfalls Stoyan, war Dudelsackspieler. Seine Musik nahm den Menschen die Sorgen und Ängste und führte sie in eine andere himmlisch schöne Welt.

Aber der Erste Weltkrieg brach aus. König Ferdinand und die weisen Adligen liehen sich fünfhundert Millionen Mark aus Deutschland. Bulgarien kämpfte auf der Seite Deutschlands. Auf der Seite der Verlierer.

Auf dem Balkan begannen neue Spaltungen und Kürzungen. Und leider ist meine Familie immer noch an einer umstrittenen Grenze, jetzt mit Rumänien.

Es gab einen offiziellen Befehl, die umstrittenen Grenzgebiete zu „entvölkern“. Mein Urgroßvater Stoyan wurde gefangen genommen, er war ein kluger, aufmerksamer Mann, und zusammen mit anderen rollten rumänische Soldaten sie auf dem Dorfplatz gefesselt, ritten auf Pferden über sie hinweg und trampelten auf sie ein, bis sie starben. Meine Großmutter, benannt nach ihrem Vater, Stoyana, war damals fünf Jahre alt. Sie zitterte, schluchzte und ihr ganzes Leben lang bis zu ihrem Tod hörte sie Tag und Nacht die Stimme ihres Vaters: „Tanya, gib mir Wasser!“

Zu dieser Zeit war der Name „Stoyan“, „Stoyana“ sehr beliebt – es bedeutet „widerstehen“ – die Magie des Überlebens auf dem Balkan, um allem „zu trotzen“.

Nach dem Ersten Weltkrieg, als die Menschen in Europa dachten, dass kaum jemand an einen Zweiten Weltkrieg denken würde, brach der Zweite Weltkrieg aus. Mein Vater wurde mobilisiert und sollte nach Berlin gehen… Er erreichte die Donauquelle nicht. Und wieder hat mein Glück funktioniert – er überlebte.

 

Nun, mit diesem Glück, die Donau sehen zu können und 60 Jahre in Bulgarien zu leben und Karla kennenzulernen …

Wie man meine Geschichte fortsetzt – erfahren Sie in der nächsten Folge.

 

Autorin: Rumyana Simeonova

Übersetzung: Soner Rufiev

Probier’s mal mit Gemütlichkeit (Tag 149-155)

7 Uhr. Ich wache auf. Die Sonne scheint in mein Zimmer. Die Wände vibrieren von aufheulenden Motoren vor meinem Balkon. Ich bemerke, dass es viel zu früh ist und kuschle mich in meinen Schlafsack + Decke. Schön warm. 8:33 Uhr. Wecker klingelt. Liegen bleiben bis 8:40 Uhr, realisieren, dass ich mich beeilen muss. Aufstehen, Balkontür öffnen, frische Luft, Wasserkocher anmachen, aufs Klo gehen, Laptop anschalten, Tee trinken auf dem Balkon. Die Sonne genießen. Wieder reingehen. Link suchen für den Online-Unterricht, Word-Dokument oder Powerpoint öffnen. Warten, bis ich von der Lehrerin eingelassen werde. Schüler begrüßen, ein bisschen reden, etwas erklären, Deutschlandquiz, Kahoots, Grammatik, Aufgabe zum Schreiben geben, Stillarbeit, während die Schüler schreiben lese ich mein Buch und beantworte Verständnisfragen, gemeinsam die Sätze der Schüler richtig aufschreiben, loben, wieder ein wenig reden, Präsentationen der Schüler anhören, Fragen beantworten, Hausaufgabe geben, verabschieden.

Bequeme Hose ausziehen, Jeans anziehen, frühstücken, merken, dass ich seit Wochen nur Porridge esse, beschließen endlich mal wieder Brot zu kaufen um mein heißgeliebtes Hagebuttenmarmeladebrot aus Kindheitstagen essen zu können. Mit Soner verabreden zum Einkaufen. Zähne putzen, Einkaufszettel schreiben, Maske nicht vergessen, beeilen, weil Soner immer pünktlicher wird und ich immer unpünktlicher.

Aus dem Einkaufen wird doch eine längere Beschäftigung. Zuerst zur Bank gehen, dann zu Lidl. Einkaufswagen besorgen, weil der jetzt obligatorisch geworden ist (Covid-19 Maßnahme). Vor Lidl warten, weil wir die 10:30 Uhr Regel total vergessen haben. Zuschauen, wie die Ü 65 Rentner an uns vorbei und in den Lidl reingehen dürfen, als ob es ein Exklusivclub ist. Sogar mit Security vor dem Eingang. Langsam bildet sich hinter uns eine immer längere Schlange. Uuuuuuund go! Alle drängen auf den Eingang zu. So muss sich black friday anfühlen. Endlich drinnen. Ärger mit Soner bekommen, weil mein Einkaufszettel nicht auf Bulgarisch ist, alles in den Wagen legen, mickriger Einkauf, durch die Wühltischabteilung gehen, es gibt so viele Sachen, die man vielleicht doch gebrauchen könnte. Und da ist auch schon was! Eine Wärmeflasche, etwas, dass ich Jasmin eigentlich zu ihrem Geburtstag schenken wollte, aber zum jetzigen Wetter passt es viel besser, rein in den Wagen.

