Männer mit Bierbäuchen und Pilzkörbchen

Mir ist aufgefallen, dass ich Stereotype sehr gerne verwende und amüsant finde. Bei meiner Beobachtung handelt es sich aber nur um ein paar Begegnungen, die ich in den letzten Wochen hatte. Ich habe zwar durchaus viele Männer mit Bierbauch und Pilzkörben gesehen, aber auch sehr viele sehr sportliche Menschen. Sport, Bier und Pilze, alte Wälder, diverse Landschaft. Das kommt mir beim Gedanken an Tschechien in den Kopf.

Meine Sommerreise dieses Jahr war gar nicht so lang, aber es fühlt sich schon wieder an wie ein ganzer Monat.

Vor nichtmal 2 Wochen sind Lisa, Samu und ich nach Prag gefahren. Zug und Bus. Im dunkeln in Prag angekommen. Es war noch warm und in der Ferne ein Gewitter. An der Metrostation hat uns Vaclav, den ich vom Erasmus in Riga kenne, abgeholt und wir haben in seiner fancy Wohnung übernachtet. Ein bisschen wollten wir uns noch die Beine vertreten.

Wie immer ist Vaclav selbstbewusst über jede rote Ampel gelaufen. Wir haben uns das Zentrum angeschaut, aber waren schon sehr fertig. Lisa hat gefühlt im Laufen schon geschlafen. In der Wohnung war es sehr heiß, aber wir haben trotzdem gut geschlafen.

Am nächsten Tag war unser erster Stop Krankenhaus. Wie vor drei Jahren in Bulgarien, hatte ich nämlich wieder Ohrenschmerzen. Was in Bulgarien eine Sache von einer halben Stunde war, hat sich in Prag aber über den Tag hinweg gezogen. Zuerst falsches Krankenhaus. Privatklinik in der ich 100€ hätte zahlen müssen. Dann richtiges Krankenhaus, 2 Stunden Wartezeit für eine Minute Behandlung um den Dreck aus meinem Ohr zu holen und danach wieder warten auf irgendeinen Zettel. Bis herauskam, dass sie den Zettel verloren haben und die Frau, die dafür zuständig war schon nach Hause gegangen ist.

Mit den Nerven am Ende, aber um die Ohrenschmerzen erleichtert also mit dem Bus zum Busbahnhof. Dort 20 Minuten Umstiegszeit, also schnell einkaufen gehen. Google maps hat uns davor schon ganz natürlich durch verschiedenste Einkaufszentren geschickt. Anscheinend immer gute Abkürzungen. In diesem Einkaufazentrum hat ma aber echt fast ein Fahrrad gebraucht. Gefühlt sind wir kilometerweit gelaufen um zum Supermarkt zu kommen. Mit fokussiertem Blick haben wir einen sehr produktiven Einkauf hingelegt und nur Sauerkraut vergessen.

Letztendlich hatten wir dann noch so viel Zeit, dass wir das am Bahnhof kaufen konnten. Die Bushaltestelle war schon an den Leuten zu erkennen. Leute, die auf ein Zirkusfestival fahren erkennt man meist an diversen Zirkusgegenständen wie Kegel oder Hula-hoop Reifen, sowie dreads.

40 Minuten Busfahrt und dann nochmal 20 Minuten laufen. Dann waren wir da.

Auf dem ehemaligen Militärgelände mit Bunkern und verschiedensten Genäuden, die dort selbstgebaht und dauerhaft bewohnt werden, sowie einem Zirkuszelt und Essensständen. In der Mitte ein Hügel mit Funkmast. Wie schön endlich den Rucksack abzusetzen. So viele extrovertierte Menschen. Ich war ziemlich erschlagen vom Tag und hab erstmal in Ruhe einen Platz im Wald gesucht für unser Zelt. Dann noch das Gelände erkunden. In einem Bunker war ein Laser-Labyrinth, was ich so halb gemeistert habe. Danach arbeiten am Stand vom teahouse von Helen und Andy. Das war mir zuerst viel zu chaotisch, aber man kommt schnell rein wenn man entspannte KollegInnen und Kunden hat. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal so viele bacon sandwiches machen würde. Nach 22 Uhr sind wir noch ein bisschen rumgelaufen. Feuerspuck-show und live-musik bis 5 Uhr morgens. Wir waren vor 12 im Bett.

Die Tage am Festival verschwimmen schon jetzt in meinem Kopf. Trotz vieler Menschen und Dauerlärm konnte ich auch ganz gut entspannen und lesen. Das Arbeiten hat Spaß gemacht. Ich habe bei einem Bauchtanz workshop und intensivem Yoga mitgemacht. Die Duschen waren rar und kalt. Das Wasser oft leer. Da steht man dann eingeseift und muss so zum Waschbecken laufen. 10 nackt , die sich einen Gartenschlauch teilen um sich notdürftig zu waschen. Das war schön auf dem Festival, zu sehen wie frei alle sind mit ihren outfits und ihrem Wesen. Nicht ganz meine Welt von den Leuten her. Ich habe so viele Gespräche über das Universum gehört, aber okay.

Samu hat jeden Tag einen riesigen Pott Curry oder Dal gekocht. Das haben Lisa und ich dann verkauft. Patricias leckere Cookies zählten ab Freitag zur festen Tagesmahlzeit. Es gab immer etwas zu beobachten.

Lisa hat ohne Ende geslacklined und wir haben alle ohne Ende geschwitzt und unsere Köpfe nass gemacht.

Es waren Leute aus den verschiedensten Ländern da. Euro in Kronen umrechnen und wieder zurück war eine Herausforderung, die uns allen schwer fiel.
An unserem Stand haben wir ein Schild ausgehängt um jemanden zu finden, der in den Norden fährt. So haben wir Dave kennengelernt und uns mit ihm für Montag mittags verabredet.

Am Abend davor waren Samu und ich draußen vor dem Gelände, schön das auch mal zu verlassen. Komisch so lange in so nem kleinen Gebiet zu sein. Wir haben grunzende Geräusche gehört und ich war mir so sicher, dass es ein Wildschwein ist, aber wir haben nichts gesehen.
Also am Montag haben Lisa und ich uns von Samu verabschiedet, der noch bei Helen und Andy geblieben ist und sind mit Dave Richtung Norden gefahren. Die fast perfekte Mitfahrgelegenheit. Wir hatten das gleiche Ziel. Allerdings war David voll müde. Wir haben ihm Cola und Eiskaffee eingeflöst, weshalb wir viele Pinkelpausen gemacht haben. Dann haben wir geredet und mit seinem mp3 Player Musik gehört.

3 Stunden später hat er uns auf dem Pass zur polnischen Grenze abgesetzt. Um 18 Uhr sind wir losgelaufen. Den tschechisch-polnischen Grenzweg. Auf riesigen Steinen führte der Weg entlang. Links Tschechien, rechts die Weite von Polen. Aufs Klo gehen zwischen duftenden Latschenkiefern und Heidelbeeren. Felsen bewachsen mit der Landkartenflechte. Ein Boulderparadies für Lisa. Laufen bis zum Shelter. Das war ziemlich voll, aber wir haben ja unser Zelt. Die einseitige Ernährung begann. Linsen und Nudeln. Sehr lecker. Die Luftfeuchtigkeit war enorm hoch. Alles war Klamm und kalt. Bald wurde es dunkel und so neblig, dass man nicht mal einen Meter nach Vorne gesehen hat. Die Nacht war sehr kalt. Die kälteste Nacht insgesamt.

Am nächsten Tag weiter. Ahoj, anstatt Servus. Ab und zu noch ein polnisches Czesc. Die Landschaft echt der Wahnsinn. So toll duftend nach Kräutern und Nadelbäumen. Den Geruch spüre ich bis in den Bauch.

Pflanzenbestimmung unterwegs. Weite weiche Hügel auf der polnischen Seite. Felsige Klippen, viele große Steine, die unser Weg waren.

Die Suche nach Wasser trieb uns runter vom Berg. Die Elbquelle eine Baustelle mit matschigem Wasser in dem die Bauarbeiter ihr Bier kühlten. Wir weiter runter. Bis in den Skiort Harrachov. Frisches Wasser aus einem Restaurant, einkaufen und weiterlaufen. Immer noch ein Stück weiter. Bis zu einem Fluss mit ein paar Pensionen. Lisa hat gleich gefragt ob wir dort im Garten schlafen dürfen.

Baden, Wandertipps abholen und Bier ablehnen, frisches Wasser, Klo und Dusche und mal wieder ins Zelt gekuschelt lesen und früh schlafen.

Waden mit krassem Muskelkater, schmerzende Hüften vom Rucksack, aber kommt man einmal wieder in den flow von laufen, reden, schweigen, dann geht es auch wieder. Einen eher langweiligen Weg, aber dafür durch den Wald hach nach Jizerka.

Die Wälder in Tschechien, so alt und ursprünglich. Bäume, die auf großen Steinen wachsen. Der Geruch von Pilzen. Immer wieder tauchen Menschen mit ihren Körben voller riesiger, wunderschöner Pilze auf.

Dann kommen wir in Jizerka an. Viele Tagestourristen. So hoch liegt es nicht. Es sieht eher nach Schwarzwald oder Allgäu aus. Die Häuser aber Skandinavisch. So liegen sie vor uns zerstreut über eine weite Ebene.

Ein bisschen fühle ich mich in eim anderes Jahrhundert zurück versetzt. Wie Bullerbü. Hinter einem Steinhaus machen wir Pause. Schauen durch eine Tür und staunen. In dem Steinhaus befindet sich eine Sporthalle mit vielen Kindern. Wer hätte das gedacht.

Wir liegen ein bisschen in der Sonne. Ich schreibe Tagebuch und sortiere meine Gedanken die mir beim Laufen und im Gespräch mit Lisa gekommen sind. Schreibe all die neuen Inspirationen und Ideen auf und laufe mit mehr innerer Ruhe weiter.

Wir laufen durch ein Moorgebiet. Erika wächst am Rande eines sehr schönen Baches. Einer meiner Lieblingsabschnitte. Uns begegnen Männer mut Bierbäuchen und Pilzkörbchen. Die Inspiration für diesen Blogtitel. Mittagessen: Brot mit Tomatenmark.

Wir wollen nicht den langweiligen Fahrradweg nehmen und biegen ab auf einem Trampelpfad. Irgendwann hört der auf und wir befinden uns auf einem Wildpfad. Ich bin noch nie auf so weichem Grund gelaufen. Wir sind mitten im Moor. Neue Erfahrungen, aber auch unschön, den Untergrund mit den Füßen zu zerstören. Mit zerkratzten Beinen von den Nadelbäumen gelangen wir irgendwann wieder auf eine Straße.

Das letzte Stück trampen wir nach Hejnice. Es geht nur auf einer Straße entlang und da haben wir echt keine Lust drauf. Der Besitzer eines Hotels nimmt uns mit, rät uns aber von seinem eigenen Hotel ab. Er lässt uns am Kloster raus. Dort fragen wir, wo wir gut zelten können. Die Frau an der Info stellt uns Fragen und bekommt immer größere Augen bei unseren Antworten.

„In welche Richtung wollt ihr?“                        „Egal.“                                                                                    „Braucht ihr Wasser oder Lebensmittel?“

„Nein.“
„Wie lange seid ihr noch unterwegs?“
„Wissen wir nicht.“
„Wohin wollt ihr?“
„Wir wollen nach Deutschland laufen.“
„Wohin genau?“
„Egal.“

Sie markiert uns einen Hügel gleich neben dem Kloster. Wir laufen hoch und campen im Wald gleich neben der Lieblings-Hundegassi-Runde. Aber die Menschen scheint es nicht zu stören, dass da zwei im Wald schlafen. Auch die Rehe nicht. Es ist schön so sehr in der Natur zu sein und auch ungewohnt.

Wir kochen mit Sicht aufs Kloster und rösten unser trockenes Brot in Öl zu unserem Linseneintopf. Draußen schmeckt alles himmlisch.

Wir versinken in unsere Lektüre, putzen Zähne in Gesellschaft von einem Reh und versinken dann im Schlaf. Der ist auch nötig. Wir sind schon ziemlich durch und lachen über alles mögliche.
Das ein und auspacken wird immer routinierter. Die Wege, je näher wir Deutschland kommen, leider immer hässlicher. Wir fühlen uns schmutzig, aber erst als wir am Ende die Zivilisation wieder richtig erreichen, verwildert. In der Natur ist das alles eigentlich egal.

Wir laufen bergauf, essen ein Eis, wir müssen unser Geld loswerden, und weiter ein sehr steiles anstrengendes Stück hinauf.

Davor angenehm zwischen Kuhweiden entlang. Die inspirieren uns zu neuen Projektideen und so geht der Weg schnell vorbei und die Kilometer fliegen nur so dahin. Die ersten Tage haben wir noch über 20 km am Tag hingelegt. Als wir uns dann aber entschieden haben früher als geplant zurück zu fahren, aufgrund der Wetterverschlechterung und auch meinem Bedürfnis mal wieder ganz für mich in Weingarten zu entspannen und Dinge zu erledigen, waren es nur noch so 15 km maximal am Tag. Das Wetter hält sich bis zum letzten Tag sommerlich gut. Unsere Pausen werde jeden Tag immer länger.

Die nächste Nacht fragt Lisa einen Mann bei einem Haus im Wald ob wir unter einem Pavillon schlafen dürfen, weil es gewittern soll. Der alte Mann meint: „Ach, es regnet nicht. Aber freilich dürft ihr hier schlafen.“ Und er ist zuverlässiger als der Wetterbericht. Zum Glück, denn wir müssen mit Zelt auf die Wiese umziehen, da unter dem Pavillon ein Feuer gemacht wird.

Lisa überzeugt mich von Kartoffelsalat mit Essiggurken, den wir zur Abwechslung kochen.

Morgens laufen wir weiter nach Frydlant. Sieht aus wie eine kleine Stadt in Frankreich. Luxusurlaub: süße Stückchen in einer Bäckerei. Frische Oblaten haben wir in den Bäckereien vergeblich gesucht, aber meine Zimtschnecke war auch lecker. Wir schaffen es nicht unser Geld ganz auszugeben und müssen wohl nochmal zurück nach Tschechien. Aber die gut ausgeschilderten Wanderwege und die schöne Landschaft sind Grund genug zurück zu kommen.

Der letzte anstrengende Anstieg. Wir laufen an Häusern vorbei, hören Gelächter, müssen auch lachen.

Wieder eine lange Mittagspause an einem Bach. Zuerst mit den Füßen, dann legen wir uns ganz rein. Durch den Bach führt eine Straße. Gerade als wir uns wieder angezogen haben kommt ein Auto. Perfektes timing und das Einizge Auto, was in den nächsten 2 Stunden kommt. Nach dem Baden fühlt sich meine Haut so weich an. So fühlt sich also sauber sein an.

Ich lese meine Zeitschriften zu Ende und wir essen unser Vesper. Es fängt an zu tröpfeln. Wir laufen weiter.

Der Regen ist angenehm in der schwülen Luft. Der Duft von Regen auf warmem Asphalt. Eine Allee aus Apfelbäumen entlang. Die Sonne kommt wieder heraus.

Wir suchen uns einen letzten Schlafplatz. Gar nicht so leicht. Wir schlafen auf einer riesigen Wiese an der polnischen Grenze, hinter einem Strohballen. Im akkord wird im stürmischen Wind gekocht. Hinter uns stehen so nah wie noch nie Rehe und rufen. Diese Nacht ist die unruhigste. Tiergeräusche und Wind. Der Wettlauf gegen den Regen beginnt.

Morgens brauchen wir wieder Wasser. Unsere Füße und Schuhe sind nass vom Gras. In einem Haus sehen wir Licht. Eine Familie beim Frühstück. Wir fragen nach Wasser und schon sitzen wir am Frühstückstisch, bekommen Tee und unterhalten uns über Umweltbildung auf dem Campingplatz. Es tauchen immer mehr Kinder auf: Christen, denke ich. Und tatsächlich fangen sie an zu singen. Aber es sind nur ein paar Kinder von dem Paar und die anderen sind Freunde. Das Paar erzählt uns von ihrer Flitterwochenwanderung durch Schottland und von tschechischen Sagen. Es sind sehr nette Menschen, eine tolle Begegnung.

Wir machen uns auf, die letzten Kilometer durch Tschechien. Über die Grenze nach Polen. Das unentspannteste Wegstück. So viele bellende Wachhunde und immer die Ungewissheit, ob der Zaun wirklich dicht ist. Wir laufen schneller.

Und plötzlich sind wir in Deutschland. In Ostritz. Wir haben es wirklich geschafft! Uns in den Kopf gesetzt nach Deutschland zu laufen und es geschafft. Es fühlt sich toll an. 90 km in 5 Tagen, mit schwerem Gepäck durchs Land.

Der Bahnhof ist auf der polnischen Seite. Der nächste Zug in 5 Minuten. Perfektes timing. Zähne putzen im Zug, die stinkenden Schuhe ausziehen.

Halle sieht auf der Karte gar nicht so weit entfernt aus. Ein idealer Zwischenstopp, so erscheint es uns, aber tatsächlich brauchen wir 5 Stunden. Bis nach Weingarten wären es fast 14 gewesen, also doch das kleinere Übel.

Es ist schön bei Josi anzukommen. Zu duschen und Ofengemüse zu essen. Ein Abendspaziergang an der Saale entlang. So viele Menschen haben wir seit dem Festival nicht gesehen.

Die Morgenstunden am Sonntag nutze ich um Tagebuch zu schreiben. Es fühlt sichh richtig nach Sonntagmorgen an mit dem Regen draußen und verschlafen morgens mit Lisa in der Küche zu reden. Ein heimeliges Kindheitsgefühl.

Zusammen gehen wir ins Museum. Lisa fährt nach Hause, Josi und ich trinken Chaj und teilen uns einen Hummusteller. Danach fahren wir in die Neustadt, ein paar imposante Blöcke bestaunen. Sonntagsspaziergang. Dann zurück zu Josi.

Ein gemütlicher Tag. Ich koche ihr einen Hustenzwiebelsud. Wir gehen ins Puschkino, Barbie schauen. Wir sind die Einizgen, die lachen. Schade eigentlich. Ich kann danach noch weiter lachen. Darüber wie Josi den Zwiebelsud runterwürgt.

Eine schöne Zeit war das. Jetzt sitze ich im Zug, mit mittelgroßer Lust auf die nächsten Stunde und großer Lust Wäsche zu waschen, bei Regen in meinem Bett zu liegen und mal wieder alleine zu sein. Mit Vorfreude auf meine Mitbewohnerinnen und zahlreichen Dingen im Kopf, die ich erledigen möchte. Bis bald Tschechien, Hallo Weingarten

Sommer ist, wenn wir abends unsere Füße waschen müssen, bevor wir ins Bett gehen

Das war’s.

