Zdraveyte,
der Titel, der die vergangene Woche gut zusammenfasst heißt wörtlich übersetzt oben-unten (gore-dolu).
Es ist, als ob nochmal ein ganz anderes FSJ für mich begonnen hat. Am DOnnerstag bin ich ganz schwer aus den Federn gekommen. Denn es ist nun nicht nur wieder Präsenzunterricht, zum Halbjahr haben auch die Schichten gewechselt und die 8. Klasse mit der ich viel mache hat nun vormittags Unterricht. Für mich heißt das also im Dunkeln aufstehen und am Donnerstag eben auch, im Nebel, Hitchcock-reif von den rufen der Raben (okay es waren Möwen) begleitet auf zur Schule.
In der Schule dann mein erstes „gore-dolu“. Da sich die Schüler so lange nicht gesehen haben waren sie ganz aufgeregt. Geräuschpegel Presslufthammer und nicht wie gewöhnlich in meiner Wohnung, in der ich während des Online-Unterrichts nur ab und zu meine Nachbarn habe hämmern hören.
Es müssen sich eben alle an die neue/alte Situation gewöhnen. Also gab es erst einmal eine Märchenstunde mit eigens geschriebenen Märchen. Dann wurde das etwas triste Klassenzimmer noch mit den Bildern zu den Märchen verschönert.
Außerdem habe ich jetzt ein eigenes Klassenzimmer für Sprechstunden bekommen. Dort erkläre ich den Schülern, die Hilfe mit etwas brauchen, in der Pause Grammatik oder helfe bei Präsentationen. Super interessant sich in einem kaudawelsch auf deutsch-englisch-bulgarisch zu verständigen.
Bisher ist noch keine wirkliche Routine eingekehrt und ich switche eher von Klasse zu Klasse, stelle mich vor, spreche über Karneval in Deutschland und überlege mir Spiele. Der Kopierer und ich werden auch so langsam Freunde.
Aber schon jetzt habe ich gemerkt, dass es mich viel mehr erfüllt vor der Klasse zu stehen, trotz Lautstärke, und ihnen etwas am Whiteboard zu erklären, auch wenn ich da wohl eher wie eine verrückte Professorin draufschreibe. Ich habe also jetzt mehr zu tun. Nach meinen Stunden setze ich mich gegenüber der Schule in dem Stadtgarten auf eine Bank, esse mein Frühstück, eine Birne, und lese die Bücher für das Projekt der Lesefüchse.
Da ich jetzt so früh aufstehe, bin ich doch tatsächlich von der Sonne angenehm gewärmt auf der Bank eingenickt. Gerade ist das Wetter wirklich traumhaft und ich bin viel mehr draußen. Am Freitag soll es aber wieder eisig werden. Ich kann nicht sagen, dass ich mich darauf freue wieder im Kühlschrank zu wohnen.
Ich sammle weiterhin erste Male. So zum Beispiel, habe ich jetzt zum ersten Mal meine Augenbrauen professionell zupfen lassen. Jasmin war als meine Übersetzerin dabei. Alles was ich so verstanden habe war nur ein Kompliment für meine Augenbrauen. Während ich also mit geschlossenenen Augen und erstaunlich wenig Schmerzen, also mit großer Entspannung, auf der Liege lag, habe ich dem Gespräch von Jasmin und der Kosmetikerin gelauscht und mir die Unterhaltung zusammengedichtet. Ich lag gar nicht mal so falsch.
Bei einem Spaziergang mit Soner, Lora und DeboraH (eigentlich heißt sie Debora, aber ich habe es das letzte Mal falsch geschrieben und sie liebt das H also bekommt sie das jetzt wieder :), haben wir uns Fragestellungen für die DSD-Mappen überlegt. EIne ganz schön große Heruasforderung. Wir sind schnell abgeschweift zu kommenden Ereignissen wie dem Martenitsa-Basar, den die Schüler an der Schule veranstalten wollen um die selbstgemachten Armbänder passend zum Fest zu verkaufen, dem anstehenden Valentinstag, an dem auch gleichzeitig der Tag des Weins gefeiert wird (je nach Beziehungsstatus) und haben auch schon Pläne gemacht mit den Fahrrädern in Deboras Dorf zu fahren.