Vor dem Lidl warten Debora und Andreya. Debora kommt mit uns mit zu JYSK. Wir suchen neue Möbel aus mit und für Soner. Auf dem Weg bekommen die beiden einen Lachflash, wegen etwas, was ein Mann hinter uns gesagt hat. Ich habe natürlich nix verstanden und will unbedingt wissen, was so lustig ist. Anscheinend der Name, den er gerufen hat. Bei JYSK all die schönen Dinge anschauen. Sofas testen. Debora will sitzen bleiben, aber dann entdecken wir den Massagesessel. Abwechselnd testen wir die verschiedenen Funktionen durch und haben den Spaß unseres Lebens bis Soner kommt und sagt, dass wir zu laut lachen und peinlich sind. Wir schauen uns noch ein bisschen um und machen uns dann auf die Jagd nach dem nächsten heißbegehrten Einkaufswagen um bei Billa reingelassen zu werden. Debora fastet seit gestern (Ostern ist in der Orthodoxen Kirche erst Anfang Mai). Ein Tag ohne Fleisch ist schon sehr hart gewesen für sie. Aber wir unterstützen sie natürlich mental und beim Einkaufen für ihre 40 Tage Vegan-Ostern-Challenge.

Nächster Stopp: Schreibwarenladen Nummer 1. Soners Obsession für Druckerpapier. Er achtet sehr auf die Qualität des Papiers und nun beginne ich tatsächlich auch Unterschiede zu bemerken. Mir zu liebe möchte er Recyclingpapier ausprobieren. Gibt es nicht, also: Schreibwarenladen Nummer 2. Reingehen, sprechen Deutsch, die Verkäuferin gleich: ah Karla. Ich verwirrt. Soner spricht mit ihr. Ihr Sohn geht in die 8.Klasse, die ich unterrichte. Klar, kleine Stadt, überall trifft man immer jemanden, der irgendwen auf irgendeine Weise kennt. Wieder kein Recyclingpapier, und auch kein qualitativ hochwertiges Papier. Also: zurück zum Schreibwarenladen Nummer 1. Papier kaufen.

Letzter Stopp: Bäcker. Endlich! Mein Brot! Duftet gut. So viel leckeres Gebäck. Soner erklärt mir, wie ich korrekt bestelle. Ich bin stolz auf mich, aber werde es bestimmt wieder vergessen. Einkaufsaktion vorbei.

Heimgehen. Einkäufe verstauen, kochen, während das Essen kocht Ideen für den Unterricht am nächsten Tag überlegen, essen, Unterricht vorbereiten, Online-Stunde halten. Wir diskutieren über ein Thema, ich stelle Fragen. Manchmal kommt erstaunlich viel zurück, manchmal schweigen. Lerne neue Ansichten der Schüler. Inspirierend. Sie stellen mir Fragen. Diskussionen machen mehr Spaß, als Grammatik erklären.

Raus gehen, durch die Stadt laufen, Fotos machen von Dingen, die skurril oder schön sind. In den Park gehen, sitzen, lesen, Leute beobachten.

Mit Jasmin verabreden, etwas zu spät losgehen, weil sie zwar auch pünktlicher wird, aber doch nicht so sehr wie Soner. Laufen zusammen zum Beautystudio. Zeit fürs Augenbrauen zupfen. Unsere Augenbrauen wachsen ja jetzt im gleichen Takt. Überreiche ihr die Wärmeflasche. Jasmin Geschenke geben macht Spaß, weil sie sich immer so sehr freut. Schaue zu, wie ihre Augenbrauen gemacht werden, sitze in der Ecke in dem bequemen Sessel. Total behutsam werden Jasmin Schmerzen zugefügt. Hat etwas sehr geborgenes und ist total meditativ und entspannend, hätte ich nie gedacht. Kurze Zeit später bin ich an der Reihe. 10 min., ein tränendes Auge und zwei neue Augenbrauen später, bin auch ich fertig. Zahlen, verabschieden, gehen.

Zuhause putzen, Abendessen vorbereiten, frustriert sein, weil es nicht so klappt, wie ich wollte, weitere Unterrichtsideen überlegen, mit Lehrern schreiben, Tagebuch schreiben, ganz viel Tee trinken, sehr oft aufs Klo müssen, Yoga machen, telefonieren oder lesen. Musik hören. Zähne putzen, Jalousien zumachen, Wärmflasche zubereiten (meine Spezialität), bei Kerzenlicht lesen, Wecker stellen, schlafen.