Ich sitze im Zug nach Mockava. Nicht zu verwechseln mit Moskau. Es handelt sich um eine litauische Grenzstadt an der Grenze zu Polen. Dort muss ich umsteigen Richtung Warschau. Vorgestern hat mir Verena die unfassbare Zeit gesagt, die wenn RailBaltic 2026 fertig ist der Zug zwischen Warschau und Riga braucht: VIER STUNDEN!!! Ratet mal wie viel ich für die kürzere Strecke zwischen Vilnius und Warschau im Moment brauche. Zehn Stunden… Und der Zug ist gar nicht mal so langsam. Vielleicht hält er oft. Ich weiß es nicht. Einmal am Tag fährt dieser Zug, besser gesagt eine schnelle Bimmelbahn. So wie die Regionalbahn nach Aulendorf. Zwei Waggons. Man hat das Gefühl es ist ein Schwarzwaldausflugzug. Kein Platz für Gepäck. Eingeklemmt von Rucksäcken, den Laptop zwischen Sitz und Bauch geklemmt, mein armer Nebensitzer, eingekästelt von meiner Yogamatte und mir. Naja, ich mags.

Ich hatte zwei sehr schöne letzte Wochen. Erst gestern, als ich losgefahren bin konnte ich realisieren, dass ich vier Monate in Lettland gelebt habe. Alles so surreal.

Vor zwei Wochen noch haben wir einen WG Ausflug zum Festival in Jurmala gemacht. Unser gerade neu eingezogene Mitbewohner Abdullah, der gerade seine Deutschkenntnisse verbessert und es nicht leicht hat mit der schnell redenden Verena und mir, ist gerade erst eingezogen. Also haben wir ihm gleich mal das Meer gezeigt. Anscheinend ist Jurmala mit 26km der längste durchgehende Strand Europas. Wäre ne Challenge gewesen den mal ganz abzulaufen. Insgesamt bin ich bestimmt schon 26km am Strand entlanggelaufen.

Das Streetfood war eher so mittelmäßig. Burger, Pizza, Döner, man kennt’s. Alle möglichen Produkte mit denen man sich eindecken kann, die das Konsummonster in mir aber nicht wirklich geweckt haben. Ich konnte wiederstehen.

Am Strand hat uns dann die Spielfreude gepackt. Wir haben ganz ausgelassen Flipper gespielt. Das will ich mir auch bauen. So ein cooles Spiel. Macht richtig süchtig.

Wir haben Riesenjenga gespielt und ich habe es als Prüfung für Abdullah, unseren zukünftigen Architekten gesehen, ob der Turm bei ihm zusammenfällt. Es war ein großer Spaß. EIne Frau hat Lollies verteilt. Dann kam ein anderer Mann und wir haben alle stillschweigend noch einen zweiten genommen, ohne zu erwähnen, dass wir schon einen haben. Dabei mag ich Lollies eigentlich gar nicht.

Quadratische Billardart wird hier überall gespielt

Dann haben wir noch Da Vincis Brückge gebaut aus Holzbalken. Beim dritten Versuch stand sie, sah aber wacklig und wenig vertrauenswürdig aus. Drunter habe ich mich gelegt, aber drüberlaufen wollte ich nicht. Doch da kam ein zwei Meter großer Mann, bestimmt 100 Kilo schwer und ist über die Brücke gelaufen, hat sogar in der Mitte angefangen zu wippen. TÜV-Prüfung erfolgreich. Also sind Verena und ich auch drüber gelaufen. Stolz über unsere erste selbstgebaute Brücke.

Danach haben wir vegane Burger gegessen, Lachmöwen beobachtet, die sind so verwöhnt und wollen nur fastfood. An Verenas Gurke hatten die kein Interesse. Ein kleiner Mittagsschlaf hat mir einen SOnnenbrand auf der linken Gesichtshälfte beschert. Ab und zu haben wir Jubel gehört. Lettland gegen Kanada. Viertelfinale. In der letzten Minute vom Spiel waren wir wieder am Strand und haben auf der riesigen Leinwand auf der Bühne das Spiel verfolgt. Alle um uns herum in Eishockeyshirts, Latvija rufend und jubelnd. Doch dann hat Kanada noch ein Tor geschossen (sagt man das so beim Eishockey?) und die Menge hat sich aufgelöst.

Trotzdem sehr cool public viewing am Meer. Wir sind am Strand entlanggelaufen und haben im Sand sitzend ein Gespräch über Kirchensteuern angefangen. War mir bisher nicht bewusst, dass das sowas seltsames ist. Sowas gibt es nicht in Frankreich und auch nicht in Ägypten. Interessantes Gespräch.

Abdullahs Vorschlag: Lasst uns was aus Sand bauen. Ich: Was denn? Er: ein Krokodil in 3D. Ich: Okay. Er: Echt?

Also sitzen vier Erwachsene im Sand und formen ein Krokodil, was eher aussieht wie ein Fisch. Das Krokodil hatte zuerst nur zwei Beine. Als wir später zurückgekommen sind hatte Janis (das Krokodil) Gesellschaft bekommen. Daneben war eine Schildkröte in den Sand gemalt.

Janis

Auf der Bühne am Strand haben wir einer lettischen Schlagerband zugehört. Hab die auf Spotify entdeckt. In der playlist: Slagermeistars. Das waren sie auch. War ganz witzig.

Ich hab die Sonne sehr gespürt und mich gefreut nach Hause zu fahren.

Am nächsten Morgen habe ich Mama vom Busbahnhof abgeholt. Ich muss sagen: ich war mehr erledigt als ich angekommen bin. Wir sind nachdem wir kurz in der Wohnung waren gleich in die Stadt und haben Sightseeing gemacht. Die schön renovierte Synagoge besichtigt. Abends eine kleine Tortur, weil alle Restaurants geschlossen oder voll waren.

Mit Kreuzworträtselbeschäftigung war es dann am Ende egal ne Stunde aufs Essen zu warten.

Am nächsten Tag free walking tour. Wieder neues gehört über Riga. Ich liebe die Kontraste in der Stadt. Die Zeugen Jehovas und dahinter immer ein paar Harley Davidson mit lautstarker Musik.

Eigentlich wollten wir ins Freilichtmuseum fahren. Doch am Abend zuvor hat sich Riga den dritten Platz gesichert in der Eishockey-WM. Deshalb wurde kurz vor Mitternacht beschlossen: Morgen ist Feiertag. (Übrigens ist Deutschland zweiter geworden bei der Hockey-WM. Wo ist unser Feiertag?) Am Freiheitsmonument war eine riesige Menschenmenge versammelt. Die Straßen waren voll, kein durchkommen für den Bus. Ein riesen Spektakel. Ich hab nicht viel gesehen von der Mannschaft. Aber es war lustig die Menschen zu beobachten. Alle in rot-weiß, Lettlands farben gekleidet. Ein kleiner Junge, der aus voller Kehle: Latvija, Latvija! gerufen hat und selbst schon so rot war wie die Lettlandfahne.

Außerdem wurde in dieser Woche ein neuer Präsident gewählt. Davon haben wir nichts mitbekommen. Keine wirkliche Bekanntmachung. Von der pride week hat man auch kaum was gesehen.

Wir haben beschlossen ans Meer zu fahren und wohl nicht lange genug gewartet. Der Zug war rappelvoll. Aber am Meer war es schön. Nur ein bisschen windig.

Neben uns wurden fleißig Möwen gefüttert, so nah war ich Möwen schon lange nicht mehr. Da konnte ich coole Fotos machen

Dann haben wir noch Armenisch zu Abend gegessen. Mama hat hot Balsam getrunken. Etwa wie Glühwein. Mir hat es nicht so geschmeckt. Lieber Wasser.

Dienstag war auch ein voller Tag. Kemeri National Park. Hat ganz schön erschöpft. Ich lag am Bahnhof auf ner Bank und bin im warmen Wind eingedöst.

Am Mittwoch waren wir im decorative arts Museum. Hat mir richtig gut gefallen und voll inspiriert.

Was ein eindrucksvoller Spiegel, oder?

Mama haben wir nen ganzes Paket Tempos gekauft. Vielleicht doch die Nachwirkungen der langen Reise so ne Erkältung. Rote Beete Suppe bei Lido und dann bin ich in die Uni in meine letzte Vorlesung. Abends Ala Pagrabs, lecker Knoblauchbrot, Riesenportionen, Volkstänze zuschauen.

In Lettland wurde definitiv meine Museumsliebe weiterentwickelt. So interessant waren die meist gar nicht, aber die Gebäude sind einfach immer wahnsinnig beeindruckend. Einfach in so nem Wohnhaus ne Treppe hochgehen und plötzlich ist man in einer riesigen Ausstellung.

Außerdem habe ich gemerkt, dass Crocs anscheinend voll im Trend sind. Alle cool kids tragen die hier. In ganz ausgefallenen Varianten. Da kann ich gut mithalten mit meinen. War bisher aber nur einmal mit denen draußen. Sind ja meine Hausschuhe!

Donnerstag waren wir im Nationalmuseum. So viele Ausstellungstücke. Über eine Million. Irgendwann war meine Aufmerksamkeitsspanne zu Ende. Ich hatte Buachschmerzen und bin nach hause gegangen. Mama war auf dem Markt und in der Stadt unterwegs. Abends waren wir Falafel essen. Einfach Himmlisch! Plus Smoothie und Baklava war es aber dann doch zu viel und ich habe mich zuhause erstmal auf den Boden gelegt um alles zu verdauen. Wir haben lustige Kinderserien geschaut und gedacht wir genießen unseren letzten Abend. Falsch gedacht. Am nächsten Tag haben wir den Koffer zum Busbahnhof gezogen, die Wartezeit in der Markthallen mit ein paar Vareniki (Pelmeni/ Maultaschen ähnlich) überbrückt, nur um dann vom Busfahrer auf das Datum auf dem Ticket aufmerksam gemacht zu werden: das ist ja erst morgen! Auch nicht so übel. Mama hat ihre starke Erkältung auskurieren können. Ich war mit Vaclav im Hare Krishna Restaurant und es war mal wieder sehr interessant mit ihm zu reden.

Am Samstag ging es Mama dann viel besser. Reisetauglich. Den Weg zum Busbahnhof hatten wir ja schon geübt, da konnte ich mein Kind alleine loslaufen lassen. Denn ich bin mit Verena, Pauline, Abdullah und Veronika zum Jahrmarkt im Freilichtmuseum gefahren. Buschaos, meine Schuld, da ich uns fälschlicherweise aus dem richtigen Bus gejagt habe… Eine Frau hat angefangen mit mir zu reden. Und ich habe voll viel verstanden. Das hat mich richtig gefreut. Auch, wenn ich im reden absolut keine vollständigen Sätze bilden kann konnte ich ihr doch ein bisschen antworten. Ein Mischmasch aus Lettisch, Russisch, Bulgarisch, Deutsch und Englisch. Zum ersten Mal hat Vaclav auf uns gewartet und nicht umgekehrt. Der Markt war riesig und genial. Holzbretter, Bernsteinketten, Leinenkleider, Töpferware, Silberschmuck und trash. Alles war dabei. Eine gigantische Auswahl. Pommes mit Tzatsiki und Sauerkraut, im Gras liegen und entspannen. Dana ist noch dazu gestoßen. Wir haben Vaclavs selbstgeschweißten Ring betrachtet. Pauline: Ach das sieht aus wie ein Herz mit Krone. Dana: Sieht aus wie das Herz des Teufels. Ich fand alles lustig an dem Tag.

Kurzer Stress: der Markt macht zu und wir müssen noch Sachen kaufen. Lustigerweise haben wir uns alle zufällig wieder getroffen. Alle in den viel zu vollen Bus gequetscht und sind zurück nach Riga gekommen.

Kurze Pause.

Dann waren Dana, Vaclav und ich noch in Lastadija, der alternativen location. Dort war den ganzen Tag Festival. Wir sind beim vorletzten Act angekommen. Einer scream metal Band soweit ich das einordnen kann. Ich zu Vaclav: I will hold your backpack. Go have fun in the moshpit. Gesagt getan. Vaclav glücklich, ich am Rande interessant diese Subkultur zu beobachten. Gespräch über Fleischkonsum.

Als nächstes war eine Frau mit Flöte auf der Bühne. Sie hat Witze gemacht über die Schreie des Sängers. Der ganze Abend war perfekt. EIgentlich der ganze Tag. Eine besondere Atmosphäre voller Irritationen. Vor der Bühne stand eine Waage. Wie immer in Bulgarien in den Fußgängerzonen. Menschen haben sich gewogen und lautstark ihr Gewicht verkündet. Eine Nagelschere gab es auch. Dann hat die Frau angefangen zu singen. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper, habe die Stimme tief in meinem Herzen gespürt und in dem Moment genau gewusst, warum ich immer Fremdes und Neues suche. Hinter uns hat ein Typ von Haus zu Haus über einer alten Stromleitung seine Slackline gespannt und ist dort oben herumbalanciert. So genau wollte ich gar nicht hinsehen. Ein Hund hat gebellt, alle haben gebellt. Zwei Typen haben Rhabarberblätter wie Palmwedel herumgeschwenkt. Wir standen am Lagerfeuer und sind dann noch in die Laskabar. Ein schöner Abend.

Zurück vor der Wohnung habe ich mal wieder zwei Hotelgästen aus dem Hotel unter uns geholfen. Manchmal fühle ich mich wie eine Rezeption.

Der Sonntag war ein richtig schöner Regentag. Ich bin nochmal schwach geworden bei Humana. War im Medizinmuseum, sehr gruselige Objekte gibt es dort. Voll schön mal wieder so nen nebeligen Tag zu haben.

Montag und Dienstag lag ich im Park, habe meine Aufschriebe durchgelesen und mich so für die Prüfungen „vorbereitet“. Am Montag war ich nochmal in Jurmala und habe mir den Sonnenuntergang überm Meer angeschaut. Wahnsinn wie viel Kraft die Sonne hat, selbst wenn sie untergegangen ist noch den Himmel zu erleuchten.

Dienstag war ich mit Jana, Lilli, Greta, Sandra und Anja verabredet. Eigentlich für eine Bar, die wir auschecken wollten. Da war es aber rappelvoll. Also sind wir ins local house. Ein kleines Gebäude auf einem Parkplatz gegenüber vom Krankenhaus. Draußen eine Live-Rockband am jammen, wir am Tisch, Karten spielen und einen starken Gin Tonic, oder in Lettland Dzin ar tonic. Love it!

Wir sind immer mehr geworden, Anja hat mir meinen Hut gehäkelt, zu dem Zeitpunkt noch eher ne KIppa. Der Gedanke an Schokolade hat uns nicht losgelassen und so sind wir kurz vor 23 Uhr noch zu Rimi und haben unsere Bedürfnisse gestilt. Ne ganz besondere Stimmung so kurz vor Ladenschluss. Die Einkäufe werden immer wilder. Draußen haben wir unser Eis und Karums gegessen, die Abendwolken angeschaut und die Sommernacht genossen.

Mittwoch Prüfungstag. Da saß ich also, vorne mussten alle einen Zettel stehen auf denen Wörter standen. Wir waren von Fragen ausgegangen. Aber es war eher ein Abstraktes Gedicht:

Environmental Management

EU biodiversity projects

European agency…

Sustainable Development

Okay. Na dann schreibe ich mal planlos drauf los. Hauptsache fertig werden. Abends waren wir nochmal Falafel essen. Die Kippa hat sich zur Badekappe weiterentwickelt. Meine Rucksäcke gingen noch nicht zu. Nochmal anders packen. Die letzte Flasche Wein im Park trinken. Das Wollknäul entwirren, Freundschaftsarmbänder häkeln.  Nun habe ich einen fertigen Hut und eine Erinnerung an Riga. Im Treppenhaus noch zufällig Marek und Marius getroffen. I love Treppenhaustalks. Abschied.

Am Donnerstag die letzte Prüfung. Unser Raum war besetzt. Also haben wir oben in einem Konferenzraum alle an einem riesigen Besprechungstisch die Klausur geschrieben. War auch lustig. Eine Stunde schreiben und dann wollte ich frei sein. Abgeben und draußen sein. Ein letztes Mal durch Riga laufen.

Ich weiß es klingt sehr kitschig, aber ein Stückchen Riga ist jetzt Teil meiner Persönlichkeit. Am letzten Tag noch kurz Panik schieben, dass ich nicht genügend Fotos von der Stadt gemacht habe.

Ein Bild um die Häuser hier zu appreciaten

Alles in die Rucksäcke stopfen. Hab schonmal besser gepackt. Bin auch essensmäßig eher unvorbereitet, aber ich habe einfach keinen Platz…

Sieht gar nicht so viel aus, ich weiß, aber schwer ist es trotzdem

Als ich nach Lettland gefahren bin habe ich einen LKW mit latvian birch plywood gesehen. Seither nicht mehr. Bis jetzt an meinem letzten Tag. Das habe ich als Abschiedsgruß gewertet.

Abschied von der WG. Uneleganter Abgang, da ich mit meinem Rucksack nicht durch die Tür gepasst habe…

Es wurden zwei Busse zusammengelegt, deshalb kurz Chaos. Freie Sitzplatzwahl. Da habe ich mich doch nochmal für die Nahtoderfahrung an der Frontscheibe entschieden. Nein, das ist noch nicht nah genug, fahr bitte weiter auf! Herzkasper.

So durch Litauen zu fahren, da hbe ich erkannt, dass mir Litauen am meisten gefällt von den baltischen Ländern. Hätte ich nicht gedacht. Hat irgendwas. Generell sehe ich jetzt, wie verschieden die drei Länder sind, die sonst immer so in einen Topf geworfen werden.

Vorbei an einem Shell LKW von dem das h abgegangen ist. Ich liebe es wie so die Wahrheit offenbart wird. Das ist mein Humor!

In Vilnius war es nachts noch wahnsinnig schwül. Einchecken ins hostel Jamaika und was soll ich sagen: der Name passt wie die Faust aufs Auge! Ich weiß nicht, ob mit Absicht die Zimmer nicht gelüftet wurdne für den extra touch an Luftfeuchtigkeit. VOn draußen aus dem Innenhof laute lateinamerikanische Musik, es war so heiß wie im Hochsommer. Das hätte ich nicht gedacht, dass ich im Baltikum mal so schwitze und mich fühle, als ob ich auf nem anderen Kontinent wäre. Das Hostel war richtig groß. Die Matratzen auf alten Getränkekisten, Holzmasken an der Wand, die fand ich gar nicht so gruselig.

