Jetzt neigt sich meine Zeit in Mexiko bereits dem Ende zu. Nächsten Samstag geht es zurück. Die Zeit fliegt. Und wie das so bekanntermaßen ist, gefällt es mir gerade jetzt besonders gut. Ich fühl mich jetzt vollständig eingearbeitet, bewege mich mit viel mehr Sicherheit und fast schon routiniert durch die Stadt, kenne mein Viertel einigermaßen gut (der Tamales-Mann an der Metro-Station kennt mich mitlerweile und im Café um die Ecke weiß man bereits, was ich immer bestelle) und ich habe ein paar Freunde gefunden. Nichtsdestotrotz könnte ich noch getrost 6 weitere Monate hierbleiben, um noch mehr von der Stadt und Umgebung zu entdecken.
Bei aller Routine stelle ich trotzdem während meines Alltags immer wieder fest, dass ich in Mexiko-Stadt lebe. Auch wenn ich in einer deutschen Einrichtung mit 50% deutschen Kollegen und ungefähr genauso viel verwendeter deutscher Sprache – wenn nicht sogar mehr, denn ich teile mir schließlich mit der deutschen Rike meine Wohnung – arbeite. Es gibt da einige Unterschiede zum Leben in Deutschland, an die ich mich noch nicht gewöhnt habe. Dinge, die mich ab und zu stutzen lassen oder über die ich mich wundere, weil sie mir unbekannt oder einfach nur ungewohnt sind.
Da wäre zunächst der Blick in den nächtlichen Himmel. Heute leider nicht zu sehen, da es bewölkt ist: der Mond. Der Mond sieht hier nicht aus wie ein C, sonder viel mehr wie ein Lächeln (wenn sich gerade nur eine Sichel abbildet). Das scheint wohl ganz logischerweise an der Perspektive zu liegen, die ich von hier aus auf den Mond habe. Irgenwie logisch erklärbar, trotzdem ist es jedes Mal ungewohnt diesen Blickwinkel einzunehmen. Wie ich von einem Freund erfahren habe, lernen die meisten Kinder in der Schule allerdings die Mondphasen anhand eines Models, das aussieht wie das, das man aus europäischer Perspektive kennt. Eurozentrismus hallo!
Eine weiteres scheinbar mexikanisches visuelles Phänomen, das mir immer wieder auffällt, ist die weiße Farbe am unteren Drittel der meisten Baumstämme. Dies ist eine Art Insektenschutz. Und eine Mischung aus Kalk und Farbe. Was außerdem von außen bemalt ist, sind die Fassaden der meisten kleinen Geschäfte. Meist sehr bunt und es erweckt den Anschein, dass das Werk von Hand und in sehr kunstfertiger und kreativer Weise aufgetragen wurde. Auch Werbungen oder Protest-Äußerungen begegne ich hier oft in dieser Form.
Ein Protest-Gemälde gegen den Ausbau der Autobahn in Tepotzlán
Wasser ist eine weitere Sache, mit der hier anders umzugehen ist bzw. umgegangen wird. Zunächst wäre da die Tatsache, dass Leitungswasser nicht genießbar ist. Sprich, den Kaffe bereit ich mir morgens mit gekauftem, abefülltem Wasser zu. Mancheiner putz sich sogar die Zähne nur mit abgepacktem Wasser. Auf so gut wie jedem Dach befinden sich hier große schwarze Wassertanks, denn das Wasser bleibt auch mal aus – so wie jetzt gerade zum Beispiel– oder der Wasserdruck ist sehr gering. Die Wasserversorgung ist in dieser Riesen-Stadt mit ihren 20-Millionen Einwohnern ein großes Problem – 1,6 Milliarden Liter werden hier pro Tag verbraucht und viele Stadtteile haben des Öfteren einen oder mehrere Tage lang kein Wasser. Kein Wunder, da die Stadt nämlich keine eigenen Wasservorkommnisse besitzt. Sie wird mit Grundwasser und Wasser, das aus einem im umliegenden Bundesstaat befindlichen Stausee angeliefert wird, versorgt. Dass sie sich dadurch quasi selbst den Boden unter den Füßen wegzieht, bringt weitere Probleme hinzu. Mehr gibt es dazu hier zu lesen.
