Momentaufnahme | „Mohammed und sein Gewehr“

„Am Wochenende gehen wir in die Disko. Mohammed ist auch da. Er ist mit seinem Maschinengewehr da. Aber zum Glück ist auch Polizei da und nimmt ihn mit.“

Dieser kurze Text entstand letzte Woche während einer kreativen Gruppenarbeit zum Thema „Freizeit“, die ich in einer Klasse durchgeführt habe. Jeweils vier SchülerInnen sollten vier Texte auf vier Zetteln schreiben. Hierzu schreiben alle einen Satz auf einen Zettel und geben diese Zettel dann im Kreis weiter. So entstehen vier unterschiedliche Text von vier SchülerInnen zum gleichen Thema, weil sich jeder Text in eine unterschiedliche Richtung entwickelt. Eigentlich ganz harmlos, dachte ich. Bis ich beim umhergehen und korrigieren auf diese Zeilen gestoßen bin, deren Syntax ich aus ästhetischen Gründen und zum besseren Verständnis etwas aufpoliert habe.

Ich denke, bisher konnte ich mit Alltagsrassiusmus, wie er in meinem Umfeld vorkommt, ganz gut umgehen. Besonders am Anfang, als ich mich jeder Klasse vorstellte und die SchülerInnen mir in diesem Zusammenhang Fragen zu mir und Deutschland stellen konnten, wurde ich des öfteren damit konfrontiert. „Muss ich Angst haben, wenn ich mit meiner Freundin im Sommer nach Deutschland fahre?“ (wegen der Kölner Silvesternacht), „Wie findest du Angela Merkelova?“ (wegen ihrer Flüchtlingspolitik im Sommer 2015) und „Findest du es gefährlich in Deutschland zu leben?“ (wegen den vielen Flüchtlingen) sind Fragen, die mir mehr als einmal gestellt wurden. Mit einem charmanten Lächeln im Gesicht, habe ich dann nach bestem Wissen und Gewissen von meinen ausschließlich positiven Erfahrungen berichtet und naive Gegenfragen gestellt. Und auch wenn ich die meisten SchülerInnen sicherlich nicht von meiner Sichtweise überzeugen konnte, so gaben sie sich wenigstens mit meiner Antwort zufrieden und dachten (hoffentlich) weiter darüber nach. Mehr ist leider auch nicht drinnen, für eine ernsthaft Diskussion reicht das Deutsch der SchülerInnen nicht aus, und mein Tschechisch erst recht nicht.

Letzte Woche Dienstag kam es schließlich zu oben beschriebener Situation. Spätestens auf dem Vorbereitungsseminar habe ich für mich beschlossen beim Thema Diskriminierung und Rassismus stark zu bleiben. Ich wollte niemandem meine Überzeugungen einprügeln, aber souverän und nachhaltig antworten oder Gegenfragen stellen. Das ist mir letzte Woche nicht gelungen, zu sehr hat mich dieser Text aus der Fassung gebracht. Eigentlich wollte ich, wenn ich diesen Artikel veröffentliche, schon eine Lösung parat haben, eine perfekte Reaktion. Nach einer Woche des Darübernachdenkens fühle ich mich genau so leer, wie in der Situation selbst. Was hätte ich tun können?

Update: Es kam die Frage auf, ob der Schüler das wirklich so erlebt hat, oder ob es eine fiktive Geschichte ist. Mit absoluter Sicherheit kann ich das natürlich nicht sagen, aber in diesem Kontext und unter Berücksichtigung seiner ‚Emotionen‘ abseits des Blattes gehe ich davon aus, dass er es sich ausgedacht hat.

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