Halbwegs angenehme Nacht. Zweimal war ich heute morgen frühstücken, weil ich so ausgehungert war. Und weil ich noch so viel Zeit hatte. Jetzt habe ich ein Brot, Frischkäse und nen Apfel gekauft. Bald sind wir an der polnischen Grenze. Im Moment macht mir die Distanz noch nichts aus. In 26 Stunden bin ich wieder in Weingarten. Ich mag das Gefühl, wenn mein Kopf so zwischen zwei Welten und zwei Leben ist, dass ich dann auch die Zeit und die Distanz nutzen kann. Man stelle sich vor ich wäre nach nem zweistündigen Flug wieder in meinem anderen Leben. Damit könnte ich nicht umgehen. Keine Ahnung wie effektiv ich jetzt alles der letzten Monate verarbeite, aber zumindest ist es interessant langsam die landschaftliche Veränderung draußen zu sehen. Mit jeden Meter näher an zuhause zu sein. In sieben Stunden bin ich in Warschau. Vielleicht bin ich dann so müde, dass ich nachts im Bus schlafen kann.

Und dann ist dieser Lebensabschnitt vorbei.

Haide tschao, es war loti labi (sehr gut)

The Latvians go crazy – Identität und Mentalität

An jeder Ecke ein Narvesen. Kioske, in denen man Kaffee, Hotdogs, Süßigkeiten und Bustickets kaufen kann. Ich glaube es gibt mehr Narvesen als Letten.

Die Meness Aptieka, Mond Apotheken. Ungefähr genauso oft zu finden. Wie bei jedem Laden gibt es auch hier eine Kundenkarte mit Rabatten. Wenn ich Glück habe bekomme ich den Rabatt auch ohne eigene Karte, sondern mit der Mitarbeiterinnen Karte.

Letzte Woche, nachdem ich meinen Blogbeitrag veröffentlicht habe, bin ich ins Sprachcafé vom DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) gegangen. Ich wurde von Jöran, dem Veranstalter, begrüßt.

In Lettland leben so wenige Menschen, dass er jetzt schon der Zweite ESC-Teilnehmer ist, den ich hier kennengelernt habe. Ein Deutscher, der seit siebzehn Jahren in Lettland lebt, fließend Lettisch spricht und damals nach seinem Freiwilligendienst nach Lettland zurückgekommen ist.

Ich saß zwischen ein paar lettischen Deutschlehrerinnen und habe dem Vortrag einer Deutschen Medizinstudentin zum Thema Feminismus zugehört. Danach hat ein Gespräch, nicht nur aus verschiedenen Nationen, sondern auch unterschiedlichen Generationen begonnen. War ganz interessant zu sehen, dass Feminismus für sie keine große Rolle spielt und alles doch okay ist, so wie es gerade ist.

Später habe ich mich noch mit zwei anderen Lettinnen unterhalten. Immer wieder spannend, was im Ausland so über Deutschland gesagt wird. Dinge, die ich oft nicht weiß. Düsseldorf, die Modehauptstadt Deutschlands? Generell gehen alle irgendwie nach Düsseldorf oder Dortmund.

Nach und nach sind alle gegangen. Übrig blieben Verena, Jöran, drei Medizinstudentinnen, von denen ich eine schon öfter gesehen habe, Ich und circa 10 offene Weinflaschen.

Wir haben die übrigen Snacks in Tupperdosen eingepackt und angefangen über Lettland und Letten zu sprechen. Nach und nach wurde es immer emotionaler.

Wie mit Letten in Kontakt kommen? Von der Mentalität her eher zurückhaltend.

Wie muss eine Veranstaltung aussehen, dass man miteinander in Kontakt kommt?

Müsste Lettland nicht eigentlich daran interessiert sein mehr junge Leute ins Land zu locken? Die meisten bleiben nur für ein Semester. Wie kann man das Medizinstudium und drumherum gestalten, dass die Studis dortbleiben wollen?

Was ist lettische Identität? Gibt es die überhaupt?

Ich habe schon öfter gehört: „der größte Feind des Letten, ist der Lette.“ Kein Kollektivismus vorhanden. Lettland ist erst seit 1991 unabhängig. Über Jahrhunderte besetzt. Deshalb sind die Lieder und Tänze das, was Heimat und Identität gibt. Deshalb ist der Krieg in der Ukraine etwas, dass Lettland nahe geht. So viel Solidarität. Es ist ein Schicksal, was alle hier gut nachempfinden können. Die Kluft zwischen Russen und Letten. Das Dilemma.

Ich habe bisher nur die lettische Seite gehört. Wie eine Lettin von einer russischen Kundin angeschnauzt wurde, weil diese mit ihr auf Lettisch, statt auf Russisch geredet hat. Ich verstehe, dass russisch-sprachige nicht den Sinn darin sehen eine so wenig gesprochene Sprache zu lernen, aber ich finde auch es ist eine Sache von Respekt die Sprache des Landes in dem man wohnt zu lernen.

Ich habe gehört, dass es zwischen jungen Leuten Kommunikationsschwierigkeiten gibt, weil sie die Sprache der anderen nicht sprechen. Ich habe aber auch das Gegenteil gehört, dass viele Jugendliche beide Sprachen sprechen.

Ich verstehe auch die russische Seite. Als Lettland unabhängig wurde waren viele ja schon Jahre in Lettland. Schon damals wäre es ein komischer cut gewesen nach zehn Jahren im Land: so jetzt müsst ihr Lettisch sprechen. Generell gibt es gar nicht die Kapazität für so viele Leute Lettisch zu lernen. Und soweit ich das beurteilen kann, gibt es auch wenig bis keine wirklichen Integrationsversuche. Die Schuld wird immer der anderen Seite zugeschoben.

Nun zurück zu uns sechs Deutschen, die angetrunken abends im Kulturhaus sitzen und meinen, sie könnten die Situation verstehen und sich darüber eine Meinung bilden. Wir haben so wenig Kontakt, so viele sich widersprechenden Informationen. Selbst von Jöran zu sagen: „die Letten sind so und so“, ist etwas, was ich nicht gerne höre. Klar so in etwa kann man schon sagen, dass sie eher zurückhaltend sind. Zu sagen, sie brauchen Alkohol und dann tauen sie auf finde ich aber seltsam. Das wurde über die Finnen auch gesagt. Ich finde, dass kann man so ziemlich über die gesamte Menschheit sagen, dass Menschen redseliger und waghalsiger werden, nachdem sie getrunken haben. Ich schreibe hier ja auch oft: typisch Letten/Lettland. Aber das alles geht so tief und ich bin absolut nicht in der Position darüber zu urteilen.

Es war ein sehr spannender Abend. Mein Kopf lief danach auf Hochtouren. So viele Themen über die man nachdenken kann. Was ist überhaupt Deutsche Identität und Mentalität? Gestern habe ich mit Verena und Abdullah, unserem neuen Mitbewohner, herausgefunden das Lüften etwas sehr Deutsches ist. Wir haben sogar ein Wort für die Sache.

Zurück zu meiner Woche. In meiner Stammbäckerei gibt es jetzt Bananenbrot. Das ist unglaublich lecker. Im tschechischen Pub in meiner Straße saßen die letzten zwei Wochen viele slowenische, slowakische und tschechische Hockeyfans. Sonst ist das immer sehr leer.

Lasse, den ich vom Trip nach Saaremaa kenne und eine Freundin von ihm sind in Riga auf ein Konzert gegangen und haben bei mir übernachtet. Während sie am Donnerstag auf dem Manneskin Konzert waren, war ich mit Verena zum ersten Mal in der Petrikirche. Eine Kirche in der Deutsche Gottesdienste sind. Wir waren bei einem Konzert vom Kammerorchester. Die Akustik war der Hammer!

Am Freitag war ich mit Lasse im Barrikaden Museum (über die 90er Jahre und die letzten Tage unter den Soviets). Danach haben wir in der Unibib Unisachen gemacht, waren bei Humana und haben dann schnell Abend gegessen. Vaclav ist vorbeigekommen um sein Hemd zu bügeln. Er hat ein Konzert gefunden, worüber es sehr schwierig war herauszufinden was es eigentlich ist. Zuerst stand da was von formellem Dresscode. Dann von Cowboys.

Also hat er mit dem Bügeleisen noch mehr Falten in sein Hemd gebügelt. Ich konnte gar nicht hinsehen, aber es war trotzdem sehr lustig. Wir sind ne Stunde nach offiziellem Beginn gekommen, aber sie waren gerade erst am Aufbauen. Also waren wir noch im Park in der Moskauer Vorstadt. Als wir dann zurückgekommen sind war ordentlich was los. Der Raum war etwa so groß wie mein WG-Zimmer. Ansonsten gab es davor noch eine Bar und ein paar Sofas. Sah eigentlich aus wie ein Wohnzimmer. Die Decke war verspiegelt. Wir sind abgetaucht in die lettische Subkultur mit Trapmusik. Die Jungs hatten Hunger, also sind wir zum nächsten Imbiss gelaufen. Eine indische Pizzeria. Die Bilder vom Menü waren Bilder von Canva, auf denen noch das Wasserzeichen drauf war. Egal. Leckere Samoas gegessen. Als wir wieder zurück waren war DJ-Wechsel. Der DJ hat mir definitiv nochmal klar gemacht, dass nicht jeder DJ werden kann. Es war kaum jemand im Raum. Lasse und ich haben aus Mitleid ein bisschen getanzt, damit er nicht ganz alleine im Raum ist. Aber irgendwann sind wir auch rausgegangen. Vor dem Haus standen viele Letten, die sich unterhalten haben, ihren Müll auf die Straße geworfen haben. Irgendwann kam die Polizei und hat die Party aufgelöst. Kurz war vorher noch die Überlegung da zum Rave zu gehen, aber ich bin definitiv raus aus der die ganze Nacht feiern Phase. Auf der Straße lagen Blumen. Die habe ich mit nach Hause genommen, schön in meine Rhabarberlimoflasche gestellt und bin schlafen gegangen.

Am nächsten Morgen habe ich mal wieder einen Ausflug alleine gemacht. Nach Salaspils in den Botanischen Garten. Unterwegs kurz Panik, weil mein Bankkonto gesperrt war. Schon alle möglichen Szenarien durchgegangen, Mails geschrieben und plötzlich ging es einfach wieder. Durch das Palmenhaus gelaufen, beeindruckt von den riesigen Pflanzen.

Erinnert mich sehr an Bandnudeln

Schwere Beine. Ins Gras gelegt und Mittaggegessen. Dann bin ich noch bis an den Stadtstrand gelaufen. Die Infrastruktur in Salaspils hat mich sehr überrascht. Alles neu, Radwege, Blumen, Schilder. Krasser Kontrast zu den Blöcken. Der Deich an der Daugava auch richtig schön. Ein paar Kreuzworträtsel gemacht und zurück nach Riga gefahren.

Ich war noch im Restaurant Cau Falafel essen. Der Kellner hat mir 5 Minuten lang erklärt, dass Falafel hier aus regionalen grauen Erbsen ist, die sonst traditionell an Weihnachten gegessen werden. Wie viele Proteine da drin sind und dass man da echt kein Fleisch braucht. Der Meinung bin ich auch. Sehr cooler Laden von fünf Typen, die da in der Küche stehen und aus regionalen Produkten sehr leckere Sachen kochen. Danach lag ich noch im Park.

Am Samstag sind Lasse und ich nach Saulkrasti (Sonnenrand oder so übersetzt) gefahren. Wunderschöner natürlicher Strand.

Wir waren baden. Schwimmen ging nicht richtig, weil sehr flach. Der Sand quietscht bei jedem Schritt. Dann haben wir schön Kräuterbaguette, Karums und Eis gekauft und auf dem Supermarktparkplatz gegessen um dann festzustellen, dass der nächste Zug in 1o Minuten kommt und wir 12 Minuten brauchen. Deutsche können selbst im Urlaub nicht entspannen. Also sind wir da hingehetzt. Gerade noch bekommen. Lasse noch bei Humana ein Hemd für die Oper gekauft. Ich bin nicht mitgekommen.

Am Montag ist er wieder gefahren. Ich hatte zum letzten Mal Pädagogik. War mir gar nicht so bewusst. Seltsam jetzt Ilze nie mehr zu sehen. Wieder Bananenbrot gekauft und in meinen Lieblingspark gelegt. Lettisch lernen und vor allem chillen. Der Park ist mein Wohnzimmer geworden. Hab mich irgendwie nicht so fit gefühlt und es war schön einfach zu sein und zu entspannen.

Am Dienstag hatte ich dann meine Lettischprüfung. Erfolgreich bestanden. Dachte die ganze Zeit ich kann absolut nichts, aber habe mir intensiv ein paar Sätze gemerkt für die mündliche Prüfung und jetzt habe ich das Gefühl schon voll viel zu verstehen. So aus dem Kontext heraus.

Habe ein leckeres Eis gegessen. Von der Marke Eskimo. Gibt es auch in Bulgarien. Schon etwas seltsam.

Mit Verena gekocht und dann wollten wir zum internationalen Abend gehen, den wir auf Facebook gesehen hatten. Das war in einer Bar, aber irgendwie war die Veranstaltung nicht vorhanden. Nebenan ist eine Kneipe, die ich immer beim Vorbeigehen gesehen habe und die immer rappelvoll ist. Ein Lette hat uns bei der Bierauswahl beraten und dann saßen wir etwas abseits und haben unser Bier getrunken. Dann sind wir noch zum Fluss gelaufen um den Sonnenuntergang zu sehen. War nicht so krass. Auf dem Rückweg haben wir euphorische Schreie gehört denen wir zum Public Viewing gefolgt sind. Lettland gegen die Schweiz. Richtige WM-Stimmung. Nach Hause gelaufen. Die Motorengeräusche machen mich noch wahnsinnig.

Am Mittwoch nach der Geovorlesung bin ich mit Lisa und Rafael aus dem Kurs nach Jurmala gefahren. Wir haben uns Pizza geholt und am Strand gegessen.

Dann haben wir Wizard gespielt. Ich habe Haushoch verloren. Die Beiden sind schwimmen gegangen. Die Sonne ist rot im Meer verschwunden. Das Wasser war an manchen Stellen fluoreszierend hellblau. Am Ende war die Sonne nicht halbrund, sondern sah erst aus wie ein Pilz, dann wie ein Omnibus und schließlich wie ein Quadrat, bevor sie ganz untergegangen ist.

Wir haben uns im Wasser immer weiter in den Sand runtergeschraubt und die schöne Aussicht genossen. Ab und zu hat jemand aus Lisas Familie angerufen und über die Bluetooth Box haben wir mitbekommen, ob sie nicht eine Brotbackmaschine haben will. Ein richtiger Sommerabend.

Gestern ist Lettland zum ersten Mal ins Halbfinale der Hockeyweltmeisterschaft gekommen. Hupkonzert, Freudenschreie, Trommeln, das volle Programm. So laut kennt man die Letten sonst nicht. Sie sind stolz auf alles was aus Lettland ihrer Meinung nach bekannt ist. Was niemand wirklich kennt, aber naja, schön zu sehen wie glücklich sie über den Einzug ins Halbfinale sind.

Heute Morgen bin ich aufgestanden und habe gemerkt, dass ich nichts richtig dringend machen muss. Viele Sachen am PC, Orgakrams. Ich könnte auch schon anfangen Geo zu lernen. Aber ich glaube das ist eine eher aussichtslose Angelegenheit. Also habe ich heute Zeit. Bin zum Mezapark gefahren.

Wurde ein paar Mal gefragt ob ich irgendeine Straße kenne, den Weg zum Zoo weiß. Leider reicht mein Lettisch nicht aus um Wegbeschreibungen zu geben. Es riecht sehr gut nach Kiefern hier. Ich lag am Seestrand und habe die Stille genossen.

Jetzt sitze ich am Picknicktisch, schreibe bei schöner Aussicht und esse gleich mein Buchweizenmischmasch irgendwas.

Eine Entenmutter die vorbeischwimmt und 10 kleine Entlein, die auf ihren Rücken hüpfen und sie als Speedboot benutzen. Zwei Kinder die Angeln, ein paar Letten, die nen Salto ins Wasser machen, ein Ausflugsboot Kapitän, der sein Boot säubert. Ein richtiger Urlaubstag.

Bald kommt Mama. Morgen ist ein Festival in Jurmala. So lange bin ich gar nicht mehr hier. Ganz schön seltsam. Zurück in ne andere Realität. Habe definitiv ein paar Lieblingsorte hier, aber so langsam habe ich mich auch darauf eingestellt bald zu gehen und nicht mehr groß Sachen, die ich noch entdecken will. Ich freu mich auf Mama und ein paar Museen mit ihr abzuklappern, das Meer noch ein paar Mal zu sehen und das schöne Wetter zu genießen.

Kann man nicht früh genug sagen. Keine Stunde später geht hier ein kalter Wind. Wenn man so durch Riga fährt, dann merkt man, dass hier echt überall Baustelle ist. Wie Stuttgart… Es ist voll schön, dass ich mich jetzt hier zurechtfinde und Riga Normalität geworden ist. Ohne Google Maps herumlaufen, Straßennamen wissen und Lieblingsspots.

Gerade war ich noch im Kunstmuseum Rigaer Börse. Stillleben mit Pilzen. Das ist lettische Kunst. Die Bilder der Ausstellung leuchten förmlich. Richtig starke Farben. Ab und zu ein paar Bildern mit Kühen drauf. Mag ich sehr! Es gab auch eine Porzellanausstellung. Ich als Porzellanexpertin muss sagen das hässlichste Porzellan kommt aus Deutschland. Entweder wir übertreiben richtig, oder es sind einfach ganz schlichte Sachen. Auf den österreichischen Tellern waren immer Nackte drauf. Find ich seltsam davon zu essen. Aber das macht man ja wahrscheinlich nicht. Zierteller, ich weiß. Und das skandinavische Porzellan war sehr stylish, aber auch manchmal dunkel. Auf jeden Fall verschiedene Eindrücke. Ein tolles Gebäude, tolle Böden und eine Südostasienausstellung. Was ich gut finde: keine Raubkunst, sondern Geschenke der letzten Jahre von Botschaftern und anderen Leuten. Ein Wayang Puppentheater. Indonesisches Weltkulturerbe. Das war sehr spannend.