 

Mein typischer Tagesablauf. Die voll automatisierte Routine. So sieht mein Alltag aus und obwohl es nichts besonderes ist, manchmal anstrengend, ist es doch erstaunlich zufriedenstellend. Total simpel und trotzdem macht es mich so glücklich. Ich freue mich über meinen Tee jeden morgen, neue Musik, die ich entdecke, neue Läden, gute Ideen für den Unterricht.

Am Anfang war es schwer für mich, mich mit dem Online unterrichten abzufinden. Aber nachdem nun zum zweiten Mal wieder alles online ist, habe ich gelernt, die Situation so zu akzeptieren. Obwohl ich immer noch im analogen besser bin, muss ich eben meine Komfortzone verlassen und viel am PC arbeiten. Auch der neu gegründete DeutschClub findet digital statt. Gerade deshalb bin ich so froh, dass die Schüler trotzdem Interesse haben, daran teilzunehmen. Neues Projekt mit neuen demokratischen Ideen. Bin sehr gespannt, wie sich das entwickelt.

Letzten Freitag haben wir morgens bei Debora Tee getrunken und unser erstes organisatorisches Meeting gehabt. Da lag noch Schnee. Am Samstag dann zweistellige Temperaturen. Schon ein bisschen erschreckend. Ich habe mit Nilyay die herausragende Kunst im Studentski Park angeschaut und wir haben über unsere Zukunft, umziehen, Studium geredet.

Als Kunstkenner kann ich sagen, der kommt mal ganz groß raus

Dann hat sie mir die prunkvollsten Häuser der Stadt gezeigt.

Wir saßen auf einer der absolut coolen Schaukeln und ich habe ihr deutsche Wörter beigebracht.

Nach meinem sonntäglichen Frühstück auf dem sonnigen Balkon, habe ich kurzerhand beschlossen ein Picknick zu machen. Also alles eingepackt und los gings! Allerdings habe ich den Weg etwas unterschätzt. Dazu noch 8 Motorradfahrer, die den Weg zu einem Acker umgepflügt haben und dazu meine Strumpfhose mit einem hübschen Dreck-Matsch-Muster besprenkelt hatten. Idylle perfekt. Den Matsch-Schneeberg hochrutschen, im Wald verlaufen, und dann endlich den einzigen Orientierungspunkt finden, den ich habe: der Baum, auf dem sich Rumy manchmal entspannt und liest. Ab da ein Kinderspiel. Endlich angekommen an meinem Picknickort. Die Aussicht genossen. Musik aus Schumen gehört, Hundegebell, Vogelgezwitscher, Autos. Schumen = laut. Kein Witz, Schumen heißt wirklich wortwörtlich „laut“. Habe die Sonne vielleicht ein wenig zu sehr genossen. Leichter Sonnenstich.

Bergabstieg, vor einer etwas beklemmenden Höhle angehalten. Davor war es so kühl. Absurder Moment. Fast schon sommerlich mediterrane trockene Hitze, mit dem Duft von Kiefern in der Luft und dazu diese Kühle der Höhle und ein paar Häufchen Schnee auf dem Boden.

Vor meinem Block habe ich mich dann auf die freie Bank gesetzt und gelesen. Eigentlich ist die oft besetzt von den älteren Bewohnern. Aber ich hatte Glück.

Ein wunderschöner Sonnentag perfekt für ein paar Shumen-Impressionen
Zum Beispiel die einfallsreiche, sehr lange Einfahrt in die Гараж. Und zwischen den Spuren wird der Platz sogar noch zum Gemüseanbau genutzt. Ich liebe es!

Realisiert, dass die Hälfte meines Freiwilligendienstes jetzt offiziell vorbei ist. Connor und Tom sind zurück in Deutschland, die neuen Freiwilligen sind angekommen und wir sind alle ein wenig sentimental geworden. So viele Erlebnisse und Erinnerungen in diesen ersten 5 Monaten. Ich freue mich so sehr auf die nun folgenden 5 Monate. Online oder nicht. All die Dinge und Orte, die mir die Schüler noch zeigen wollen. Alles was ich noch lernen werde. Ich habe noch so viele Ideen und das Gefühl, viel zu wenig Zeit zu haben.

Aber ich versuche, mich nicht stressen zu lassen und alles bewusst zu genießen. Die Zeit geht leider so schnell rum. Woche für Woche bin ich überrascht, dass schon wieder eine Woche vorbei ist. Ich bin viel entspannter geworden und habe bemerkt, dass gerade im Moment, nicht alles so läuft, wie man das gerne hätte. Die Dinge brauchen mehr Zeit, oder es gibt eine totale Planänderung. Von heute auf morgen, neue Maßnahmen, Dinge gehen wieder oder nicht mehr. Alles ist unsicher, deshalb ist es so schön, diese Alltagsroutine zu haben. Genügsam und gelassener werden. Macht das Leben echt einfacher. Früher hätte ich total gehetzt, um schnell meinen Einkauf hinter mich zu bringen. Und jetzt lasse ich mir Zeit, entdecke neue Dinge, stresse mich weniger und zusammen Einkaufen wird zum neuen zusammen einen Ausflug machen oder einen Film schauen. So viel Zeit zu haben, nachzudenken, Dinge zu beobachten und wertzuschätzen. So zufrieden war ich noch nie mit meinem Tagesablauf. Es ist schön so gemütlich zu leben. Jeden Abend die Lichtverhältnisse und Sonnenuntergänge von meinem Balkon aus zu betrachten und mich mehr und mehr in Bulgarien zu verlieben.

