Meine Woche begann mit meinem wirklichen ersten Tag in der Schule. Nachdem mir vor Aufregung ganz heiß geworden ist, nicht die beste Eigenschaft in einer Zeit in der am Eingang Fieber gemessen wird, und ich erst einmal im Schatten abkühlen musste, ging es für mich das erste mal ins Schulgebäude. Keine Sorge, ich habe kein Fieber, meine Temperatur war nur leicht erhöht, aber ich habe gegoogelt und herausgefunden, dass viele Menschen eine Körpertemperatur von 37 Grad haben und das kein Grund zur Besorgnis ist. Jedenfalls hat Elena mir dann die Bibliothek, das Lehrerzimmer, die Toiletten und Klassenzimmer gezeigt und dann gign es auch gleich schon in die erste Klasse. Ich war ein bisschen nervös vor der Klasse zu stehen. So als ob man ein Referat halten muss. Aber ich habe mich nur kurz vorgestellt und in der Stunde, die wirklich sehr schnell rumging, zugehört. Während die Schüler Deutsch gelernt haben, habe ich versucht mir das ein oder andere Wort auf Bulgarisch aufzuschreiben, dass die Schüler erwähnten.
Nach der Stunde habe ich dann die anderen Deutschlehrerinnen kennengelernt. Alle waren sehr freundlich und wollten mich gleich mit in ihre Klassen nehmen. Also bin ich mit in die 8. Klasse gegangen. Die Schüler lernen erst seit diesem Schuljahr Deutsch, aber es ist leicht smalltalk zu machen. Ich habe also ein paar Worte und Sätze an die Tafel geschrieben und es war schön zu sehen, wie die Schüler langsam auftauten und einer mir sein Lieblingswort gesagt hat: „Faulenzen“. Ein wirklich gutes Wort. Nachdem ich sehr viele Fragen beantwortet habe, unter anderem welche Musik ich gerne höre und diese dann auch prompt auf dem Handy eines Schülers abgespielt wurde, habe auch ich mich entspannter gefühlt. So von Stunde zu Stunde zu hetzen und dann erst im Dunkeln nach Hause zu gehen war aber schon sehr stressig für den ersten Tag. Ich hatte ganz neue Erlebnisse zu verarbeiten.
Besonders, als ich abends noch erfahren habe, dass auf meinen ersten Schultag wohl auch gleich mein vorerst letzter folgen würde. Die nächsten zwei Wochen gibt es nämlich online Unterricht. Da habe ich mir dann doch kurz Sorgen gemacht, was die Situation für mich bedeutet. Am nächsten Tag war ich dann aber eben doch noch einmal in der Schule. Diesmal in den DSD Klassen, den Deutsch-Leistungsklassen. Ich war sehr beeindruckt vom Anspruch der Präsentationsthemen der 12. Klässler. Sie haben noch diesen Monat ihre Prüfung über Dinge wie Sterbehilfe oder die Auswirkungen von gleichgeschlechtlicher Partnerschaft auf die Kinder. Sehr interessant also. In der 11. Klasse wurde ich dann von einem Schüler gefragt wo genau ich denn jetzt herkommen würde. Zuerst war ich ein bisschen irritiert über die Frage, aber als dann herauskam, dass seine Tante praktisch in meinem Nachbarort liegt konnten er und auch ich es kaum fassen. Zufälle gibts.
Da ich noch kein Internet hatte, die Betonung liegt zum Glück auf hatte, saß ich am nächsten Tag allein im Lehrerzimmer um ein paar Ideen zu sammeln und Dinge zu organisieren. Am Nachmittag habe ich mich dann mit zwei Schülern getroffen. Soner und Jasmin. Zuerst waren wir etwas trinken und später noch etwas essen. Uns haben die Muskeln in den Wangen wehgetan vom Lachen. Ein gutes Zeichen. Ich wurde gleich wieder eingeladen zum Essen. Da habe ich natürlich nicht Nein gesagt.
Den nächsten Vormittag habe ich zwei nervenaufreibende Stunden bei zwei verschiedenen Internetanbietern mit Elena und zeitweise auch ihrem Mann Emil verbracht. Eine schwere Geburt war das einen Vertrag zu bekommen, den man auch wieder kündigen kann. Danach waren wir so erleichtert und ich so erschöpft und im Zeitstress, dass ich kurzerhand beschloss, das Wochenende über in Schumen zu bleiben und nicht wie geplant, oder auch eher ungeplant, mit den anderen Freiwilligen nach Plovdiv zu fahren. Ich muss sagen, es hat wirklich sehr gut getan. Kochen, lesen, meditieren, allein sein.