Löwenzahngelbe Wiesen

Ich habe den Zustand der Tiefenentspannung erreicht und wahrscheinlich entferne ich mich gerade schon wieder davon. Nachdem ich mich von meinem Wochenendtrip nach Vilnius erholt habe, hatte ich ganz kurz Alltag. Uni auf der anderen Flussseite. Schön an den Schienen entlang gelaufen mit viel grün und Ratten. Die letzte Präsentation für dieses Semester in der Markthalle fertig machen. Dann wollte ich im Park lesen. Aber überall war Polizei. Ganz seltsam. Bestimmt 10 Autos. Und plötzlich ging es los. Sirenen an und eine riesen Polizeikaravne in die andere Richtung.

Uzvaras Park

Ich liebe es Dienstags nach Lettisch nach Hause zu laufen. Tolles Abendlicht und das Gefühl nach Gehirnoverload zu entspannen. Ich war auf einem riesigen Friedhof im Wald, habe mich zwischen den Gräbern verlaufen, weil es irgendwann keine Wege mehr gab. Als ich wieder nach draußen gefunden habe, bin ich am Friedhofsblumenmarkt vorbeigelaufen. Seltsam, aber obwohl es ganz normale Blumen sind ist die Stimmung doch anders, als auf Märkten in der Stadt.

In meinem Lieblingspark saßen Rentner auf der Bank mit Gitarre und haben in Mikrofone Volkslieder gesungen. Ich habe mittag gegessen und Zweitklässlern, einer hieß Rudolfs, zugeschaut, wie sie komplett klatschnass im Brunnen gespielt haben. Mit ihren Rollern sind sie durchs Wasser gefahren und es war interessant zuzusehen wie aus Spiel plötzlich Streit wird und dann doch alles wieder okay ist. So schön wie Parks auf so unterschiedliche Weisen genutzt werden können.

Am Mittwoch wollte ich eigentlich sehr produktiv sein, aber ich bin in 2-3 Humanas hängen geblieben. Danach habe ich im Park ein bisschen Uni gemacht, aber es war viel zu interessant die Menschen um mich herum zu beobachten: Mormonen, die Menschen nach Glück fragen, Bolt Essenslieferer, die Mittagspause machen, einer der hinter mir meditiert, eine free walking tour, die vorbeiläuft. Lifehack wenn man mal aufs Klo muss: die Unitoiletten liegen super Zentral und sind auch richtig sauber. Dann ging es zur Cottagebesprechung in den Park zum Teahouse. Wir hatten alle so gute Laune, weil es so schön warm war. Kurze Besprechung der Einkaufsliste und wer was mitnimmt. Danach nochmal kurz zu Humana Sonnenbrillen kaufen und sommerliche Sachen.

Das Café Gauja, ein klein bisschen Biergarten vibes. Nur in cooler

Am Donnerstag dann voller Vorfreude zum Bahnhof und mit dem Zug nach Cesis. Schöne Zuggespräche. In Cesis ist der Einkauf dann ein bisschen eskaliert. Zwei volle Einkaufswägen, acht große Tüten später, standen wir dann vor Rimi. War n bisschen realitätsfern die Vorstellung, dass wir da mit einem Bolt (Taxi) zur Unterkunft fahren können. Hatte irgendwie nicht die Muse das vorher anzumerken. Lange hin und her überlegt, aber blieb uns ja nichts anderes übrig, als zum Busbahnhof zu laufen. Vollbepackt in den Bus rein. Zwischen den Sitzen hängenbleiben und von Omas ausgelacht werden. Haben uns gefühlt wie die wilden Hühner oder die Mädchen WG von KiKa auf dem Weg ins Abenteuer. In Rauna dann Musik an und Richtung cottage gelaufen. Wir waren die Hauptattraktion. Es war anstrengend, aber auch ziemlich lustig.

Dafür war es umso schöner am Cottage anzukommen und zu sehen wie traumhaft die Umgebung ist. Am Hang gelegen, mit kleinem See als Ausblick. Wunderschönes Haus. Schuhe aus und rein in den See. Richtig erfrischend und belebend die Kälte zu spüren. Honigmelone und Zimtschnecken gegessen. Danach ist jeder in seine eigene Welt abgetaucht. Stille. Gemüse schnippeln mit Aussicht. Ofengemüse. Wie ich das vermisst habe! Öfen sind so toll! Viel geredet und gelacht, rein in den Whirlpool, oder die treffendere Beschreibung „hot pot“, wie wir liebevoll das Plastikbecken voller Teichwasser getauft haben. Das hat schon was im warmen Wasser zu sehen und der Sonne beim Untergehen zuzuschauen. Richtig schön mal wieder so ne Runde unter girls.

Cottage Puskalni <3

Danach sind wir regelrecht im Sofa versunken. Es war so gemütlich bei Kerzenlicht dazusitzen und zu spüren, wie der ganze Körper und der Geist entspannt. Keine nervigen Sachen machen, einfach sein. Am nächsten morgen Yoga auf dem wackeligen Steg am See machen, dann ins Dorf laufen um einzukaufen und Magnus abholen. Der ist mit seinem Nutellaglas vorbeigekommen um uns zu besuchen. Till kam später auch noch mit dem Fahrrad. 100 km!!!

Nach dem Pfannkuchenfrühstück haben Sandra und ich auf dem Trampolin ein bisschen was für die Uni gemacht. Hat sogar Spaß gemacht. Dann haben wir wieder Gemüse geschnitten, leckere Salate gemacht und nach einem Grillfail gab es dann doch wieder Ofengemüse. Die Jungs waren noch schnell im hot pot und dann sind sie auch schon wieder los zum Bus. Wir haben es uns auch noch im hot pot gemütlich gemacht. Dann habe ich mich in die Hängematte gelegt nach dem Abwaschen, sehr meditativ, und mit Lisa telefoniert, während ich auf den See geschaut habe. Später wieder schön reden auf dem Sofa.

Am Samstag waren Jana, Sandra und ich morgens nackt im See schwimmen. Richtig schön. Die Nachbarn haben ihre Hühner gefüttert und gegärtnert. In der Ferne hört man Rasenmäher und Hunde. Wir haben zu viel Essen gehabt und das war das einzige, was mich gestresst hat, so viel essen zu müssen. Das Wasser war so kalt, dass wir uns erstmal wieder aufwärmen mussten. Dann sind Jana, Sandra und ich wieder ins Dorf gelaufen um uns die Ruine dort anzuschauen. Ein richtig schöner Pfad mit coolen Schaukeln, dann haben wir alle versucht Klimmzüge zu machen, na ja. Jana ist die Ruine hochgekraxelt. Cooler Ausflug.

Zurück im Cottage haben wir Pizzateig gemacht und auf dem Steg Eis gegessen. Das ist hier sehr seltsam verpackt und sieht aus wie eine riesige Wurst. Hat besser geschmeckt als erwartet. Der hot pot war noch viel zu heiß. Wir mussten immer wieder raus und uns im See ablühlen. Dann haben wir noch unsere 40 Meter lange Rutsche angeschalten. Am Anfang war es sehr langsam, aber dann haben wir die zweite Düse aufbekommen und wow ging das ab. In jeder Kurve hat es uns fast rausgehauen, aber wir hatten so nen Spaß. Jana kennt keine Grenzen: ob im Dunkeln und kalten schwimmen, eine 10 Meter hohe Ruine hochzuklettern oder rückwärts diese Rutsche runter zu rutschen. Ich habe so laut gelacht.

Hinter der Rutsche ein Storch zu sehen. Krasse Tiere. Flügelspannweite 2,10 m und werfen die ihren Kopf richtig in den Nacken beim Klappern

Wir haben unsere Pizzen belegt, eine Nudelrestepfanne und nen Salat gemacht. Voll aufs Essen gefreut und dann gemerkt: das was wir gekauft haben ist gar kein Backpapier sondern Butterbrotpapier… Beim Ofengemüse war das nicht so schlimm, aber der Pizzateig hat sich mit dem Papier verbunden und war nicht mehr zu lösen. Ein echter Tiefpunkt. Also saßen wir da und haben Pizza mit Papier gegessen. War auch ne sehr lustige Situation. Keine Ahnung wieso das mein Humor ist…

Dann haben wir den ESC geschaut. Aber waren alle so müde, dass wir noch vor der Punktevergabe schlafen gegangen sind.

Letzter morgen, eingespieltes team. Alles lief wie am Schnürchen. Frühstück in der Sonne, chillen auf dem Trampolin.

Es war so schön diesen Ort kennenlernen zu dürfen und ein paar Tage im Paradies zu leben.

Ich habe es genossen mit Greta, Lilli, Sandra und Jana zu reden und sie besser kennenzulernen, gemeinsam für sich zu sein.

Die Busfahrt zurück war anstrengend. Zu warm und zu unbequem. Wortlose Konversation mit der Frau vor mir. Ich liebs diese Momente mit Fremden. Zu mittag nur Dillchips gegessen. Hat sich angefühlt wie ein verkaterter Tag. Froh, in Riga angekommen zu sein. Überall in der Stadt rotköpfige Männer mit Eishockey-Shirts auf E-Scootern, die für die Eishockey-WM angereist sind. Ich vermute mal die meisten aus Großbritannien (während der roten Köpfe, aber kann natürlich auch andere Nationen betreffen). Jedenfalls gehören die jetztm zum Stadtbild.

Am Montag dann meine Präsentationen gehalten, leckeres Eis gegessen und den Tag im Park verbracht.

Gestern hat es seit Ewigkeiten mal wieder geregnet. War auch sehr schön mal wieder so nen gemütlichen zuhause Tag zu haben. Wieder neuen Fokus setzen was ich jetzt noch so vorhabe. Morgen kommt Lasse aus Estland für ein Konzert nach Riga ins hostel Karla. Am Freitag gehe ich mit Vaclav zu einem Konzert, bei dem ich keine Ahnung habe was mich erwartet. Jetzt gleich gehe ich zu einem Vortrag ins Sprachcafe. Kostenlose Snacks und Wein sind ganz schön gut um mich anzulocken. Am Wochenende möchte ich sehr gerne ans Meer. Einfach mal wieder nen netten Tagesausflug machen alleine.

Die Wiesen sind hier nicht grün, sondern gelb. So viel Löwenzahn. Habe leider kein Foto gemacht. Im Park wachsen die so hoch, dass man gar nicht sieht, dass da Menschen liegen. Nur ab und zu, wenn sich jemand hinsetzt taucht zwischen dem gelb ein roter Körper auf. Eincremen!!!

Estland, Lettland, Litauen, Lettland

Ich war an so vielen Orten in den letzten beiden Wochen. Erst war es so warm, dass ich sogar im T-Shirt herumgelaufen bin und viel draußen war. Beim Spazieren gehen und Kirchen entdecken, irgendwie sind die immer zu, wurden Lina und ich fast in einem Innenhof eingeschlossen. War auch sehr spannend, das Gelände. Alte Häuser, wie ein kleines seperates Dorf in der Stadt und es war so warm.

Dann ist es wieder Winterjacken-kalt geworden. Ich war im Ballett in Giselle, habe in der Unibibliothek Präsentationen vorbereitet und meine Sachen gepackt.

Die wunderschöne Decke in der Oper

Am Freitag in der früh bin ich dann zum Busbahnhof gelaufen. Noch so verpeilt, dass ich falsch abgebogen bin, eine riesige Baustelle gesehen und kurz gedacht habe, dass der Busbahnhof über Nacht abgerissen wurde. War nicht der Fall. Im Bus nach Estland nochmal kurz schlafen. Aussteigen in Pärnu.

Da wurden wir erwartet von Berit, unserer Tourleiterin. Da haben wir dann festgestellt, dass wir die einzigen vier aus Riga sind. Wir dachten da ist ein ganzer Bus voll mit uns. Aber nein. Wir vier und der Rest Erasmusstudis aus Estland. Also rein in den nächsten Bus und ab da ging unsere Rentnerbustour los.

Berit hat uns auf jede Toilette und Möglichkeit Fotos zu machen aufmerksam gemacht. Eine halbstündige Fährfahrt später waren wir auf der drittgrößten Insel Estlands: Muhu. Klingt sehr nach Kuh, aber hab keine Kühe gesehen. Berit war wie ein podcast, dem ich unterwegs zugehört habe. Durch das Mikro im Bus hat sie uns ganz viele Fakten erzählt. Estland hat 2222 Inseln, Lettland keine.

Zuerst waren wir in einem kleinen Fischerdorf. Das war wie ein Freilichtmuseum und sah aus wie die Bretagne. Auf den Steinmauern liegen manchmal umgedrehte Boote. Ein Zeichen für einen Fischer im Ruhestand. Keller sind hier oft in kleinen Hügeln. Sieht aus wie bei Bilbo Beutlin zuhause. Das Wetter hat alle drei Minuten gewechselt. Regen, Sonne, Wind.

Aus dem Bus heraus habe ich Wildgänse fliegen sehen. Sofort an Nils Holgerson gedacht. Auch Kraniche, immer in Paaren, waren oft auf den Feldern. Manchmal vergesse ich wie groß manche Vögel sind. Auch Störche.

Auf der Insel wachsen ganz viele Wachholderbüsche. Die sind bis zu 850 Jahre alt und wachsen sehr langsam. Auf Englisch heißen die übrigens Juniper. Die Beeren brauchen zwei Jahre bis sie reif sind. SInd erst grün, dann blau, dann fast schwarz.

Mittagessen gab es im Windmühlenmuseum. Debora und ich haben gar nicht genug bekommen von der leckeren Butter. Draußen sind wir ausgelassen in jedes Holzauto und auf alle Holztiere geklettert, die so herumstanden.

Unser Mittagessen
Der Windmühlenpark

Die Bewohner Saaremaas, der größten Insel Estlands, sprechen das Ö anders aus als alle anderen Esten und deshalb kann man sie als Saaremaabewohner identifizieren.

Es folgen noch ein paar weitere „fun“facts:

Die höchste Klippe ist ganze 21,3 m hoch. Ansonsten ist das Festland eher NN.

Oft sieht man seltsame Holzschaukeln, auf der ganze Hochzeitsgesellschaften schaukeln.

Am Meer findet man sehr schnell Fossile. Aber nur, wenn man nach meiner Theorie nach, das Kind in der Familie ist, dass immer Sachen findet. Linus hätte bestimmt gleich krasse Sachen gefunden. Lisa ist auch ne gute Finderin. Ich habe trotzdem ein paar Muschelabdrücke gefunden.

Die Holzhäuser überall sehen so schön aus. Inseln sind irgendwie immer ähnlich. Ein Ort für Reiche, egal in welchem Land, immer sehen die Häuser ähnlich aus und sind aus Holz.

Wir waren auch noch bei Quellen im Wald und haben das Wasser getrunken um „für immer jung zu bleiben“. Das Wasser reinigt sich, da es ein Karstgebiet ist und unter dem Flussbett unterirdische Höhlen sind. So blubbert das Wasser wie in einem Whirlpool. Die Insel ist der perfekte Ort für eine Umweltbildungexkursion.

Die Cottages sind so idyllisch an einem Fischbach/becken im Wald gelegen. Wir haben uns ein Zimmer unterm Dach erobert. Dann sind wir sofort zum Meer gelaufen. Ich habe mit Jirji aus Brünn Deutsch geredet, habe festgestellt, dass Luka auch in Weini studiert und die Meeresbrise genossen. Am Meer war eine kleine Insel, also Sand umgeben von Knöcheltiefenwasser. Diejenigen von uns, die keine wasserdichten Schuhe anhatten, haben Jirji und Lasse als menschliche Fähre benutzt um auf der Insel auf die Insel zu kommen.

Strand auf Estnisch heißt übrigens Rand. Kein Scherz. Ich lieb’s.

Die Bauern auf der Insel benutzen Algen als Dünger, damit die Kartoffeln nicht zu süßlich schmecken, aufgrund des sandigen Bodens.

Abendessen gab es in einem Gebäude, dass so aussah, wie ich mir eine Aprèsskihütte vorstelle. War auf jeden Fall so kalt wie in den Bergen. Danach mussten wir uns erstmal aufwärmen und haben Karten gespielt. Solange, bis wir alles lustig fanden, sogar Antonias Flachwitz, den sie uns als Tausch gegen Zahnpasta erzählen musste. Höchste Zeit fürs Bett.

Von der Sonne geweckt wurden. Friedvolle Atmosphäre, aufs Wasser schauen und die Wärme der Sonne genießen. Mein Lieblingsmoment des Wochenendes. So muss das Paradies sein.

Frühstück war total lecker. Kurvenreiche Fahrt, auf der Lisa uns Zöpfe geflochten hat. Südlichster Punkt der Insel, erstmal rauf auf den Leuchtturm. Richtig gutes Wetter. Von dort oben auf Lettland geschaut, den Strand entlang auf Fossiliensuche. Im Norden bekomme ich immer richtig Lust Fahrrad zu fahren, weil alles so schön flach ist.

Südlichste Spitze Saaremaas

Die Farben der Natur, Ostseeblau, Wachholdergrün, überflutete Felder, traumhaft. Ganz neue Landschaftskulisse in die ich mich verliebt habe. Kurzer Stopp am Wikingergrab, dass vor ein paar Jahren entdeckt wurde. Auf der Insel wurde auch im 2. Weltkrieg gekämpft. Ein sehr brutaler Kampf. In Kuressare, der Hauptstadt, haben wir eine Burgführung bekommen. Was soll ich sagen, vielleicht war die Gruppe zu groß, aber Burgen sind einfach nicht meins. Obwohl die guide sehr witzig war. Das Beste an Burgen ist für mich immer die Aussicht. Schnell Essen gegangen. Trotzdem zu spät zurück am Bus gewesen. Turboeinkauf fürs Abendessen und Gruppeneinteilung für die Sauna.

Anscheinend sollten in die Sauna 10 Leute reinpassen. Nope, da wäre man ja ganz schön ins Schwitzen gekommen, auch ohne Feuer. Wir saßen zu viert drin. Lisa hat nach dem Feuer geschaut, das Handtuch herumgeschwenkt und uns entspannen lassen. Nach dem Saunagang erstmal raus in den Fluss. Adrenalinkick. Kalt und dann wieder warm. Rein in den whirlpool, während die anderen neben uns mit dem Grillen angefangen haben. Ein richtig entspannter Abend. Haben Brot geröstet, eine riesige Schüssel Salat gemacht, ein Bierchen getrunken und im Wintergarten auf den Regen draußen geschaut.

Bin meiner Lieblingsbeschäftigung als Spülmaschine nachgegangen und habe mit Till über egozentrische Deutsch geredet, die immer davon ausgehen, dass Österreicher alles über Deutschland wissen. Aka Ich.