 

Aprilwetter im März, dem Monat der Feste (Tag 141-148)

здравейте!

Der Monat der Feste. Die zweite Märzwoche hat begonnen und es geht kaum ein Tag vorbei, an dem nicht massenhaft Blumen verkauft werden. Zuerst war am 1. März Baba Marta, die hier für das „Aprilwetter“ im März verantwortlich ist, am 3. März dann der Nationalfeiertag und letzten Montag Weltfrauentag, der hier so wie Muttertag gefeiert wird.

Zurück zum Nationalfeiertag. Feiertag = keine Schule. Aber ich war trotzdem den ganzen Tag beschäftigt. Vor jedem Denkmal der Stadt, und Schumen hat sehr viele Denkmäler, wurden Blumen gelegt. Traditionell zwei Nelken. Das war schon mein erster Fauxpas, denn ich hatte nur eine…

Vor der Schule gab es dann auch noch eine Zeremonie. Musik vom Band, ein Schüler trug die Flagge von Bulgarien, ein anderer Blumen. Die Mädchen standen als Zierde daneben. Fand ich ein wenig altmodisch.

Dann wurde die Nationalhymne abgespielt, Gedichte vorgetragen und der Direktor hielt eine Rede. Im Anschluss wurden noch zahlreiche Fotos gemacht und sowieso wurde während der ganzen Zeremonie ein Livestream für Instagram gemacht. Danach hat Soner noch ein Video mit mir, unabhängig vom Fest, aufgenommen. Aber das mussten wir am nächsten Tag nochmal filmen, zu schlechte Qualität.

Die Cafés und Restaurants haben jetzt wieder geöffnet, also wollten Soner und ich uns irgendwo hinsetzen, aber alles war rappelvoll. Also sind wir bis zum „Wiener Garten“ gelaufen und haben dort Pizzen zum Mitnehmen bestellt.

Ich habe една малка пица хавай без жунка bestellt. Und was gibt es besser, als auf einer Parkbank, bei strahlendem Sonnenschein und riesigem Hunger, Pizza zu essen? Das war der Himmel! Dann ging es ab zum Sprachkurs und dann auch schon wieder los ins Zentrum, zum Kristall. Auch auf Bulgarisch wird der Ort Kristall genannt. Eine Art Kreuzung, mit Parkplatz, der leer war, weil dort die große Zeremonie stattfand. Wir haben uns zu der Menschenmasse gestellt, ein Orchester hat Marschmusik gespielt, da kamen Dorffesterinnerungen auf. Jedoch bin ich aus Deutschland nicht so viel Patrotismus gewöhnt. Alles neu und aufregend. Bulgarienfahnen wurden verteilt und das Militär ist in voller Montur aufmarschiert. Dazu noch eine Gruppe von Männern in traditioneller Uniform und alles sehr feierlich.

Die Menschen haben sich dort versammelt um später festlich die Blumenkränze zum Denkmal zu tragen

Traditionelle Uniform und dazu noch ein Lächeln direkt in die Kamera

Es wurden ein paar militärische Übungen gezeigt und dann wurden wieder Gedichte vorgelesen und im Anschluss die Namen von jedem Revolutionär, Helden,…, der Bulgarien zu dem Land gemacht hat, das es heute ist. Auch wenn an anderen Tagen die Leute oft ihren Missmut über Bulgarien, wirtschaftliche und politische Probleme mir gegenüber äußern, habe ich am 3.März doch sehr genau miterleben können, wie stolz die Bulgaren auf ihr Land sind. Wie dankbar sie den ganzen Schriftstellern, Professoren, Politikern, … sind. Dann sind alle Leute in die Hocke gegangen um ihre Dankbarkeit und ihren Respekt zu zeigen. Eine schöne Geste. Überhaupt ist mir am 3.März dieser große Unterschied zu Deutschland aufgefallen. Solche Zeremonien wären in Deutschland undenkbar. Aber gerade diese Dankbarkeit für Revolutionäre hat mir wirklich sehr gut gefallen. Obwohl es von Musik her und Uniformen, könnte bei uns auch an Karneval so aussehen, sehr ähnlich zu Deutschland war, habe ich trotzdem einen Teil der bulgarischen Kultur kennengelernt.

Nach der Zeremonie gab es noch ein ziemliches lautes Feuerwerk. Danach bin ich voll mit neuen Eindrücken und Reizüberflutung nach Hause gegangen.

