Während unseres Vorbereitungsseminars haben wir uns kritisch mit Vorurteilen und Klischees auseinandergesetzt. Ich bin da eigentlich immer sehr bedacht, keine Gemeinplätze einzunehmen oder vorschnell zu urteilen. Wenn man dann aber selbst mit Klischees gegenüber der eigenen Kultur konfrontiert wird, geraten all diese wohl-reflektierten Gedankengänge und Ideale manchmal ins Wanken. Im Folgenden möchte ich berichten, wie ich bis dato „dem Deutschen“ in Mexiko begegnet bin.
Zum einen wäre da die Wahlparty, zu der wir am 22. Dezember in die deutsche Botschaft eingeladen worden waren. Fast ausschließlich Deutsche hatten sich da zusammengefunden, um die Wahlergebnisse in Deutschland mitzuverfolgen. An sich natürlich ein Ereigniss, dass ich mir nicht entgehen lassen wollte. Zum einen, um die Ergebnisse der Wahl direkt zu erfahren, zum anderen, um auch mal einen Blick in die Botschaft werfen zu können. Leider fand das ganze dann allerdings im Innenhof statt und außer der Botschafts-Gäste-Toilette, hab ich leider wenig vom Gebäude zu Gesicht bekommen. Im Innenhof war alles dekoriert mit Wahlplakaten und Luftballons in allen Partei-Farben (natürlich hat die Botschaft hier nicht Partei ergriffen). Es gab auch einen Wettbewerb: wer mit seinem Tipp über das Wahlergebnis am nächsten am tatsächlichen Ergebniss lag, konnte einen I-Pod gewinnen. Zufälligerweise ging dieser an den Botschafter selbst. Außerdem gab es Bier aus 1-Liter-Biergläsern, Brezeln und Leberkäs. Man stand zusammen und unterhielt sich. Viele hatten ihre Kinder mitgebracht. Hinteher hab ich mich gefragt: Was die überwiegend mexikanischen Bediensteten da wohl für ein Deutschland-Bild erhalten haben? Die Deutschen trinken Bier, und das schon um 13h, sie essen Brezeln und Leber im Brötchen. Dazu käme natürlich noch das fachsimpelnde in-Grüppchen-Zusammenstehen, die Wette, um die Veranstaltung etwas spannender zu gestalten, und überhaupt die Tatsache, dass hier offen und in einer Art feierlichem Rahmen über Politik geredet wurde. Und, dass Mutti (leider) Deutschlands Repräsentantin bleibt.
Zufälligerweise begann in der selben Woche das Oktoberfest. Bier, Brezeln und Leberkäs gibt’s da auch, das weiß wahrscheinlich so gut wie jeder, der dieses Volksfest mit Deutschland verbindet. Und das tun viele. Neben einem Facebook-Post, den ich für dien DAAD México veröffentlich habe, bin ich auch noch auf anderen alltäglichen Wegen diesem Klischee-Bild begegnet. Und zwar bietet der Supermarkt Superrama, in dem ich immer einkaufe, passend zum Oktoberfest deutsche Wochen an. Fast ein wenig bedrohlich wirkt die überdimensionale schwarz-rot-goldene Flagge mit Adler in der Mitte, die direkt im Eingang des Markts trohnt. Daneben ein Riesen-Bierkrug und jede Menge deutsche Produkte. Bier – natürlich – Kekse, Zweiback, saure Gurken, Kuchen, Apfelschorle, Spätzle, eine Kartoffel-Salat-Saucen-Mix-Hilfe, Schokolade, Senf und neben einigen anderen Produkten seltsamerweise Gerolsteiner Mineralwasser. Würstchen konnte ich keine ausfindig machen. Auch wen ich mit denen wurde ich hier in letzter Zeit so häufig konfrontiert wurde, wenn ich neue Bekanntschaften gemacht habe.
Salchica y cervaza – Wurst und Bier
Deutschland? Wie schmeckt dir denn das mexikanische Bier? Trinkt ihr eigentlich immer zum Essen Bier? Ihr habt doch so unglaublich viele Wurst-Sorten. So oder so ähnlich, wurde sich schon häufig über die deutsche Kultur geäußert. Ich stelle fest, das mexikanische Bier schmeckt mindestens genauso gut wie das Deutsche. Ich habe ziemlich wenig Ahnung von Alt- und Schwarzbier und von deutscher Wurst. Gestern wurde ich, nachdem ich ein Hotdog verdrückt hab, gefragt: Und? Die Wurst schmeckt hier nicht so gut wie bei euch, oder? Ähhm, darüber hatte ich mir beim Essen eigentlich keine Gedanken gemacht. Auffällig anders hat die Wurst nicht geschmeckt. Irgendwie ist es ja schon absurd, dass ich mir hier viel mehr Gedanken über Wurst und Bier mache, als da, wo ich anscheinend immer davon umgeben sein müsste.
Eine weitere, etwas surreale, Begegnung mit deutscher Kultur, habe ich diese Woche in Form des „deutschen Bäckers“ gemacht. Auf einmal, rief meine Ansprecheperson im Büro Der deutsche Bäcker ist da, kommt doch mal mitrunter und guckt mal ob ihr was kaufen möchtet. Deutscher Bäcker? Wo kommt der denn her? Und warum steht der plötzlich vorm Büro des DAADs? Neugierig bin ich mit vor die Tür und erblickte einen kleinen weißen Lieferwagen. Daneben eine blonde Frau. Die hinteren Türen des Wagens waren geöffnet und darin. befand sich ein gut organisiertes Plastik-Schubladen-Sortier-System, das randgefüllt war mit allen erdenklichen Teilchen, Brot (geschnitten und ungeschnitten), Brötchen, Croissants, Schokobrötchen und und und. Die blonde Verkäuferin, infromierte uns mit ihrem bayerischer Dialekt gerne über ihr variationsreiches Angebot. Und dann haben wir tatsächlich ziemlich zugeschlagen und uns über Körner-Brötchen und Nusszöpfe gefreut. Der „deutsche Bäcker“ bietet einen Lieferservice innerhalb D.F.s an und fährt u.a. deutsche Institutionen, wie den DAAD an. Hätte die Dame noch Bier und Würstchen dabei gehabt, hätte mich das irgendwie nicht gewundert. Hätte ich plötzlich Lust drauf gehabt, hätte ich auch eine Ecke weiter ins Weltweit Bierhaus spazieren können.
Klischees sind ungenaue Verallgemeinerungen. Aber irgendwas ist dann vielleicht manchmal doch wahr dran.
Abschließend noch ein schönes Zitat, das ich in Teoptzlán am Eingang zu einer Schule gelesen hab:
„Si esperas cambiar tú, cuando haya cambiado el mundo, morirás sin haber vivido. Si comienzas cambiando tú, ya estás cambiando el mundo“ (F. Macero)
Wenn du erwartest dich zu verändern, wenn sich die Welt geändert hat, wirs du sterben ohne gelebt zu haben. Wenn du aber selbst anfängst dich zu verändern, dann bist du bereits dabei die Welt zu verändern. (frei übersetzt)
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