Zu lange wach geblieben. War so müde am nächsten Morgen. Berit hat erzählt, dass auf der Insel 10 Bären leben. Wir sind zum ältesten, und höchstgelegenen Teil der Insel gefahren. Ganze 60 Höhenmeter. Ich wollte so gerne Tiere sehen, aber wir waren zu viele und zu laut. Der Waldboden so weich. Flüsternd mit Berit über ihren Beruf unterhalten. Sie ist eigentlich Englischlehrerin und macht oft draußen Unterricht. Hat ganz viele Fortbildungen gemacht und Tourimus und Philologie studiert.

Wälder sind für mich wie Kirchen oder Bibliotheken. Heilige Orte der Stille.

Der Busfahrer war irgendwie immer im Bus. Nie ist er mit ausgestiegen. Hätte mich nicht gewundert, wenn er auch im Bus geschlafen hätte.

Unser letzter Stopp war ein Meteoritenkrater. Auch sehr spannend und noch unerforscht.

Zurück auf dem Festland sind wir noch in Pärnu ans Meer gelaufen, ein als einer der schönsten Strände Skandinaviens ausgezeichneter Strand. Ich habe Till erklärt wie Wind ensteht, mit Luka ein schönes Gespräche geführt und einen sehr leckeren Falafelwrap gegessen. Zeit für die Heimfahrt. Nach einem Wochenende ohne Zeit für mich war ich ganz schön erschöpft.

Am Montag war ich mit Dana Kuchen essen und habe mich auf meinen Lettischtest vorbereitet.

Mittwochmorgen ging es dann schon wieder los nach Vilnius. Ich war noch gar nicht richtig bereit und hatte keine Vorfreude. Zu viele Reize auf einmal.

Im Bus saß neben mir ein Franzose, der sehr schlecht Englisch konnte und alles sehr aufregend fand. Ich hab geschlafen um den aufregenden Überholmannövern des Busfahrers zu entgehen. Der Franzose hat in Servietten verpackte Eier und Brote ausgepackt und mir auch gleich angeboten. Es war sehr skurril ihn und seine lettische/litauische? Freundin beim kommunizieren zu beobachten. Aber auch süß.

In Vilnius bin ich zuerst auf einem Hinterhofparkplatz spazieren gegangen und habe mir streetart angeschaut. Dann Richtung Stadtzentrum. Die Häuser sind viel niedriger als in Riga. Die Straßen viel enger und es ist so ruhig. Habe das Leben dort sofort romantisiert und mir vorgestellt, wie ich in einer Wohnung dort lebe und Philosophie studiere, Weinglasschwenkend. Litauen hat es anscheinend unter die Top 20 der glücklichsten Nationen geschafft. Heißt schonmal kein preiswertes Studentendasein.

Wie immer ist mein Herz gebrochen, als ich alte Männer als Bolt (Lieferando) Essenslieferer habe rumfahren und alte Frauen ihre drei rote Beete und zwei Narzissensträuße verkaufen sehen.

Vilnius, die Stadt, der vorallem rosanen, Kirchen. Polnische Touris (Litauen hat mal zu Polen gehört. Und Litauen war mal das größte Land Europas. Sehr lange her).

Ich habe total die Italienvibes bekommen und es ist so schön eine Innenstadt mit ganz viele Cafés, verschlungenen Gassen und ohne Autos zu sehen.

Ich bin am Fluss Neris entlang zur weißen Brücke gelaufen und habe Käsekuchen gegessen. Das Ufer so schön grün, allerlei Aktivitäten möglich. Auf einer Parkbank geschlafen und gelesen. Dann bin ich ins MO Museum der modernen Kunst gegangen. Ausstellung über Litauen. Eines der besten Kunstmuseen, in denen ich bisher war. Alles voll spannend. Mit Audioguide und interessanten Instellationen und Gemälden. Danach war ich essen und bin durch die Stadt Richtung Hostel gelaufen. Dafür habe ich kurz Vilnius verlassen. Denn ich bin über die Brücke nach Uzupis gelaufen.

In den 90er Jahren haben Künstler auf der anderen Flussseite einen eigenen Stadt gegründet. Damit hat niemand ein Problem. Ein schönes Viertel, voller Kunst und mit eigener Verfassung. Ein kleiner Auszug:

  • Jeder hat das Recht Fehler zu machen
  • Jeder hat das Recht zu lieben
  • eine Katze ist nicht verpflichtet ihre Besitzer zu lieben, muss aber von Zeit zu Zeit helfen, wenn es nötig ist
  • Manchmal hat jeder das Recht sich nicht seiner Pflichten bewusst zu sein
  • jeder hat das Recht glücklich zu sein
  • Jeder hat das Recht unglücklich zu sein
  • jeder ist verantwortlich für die eigene Freiheit

Der Nationalfeiertag von Uzupis ist übrigens am 1.April um auf die Unwichtigkeit von vielen politischen Entscheidungen aufmerksam zu machen und zu appellieren sich nicht so ernst zu nehmen.

Über die nächste Brücke, schwubs, zurück in Vilnius und gleich im downtown forest hostel. Voll der schöne Ort. Alles grün und ganz viele Camper. In der Hängematte im Abendessen gelesen.

Am nächsten morgen ein kurzes Gespräch mit einem philipinischen Student, der gerade in Daugavpils studiert. Dann bin ich ganz schön ins Schwitzen gekommen, als ich den Berg mit den drei Kreuzen hochgelaufen bin. Viele asiatische Touristen.

Fast wie die Akropolis

Wieder runter und an der Kathedrale so in mein Buch vertieft gewesen, lese gerade 1984, dass ich den Beginn der free walking tour verpasst habe. Zum Glück noch gejoined, bevor sie den Platz verlassen haben.

Kathedrale und Glockenturm

Auf der Tour durch viele Hinterhöfe gelaufen und interessante Sachen erfahren. Was mir nicht mehr aus dem Kopf geht ist der Fakt, dass Europa ursprünglich von Asiaten besiedelt wurde. Daher auch der Ursprung der europäischen Sprachen. Und lettisch und litauisch, keinerlei Verbindung zu anderen Sprachen, sind noch am ursprünglichsten. So ursprünglich, dass die Stadtführerin meinte, sie kann Sanskrit im Kontext verstehen, ohne es je gelernt zu haben. Das ist so krass.

Danach habe ich schnell einen Bagel gegessen, an einem Tisch an dem zuvor Erasmusstudis aus Riga saßen, und bin dann zurück zum Treffpunkt für die nächste tour. Wie es der Zufall so will, haben an der tour dann auch Sandra, Greta, Jana und Lilli teilgenommen. Anderer Stadtbereich, anderer Teil der Geschichte. Von Kunstwerken, die aus rostigem Material bestehen und 100.000 Euro gekostet haben, über Treppen, deren Stufen aus ehemaligen Grabsteinen sind, sehr morbide und wird nach und nach rückgebaut und an die jüdische Gemeinde zurückgegeben.

Radisson blus in allen Ländern waren früher Hotels für Ausländer, in denen sie vom KGB bespitzelt wurden. Soviet Stadtzentrum, im Hintergrund neue Wolkenkratzer. Einkaufsstraße in der früher die einzige Pizzeria war, wo jahrelang auf ein Auto gewartet, fünf Stunden für Bananen angestanden wurde und heute ein Stripclub neben einem Kinderoptiker ist. Ich liebe Kontraste. Dahinter das moderne Zentrum. Europaplatz, so viel Geld für Renovierungen. Anscheinend sind alle baltischen Staaten etwa gleich auf. Aber mir kommt Lettland definitiv heruntergekommener vor. Aber ich verbringe dort ja auch die meiste Zeit und nicht nur im Touribezirk.

Hinter den Hochhäusern dann das frühere Armenviertel. Holzhäuser, die je nach Kultur anders gebaut wurden. Wo sich eine eigene Srpache aus litauisch, polnisch, russisch und jiddisch entwickelt hat. Häuser, die zum Teil in verschiedenen Farben gestrichen, unterschiedlichem Zustand sind, weil früher das Haus aufgeteilt wurde und so bis zu 12 Briefkästen an einem Haus sind.

Litauen erinnert mich irgendwie an Rumänien im Vergleich zu Bulgarien. Ist die lustige Variante von Lettland. Die ungewöhnliche Flagge gelb, grün, rot. Ein blutiger Kampf im Wald bei Sonnenschein. Kleine Jungs, die auf Plätzen mit sozialistischen Denkmälern skaten.

Während der Kreuzzüge, wurde als Anreiz für die Taufe ein Wollshirt vergeben. So kam es, dass manche sich haben mehrmals taufen lassen. Heidentum ist bei vielen noch ein Teil der Identität.

Die russische Minderheit ist wirklich eine Minderheit.

Nach diesem ganzen neuen Wissen hatte ich große Lust auf ein Apfelschorle. Wir waren in Uzupis am Vilna Fluss im Biergarten und sind dann zum Bahnhof gelaufen. Vier Stunden Zugfahrt für mich an die Küste. Ein kleines Reisetief. Reisen ist anstrengend. Zum Glück war das Hostel gleich neben dem Bahnhof und es hat noch niemand geschlafen. Mit einer Deutschen, die ihren österreichischen Gedenkdienst in Vilnius macht und Holocaustworkshops an Schulen gibt, unterhalten. Voll spannend. Geschlafen wie ein Stein.

Am nächsten morgen erfahren, dass kein Bus nach Liepaja (Lettland) fährt. Problem auf später verschoben. In Litauen ist mir jetzt auch erstmals aufgefallen, dass die Leute sehr harsch und unfreundlich sind. Einfach keine aufgesetzte Höflichkeit finde ich eigentlich ziemlich gut, aber trotzdem war es immer ein bisschen hart so abgehackt zu kommunizieren. Klaipeda sieht sehr nach Hansestadt aus. Bisschen Bremerhaven like. Der unfreundliche Schein trügt, ich glaube die Frau am Fährticketschalter hat mir ein Ticket spendiert. Sehr nett. Mit der Fähre, samt Fahrrad auf die kurische Nehrung übergesetzt.

Die ersten Kilometer auf dem Fahrrad sehr schön und euphorisch. Ein Strand für mich.

Frühstück und dann voller Elan weiter. Aber nicht lange. Baustelle, Fahrradumleitung auf die Autostraße. Stressiges Fahrrad fahren. Habe immer wieder versucht zurück auf den Fahrradweg zu kommen. Aber die Wege dorthin waren sandig und dreckig. Da hatte mein Rad keine Chance. Also miesgelaunt weiter auf der Hauptstraße. Im Gesicht eine biblische Plage, oder ganz viele Proteine. Habe ich nicht bestellt, aber die Mücken sind wie Regen auf mich geprasselt. Mit zusammengekniffenem Gesicht im nächsten Dorf endlich eine geteerte Abzweigung bwkommen.

So viele schöne Häuser. Wieder Insel, Reichenort.

Ein Fahrradweg für mich alleine. Ein Ort wo sich Fuchs und Karla Guten Tag sagen. Der Fuchs und das Mädchen. Magischer Moment. Kilometer machen, Angst den Bus zurück zu verpassen gibt mir Antrieb. Bin mit den Gedanken ganz woanders und nicht im Moment auf der Nehrung. Nächster Stopp: die toten Dünen. Dünen, die ganze Dörfer überdeckt haben. Sehr hoch und still. Mittagspause. Milchbrötchenkringel mit Philadelphia gegessen. Guter Snack.

Dann weiter durch den Wald heizen. Ich dachte ich muss nur 49 km fahren, aber es sind mehr. Wenn man alleine unterwegs wird, dann wird man irgendwann ausgelassen und fängt an zu singen, oder in meinem Fall, mit Straßenschildern zu reden und die 49 zu grüßen. Wie bei into the wild. Bei 55km war dann wirklich Schluss. Uferpromenade, Lust bekommen auf Ferien im Holzhaus. Der Ort an der Grenze zu Kaliningrad zu touristisch für mich. Fands davor schöner. Alle tragen die Marke HH (Holly Hansson oder so). Lesen und auf den Bus warten. Im Bus einschlafen. So auf ne Dusche freuen und stolz auf mich sein. 55 km bin ich gefahren!

So müde abends kurzzeitig beschlossen, dass ich einfach zurück fahre. Ist mir zu anstrengend noch nach Liepaja irgendwie zu kommen. Ich habe keine Energie mehr und alles was ich will ist, nach Riga zurück zu fahren. Eine Sache nehm ich noch mit, dachte ich mir und stehe um 4:30 Uhr auf um mit dem Zug nach Siauliai zu fahren. Dort steht ein Hügel mit über 300.000 Kreuzen. Ein Symbol der Liebe und des Widerstandes während der Sovietzeit. Doch ich verpasse knapp den Bus, der nur sehr unregelmäßig kommt, bin hungrig und müde und beschließe, dass es mir nicht wert ist den ganzen Tag frierend auf den nächsten Bus zu warten.

Also spontan doch zurück nach Riga. Immerhin war die Fahrt in den 2 Etappen billiger, als sie es von Klaipeda gewesen wäre. Ich ergattere den letzten Sitz im Expressbus, den Notsitz vorne neben dem Busfahrer. Zum Glück schlafe ich wieder schnell ein und muss nur ein paar wenige skandalöse Überholmannöver mitanschauen.

Es ist echt der Beste und der Schlimmste Platz mit Aussicht. So schön vertraut wieder in Lettland zu sein. Ich brauche ein paar Tage Ruhe. Sachen organisieren, mein eigenes Zimmer, Routine. Bald wird es wieder warm. Ich freue mich auf unser cottage Wochenende ab Donnerstag, aber davor muss ich einiges von der to do Liste abarbeiten, damit ich die Zeit genießen kann.

Mein Körper fährt runter. Erstmal nen Mittagsschlaf gemacht. Jetzt noch schön zusammen kochen, Netflix schauen, lesen, Yoga. Das ist mir gerade wichtiger als noch was neues zu sehen. Reizakku ist leer. Aber Litauen hat sich trotzdem gelohnt. Es war so schön. Vilnius gehört jetzt zu meinen Lieblingsstädten. Zusammen mit Istanbul und Florenz wie ich bemerkt habe.

Heide Getreide, Zeit was zu essen!

 

Es ist nie langweilig in Riga

Tualetinis papirius. Klingt magisch oder? Wie ein Zauberspruch. Aber das heißt Toilettenpapier auf litauisch. Wollte ich einfach gerne teilen. Habe in den letzten Tagen ein bisschen meine Wochenendausflüge geplant und Litauen steht in zwei Wochen auch an. Bin sehr gespannt.

Gerade habe ich voll viel Energie und großen Tatendrang. Es gibt noch so viel zu sehen!

Nach der Wanderung im Gauja Nationalpark und einer Erasmusparty auf der ich die Musik absolut nicht gut fand und früh gegangen bin um mir nachts noch Pelmeni zu kochen, habe ich den Sonntag sehr ruhig verbracht. Für lettisch habe ich mich dabei gefilmt, wie ich Pfannkuchen gemacht habe. Das war’s.

Unsere Klospülung war kaputt und ist andauernd gelaufen. Das hat mich mental ganz schön gestresst. Der Wasserverbrauch. Zum Glück hat Arturs (Hausmeister) die ganz schnell repariert und der Psychoterror war vorbei.

Montag morgens sind wir mit einem gemieteten Minibus in eine Waldorfschule gefahren. Der Bus hat über 100 € gekostet. Ilze hat sehr geheimnisvoll gesagt: I found the money for it. Also ich wäre auch mit den Öffis gefahren. Hat sich angefühlt wie in ner Limousine.

Eigentlich bringt man ja immer Blumen oder Schokolade mit, wenn man zu Besuch kommt. Da Ilze keins von beidem gefunden hat, hatten wir 2 Ananas dabei (ich hab keine Ahnung was die Mehrzahl von Ananas ist). Und auch keine Ahnung, wieso es leichter ist an eine Ananas als an Schokolade zu kommen, aber sehr lustig. Die Schule war in Baltezers (Weißsee, über den ich in einer anderen Vorlesung gelernt habe, dass das Grundwasser von dort von sehr hoher Qualität sein soll). Sehr schöne Waldorfarchitektur. Wir wurden in verschiedene Klassen geschleust. Am Anfang ein Morgenkreis. Ich fahr sehr müde, nachdem die Klasse Flöte geübt hat, war ich dann einigermaßen wach. Wir haben mit Stöcken verschiedene Übungen gemacht, ging ganz schön in die Arme, dann noch ein paar andere Koordinationsübungen und dann ging der „normale“ Unterricht los. War alles sehr spannend.

Zurück in Riga habe ich Taifun Tofu gefunden! Dann habe ich endlich einen Mittagsschlaf gemacht.

Das Wetter ist gerade sehr schön, Riga wacht auf, meine Sommersprossen kommen zum Vorschein, der Wind wird wärmer. Am Dienstag war ich in einem neuen Park, klappere langsam alle ab. Viele Kinderwägen und Hunde. Ich habe Kreuzworträtsel gemacht und Postkarten geschrieben. Irgendwie war ich nicht so gut drauf. Nur die Kochvideos im Lettischunterricht konnten mich kurz ein bisschen zum Lachen bringen.

Ich laufe so viel seit ich meine Buskarte verloren habe. Richtig gut. Am Mittwoch habe ich ausgeschlafen, mir ein gutes Vesper in meiner kulturweitbrotbox gemacht (Danke Josi!) und in der Unibib für einen essay recherchiert. Hat sich sehr nach studieren angefühlt. Es ist richtig schön durch die Stadt zu laufen. Ich entdecke neue Dinge, telefoniere, höre podcasts und genieße die wunderbare (nicht) Luft. Es ist echt krass wie viel Staub aufgewirbelt wird und in die Augen und die Lungen kommt. Laute Motorräder sind mit dem Frühling aufgetaucht und seltsamerweise auch echt viele SUVs. Sind die nicht winterfest? Oder wo waren die?

Am Donnerstag habe ich morgens in der obersten WG einen Rotweinkuchen gebacken, meinen Essay angefangen, spontan Verena mitgenommen und wir haben im Uzvaras Park (wieder ein neuer Park) gepicknickt. So schöne Kirschblüten!

Tolles Essen. Deboras Guacamole, Gespräche über Verschwörungstheorien, Russland, Heiden. Leider musste ich dann in die Vorlesung. Habe nicht so viel aufgepasst. Denn mein Lieblingsding am Donnerstag ist der russische Telegram Kanal (It’s never boring in Riga) auf dem die Wochenendveranstaltungen veröffentlicht werden. Kleiner Energieoverflow. Was meine Aufmerksamkeit gecatched hat: der lettische Professor, der plötzlich über das Humormuseum in Gabrovo, Bulgarien, im Kontext von Energie sparen spricht. Das war ja ein Zufall. Die Vorlesungen hier sind mit ihren 3-5 Stunden echt lange. 1,5 Stunden gehen jetzt immer voll schnell um.