Mit Bulgarisch schlag ich mich so mehr oder weniger durch. Teilweise werde ich dazu gezwungen zu sprechen. Soner hat eie Art Schnitzeljagd für mich in der Schule organisiert und ich musste zu verschiedenen Lehrern, Schulpersonal und dem Direktor gehen und auf Bulgarisch Fragen stellen. Alle waren eingeweiht und am Ende habe ich mein Geschenk: Blumen, bekommen.

Soner, mein persönlicher Dolmetscher, Assistent und Google in einem. Am Donnerstag habe ich bei ihm Hagen und Blanka kennengelernt. Zwei deutsche Auswanderer und wir haben gemeinsam Bulgarisch gelernt.

Was war sonst noch so los? Am Samstag war es superkalt. Soner und ich saßen trotzdem im Café und haben ein Projekt geplant, bis mir so kalt wurde, dass wir zu dm gegangen sind um uns aufzuwärmen. Wir haben Katzenfutter gekauft und ein paar Straßenkatzen gefüttert.

Ich war auch endlich mal in dem Bio-unverpackt-Laden mit Viki. Es gab sehr viel Körner/Getreide/Samen. Da muss ich noch ein bisschen Bulgarisch lernen, bis ich dort weiß, was ich eigentlich kaufe. Wie es die Tradition bei Viki und mir will: wenn es regnet, dann gehen wir zu Mania. Zuerst habe ich gar nichts gefunden, aber dann haben Viki und ich richtig angefangen zu stöbern, bis mir irgendwann fast der Arm abgefallen ist. Zum Glück stand ein leerer Korb ganz in der Nähe.

Wir waren so vertieft ins Klamotten suchen, dass die zwei damenlosen Körbe einfach so in der Gegend herumstanden und mehrmals von Mitarbeitern zur Seite geräumt wurden

Bei Mania findet man wirklich wahre Schätze. Als nichts mehr in unsere Körbe gepasst hat, sind wir in die Umkleidekabinen gegangen. Ein erfolgreicher Shoppingtrip! Materielles macht eben doch glücklich. Neuste Erkenntnis. Habe sogar eine neue Jeans gefunden die passt. Ein Wunder! Davor hat die einer Marta gehört. Der Name ist reingestickt. Sehr interessant. Die meisten Klamotten kommen als „Spenden“ aus Deutschland, ich kaufe Mania leer und Re-importiere die Sachen im August wieder nach Deutschland. Da schließt sich der Kreis.

Sonntag war meditativer Putztag. War echt mal wieder nötig. Ein Tag ganz für mich allein, ohne Termine. Hätte nie gedacht, dass ich mal so glücklich und zufrieden bin, nur allein in meiner Wohnung zu sein. Im Moment lese ich die Bücher für die Lesefüchse im Akkord. In den letzten 4 Tagen 2,5 Bücher. Ich bin selbst ganz erstaunt.

Weltfrauentag wird hier auch nochmal heftiger gefeiert, als in Deutschland. on zuhause kenne ich Weltfrauentag als etwas, das erwähnt wird, Demonstrationen, ein politischer Tag. Hier schenkt man den Frauen ähnlich wie am Muttertag Blumen um sich dakbar zu zeigen. Ich war echt die einzige Person, die nicht mit Blumen in der Hand durch die Stadt gelaufen ist.

Beim Monument war ich auch endlich mal wieder. Viel zu lange her. Das sagt auch meine Kondition. Soner wollte allen ernstes die Treppen hochjoggen. Nicht mit mir! Ein ganz kurzes Stück sind wir oben gelaufen, aber ich war echt völlig fertig.

Ich habe auch etwas entdeckt, was mir sehr großen Spaß macht: Schüler mit langen deutschen Wörtern zu schocken. Darüber können wir immer wieder lachen. Ich über ihre schockierten Gesichter und sie aus Verzweiflung. Meine Top 2: Versicherungsfachangestellte und Nasennebenhöhlenentzündung.

Im Moment bin ich total im Alltag angekommen und fühle mich so wohl und zuhause, wenn ich die Nachbarn grüße und nach einem langen Tag meine Wohnung betrete. Meine Tage sind so gefüllt mit Erlebnissen und Begegnungen. Trotz Stress und obwohl es mir manchmal passiert, dass ich mich total verplane und Verabredungen zur gleichen Zeit ausmache, fühle ich mich doch entspannt und genieße die Sonnenstunden und Gespräche.

Mit Rumys Hilfe habe ich nun auch Paletten für meinen Balkon bekommen. Luxus-Lieferung mit dem Taxi und Transport in den 1.Stock. Aus meinem trostlosen Balkon wird jetzt hoffentlich ein kleines Paradies.

Da in Bulgarien das Aprilwetter im März passiert, muss ich aber noch ein wenig warten auf Balkonmomente. Heute ist richtig ekliges kaltes Regenwetter. Aber vor ein paar Tagen konnte ich tatsächlich in der Sonne auf dem Balkon frühstücken. Ein richtiges highlight, worauf ich mich die letzten Monate so gefreut habe und es sehr herbeigesehnt habe den Balkon zu nutzen. Ich hoffe, dass ich den Balkon bald in meinen Alltag integrieren kann.