Halloween habe ich dann passend mit Viki auf dem Friedhof verbracht. Auf dem Weg dorthin hat sie mir von ihrer Begeisterung für tiny houses erzählt. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Der Friedhof ist sehr weit außerhalb der Stadt, aber es hat gut getan ein wenig zu laufen. Jetzt zur Friedhofsanalyse: es stehen sehr viele Bäume auf dem Friedhof. Sehr schön.
Auf den Grabsteinen sind meist Fotos der Verstorbenen. Daran musste ich mich gewöhnen.
Manchmal steht ein Tisch an oder im Grab, damit man verweilen kann. Etwas, dass gruselig ist: wir haben tatsächlich Doppelgräber entdeckt, bei denen auch der Name und das Geburtsdatum der noch lebenden Person schon eingraviert ist, sodass nur noch das Todesdatum hingeschrieben werden muss. Makaber, ein Grab zu besuchen, auf dem schon der eigene Name steht. Der Kontrast zwischen trübem Herbstwetter und leuchtenden Blumen hat es mir jedoch so sehr angetan, dass ich gerne wieder auf den Friedhof gehen würde.
Aufgrund von sehr starkem Regen haben wir dann Schutz in einem Secondhand-Laden gesucht. Danach waren wir noch in einem Cafe, und als es noch immer nicht aufhören wollte, sind wir im strömenden Regen zu meiner Wohnung gelaufen um uns dort an einer Tasse Tee zu wärmen und herauszufinden was mit meiner Klimaanlage nicht stimmt. Viki hat es schnell herausgefunden. Stecker sind dafür da, dass man sie in die Steckdose steckt.
Tags drauf war ich wieder mit ihr verabredet und mit Elenas Sohn Simeon. Wir haben einen Spaziergang gemacht, ich habe Insider-Strandtipps bekommen und türkische Backwaren gekauft. Nachdem ich diese gegessen habe, musste ich erst einmal googlen wie viele Bulgaren Diabetes haben. Im Moment bin ich zu müde, aber ich werde es auf jeden Fall noch mit einer deutschen Statistik vergleichen.
Heute morgen habe ich dann auf die Techniker gewartet. Die Zeit habe ich damit verbracht alle Möbel zu verrücken um an eine zweite Steckdose zu kommen. Intuitives Feng-Shui.
Trotz Sprachbarriere lief dann alles glatt mit den Technikern und viva la vivacom, ich habe WLAN! Deswegen habe ich einen Freudentanz aufgeführt. Ganz schön umständlich im Jahr 2020 ohne Internet zu leben. Eine noch größere Freude, als ich entdeckt habe, dass es in Bulgarien noch die Serie friends auf Netflix gibt.
Nach dem Mittagessen bin ich dann mit Nilyay, ihr erinnert euch, das Mädchen, das auch beim Müll sammeln dabei war, in die frisch renovierte Moschee gegangen. Der Mann dort hat gleich erkannt, dass ich Deutsche bin und mir alle Infos über die Moschee auf Deutsch gegeben. Wir waren beide verzaubert von der Schönheit der Moschee. Danach waren wir noch lange spazieren.
Jetzt am Abend habe ich gleich mein WLAN sinnvoll genutzt und hatte ein sehr romantisches Candle-Light-Dinner mit Johanna und Sophia, die in Brasov, Rumänien, ihr FSJ machen. Sehr schön nicht allein essen zu müssen.
Das muss ich sowieso nur morgen noch. Am Mittwoch kommt Josi vorbei und wir stürzen uns in neue anstrengende Abenteuer, die es aber total Wert sind. Ich bin gespannt was wir alles erleben. Im Moment haben wir absolut keinen Plan…
Dowisch dane!
Achso, was diese Woche sonst noch so los war?
Das wars auch schon.
Also mit deinem Kopftuch in der Moschee siehst du aus wie deine Mama. Unglaublich deine ganzen Erlebnisse. Liebe Grüße Irina
Ich möchte nochmal 20 sein. Sehr schöner Bericht. Stelle ich mir witzig vor eine Serie auf bulgarisch. Gibt’s vielleicht extra für mich mal ein Bild von einer Synagoge oder jüdischem Friedhof? Kannst gerne auch mal mit uns Abendessen. VlG Marit
Hallo Karla, wieder sehr schön deine Erlebnisse zu lesen. Fast wie live am Küchentisch.
Liebe Grüße, Andi.