Habe im anderen Unigebäude meinen Essay beendet, da ist die Bibliothek nämlich auf der Sonnenseite und man fühlt sich wie im Gewächshaus.

Und dann bin ich auf die andere Flussseite in die Moskauer Vorstadt gelaufen. Über die Riesenbaustelle. Wie Stuttgart 21 wird hier auch ein neuer Bahnhof gebaut. Ein Bauprojekt, dass am Ende Helsinki mit Berlin verbinden soll. Das will ich sehr gerne sehen. Die Baustelle ist sehr witzig. Hinter Absperrungen stehen E-Scooter. Wieso wurden die nicht woanders hingestellt bevor die Baustelle eröffnet wurde? Menschen laufen verirrt auf irgendwelchen Steinhaufen herum und suchen den Weg, mich eingeschlossen. Es ist ein großer Spaß.

Vor oder besser hinter der Akademie der Wissenschaften (Lenins Geburtstagstorte) ist das Kreativ/Künstlerviertel. Dort war ich im freeshop und habe sogar eine Art foodsharing Regal entdeckt (war aber leer). Den ganzen Tag auf den Beinen habe ich mich erstmal in die Sonne gelegt und auf Vaclav gewartet. Dann haben wir uns CIder gekauft und die Stühle in die letzten Sonnenstrahlen gerückt. Im HIntergrund russischer Reggae und Rap. Zwei Lagerfeuer, coole Leute, schöne Abendstimmung. Hatte zuhause WG feeling.

Eigentlich wollten wir nicht zu lange bleiben, aber wir haben uns verquatsacht und es ist echt schwer vom Lagerfeuer wegzukommen. Als ich aufs Klo gegangen bin hat davor einer Klavier gespielt. Ein sehr cooler Ort. Die Nächte sind wärmer. Nach Hause weg wird immer von den Ampel bestimmt. Ist ne Ampel in die richtige Richtung grün, dann nehm ich den Weg. Vaclav geht einfach über rot. Nachdem ich ihm gesagt habe, dass das kein gutes Vorbild für Kinder ist meinte er, dass er die Kinder zu starken Individuen inspiriert. Naja. Wenn ich nachts nach Hause laufe sehe ich von weitem immer eine Schlange in meiner Straße: 24 Stunden Apotheke. Immer interessant die Menschen zu beobachten.

Am nächsten Morgen bin ich mit Anja und Vaclav ins Freilichtmuseum gefahren. Besser gesagt sind wir in verschiedenen Bussen hingefahren. Ich habe meinen Bus verpasst, bei Anja ist er nicht gekommen und Vaclav hat einen anderen genommen. Ich war als erstes da, Vaclav wurde aus dem Bus geschmissen, weil er kein Ticket hatte und Anja ist in zig verschiednen Bussen, aber mit leckeren Keksen als letzte gekommen. Das Museum ist riesig, aber man kann nur in wenige Häuser wirklich reingehen. Wir haben coole heidnische Mobiles gesehen, vieles was ich bei meinem workaway Aufenthalt gesehen habe.

Haben gefragt was die Bedeutung ist. Antwort: ist nur Deko. Hat mich sehr enttäuscht. Ich denke mir ne Bedeutung aus

Der Wald hat wunderbar nach Kiefern gerochen. Es war schön zu laufen und nur wenige Menschen da.

Wir haben uns Häuser ausgesucht in denen wir gerne wohnen wollen. Vaclav ist immer bei Bienenständen stehen geblieben und hat sie sich genauer angesehen, ich habe mich für die Kompostklos interessiert und Anja fand alles sehr interessant was man nicht gesehen hat und hat an jeder Tür und jedem Fenster gerüttelt. Wunderschöner Ausflug. Dann zum Bus gerannt, hab ich schon lange nicht mehr gemacht.

Direkt im Anschluss sind wir zu den old believers, einer Gemeinde, die nicht die Reformation der russisch orthodoxen Kirche mitgemacht hat.

Exkursion eines Unikurses, Anja und ich sind mitgekommen. Mein Wickelrock ist nur im Gebäude angemessen gewesen. Draußen war es zu windig und ich musste ihn die ganze Zeit festhalten. Schade, habe mich sehr gefreut den jetzt öfter zu tragen, aber es ist immer windig hier. Dann noch alle Kopftücher auf und von einem sehr alten Mann herumgeführt worden. War schon echt fertig, aber trotzdem interessant. Danach noch Eis im Park.

Und am Samstag dann Erasmusausflug nach Sigulda. 30 Leute angemeldet, über 50 sind gekommen. Eine zu große Gruppe um entspannt voranzukommen. Bin eins mit der Masse geworden. Schön in der Natur zu sein. Haben eine Höhle gesehen, die größte im Baltikum, und sind durch ein schönes Tal gelaufen.

Ein paar kleine Unterhaltungen mit Leuten, deren Namen ich schon wieder vergessen habe. An der Burg auf einer mystische Wiese mit vielen Statuen liegen und die Sonne genießen. Aussichtsturm, wieder Sonnenspot. Eigentlich ging es die ganze Zeit nur darum in der Sonne zu sitzen.

Zurück sind wir in 2 Gruppen aufgeteilt gelaufen. Tatsächlich einen Hügel hoch, echte Seltenheit hier. Aber mit guter Musik halb so schlimm. Die Luft ist leider echt schwül sobald es warm ist.

So viele Menschen draußen. Vom Zug aus beobachtet: Leute, die neben den Schienen sitzen und eine Fahrradpause machen. Ich liebe die blauen Seen, das helle Schilfgras und die sattgrünen Wälder. Eine Wohltat für die Augen. Und auch in Riga ist das Abendlicht (golden hour) auf den wunderschönen Jugendstilbauten immer wieder so schön, dass ich doch nochmal ein Foto mache.

Gestern war dann ein bisschen Unisach angesagt. Dann ein bisschen Humana, aber finde gerade nicht so wirklich was. Markt, Eis und wieder ein Picknick. Das Eis war sehr fancy. Fast wie bei Klausgemacht. Das pendant zu Schlumpfeis war dort baluer Jasmintee. Da musste ich lachen bei der Vorstellung „Mama kann ich bitte blauer Jasmintee haben?“ Sonntags waren so viele Menschen unter den Kirschbäumen, dass ich von weiten dachte da ist ein Fest.

Wir haben Karten gespielt, Marek und seine Freunde haben Foccacia gemacht. Sehr leckeren Hummus dazu. Sie sind noch ans Meer gefahren. Marius und ich haben lange Cabo gespielt und geredet. Ich wollte nach Hause laufen, er nicht. Also bis zur Bushaltestelle. Dann „okay ich komm noch über die Brücke mit“. Dann „ach ich muss noch einkaufen“ und am Ende sind wir dann doch zusammen nach Hause gelaufen. War sehr schön mit ihm zu reden.

Fancy Nudeln mit Pesto gemacht. Und meinen Litauentrip ein bisschen geplant. Ich bin die ganze Zeit am denken. Muss mal wieder ein bisschen mehr genießen.

Heute ein weiteres Seminar beendet. Danach habe  ich im botanischen Garten gezeichnet und die ganzen schönen Pflanzen gesehen und gerochen.

Beeindruckende Bilder von Schulkindern

Heute hat es mir dann auch gereicht mit dem Laufen. Lieber Sofa-Filmeabend mit Verena noch.

Am Wochenende geht es auf die größte estnische Insel: Saaremaa. Das Wetter soll nicht so toll werden, aber ich freue mich schon drauf und hoffe ein paar trockene Stunden zu haben.

Давай, der Frühling ist da!

Und er schmeckt nach Rhabarberlimonade.

Das Freiheitsmonument wird weiterhin bewacht, oder beschützt, wie man es nimmt.

Menschen liegen auf Trampolinen und genießen die Frühlingsluft. Sonnencreme wurde aus- und das Buff noch nicht ganz eingepackt. Der Wind ist warm, die Sonne ballert.

Seit ich im Februar angekommen bin kann man hier Erdbeeren kaufen. Ich weiß nicht warum es so viele Erdbeeren gibt. Jeder Rimi (Supermarktkette) hat riesige Plakate, nur mit Erdbeeren drauf. So langsam überlege ich mir auch welche zu kaufen. Aber bevor die nicht mindestens aus Polen kommen, im Moment sind sie aus Spanien, werde ich sie nicht anrühren.

Nachdem ich mich großteils von meinem kranksein erholt hatte, habe ich tatsächlich die letzten Tage auf dem Land das Blau vom Himmel gesehen. Ich bin mit Astra im Regen rumgerannt und habe eine kleine Birke, die abgesägt herumlag, in ihr Zimmer getragen. Jetzt will ich auch einen Baum in meinem Zimmer.

Kleine Ostereierbemalsession. Schön mal wieder zu malen

Ich habe ihr den Satz beigebracht: „Ich liebe Schokolade“, was sie die nächsten Tage immer wieder erwähnt hat. So lustig, wie sie es immer wieder geschafft hat heimlich an Schokolade zu kommen. Ilze hat mir als ich mich noch ein bisschen schwach gefühlt habe Kokla (oderso) gezeigt. Ein traditionell lettisches Instrument, sehr meditativ zu spielen.

An einem Abend hat Oskars ein Wildschwein geschossen. Davor hat er mir erzählt, dass er nachts schon von der Jagd träumt. EIn bisschen verrückt. Diese Woche war garantiert außerhalb meiner Öko-Veganer-bubble. Also wurde abends noch das Wildschwein draußen zerlegt, währenddessen ich für Astra Pfannkuchen gemacht habe. Plötzlich war das Gas alle. Feuer auch noch aus. Kurz Ausnahmesituation. Also sehr kleines Abendessen, Astra hat das Feuer wieder entfacht und dann haben wir als Beruhigung Avatar geschaut. Man stecke einem Kind während es vor dem Bildschirm sitzt eine Zahnbürste in den Mund und es wird so lange Zähneputzen, bis man sagt „jetzt ist es genug.“

Die nächsten Tage waren immer wieder Idylle mit Horrorbildern.

Die Idylle

Zum Enten füttern laufen und dann liegt dein ein Fuß oder der Kopf vom Wildschwein bei den Hunden. Bilder, die ich gerne nicht gesehen hätte. Aber Astra hat sich gut um mich gekümmert und mir immer gesagt: „Schau weg da ist Blut!“ So abgebrüht wie die ist kann sie Ärztin werden.

Fürs Osterwoche kam die ältere Tochter nachhause. Es wurde ganz viel Zola (Schafkopf) gespielt. Lettisches Kulturerbe. So viel lachen und Emotionen. Ganz anders als das stereotypische Bild von den introvertierten Letten. Weil ich zeitweise keine Stimme hatte, haben die anderen vielleicht noch mehr geredet.

Mit der älteren Tochter habe ich stundenlang geredet, ihren leckeren Kakao probiert und zusammen mit ihr ihren ersten Marmorkuchen gebacken. Wir haben einen Schmetterling aus der Scheine befreit und einen Hasen eingefangen, damit er nicht gegessen wird, weil er alles aus dem Garten frisst. Die Enten und die Kuh wurden in die Freiheit entlassen und das Gewächshaus wurde vom Gehege zum Beet. Ich habe Kohl und Radieschen gepflanzt, stand plötzlich im Pullover da, Unkraut gezupft, immer schön mit Kopfbedeckung um mich vor einem Sonnenstich zu schützen.

Mulch ist die Antwort auf alles

Erster warmer Tag und sofort kamen die Schnaken. Wir haben selbstgemachten Johannisbeersaft getrunken, draußen seltsame deutsche Musik gehört, Laub gerecht und das Beste waren natürlich die Kekspausen am Tisch oder bei Regen unter dem Tisch draußen vor dem Haus. Wir sind Fahrrad gefahren, ich habe einen wunderschönen Sonnenuntergang vom Klo aus gesehen, ich war bei der Osterkonzertgeneralprobe dabei und habe ein paar Tänze mitgemacht. Ich in der Mitte vom Kreis, stehe verwirrt da, frage was ich machen soll. Antwort: du bist die Sonne. Renn! Also bin ich gerannt und wurde vom Mond eingefangen. Danach sind wir alle wie Frösche herumgesprungen. Ich liebe es wie alle zu Kindern werden bei den Tänzen. Zu fünft auf der Rückbank nach Hause fahren. Als Bezahlung eine große Flasche frische Milch für den Fahrer. Danach noch in die Saune, sehr rauchig und schön. Bei Kerzenlicht im Dunkeln. Mit einem heißen Birkenstrauch über den Körper streichen. Weiß nicht genau was das für ein Ritual ist, aber fühlt sich gut an.

Ich habe die Gespräche und Witze sehr genossen. Die ganzen Spiele und die neue Inspiration für ein einfaches Leben und DInge selbst zu machen. Trotzdem bin ich einen Tag früher gefahren. Es war einfach mal wieder Zeit für ein bisschen Zeit alleine. Zuerst viel Besuch und dann eine Woche mit einer Großfamilie in einem Haus ohne Türen, da habe ich mich sehr gefreut nach dem morgendlichen Osterritual um 6 Uhr an der Quelle beim Wasserholen mein Gesicht zu waschen und einer Runde Porridge mit Eis die einstündige Wanderung zur Bushaltestelle anzutreten. Die Klienbusse: der einzige Ort an dem ich trashige Musik akzeptiere. Rausschauen und den Irrsinn von in die Erde gesteckte Plastikblumen sehen. Das verstehe ich nicht.

Aussicht vom Klo

So viele Seen, ein tolles Land zum Wildcampen. Und so super warm. Zurück in Riga war es, als ob es ein neuer Ort ist. Frisch erwacht. So viele Menschen draußen, so viel leben. Ganz viel neue Energie. Endlich mal wieder Yoga machen, Essen gehen, telefonieren und das Alleinsein genießen.

Keine Ahnung ob die Farbe der Züge absichtlich so gewählt ist, aber die SOlidarität mit der Ukraine ist enorm

Das erste kleine Picknick im Park. Ein Secondhandmöbelhaus und einen Flohmarkt besuchen. DIe Rentner beim Taubenfüttern beobachten. Scheint ne olympische Disziplin zu sein. Die nehmen das ganz schön ernst. Am Fluss in der Sonne liegen.

Der nächste Morgen: meinen ersten Kurs fürs Semester abschließen. Tolles Wetter, große Blockliebe.

Spontan an den Flughafen fahren und Siri überraschen. Durch so viele unbekannte Teile von Riga.

Siri ist mit dem Frühling angekommen. Wir sind durch die Stadt gelaufen, auf dem Markt gewesen, schön lecker fettige Krautgebäcke gekauft und an der Daugava in der Sonne gesessen bis wir uns richtig sonnengeküsst gefühlt haben. So viel geredet. Eis essen, Aussicht vom Radisson, einkaufen, kochen, so viel reden.

Am nächsten Morgen entspannt frühstücken und ein zweites Mal nach Kemeri fahren. Dieses Mal den richtigen Weg in den Nationalpark finden, Dank Josis Hinweis. Das tolle dumpfe Geräusch der Holzstege, der wunderschön rot-weiße Wald aus Kiefern und Birken. Die Farben des leblos erscheinenden Moors, Wind und so viele Vögel. Leckeren Rote Beete Hummus und Veschpergurken essen, die Natur genießen.

Mit einem Bus aus the middle of nowhere, besser gesagt neben einem Friedhof im Wald, Richtung Meer fahren. Barfuß durch den Sand, kaltes Wasser, lustige Möwen, die sehr nach Comic aussehen. Mit schwarzem Kopf und lustigen Geräuschen.

In Riga wieder den wunderbaren Fehler machen und Knoblauchbrot essen, wonach man eigentlich schon vor dem eigentlichen Essen satt ist. Nach dem Essen den Volkstänzen zuschauen und durch eine sommerlich angehauchte Nacht nach Hause laufen.

Am Donnerstag haben wir in Psychologie die Aufgabe gehabt Verschwörungstheorien zu entwickeln. Das war ein großer Spaß. Danach war ich mit Siri eher spontan in 3 verschiedenen Museen. Porzellanaustellung, dann wollten wir eigentlich ins Jugendstilmuseum und sind ausversehen in ein anderes Museum im gleichen Haus gegangen. Naja, sehr viel input, aber auch sehr viel von den Dingen abgehakt, die ich in Riga anschauen wollte, an einem Tag. Magnolia trinken in der Kartellbar und schick Essen gehen. Wieder ein bisschen zu große Portionen.

Treppenhaus im Jugendstilmuseum
Ein Traum

Wir hatten einen großen Riss in der Decke, der hervorragend repariert wurde. War schön danach meditativ die Küche zu putzen und nen podcast zu hören. Voll die schöne Zeit mit Siri. War sehr schön so viel zu reden und neue Gedanken zu haben.

Gestern dann habe ich ein paar Unisachen nachgeholt, ein neues tolles Café entdeckt in dem Bücher verkauft wurden und einfach in den Tag gelebt.

Und heute war ich wandern im Gauja Nationalpark. Neue Menschen, endlich mal wieder richtig viel Englisch geredet. Pflanzen gesammelt und sehr unprofessionell in meinem Tagebuch gepresst. Erste Herbariumversuche. Mal sehen… Alle haben mir fleißig geholfen beim Suchen. Angenehm so ne Ebene Wanderung. Höchste Erhebung in Lettland ist 300 m hoch.

Ein bisschen bin ich gerade noch gestresst, neue Kurse die noch überfordernd scheinen, noch nicht wissen, ob ich Geo bestanden habe, so viele Tagesausflüge die ich machen will. Freue mich wieder in eine Routine reinzukommen. Freue mich auf die Blätter an den Bäumen.

Foto Impressionen:

Höchster Turm in Riga

Kemeri Nationalpark mit Alex und Linus
Sulfurquellen

Markt in Daugavpils
Große Plastikblumenauswahl

Kontraste

Die letzten Wochen waren sehr voll und abwechslungsreich. Besuch, Prüfungen, Ortwechsel. Ganz viele neue Reize.

Linus und Alex sind vor eineinhalb Wochen gekommen. Haben sehr viel gelacht als ich die Wohnung gezeigt habe. Die wundervollen Abflussgeräusche im Esszimmer. Wir waren in der Nationalbibliothek, der Uni, haben im Ala Pagrabs Folkklub 3 Liter Bier aus einem Krug getrunken und zu Livemusik Jive getanzt und Karten gespielt.