Kleiner Tipp noch zum Schluss: Wenn man Schokolade zu einer Flasche mit heißem Tee in die Tasche legt, dann verändert die Schokolade ihren Aggregatszustand von fest zu flüssig und das Ergebnis verdampft auch leider ncith, weshalb ich jetzt meine Tasche, meinen Block und USB-Stick von Schokolade befreien muss…

Neues vom Nachbarbalkon (Tag 134-140)

здравейте!

Ich habe gerade so viele Aufsätze/Erörterungen korrigiert, dass ich tatsächlich selbst Lust bekommen habe eine zu schreiben, meine ehemaligen Deutschlehrer vieeeel besser verstehen kann, weil man echt irgendwann gar nicht mehr weiß, was man da eigentlich gerade liest und zu guter Letzt habe ich deshalb jetzt das Bedürfnis diesen Text hier besser zu strukturieren.

In diesem Beitrag möchte ich über drei Ereignisse der Woche schreiben und natürlich noch einfach so ein paar Quatschgedanken.

Also als Erstes ein paar Impressionen meines Wochenendausflugs mit Schülern der 8. Klasse nach Preslav, der ersten Hauptstadt Bulgariens. Die Stadt ist etwa 30 Minuten von Shumen entfernt und eine Famlienfreundin einer Schülerin war so freundlich uns dort hinzukutschieren. Treffpunkt war am sonnigen Samstag um 10 Uhr vor der Schule. Maria war schon da und Danelia, samt Auto kam auch pünktlich. Dann noch Nesche und wir waren so gut wie vollständig. Nur auf Gabriel mussten wir noch warten. Unser Gespräch war ein bisschen stockend, smalltalk, aber ein bisschen Bulgarisch habe ich auch verstanden. Wir haben Witze gemacht, dass alle Schüler der Klasse entweder mit nach Preslav kommen, in Varna shoppen sind, oder in der dominikanischen Republik Urlaub machen (ein Schüler). Wir haben Gabi angerufen und waren uns sicher, dass er noch am fortnite spielen war. Doch dann hielt ein Auto hinter uns – der langersehnte Gabi? Nein, eine Frau mit zwei Mädchen, die uns fragte, ob wir nach Preslav fahren, ja. Die anderen waren sichtlich genauso irritiert wie ich und hatten keine Ahnung wer diese Fremden sein könnten. Dann kam endlich noch ein Auto: Gabi samt Bruder und Eltern. Aufklärung: die drei im anderen Auto sind Familienfreunde und die beiden Familien sind im Anschluss nach Varna weitergefahren.

Also bei strahlendem Sonnenschein ab nach Preslav. Mit Danelias Hilfe ging es einmal im Carré um ein Wohnviertel mit ziemlich steilen Straßen. Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung was wir dort gesucht haben. Jedenfalls ging es dann aus der Stadt raus und ins nahegelegene Kloster Patlejna. Unterwegs nochmal ein kurzer Stopp, bis die nun vier Autos alle beieinander waren. Eine weitere Schülerin plus Mutter übernahmen die Rolle der Reiseleiter. Am Kloster angekommen – Totenstille. Außer ein paar Vögel, absolut idyllische Urlaubsstimmung. Dann habe ich erstmal ein Kompliment für meine Docs bekommen von Gabis Mutter. Da war sie mir natürlich sofort sympathisch. Vorallem weil es dann später noch superleckeres Käsegebäck gab. Im Kloster habe ich dann ne Runde Kerzen ausgegeben und dann ging es auch schon weiter zur Festung (крепоцт Krepost) von Veliki Preslav. Gabis Vater hat mir auf Englisch ein bisschen über Bulgariens Geschichte, Tempelritter usw. erzählt. Echt spannend. Dann haben sie sich verabschiedet für ihren Wochenendtrip, natürlich nicht ohne mich einzuladen mitzukommen in ein Spa mit heißen Quellen. Ich habe dankend abgelehnt und gesagt ein anderes mal gerne.

Also Tschüss Hälfte der Gruppe, und nur noch der weibliche Teil blieb übrig. Es gab eine Einführung über das Gelände auf Bulgarisch und einen Anruf der Deutschlehrerin, die sich vergewissern wollte, dass die Schüler auch ganz viel Deutsch sprechen. Klaro. Geschichtliche Ereignisse in einer Fremdsprache zu erklären, die man gerade mal ein halbes Jahr lernt, ganz schön anspruchsvoll, aber mittlerweile habe ich so halb nen Durchblick über die ganzen Zare und Khane.

Die goldene/runde Kirche

Dann ging es noch weiter ins Museum mit Tresorraum in dem ein Goldschatz aufbewahrt wird. Das Museum ist voll mit Scherben, Schmuck und Werkzeugen. Funfact aus der Region: überall wo gebaut wird findet man irgendetwas von den Römern, Thrakern, Goten oder einem anderen Volk. Das geht so weit, dass manche Privatleute einfach wieder alles zuschütten, bevor sie eine Ausgrabungsstätte im Vorgarten bekommen.