Das gleiche gilt für das Stromnetz, das hier oberirdisch verläuft. In der letzen Woche hatten beispielsweise einen Tag lang keinen Strom. Zum Glück ist an unser Büro ein Generator, der mit Gas läuft, angeschlossen und der im Notfall anspringt. Trotzdem gibt es da meist den ein oder anderen PC, der dann nicht anspringt und man muss Däumchen drehen. Schlimmstenfalls gehen dabei auch Geräte kaputt, sowie vor einigen Jahren der gesamte Server des Büros. Leider bemerkt man den dadurch veursachten Datenverlust manchmal heute noch.
Täglich zwischen 9.30 und 10h höre ich außerderm aus meinem Büro heraus den Kaffee-Mann über die Straße laufen und lauthals brüllen: „Haaaaay Cafeeeee“. Nicht täglich aber doch auch mehrmals pro Woche gesellt sich zu ihm der Schrottwagen, aus dessen Lautsprechern eine Frauenstimme anpreist, was alles angekauft wird: Matratzen, Mirowellen, Mixer und und und. Später am Tag fährt außerdem, der in diesem Blog schon öfter erwähnte, Tamales-Mann mit seinem Fahrrad um die Häuser. Auch hier ertönt ein entsprechendes Tonband mit sehr machanisch klingendem Verkaufsspruch. Ein akustischer Eindruck, den ich sicherlich vermissen werde.
Eine weitere Lärm verursachende Tatsache, an die ich mich nicht so ganz gewöhnen will, sind die Apotheken. Zunächst werden hier viel mehr Dinge verkauft, als in deutschen Apotheken. Und zwar Produkte, die dort eher nicht zu finden sind, wie Softdrinks, Kekse oder auch mal Zigaretten. Hinzu kommt außerdem die laute Musik – jeder Art – die vor allem in den „Dr. Simi“-Apotheken erschallt. Diese Apotheken-Kette wirbt mit einem dicken, lächelnden, schnurbärtigen Apotheker, dessen rundes Gesicht auf allen Produkten abgedruckt ist. Hinzu kommt außerdem ein als Dr Simi verkleideter Mensch, in einem überdimensionalen Plüsch-Kostüm. Dieser steht dann vor der Apotheke und bewegt sich zur Musik, mal weniger mal mehr verausgabend. Hier gibt es eine sehr sehenswerte Tanzeinlage zu bewundern. In meiner von Deutschland geprägten Weltsicht, will Musik, Tanz und Arzneiprodukte auch nach 5 Monaten noch nicht zusammenpassen.
Wenn ich hier in Mexiko einen Park oder einen grünen Platz betrete, begegne ich außerdem häufig Buchsbaum-Figuren. Wie zum Beispiel diesen hier:
Das lässt mich immer an Tim Burtons „Edward mit den Scherenhänden“ denken, da manchmal auch sehr bizarre Figuren darunter sind.
Abschließen möchte ich meine Auflistung mit einem verbalen Eindruck: Buen provecho! – Guten Appetit! Was mich anfangs zunächst verwirrt hat, ist meiner Ansicht nach einer der schönsten Unterschiede, die ich hier im Vergleich zu meinem Alltag in Deutschland feststelle. Beim Betreten oder Verlassen eines Lokals wird den Essenden ein Guter Appetit gewünscht, sodass es sein kann dass einem während einer Mahlzeit 5 Mal ein Buen Provecho hinübergworfen wird und das von Menschen, die man meistens nicht ansatzweise kennt.
Ungewohnte Dinge, die in Deutschland oft sehr viel mehr Chaos anrichten würden bzw. einfach viel seltener oder garnicht vorkommen. Wie schön solche Unterschiede zu bemerken. Sicherlich werden mir noch sehr viel mehr auffallen, wenn ich erstmal wieder zurück bin und dann werde ich anfange diese zu vermissen.
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