Unsere Tage zusammen hatten eine ganz klare Routine, in der nie ein süßes Teilchen fehlen durfte. Wir waren mindestens dreimal am Tag im Supermarkt. Am Freitag haben wir ein bisschen planlos im Regen den Kemeri Nationalpark erkundet. Und sind in die völlig falsche Richtung gelaufen. Ein paar Hunde auf dem Land, immer Respekt, aber es waren nur Dackel. Natürlich waren wir auch in jedem Dorfladen und haben uns leckeres Eis gekauft.

Am Samstag sind wir ganz entspannt ans Meer gefahren. Ein richtiger Sonnentag. Ich habe telefoniert und mich in die Sonne gelegt. Rundum glücklich. Weidenkätzchen gepflückt und mich dabei sehr Lettisch gefühlt, weil hier jeder mit Weidenkätzchen rumläuft, ein Karamellhörnchen gegessen und mich total entspannt gefühlt. Jedes Foto das wir gemacht haben war natürlich mit den ernstgemeinten Sonnenbrillen von Alex Vater und von uns ironisch getragenen. Ein kurzes Nickerchen zuhause und dann haben wir uns mit unseren neuen Outfits von Humana auf den Weg zum Rave gemacht. Ich habe mit Vaclav darüber geredet, dass man in der Erasmusbubble immer über verschiedene Kulturen spricht, so wie wir eben auch. Der Rave war in einem alten kommunistischen Flughafen, sehr schick. Wir haben getanzt, aber irgendwann war es mir ein bisschen zu stumpfer Techno. Zusammen mit einem Usbeken und einem Ukrainer bin ich Richtung Fluss gelaufen und habe von dort tatsächlich alleine, ohne Google maps nach Hause gefunden. Sehr stolz. Wecker gestellt und dann standen auch schon Josi und Pius vor der Türe.

Ein großes Frühstück und wir haben bei Sonne und Regen meinen Lieblingsmarkt plus Flohmarkt erkundet. Richtig schön die Beiden um mich zu haben. So viel geredet und gelacht. Josi hat uns leckeres Risotto gemacht. Am Montag war ich auf Exkursion in einer Gehörlosen Schule. Lettische Gebärdensprache lernen und zusammen mit den Kindern Tiermemory spielen. Hat mich tief beeindruckt was für eine kognitive Leistung es ist so viele Dinge gleichzeitig wissen zu müssen. Der Vortrag danach war ein bisschen langweilig. Sehr gestresst bin ich zurück in die Stadt gefahren und habe mich mit den anderen zur free walking tour in der Moskauer Vorstadt getroffen. Ein cooles Viertel, dass ich jetzt im Frühling wohl noch mehr erkunden werde.

Zusammen mit Anouk, die wir bei der tour kennengelernt haben, sind wir nochmal ans Meer gefahren. Diesmal bei Wind, Hagel, Schneeregen. Trotzdem schön. Wir waren in einem sehr absurd dekorierten Katzencafe mit gruseligen Katzenbildern und haben Tee getrunken und Karten gespielt.

Abends sind wir dann viel zu spät los um eigentlich georgisch essen zu gehen. AM Ende waren wir in einem israelischen Restaurant und haben sehr lecker eine riesige Schüssel voll Hummus mit Falafel, Baba Ganoush, Shakshuka und mehr gegessen. Das Klo sehr abgefahren in Plastik eingepackt und Nachtisch, der leider ein bisschen nach Seife geschmeckt hat. Nachdem wir eine Weile überlegt haben wann Alex und Linus am nächsten Morgen zum Flughafen aufbrechen sollten und einer Runde Lügen, ich bin so schlecht in dem Spiel, ging es wieder ins Bett. Ich habe großen Schlafentzug. Bin mittlerweile auch sehr genervt vom Autoverkehr in der Stadt und an jeder Ampel anhalten zu müssen. Am Meer war es so schön.

Am Dienstag Exkursion ins Gymnasium, einem sehr von sich selbst überzeugten Schuldirektor bei seinem Gelaber zuhören, die ESC Band von Lettland treffen, die dort zufällig gerade einen Auftritt hatte, im Matheunterricht sitzen. Abends haben Josi und Pius schön östlich Kartoffeln mit Quark, sauren Gurken, ganz viel Kraut und Kohl gekocht. Ich hoffe das gammelt nicht noch in meinem Kühlschrank!

Mittwochmorgen war ich im Teehaus Unizeug machen und ein bisschen Geo lernen. Ab in die Uni, den Test schreiben und keine Ahnung haben, ob ich den bestanden habe, oder nicht. Danach haben wir uns in der Kartellbar getroffen, 8 Cocktails getrunken zur happy hour und schlechte Musik gehört, die immer besser geworden ist. Über Zukunft gesprochen. Dann sind wir mit dem Aufzug im Radisson blue ganz hoch gefahren und haben auf die Stadt geschaut. Ganz schön schummerig so im Glasaufzug.

Lecker Nudeln mit Pesto. Habe ich seit ich in Riga bin noch nie gegessen und jetzt dreimal in einer Woche. Am Donnerstagmorgen noch Psychologieprüfung. Eine riesige Erleichterung das alles wegzuhaben. Gerade ist mein Kopf so voll mit viele Zukunftssachen und Ungewissheiten, dass es schön ist Sachen zu erledigen. Mit Pius gefrühstückt und geredet. Waren zusammen in meiner Vorlesung. Dann zurück. Mit Josi geredet. Pius und ich sind nochmal losgezogen, weil Nacht der offenen Galerien war, ein bisschen ein fail, aber so haben wir nochmal Tomaten für Nudeln mit Pesto gekauft und unsere neue Obsession Waffelkekse. Hat mir früher nie geschmeckt, immer zu sehr nach Pappe, aber jetzt richtig lecker.

In meinem Zimmer gegessen, gerätselt, Leberflecke gezählt. War sehr schön mit den Beiden.

Am nächsten morgen wieder früh aufstehen, schwarzfahren, weil ich meine Busfahrkarte verloren habe. Im Zug in den schlaf schaukeln lassen. Umgeben von Letten, endlich ein Fremdheitsgefühl. Karla in ihrem natürlichen Habitat. Das hat mir gefehlt. Daugavpils, eine gar nicht mal so kleine Stadt, die starke Bulgariengefühle in mir hervorgerufen hat. Im trostlosen Regen Richtung Markt geschlendert. Das war ein Erlebnis. Alles Russisch, Bulgarienvibes, aber ein riesiger Markt, wie ein Bazar in Istanbul. Riga fühlt sich da viel zu normal und langweilig an. Endlich nicht die ganze Zeit Deutsch hören. Fettige Kartoffelkrautgebäcke kaufen und am Busbahnhof schön unhöflich von einem Busfahrer angeschnauzt werden. Das habe ich vermisst. Ja, Erasmus ist wohl was anderes als eine Abenteuerreise. Im Reisebus übers Land. So viele sehr verlassene Häuser. Ziemlich krass. Mitten in der Pampa ausgestiegen. Gestern habe ich zum ersten Mal blauen Himmel gesehen. Sonst schwimmen wir hier in einer grauen Brühe. Neben den Straßen Wasser, von dem man nicht weiß, ob es eine Überschwemmung ist, oder ein See/Teich.

Ilze ist mir entgegengekommen. Ilze und Oskars. Und ihre fünf Kinder, von denen gerade drei dauerhaft hier leben. Ich schlafe im Zimmer der ältesten Tochter. Ständig lettische Stimmen und Gelächter um mich herum. Das genieße ich sehr. Die Liebe von Astra, der jüngsten Tochter, habe ich mir mit Schokolade erkauft. Seitdem ist sie mein kleiner Schatten und wollte sogar in meinem Zimmer auf dem Boden schlafen. Das Wetter ist ziemlich ungemütlich draußen. Ich genieße die Aussicht vom Kompostklo draußen über den Sumpf und die Birkenwälder. Im Haus ist es sehr schön warm und voll mit Dingen. Draußen hing eine geköpfte Ente als ich angekommen bin. Entenversorgung ist meine Aufgabe. Oskars ist ganz jagdsüchtig. Als Andenken an sie, habe ich einen Patronenhülsenanhänger geschenkt bekommen. Er hat mir erzählt die letzten Tage hat er nur von der Jagd geträumt. Auch, wenn ich offensichtlich nicht mit allem was hier so praktiziert wird übereinstimme, ist es schön Teil der Familie zu sein. Schach, lettisches Monopoly (die Straße in der ich wohne gibt es bei Monopoly!), Katan und Karten haben wir gespielt. Wasser holen wir an der Quelle. Jeden Abend waschen wir uns in einer schwarzen Plastikwanne. Ich genieße es so einfach zu leben. Es ist ein ganz schöner Aufwand, auf Dauer könnte ich das glaube ich nicht, aber es ist schön sich so verbunden zu fühlen mit der Natur.

Mit Astra habe ich draußen mit einer weißen Plastiktüte gespielt, wir sind auf dem Anhänger in den Wald gefahren. Die Kinder haben alle sehr coole Hobbys. Modellbau zum Beispiel. Alle sind super musikalisch. Astra, die in den Wind spuckt, flucht wie ein Scheunendrescher und mit ihrer Kinderstimme Aschenputtel auf Lettisch vorliest, habe ich schon sehr ins Herz geschlossen. Auch die Söhne, Donats und Bronislav, deren Namen ich erst weiß, seitdem ich hier auf dem kleinen Friedhof war und die Namen ausgeschrieben gesehen habe, auch. Und Ilze und den verrückten Oskars auch. Die Familie liebt Katastrophenfilme, in denen amerikanische Städte zerstört werden. Ihre Beobachtung: Palmen überleben jede Katastrophe. Alle sind sehr zuvorkommend und kümmern sich um mich. Es gibt nicht so viel zu tun. Gestern Abend habe ich Fieber bekommen und lag heute Flach, habe Erbsen enthülst und Drachenkopf Tee getrunken. Ilze schreibt online Permakultur Projekte, Oskars macht Holzschindeln. Sie kümmern sich sehr um mich. Vorhin hat mir Ilze das urtümliche Instrument Kolka gezeigt. Sehr meditativ. Habe jetzt schon ne Blase am Finger vom Spielen. Ich genieße es hier zu lesen, total fertig zu sein und neue Sachen zu probieren. Ahorn- und Birkensaft habe ich schon getrunken, Sirup aus Kieferzapfen. Kein WLAN, deshalb dieses Mal auch keine Fotos. Ich bin total auf den Moment fokussiert und denke nicht über Dinge nach, die nicht materiell existieren. Gestern wurde ich zur Oberhexe geschminkt und meine Körperteile wurden gemessen. Alles in meinem Gesicht ist 7 cm lang. Astra kann beeindruckend gut Englisch mit ihren acht Jahren.

Ich habe mich in das Chaos hier eingelebt. Trotzdem merke ich, dass es anstrengend ist immer von Menschen umgeben zu sein und man nie abschalten kann. Am Montag ist ein Konzert, meine Chance auf traditionelle Musik, aber vielleicht gehe ich schon früher und verbringe noch ein paar Tage ganz für mich. Ich habe schon lange kein Yoga mehr gemacht. Gerade fühle ich mich zu schwach. Hoffentlich geht es morgen besser. Ich will im Garten arbeiten. Heute waren allerdings Minusgrade draußen. Wir saßen drinnen, ich habe mich von Ilze in den Schlaf singen lassen und wurde von Katzen belagert.

Hier sind so viele Dinge normal, die anderswo unmöglich wären. Das gibt eine Menge Freiheit. Alles wird verwendet und repariert, überall sind Unmengen an Büchern. Ich werde die nächsten Tage auf jeden Fall noch hier genießen, auf meine Bedürfnisse achten und den Frühling willkommen heißen.

Verliebt in Riga

Puh, heute habe ich so viel geredet. Bin schon ganz heiser. So viele Eindrücke mal wieder.

Vor zwei Wochen war ich das erste Mal richtig in der Uni. Also naja, im ersten Seminar haben wir eine Führung durch das Gebäude bekommen und waren auf dem Dach. Und im „punishment“ room.

an den Wänden stehen auch Sachen auf Deutsch. Dort wurde über die Professoren geschimpft
Aussicht vom Unidach

Dort mussten Studenten früher als Bestrafung fürs Rauchen, Alkoholkonsum, oder weil sie zu viel an Frauen interessiert waren rein. Scherzhaft meinte unsere Dozentin, heute wäre wohl die Schlange vor dem Zimmer meterlang. War auf jeden Fall sehr interessant. Die ganzen Räume, Bilder der Direktoren an der Wand. Ein enorm großer Tisch und alles sehr offiziell. Kenne ich nicht von der PH Weingarten.

Danach waren wir noch Kaffee trinken, und alle möglichen Besorgungen machen. Mittlerweile entdecke ich immer mehr Bioläden, Märkte und Unverpackt Läden.

Beim ersten Lettischkurs in Präsenz, auf uralten Schulbänken, hat mein Kopf danach geraucht. Ich lerne so viel mehr als online. Dann Geo im neuen Gebäude. Leider in einem Raum ohne Fenster. Sehr deprimierend. Aber die Bib und die Lernräume sind sehr cool.

Es fühlt sich an, als ob ich jetzt richtig angekommen bin. Ich bin in einer neuen Phase. Die Zeit, die ich für mich alleine gebraucht habe ist vorbei. Jetzt mache ich wieder mehr mit anderen. Die perfekte Balance muss ich noch finden.

Ich hatte einen sehr lustigen WG Abend in der WG über mir. Mag es immer mal Gast-WG-Mitglied zu sein. Wir haben Kartoffelpuffer gemacht. Stellt sich heraus, nicht so geeignet wenn man hunger hat. Haben viel über Humor geredet.

Ich habe den letzten Schnee genossen. Sonne und Schneegestöber, einfach toll. Tagsüber hat es mittlerweile Plusgrade. Das macht einen riesen Unterschied. Es kommt mir jetzt viel wärmer vor. Trotzdem nur so 3 Grad, aber mein Gefühl für Kälte ist auf ner ganz neuen Ebene.

Für Wärme anscheinend auch. Die Sauna war gar nicht mal so heiß. Bis wir uns da erstmal zurecht gefunden haben in dem Hallenbad. Hin und hergewusel. Wo zieht man Jacken und Schuhe aus? Gänge wie in einem Labyrinth. Habe die Sauna sehr genossen. Die Schwimmerbecken waren im zweiten Stock. Wie lange ich schon nicht mehr geschwommen bin. Aussicht auf ein paar riesen Hochhäuser. Hat auch was.

Der Tag war tiefenentspannt. Nach der Sauna und dem Schwimmen noch Yoga gemacht. Mir war richtig warm. Allerdings nur bis ich abends aufs Streetfood Festival gegangen bin. Brrr war das kalt. Aber sehr cool. Ein DJ im Wohnmobil, eine Discokugel, coole Musik und wir wie wir unentspannt schnell unser essen aufessen und halb tanzend aus Spaß, halb um nicht zu erfireren, um ein Fass stehen.

Dann sind wir schnell ins Rockcafe und waren wahrscheinlich die ersten, die je in der Bar Tee bestellt haben. Im Folkklub war es leider schon zu voll, aber die Atmosphäre war so cool und das Essen hat sehr gut gerochen, deshalb haben wir uns gleich verabredet dort nochmal hinzugehen.

Am Samstag habe ich Greta, aus meinen Pädagogikkursen in die Humanawelt hinabgezogen. Wir waren auf meinem Lieblingsmarkt und haben alles Gemüse gekauft, was gut in einen wilden Eintopf passt. Haben übers Dorfleben gesprochen und zusammen gekocht. Das habe ich vermisst.

Sonntagmorgen ist Verena, die vorerst letzte WG Mitbewohnerin eingezogen. Leider mit Corona.

Ich bin abends mit den Germans, Melanie und Venca im Folkklub essen gegangen. Am Tag davor hat Greta ausführlich von Maultaschen geschwärmt, bei diesem Abendessen haben wir gar nicht mehr aufgehört über Brot zu sprechen. Melanie und ich haben die traditionellen grauen Erbsen gegessen. Klingt eklig, ist aber super lecker. Ein Gericht, dass in einem halben Kastenbrot daherkommt. Wir mussten am Ende echt kämpfen.

Livemusik, ich habe den anderen Arschloch beigebracht, wir haben BlackBalsam getrunken. Ein traditionelles lettisches Likör. Ich habe schwarze Johannisbeere genommen. War sehr lecker. Greta und ich sind noch zusammen nach Hause gelaufen. Wir reden immer so viel, dass mir der Weg noch kürzer vorkommt als er ist.

Am Dienstag waren wir am Stadtrand in einem Montessorikindergarten. Exkursion in alternativer Pädagogik. Einmal über die Schnellstraße rennen. „Oh my little chickens!“, Zitat Dozentin. Die Frau bringt mich immer zum Lachen. Im Gänsemarsch durch den Schneematsch.

Im Kindergarten umschauen und die Kinder beim Lernen beobachten. Die waren alle so bedacht und ruhig. Ganz geduldig. Es war so leise. Alles wurde sofort nach der Benutzung wieder zurückgeräumt. Tolle Materialien und tolle Kinder. Ich bin fan.

Ein paar Gedanken zu Riga. Ich freue mich immer, wenn ich nach Geo im Abendlicht zur Tramstation laufe. DIe Stadtkulise erwärmt mein Herz. Letzte Woche ist der Schnee geschmolzen und die Vögel sind da. Aber hier sieht man aus einem anderen Grund das der Frühling kommt. Seit kurzem stehen überall rote Miniroller herum. Die wurden wohl von der Stadt herausgerückt und da vertraue ich nun, dass die Wissen: ab jetzt ist der Frühling da.

Es war ja auch „Riga feiert das Frühlingserwachen“-Woche. Im Schnee dachte ich Riga ist eine super saubere Stadt. Jetzt kommt aber doch der ein oder andere Hundekothaufen zum Vorschein. Es sind viel mehr Menschen auf den Straßen. Es ist als ob RIga aufgewacht ist. Die Tauben fangen mit ihrem Gebalze an, die Autos nerven mich extrem. Jetzt weiß ich wie der Beton der Straßen in Riga aussieht.

Da wir am Samstag in die Oper sind, mussten wir am Donnerstag noch schnell Outfits kaufen gehen. Ich habe einen neuen Secondhand Laden gefunden. Antonia hat alles was glitzert anprobiert, Debora hat ein schönes Tuch gekauft, Anja haben wir in der Umkleide vergessen. Ein ganz normaler Einkauf. Die Musik bei den Humanas ist auch immer wild und gehört definitiv zum Einkaufserlebnis. Genau wie die Funde wie eine imitierte Lederhose, die fettesten Schulterpolster und Kleider, von denen man nie so genau weiß wie man die eigentlich trägt.