Das Panorama in der Region ist traumhaft. Ich dachte, dass ich im Flachland wohne, dabei sind die Berge gar nicht mal so weit entfernt.

Aus dem Souvenirshop wurden mir gleich noch ein paar Andenken gekauft. Sehr süß. Und die Mädchen bringen mir bald ein paar bulgarische dancemoves bei.

Dann wurde ich gefragt, ob ich nicht noch nach Pliska, die zweite Hauptstadt Bulgariens möchte. Klar! Zwei Hauptstädte an einem Tag und damit war ich jetzt in allen Hauptstädten Bulgariens. Pliska liegt 20 Minuten auf der anderen Seite von Shumen. Also ging es auch dort noch ins Museum.

Die Sonne hat mich ganz träge gemacht, obwohl es erst 16 Uhr war, als wir zurück in Shumen angekommen sind, war ich echt fertig von den viele Infos, aber auch echt beeindruckt, wie gut man sich doch verständigen kann mit einem noch kleinen Wortschatz.

Auf dem Heimweg bin ich durch eine volle Fußgängerzone voller Martinitsi Stände gelaufen, dazu gleich mehr.

Ich habe ein paar Nachrichten auf dem Handy beantwortet und plötzlich auf Facebook eine Meldung bekommen: ein Foto von meinem Ausweis. Geschockt bin ich stehengeblieben.

Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich meinen Ausweis verloren habe, kurz darauf aber festgestellt, dass mein kompletter Geldbeutel nicht mehr da ist. Kurz hatte ich richtig bammel. Die Nachricht, die ich bekommen habe war auf Bulgarisch und nachdem klar war, dass der Geldbeutelfinder nur Russisch als Fremdsprache kann, war ich gezwungen die Angelegenheit auf Bulgarisch zu klären. Ich habe den Geldbeutel in Pliska verloren, aber zu meinem großen Glück wohnt der Typ in Shumen um die Ecke.

Also hatte ich meine Sachen nach 4 Stunden wieder zurück. Meine ganzen Karten waren sogar nochmal extra gesichert in meinem Münzfach verstaut worden. Ihm war wohl klar, dass mir öfter was aus dem Geldbeutel fällt. Ich bin echt sehr erleichtert, dass alles so gut gegangen ist. Er wollte mich sogar noch nach Hause fahren, aber ich wollte mein Glück nicht noch mehr herausfordern an diesem Abend.

What a day. Ereignisreich, voller chaotischer und schönen Momente.

Am Sonntag bin ich dann mal wieder mit Viki zusammen Rumy besuchen gegangen. Wie schon vermutet, gab es wieder Baniza, Tee und Obst. Viki hat ihre Martinitsi Materialien ausgepackt und kurz darauf waren wir beide auch schon im meditativen Jenseits des Knüpfens verschwunden, während Rumy für die richtige Stimmung gesorgt hat. Entspannungsmusik, noch mehr Tee und Kekes und später auch noch Wein mit Kräutern. So eintspannt habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Rumy hat ihr komplettes Haus auf den Kopf gestellt und von überall noch mehr Material gebracht. Einzelne Ohrringe, Steine, Muscheln, Wolle, Perlen, …Viki hat uns ihre verschiedenen Techniken gezeigt und kurz darauf war Rumy klar, dass wir das perfekte Team bilden und einen workshop machen sollten.

Unser eigentlicher Grund für den Besuch war ein Waldspaziergang um die Frühlingsblumen zu sehen. Von Rumy wurde ich gleich mit einer ganzen Auswahl an Mützen konfrontiert, nachdem ich ihr erzählt hatte, dass ich meine verloren habe. Nora und Sara (Rumys Hunde) waren auch mit von der Partie. So ging es rauf aufs Plateau. Die friedlich Stille wurde nur von zwei Mopedfahrern gestört, die die Waldwege unbedingt matschig machen wollten. Da war es dann vorbei mit der Beobachtung von Rehen. An Rumys und mittlerweile auch meinem Lieblingsplatz angekommen, haben wir die Aussicht auf die Festung und die in der Sonne liegende Stadt genossen. Rumy im Gras liegend, wir auf einem Baumstamm sitzend. Vitamin D dankend und friedlich schweigend. Immer wieder habe ich es hier im Gefühl: an diesen Moment werde ich mich erinnern. Und diese Momente kommen so viel öfter und spontaner als gedacht.

Auf dem Rückweg hat Rumy noch Müll eingesammelt, die gute Waldfee. Dann haben wir noch ein bisschen gebastelt und geredet, über die große Leidenschaft, die uns drei verbindet: Zeit alleine mit sich zu verbringen. Genau das habe ich dann abends gemacht.

