Ich lerne Tschechisch. Und das jetzt schon seit 3 vollen Monaten. Natürlich gab es die ein oder andere komische Situation, aber alles in allem habe ich große Fortschritte gemacht und bin mit meinem Niveau zufrieden. Denn für den Tourismus genügt es: in einem Restaurant halte ich mittlerweile von Anfang bis Ende auf Tschechisch durch, meine Zugtickets für Wochenendausflüge kaufe ich auf Tschechisch (was gar nicht so leicht ist, wie es scheint, da es einen eigenen Fall für Ortsangaben gibt, müssen alle Namen dekliniert werden) und auch für einen ’small talk‘ mit meiner Vermieterin reicht es. Um ehrlich zu sein glaube ich nicht, dass langfristig mehr hängen bleiben kann, deshalb wäre ich sehr zufrieden, wenn ich diese Kenntnisse festigen und auf zukünftigen Tschechienreisen darauf zurückgreifen könnte.
Den ersten intensiven Kontakt mit dieser Sprache hatte ich an meinem zweiten Abend hier in Břeclav. Wie ich weiter unten schon einmal erwähnt hatte, haben mich Menschen vom Bahnhof abgeholt, die perfekt Deutsch sprechen. Ganz anders sah aber die Situation bei mir zu Hause aus. Mit meiner Vermieterin, die mich schon mit einem kurzen, auswendig gelernten deutschen Satz und einem breiten Grinsen im Gesicht erwartet hatte, konnte ich mich nicht verständigen. Sie ist Mitte 70, verwitwet und spricht nur Tschechisch. Ich fühlte mich unwohl und schlecht vorbereitet. Sechs Monate verbringen wir unter einem Dach und ich kann noch nicht einmal sagen, dass es mich freut sie kennenzulernen. Am zweiten Abend, nachdem ich auch mental angekommen war, meine Taschen ausgepackt und eine erste Erkundungstour durch Břeclav gemacht hatte, wollte ich das Eis brechen und habe ihr einige Fotos von meiner Familie, die ich dabei habe, gezeigt. Das war ein Treffer ins Schwarze. Sie hat mir wiederum ihre Familie vorgestellt, von den Schwiegertöchtern bis hin zu Enkeln und Nichten, und versucht mir etwas Tschechisch beizubringen. Hierzu hatte sie Wortfelder aus einem Wörterbuch abgeschrieben, las die Wörter vor und ich sollte sie nachsprechen. Prinzipiell waren es überwiegend sinnvolle Themen, aber komplett ohne Hintergrundwissen und ein Sprachgefühl, ist langfristig nichts von diesem Abend hängen geblieben. Und wie sich später herausstellte arbeitet ihr Sohn nicht an einer Mountainbike Strecke im Himalaja, wie ich es an diesem Abend verstanden hatte, sondern ist dort lediglich einmal im Urlaub gewesen. Tja, so etwas kann passieren!
Seit meiner ersten Schulwoche nehme ich Einzelstunden bei einer Deutschlehrerin meiner Schule, denn eine Sprachschule gibt es hier nicht. Einzelunterricht bringt viele Vor-, natürlich aber auch Nachteile mit sich. Ein Nachteil ist zum Beispiel, dass wir zwar feste Termine haben, diese aber hin und wieder aus Zeitmangel ausgefallen sind. Mitte Mai schließlich absolvierten SchülerInnen des 13. Jahrgangs ihr Abitur und plötzlich wurden drei Wochenstunden frei, sodass ich in den letzten Wochen jeweils vier Tschechisch Stunden hatte (im Vergleich zu eineinhalb Stunden im April) und einen riesigen Fortschritt gemacht habe. Der Unterricht zielt in erster Linie auf meine mündlichen Fähigkeiten ab und ich hoffe in drei Wochen den Kurs auf einem A1 Niveau abzuschließen. Das klingt erst einmal nicht viel. In Spanisch oder Italienisch kann man dieses Niveau sicher in 2 Monaten erreichen, vor allem, wenn man, wie ich, schon Latein gelernt hat. Aber Tschechisch ist anders. Tschechisch ist eine slawische Sprache und es war schwer für mich die Aussprache zu lernen und mich an den Klang zu gewöhnen. Und natürlich ist es schwer Vokabel zu lernen, wenn man sie noch nicht einmal aussprechen kann. Hat man diese Hürde genommen, so lernt es sich ziemlich systematisch. Tschechisch ist eine konsonatenlastige Sprache. Sie hat 7 Fälle und das Prädikat vereint das eigentliche Verb, die Person und die Zeit in einem Wort. Das heißt, man muss unzählige Formen auswendig lernen und beim Sprechen auf jede Endung achten. Besonders stolz sind die TschechInnen auf ihre „-sch“ Laute. Einfach ein ˇ auf einen Buchstaben gesetzt und schon wird aus ř ein rsch, wobei das r gerollt wird und das r und sch gleichzeitig gesprochen werden müssen. Das gibt es auch als š, ž, č, ť, ě oder ň. Generell wird auf Tschechisch alles exakt so geschrieben, wie es ausgesprochen wird. Vor allem Wörter, die aus anderen Sprachen übernommen wurden, haben bei mir zu dem ein oder anderen Schmunzeln geführt. Meine Lieblingswörter sind: „džůs“ und „víkend“. Kannst du sie verstehen?
„Strč prst skrz krk.“ Wenn es einem Spaß macht kann man ganze Sätze bilden, in denen nicht ein Vokal vorkommt. Viel Sinn ergeben sie dann aber meist nicht: dieser Satz heißt so viel wie „Steck den Finder durch den Hals“. Viele Zungenbrecher gibt es aber für meine ‚deutsche Zunge‘ auch mit Vokalen. Oft fragen mich SchülerInnen, wie viel Tschechisch ich denn schon könne, und fordern mich auf Wörter wie „křišťál“ zu sagen, um anschließend über mich zu lachen. Meistens mache ich den Spaß mit und kontere anschließend auf Deutsch. Aber ganz so schlimm, wie man es erwartet ist Tschechisch nicht. Wenn man sich rein hängt, kann man die Sprache, wie jede andere auch lernen. Eine große Hilfe sind hierbei ‚Internationale Wörter‘: „moderní“, „aktivní“, „organizovat“ und „komunikovat“ sind nur vier von unzähligen Beispielen. Es sind mehr Gemeinsamkeiten mit der deutschen Sprache vorhanden, als man glaubt!