Am Freitag war ich Pfannkuchen frühstücken, habe nebenher etwas für die Uni gemacht und danach noch lettisch gelernt. Alles so gut es geht in einen schönen Tag integrieren.

Mein Tageshighlight: mit Verena, die endlich einen negativen Test hatte, zusammen die Abflüsse zu reinigen. Wobei ich eher die mentale Stütze war, die im Hintergrund Würgegeräusche gemacht hat, war. Ach war das am Spaß. Ein besonderes Gefühl. Sehr befriedigend wie gut das Wasser jetzt wieder abläuft.

Dann war ich in einer Fotoausstellung im Fotografiemuseum. Bilder einer Reisefotografin aus den Fünfzigern, bis in die Neunziger. Das war so inspirierend, dass ich danach ganz viele Fotos gemacht habe. Das Gebäude an sich, der Boden war natürlich auch schon wieder ein Traum.

Ein bisschen Ravensburgflair

Abends war ich zum Schokomuffins backen eingeladen. Natürlich die volle Dröhnung mit flüssigem Kern und Sahne. Aber natürlich auch einem Apfel zur Neutralisierung für zwischendurch. Dann waren wir noch einen cocktail trinken um die Ecke. Es ist so schön, dass immer was los ist und ich so zentral wohne.

Gestern morgen war die Sonne wieder da. Ich bin richtig aufgesprungen und hab mich schnell angezogen. Dann war ich auf einem neuen Markt. Pavillions draußen, Musik, so viele süße Leckereien. Meinen Gemüseeinkauf erledigt.

Dann konnte ich nicht widerstehen. Nicht gut mit leerem Magen einzukaufen. Ich habe ein Küchlein gekauft und erstmal gefragt was das eigentlich ist. Ich frage gerade immer die Verkäufer, was sie mir empfehlen würden. Dieses mal also Kartoffel, Karotten, Frischkäse. Schmeckt süßlich, meinte er noch. Ein wahres Abenteuer, wenn man ab und zu etwas probiert und gar nicht weiß, was man als nächstes erwartet. Ein neues kulinarisches Erlebnis. Tatsächlich süßlich. Und in der Mitte schmeckt es dann plötzlich wie Käsekuchen. Das war wild.

Die Sonne macht  mich so glücklich, dass ich ständig vor mich hinsummend durch die Gegend laufe. Ich habe mich durch verschiedene Marmeladen probiert und wurde gut beraten eine mit schwazrer Johannisbeere und Lavendel zu nehmen. Jetzt brauche ich nur noch Brot. Aus meiner Libelingsbäckerei. Ich bin auf dem Rückweg noch an der Daugava entlang gelaufen. Lag in der Sonne und habe den Möwen zugeschaut wie sie im sehr starken Wind auf der Stelle schweben. Leider ist der Verkehr ein konstantes Hintergrundgeräusch.

Auf dem Rückweg habe ich zufällig Jana getroffen und heute Lilli (beide aus Pädagogik). Echt lustig wie oft man sich hier sieht. Wie in Weingarten.

Abends dann die Oper. War das spannend die anderen Leute zu beobachten. So viele schönen Kleider. Wir haben gut reingepasst. Es macht mir großen Spaß mich schick zu machen. Das Gebäude, wie soll es anders sein, ein Traum. Das Bühnenbild, die Kostüme (das meiste mit sehr großer Wahrscheinlichkeit von Humana), das Licht, das Orchester. So viele neue Eindrücke. Pik Dame. Zum Glück gab es das Programmheft auf Englisch. Ansonsten könnte ich das Stück nur mit den 5 Wörtern zusammenfassen, die ich auf Russisch verstanden habe: ich weiß nicht, Stunde, Liebe, Schlüssel, Pik Dame.

Ein schöner Abend. Auch, wenn ich es für den Konstrast gerne gemacht hätte, bin ich danach nicht noch mit auf den rave und am nächsten Morgen in die Kirche.

Heute bin ich nämlich mit Greta auf Brunos und Mareks sehr illegalen Rädern, ans Meer gefahren. Der Bremsweg wird hier ganz anders berechnet… Licht? Klingel? Gangschaltung? Bremse? Nope für Greta. Ich war was das ganze angeht auf Mareks Klapprad dann doch ein wenig besser ausgestattet.

Am See Kizers

19 km durch Rigas Vorstadt. Sehen wo sich die Plattenbauten verstecken.

Über Brücken, Betonplatten, Restschnee bis zu einem Bohlenweg. Durch einen Kiefernwald mit leichten Nadelduft ans Meer. Es war so windstill, so ruhig wie ein See. Unterwegs ein bisschen „Ich seh den Sternenhimmel“ und Roller singen. Am Meer Humusbrot mit Oliven und danach Zimtschnecken essen. Die Wassertemperatur abchecken und die unfassbare Ruhe genießen. Es ware so viele Spaziergänger unterwegs. Leider hat man heute die Sonne gar nicht gesehen. Es war einfach nur bewölkt. Mit leichtem Nieselregen.

Naja. In unserem Mittagstief sind wir dann lieber mit dem Bus zurückgefahren. Eigentlich wollten wir nach dem Essen into the wild schauen. Aber wir haben so viel geredet. Ein sehr toller Redefluss über Auslandserfahrungen, die Balance und Schule. Dann kam Verena in die Küche. Nahtloser Übergang von Greta zu Verena. Und auch was fas Gespräch angeht. Ich war von 15-20:30 Uhr ununterbrochen in der Küche und habe geredet. Die Küche ist gerade ein sehr schön sauberer Ort, nachdem ich heute morgen sehr energisch den Herd geputzt habe. Mit Verena habe ich auch gar nicht mehr aufhören können zu reden. Dann bin ich aber nochmal los um unsere Schokokekscravings zu stillen. Davor habe ich noch Tickets für den nächsten rave gekauft.

Ich freue mich sehr wenn Linus und Alex kommen und wir dann dort hingehen. Es passiert so viel. Ich freue mich voll auf meinen ganzen Besuch. Ist ein bisschen schwierig, dass mit den Klausuren und der Uni zu koordinieren, aber richtig schön jetzt meine neue Stadt zu zeigen. Das Wetter zeigt nur Schauer an. Aber das ist mir sowas von egal. Ich habe so viel vor.

Jetzt bin ich gerade total fertig von diesem Tag. Morgen wieder Uni. Präsentationen, Lettischtest, Gruppenarbeit. Cottagewochenendeplanung, was für ein Wort. Das kann nur die deutsche Sprache. Morgen ist wieder ein traditionell lettisches Event um den Frühling zu begrüßen. Die Beschreibung klang sehr interessant und hat mich neugierig gemacht. Darts, Jubeln, Vögel treiben, Schaukeln dekorieren mit Folkloreensemble. Vielleicht ist es auch nur schlecht von Google übersetzt. Wir werden sehen.

 

In der Gertrudes Kirche, der Schutzpatronin der Reisenden, gleich nebenan, war ich jetzt auch mal
Das Essen war so lecker, dass muss jetzt auch noch hier Platz finden

 

Ab in den Süden nach Riga!

Heute Mittag bin ich in den Süden zurück gefahren, ja richtig, Riga liegt im Süden. Es kommt eben immer darauf an mit was man etwas vergleicht.

Bevor ich von meinen Reiseeindrücken berichte aber erst noch zu der Zeit davor in Riga.

Die letzte Woche war die Sonne sehr viel zu sehen. Das hat mich total glücklich gemacht. Ich habe mit der lieben Dachgeschoss WG Pizza gebacken und einen schönen WG Abend verbracht.

Wir waren im KGB Museum, Geheimdienst der Soviets. Das Gebäude ist gleich neben meinem Apartment. Dort wurden politische Gefangene eingesperrt. Wir haben eine Führung von einem österreichischen Zivildienstler bekommen. Super spannend und verstörend von den Ungerechtigkeiten und der Willkür zu hören. Traurigerweise wird das Museum dieses Jahr geschlossen, aufgrund von Einsturzgefahr. Sehr traurig, dass „kein Geld da ist“ um diesen wichtigen Teil der Vergangenheit aufzudecken.

Dann hat sich der Kriegsbeginn gejährt. Ich bin auf ein Benefizkonzert im Schneesturm gegangen. Zusammen mit Melanie, Venca, Amanda und lustigerweise habe ich meinen Mitbewohner Joseph getroffen, der sich AUCH mit Melanie verabredet hat. Wirklich ein Dorf. Der Schneesturm hat sehr gut zu den melancholischen Lieder gepasst. Melanie wurde die ganze Zeit gefilmt und ein Mann hinter uns hat uns auf seinem Handy einen Fernsehausschnitt von uns gezeigt. Wir sind jetzt landbekannt 🙂

Danach waren wir bei Lido, einer lettischen Kantine, essen. Roggenbrot mit Knoblauch, sehr lecker. Pfannkuchen und den Brotbeerennachtisch.

Am Sonntag waren wir: Marius, Marek, Debbie (die Dachgeschoss WG) und Antonia, auf dem Flohmarkt. In einem wilden Preis-Sprachmix aus russisch und lettisch bin ich nun stolze Besitzerin eines Kartensets und eines Schachbretts. In der Markthalle haben wir noch ein wenig rumgestöbert.

Danach waren Debbie und ich noch im Okkupationsmuseum. Das hat mir sehr geholfen die Geschichte Lettlands und das schwierige Verhältnis zwischen Letten und Russen besser zu verstehen. Die ganzen Gräueltaten und alles erst 30 Jahre her. Junge Unabhängigkeit. Der Einfluss der Deutschen überall. Schade, dass man nicht lernt in welchen Ländern das auch ne Rolle spielt. Die global player kaut man Jahre kang durch, aber alle „unwichtigen“ werden nicht mal genannt.

Lettland hat ein Drittel der Bevölkerung verloren durch Flucht und Krieg. Während sich Estland an Finnland gehangen hat und Litauen an Polen, blieb Lettland in der Mitte ein wenig zurück.

Das Baltikum ist sehr mystisch und naturverbunden. Die Nationalbibliothek in Riga wurde nach einer dieser nationalen Sagen designed. Es handelt sich um ein Schloss aus Licht. Um alle Bücher in die neue Bibliothek zu bekommen gab es wieder eine Menschenkette, die die Bücher von der alten in die neue transportiert hat. Sehr cool.

Es macht mir Spaß einen Ort tiefer zu verstehen und nicht nur, wie auf Reisen, an der Oberfläche zu kratzen.

Ich bin sehr viel draußen gewesen. In den Parks, die gefrorene Daugava. Und darauf Möwen, Enten, Raben und Spatzen. Ganz viel Sonne.

Überall Schnee und Eis. Und auf dem Eis Sand und Kies. Die Eiskönigin muss aus Lettland stammen. Wie können die Frauen hier in Röcken und hohen Schuhen auf dem Eis laufen?

Die Inflation ist krass. In Estland 25%. Dort sind die Preise schon skandinavisch. Lettland ist teurer als Deutschland, aber in Relation zum Norden, ist es schon wieder preiswert.

Ich war in der russisch orthodoxen Kirche. Der erste Kirche, seit ich hier bin. Am Donnerstag, nachdem ich in der Vorlesung viel Vorfreude hatte, vorallem auf Helsinki, bin ich dann nach Tallinn losgefahren. Im nachhinein hat mir Tallinn sehr viel besser gefallen. Auf der Busfahrt so viel Schnee und Seen mit Eisfischern, Wald und eine wunderschöne Farbe des Himmels. Achtung kitsch: Sonne ist das schönste Accessoires für Stadt und Natur.

Tallinn ist supersüß. Ich habe das kulturweit Netzwerk genutzt und bei Ben, einem Freiwilligen, geschlafen. War zum Glück gar nicht seltsam. Kaum hat er die Türe aufgemacht haben wir ununterbrochen geredet. Kleiner Abendspaziergang zur Linnahall. Einer Ruine, früher Stadthalle für die olympischen Spiele. Direkt am Meer. Windig, aber guter Blick auf die Stadt.

Die Häuser sind sehr niedrig im Vergleich zu Riga. Sehr süße Altstadt. Avi, Bens Mitbewohner war auch mit am Start. Ewig geredet, Nachmitternachtssnack und dann gut geschlafen.

Was gehört zu jeder Stadt? Richtig! Eine Freewalkingtour. Sehr viel Neues gelernt. Man ist nur Estnisch, wenn man ein startup hat. Bolt, das pendant zu uber kommt aus Estland. Genauso wie Skype. Gerade werden Essenslieferroboter entwickelt, die auch noch die Lieblingsmusik spielen. Der erste in den USA wurde leider von einem Bus überfahren.

Steven Seagull, die meistfotografierteste Möwe Tallinns
Gefühlt hat Riga als auch Tallinn mehr Türme, als die Stadt der Türme Ravensburg

Mit Kadri, unserem guide habe ich über Polarlichter geredet. Ein klares Zeichen des Klimawandels, dass man die gerade sogar in Deutschland sehen kann. Hat mit elektromagnetischen Phänomenen zu tun. Falls ich das jemals verstehe, hatte das in meiner Geo Vorlesung, sage ich Bescheid. Total schön viel Sonne. Hatte sogar einen leichten Sonnenbrand. Man gewöhnt sich an die Temperaturen. Ich hoffe, mir wird der Sommer in Deutschland nicht zu heiß. Am Freitag geht’s endlich in die Sauna!

Ich habe ein cooles Hipsterviertel entdeckt. Viel street art. Dann war ich in Kalamaja. Fischhaus übersetzt. Mir wurde ja schonmal gesagt Kala heißt Fisch. Maja, eines von weniggen Worten, die im estnischen und lettischen gleich sind Haus. Also das Viertel der Fischer. In der Markthalle habe ich Linsensuppe und veganes Gebäck gegessen. Die Stadt ist so cool. So modern und auf die Zukunft ausgerichtet. Ben hat mir erzählt, der einzige Ort in Tallinn in dem Kartenzahlung nicht möglich ist, ist die deutsche Botschaft… Na klar.

Ich hatte einen richtig schönen Tag.

Abends dann auf die Fähre nach Helsinki. Ganz eigene Welt. Mit shows und Einkaufsmöglichkeiten. Total absurd. Habe mich unwohl gefühlt. Deshalb lieber draußen auf dem offenen Deck gestanden und den Schneesturm auf dem Meer gespürt. War faszinierend. Helsinki ist fremd und vertraut. So weit entfernt, aber auch sehr westlich. Die Innenstadt hat mich stark an Stuttgart erinnert. Leider kein Kompliment. Aber genau wie Stuttgart hat Helsinki auch schöne Orte.

Das billigste host: cheap sleep. Der schlaf war auch ziemlich cheap. Eine witzige Sache: was war das erste was ich je mit Finnland in Verbindung gebracht habe? Die Band sunrise avenue und hollywood hills. Das glaubt mir jetzt niemand, aber welcher song lief, als ich im hostel an der Rezeption stand? Genau, hollywood hills.

Nachdem ich akzeptiert hatte, dass ich nur eine Nacht schlafen dort schlafen muss habe ich mich schnell abgefunden.

Wieder free walking tour. Der Dom von Helsinki ist schon beeindruckend.

Schnee in Helsinki. Das gehört zusammen. Ich hatte die volle Dosis. Wann sind Finnen offen? Wenn sie Alkohol trinken, singen oder nackt sind.

Anscheinend sind sie total naturverbunden. Glaube ich auch ein bisschen, genauso wie sie ein gutes Sozialsystem haben, zukunftsorientiert sind, das erste Land waren indem Frauen wählen durften UND gewählt werden konnten. Im Moment, bis zur nächsten Wahl in einem Monat, von 5 Frauen regiert wird. Ziemlich cool alles. Aber dieses Verständnis von Naturverbundenheit, da habe ich ein bisschen ein anderes. Überall gibt es Rentier- und Bärfleisch und ich habe noch nie so viele Leute mit Pelzmänteln oder Mützen gesehen. Diese Ignoranz und Unwissenheit sticht mitten ins Herz.  Spricht voll gegen die Fortschrittlichkeit.

Zweite Nationalsprache von Finnland ist Schwedisch. Alkoholkonsum ist ein großes Problem. Alkohol ist zwar teuer, aber Tallinn ist ja nur 2 Stunden entfernt. Und wird zur Alkoholbeschaffung reichlich genutzt. Sehr viele Menschen mit Einkaufswagen voll Bier auf der Fähre.

Irgendwie habe ich mir Helsinki großer vorgestellt. Ich bin in der berühmten Felsenkirche gewesen, habe einen tollen Bücherladen gefunden. Habe mich so treiben lassen.

Das aus 22km Kupfer bestehende Dach der Felsenkirche
Süßer Buchladen

Die Zentralbibliothek Oodi besucht. Was ein Design! Ein Ort, wie ich mir Utopie vorstelle. 3D-Drucker, Maschinen jeglicher Art, Nähmaschinen, Computer, Konferenzräume, Cafe, Kino, Restaurants, so viele Plätze zum Sitzen und lernen und lesen. Hat mich tief beeindruckt.

Oodi von außen

Dann war ich so halb ausversehen in der Mensa von Helsinki. Leider habe ich nicht verstanden was auf den Schildern stand und zwei Hauptgerichte genommen. Musste glücklicherweise nicht mehr zahlen, war teuer genug und das wollte mir der Typ nicht noch antun. Endlich mal wieder was gscheits zum Essen. Hier gibt es überall so viele Fertiggerichte in den Supermärkten, überall nur Fastfood. Ist das in Deutschland auch so?

Dann war ich noch im Designmuseum, habe mir Zimtkekse gekauft und im Dom gegessen und Tagebuch geschrieben.

Zurück auf der Fähre, von einem Land mit Äs und Ös wieder ins andere.

Avi hat mich reingelassen und ich bin erschöpft von diesem Städtetrip eingeschlafen.

Heute morgen, Ben hat noch geschlafen, sind Avi und ich noch ein bisschen durch einen anderen Teil von Tallinn gefahren und haben uns gut unterhalten. Über Rassismus, Länder, Kulturschock und Bewusstsein.

Jetzt sitze ich im Bus zurück nach Riga. Habe wahrscheinlich einen neuen Mitbewohner wenn ich ankomme und im Moment eine sehr volle Blase. Kleine Homage an Josi und ihr Gedicht über ihre kleine Blase 🙂 Daran muss ich jetzt gerade denken <3

Morgen beginnen die Vorlesungen in Präsenz. Ich freue mich auf Alltag und, dass es sich gerade so anfühlt wie nach Hause zu fahren. Ich freue mich aufs Einkaufen und weiter meine Stadt zu erkunden.