Ästhetik a la Karla: zerflossenes Wachs auf einem Arbeitsblatt mit Reflexivpronomen, der Tisch wurde nicht ganz gerettet…
Noch mehr ramontische Kerzenästhetik

Süßkartoffel-Spinat Curry Kombi gekocht, YouTube videos geschaut, Yoga gemacht und mal wieder realisiert, wie cool es doch meistens ist, alleine zu wohnen.

So nach diesem erholsamen Wochenende war gestern Честита Баба Марта (Glückliche Großmutter März). Ein bulgarisches Fest, dass ich jetzt noch ein bisschen erklären möchte. Nach einer Internetrecherche und nachfragen bei allen möglichen Leuten, denke ich, dass ich es jetzt verstanden habe.

Am 1.März schenkt man hier Freunden und Familie die typischen weiß-roten Armbänder (Martenitsi). Die Armbänder sollen baba marta milde stimmen, damit sie es nicht schneien lässt. Außer Armbänder gibt es auch noch Broschen, die man an diesem Tag trägt. Der Tag wird auch verkörpert von den zwei Figuren Pischo und Penda.

Ob als Whatsappgruß…

 

…auf dem Kreisverkehr…
…oder von den Nachbarskinder gebastelt im Flur, begegnen einem die Figuren überall.

Man wünscht seinen Lieben Gesundheit und Glück für das kommende Jahr. Sie stehen für Fruchtbarkeit. Oft werden sie beim ersten Frühlingszeichen, bspw. einem Storch, an einen Baum gehängt, oder unter einem Stein versteckt. Oder nach einem Monat, also am 1.April. Wenn man das Armband abmacht/aufhängt, darf man sich etwas wünschen. Das ist der Grund warum hier eigentlich überall das ganze Jahr über rote und weiße Armbänder in den Bäumen hängen. Am Anfang habe ich mich schon sehr gewundert.

Kleiner Scherz, der zwischen mir und Sophia entstanden ist. Das ist natürlich keine festliche Dekoration

Also meine Google-Recherche hat ergeben, dass es diese Tradition auf dem ganzen Balkan gibt. Der Ursprung ist nicht eindeutig. Für uns ist Baba Marta am ehesten mit Frau Holle gleichzusetzen, die nochmal den letzten Schnee bringt und dann kommt der Frühling.

Ich habe mich sehr auf mein erstes bulgarisches Fest gefreut, doch gestern war irgendwie überhaupt nicht mein Tag. Wie das manchmal so ist hat einfach nichts so geklappt wie ich wollte. Da war es umso schöner den ganzen Tag beschenkt zu werden. Vorallem mit meiner großen Armbandleidenschaft. Sogar vor meiner Tür lagen Armbänder von meinen Nachbarn. Das hat meinen Tag definitiv gerettet.

Ein typisches Handgelenk am ersten März
Die weniger ästhetische, dafür umso nervigere andere Seite

Aus Umweltgründen werde ich natürlich nicht alle meine Armbänder in der Natur verteilen, aber eins muss schon sein, um der Tradition willen.

In einem Päckchen mit Armband war auch dieser kleine Zettel. Ich dachte es wäre eine Glückskeksweisheit, aber nachdem Soner es für mich übersetzt hat wurde ich doch ein bisschen enttäuscht.

Dort steht: „Richte deinen Pony/deine Frisur, denn du wirst in den Spätnachrichten gezeigt“ Erstmal ziemlich stupide, aber dann auch wieder doch ganz passend, weil der Zettel offenbar in die Zukunft schauen kann. Soner hat mir dann nämlich erzählt, dass er am Mittwoch, Bulgariens Nationalfeiertag, ein Interview mit mir aufzeichnen möchte, also wird es höchste Zeit für mich meine Frisur zu richten, oder mir einen Pony zu schneiden.

So, das war mein Wochenupdate. Fehlt nur noch das update vom Nachbarbalkon. Ich mach so ein clickbaiting, aber da der Balkon so gut ankommt, musste es sein. Aus Datenschutzrechtlichen Gründen möchte ich nicht von meinen Nachbarn dabei beobachtet werden wie ich ihren Balkon fotografiere. Außerdem möchte ich nicht die Fantasie von jedem zerstören, der sich diesen wundersamen Balkom vorstellen möchte.

Also werde ich mal wieder einfach nur mit Worten beschreiben, was sich nun auf dem Balkon abspielt. Wurst und Kuscheltiere wurden ersetzt von einer Bulgarienflagge. Ich denke, die wurde passend für den morgigen Nationalfeiertag gewaschen und hängt dort nun zum Trocknen.

Gestern war mein erstes bulgarisches Fest. Die Armbänder waren wirklich überall, eine wichtige Tradition. Ich bin aber gespannt, wie viele Menschen die Armbänder auch eute noch wirklich tragen. Morgen gibt es dann schon die nächsten Zeremonien, Reden, Blumen an Statuen und Feuerwerke zu sehen. Schulfrei, aber trotzdem eine Veranstaltung an der Schule. Ich bin gespannt.

хубов ден! (schönen Tag noch 🙂