Lora hat mir von ihrem Traum Tierärztin zu werden erzählt. Ich freue mich immer, wenn die Schüler mir ihre Träume und Pläne erzählen. So inspirierend.
Am Samstag war das Wetter so schön. Eigentlich wollte ich nur in einen nahegelegenen Park gehen um zu lesen, aber kaum, dass ich draußen war, habe ich mich von der Stadt treiben lassen und habe mich vom Zentrum entfernt. Ich war in einem ruhigen Wohnviertel mit kleinen Läden, Opas mit ihren Enkelkindern auf der Straße, der Geruch von Fleisch und frischer Wäsche in der Luft. Einfach nur das Gehen, Riechen und Sehen war so schön.
Ganz zufällig bin ich bei der Arena von Schumen vorbeigekommen. Deren Existenz hatte ich völlig vergessen, da ich sie nur einmal im Dunkeln gesehen habe. Aber sie ist ganz neu.
Also habe ich mich dort auf eine Bank gesetzt und gelesen. Wieder zuhause zurück habe ich vor lauter Frühlingsenthusiasmus angefangen aufzuräumen und das erste Mal auf meinem Balkon gegessen.
Der ist leider meistens im Schatten, weshalb es dann doch etwas kalt war.
Ein Erfolgserlebnis der Woche war auf jeden Fall noch, dass ich es endlich geschafft habe mir an einem Kaffeeautomaten eine heiße Schokolade rauszulassen und rechtzeitig das richtige Zuckerlevel einzustellen! Das hat mich wirklich sehr stolz gemacht.
Woran man noch merkt, dass es Frühling ist? Meine Nachbarn haben nun kein Fleisch mehr auf dem Balkon hängen, sondern haben auch mit dem Frühjahrsputz begonnen. Jetzt hängen lauter Stofftiere auf der Leine.
Es ist auch echt schön alle Kollegen wieder zu sehen und generell das Schulpersonal, mit dem ich mich mehr oder weniger gut mit Zeichensprache verständigen kann. Und wenn es mal keinen Nebel gibt, dann ist es wirklich wunderschön bei Sonnenaufgang zur Schule zu laufen. Die Stadt erwacht erst langsam, wenn ich mich mittags auf den Heimweg mache, dann gibt es keine freie Bank mehr in der Fußgängerzone. Alles besetzt von den Senioren der Stadt.
Mittlerweile bin ich etwas genervt von den aufgemotzten Autos und Motorengeräuschen. Es ist, als ob sie aus dem Winterschlaf erwacht sind. Bei jedem zeigen sich die Frühlingsgefühle anscheinend anders.
Heute war ich nach dem Unterricht mit der jüngsten Lehrerin, Veselina, den besten Duner (Döner) der Stadt essen. Der Dönermann konnte sogar ein bisschen Deutsch. Sehr cool. Dann waren wir noch im historischen Museum. Super groß, hätte ich nicht gedacht. Bald kenne ich mich besser mit bulgarischer, als mit deutscher Geschichte aus. Leider war nicht alles auf Englisch übersetzt und für Veselina war es auch schwierig mir DInge wie „Streitwagen“ zu übersetzen. Auch gut, dass mein Gehirn einfach mal ein bisschen mehr denken muss. Veselina hat jedenfalls Feuer gefangen und freut sich meine Reiseleiterin zu sein. Sie plant schon den ersten Ausflug. Ich bin gespannt.
Da ich im Bulgarischkurs jetzt endlich mal alle Zahlen bis 1000 geübt habe, fällt es mir auch deutlich leichter auf dem Markt einzukaufen. Lebensschule, die Verkäufer probieren mir auch immer noch ein neues Wort beizubringen.
Ich freue mich schon auf die nächsten Stunden und Gespräche mit den Schülern.
Alles gore-dolu, aber so mag ich das ja auch, wenn ich ab und zu eine Pause habe.