Ich fühlte mich gut vorbereitet. Das erste mal in meinem Leben hatte ich einen Koffer gepackt ohne das Gefühl zu haben, etwas (wichtiges) zu vergessen. Jetzt hieß es raus aus der Wohlfühlzone, hinein in das Abenteuer. Wie soll ich mich denn weiterentwickeln, wenn alles beim Alten bleibt, ganz ohne neue Herausforderungen? Wie soll ich mich besser kennen lernen?
Auf diese theoretischen Gedanken folgte eine Achterbahnfahrt. Am Abend vor meinem Aufbruch, war ich angespannt wie noch nie in meinem Leben. Mein Herz klopfte, ich wollte, dass es endlich los geht. Ich hatte kein Hunger und konnte nicht schlafen. Am Morgen des Aufbruchs war es nicht anders. Ein interessantes Chaos. Jetzt bin ich aber auch froh es wieder los zu sein.
Das nächste woran ich mich erinnern kann, ist der überfüllte Zug. Ich hatte eine Sitzplatz reserviert, konnte meine Gedanken also beim aus dem Fenster starren sacken lassen. Meinen schweren Koffer musste ich allerdings gut 15m entfernt, am Ende des Abteils in einer Ecke abstellen. Dass ich ihn nicht im Blick hatte, interessierte mich in diesem Augenblick nicht. Während die letzten 24 Stunden zu Hause von Abschiedsstimmung und Trauer geprägt waren, bekam ich während der Zugfahrt wieder Lust auf Tschechien. Ich las im Reiseführer, Vorfreude und Neugierde kamen erneut auf und übertönten alle anderen Gedanken.
In Berlin angekommen lief ich alleine durch die Stadt, vorbei am Reichstag, durchs Brandenburger Tor, auf „Unter den Linden“ schaffte ich es bis zur Museumsinsel, dann drehte ich um. Es war bitterkalt und ich fühlte mich alleine. Die Vielfalt und Größe dieser Stadt überwältigte mich. Ich suchte mir eine Kneipe und aß etwas, danach hielt ich mich noch zwei Stunden in einer Buchhandlung auf, die zum einen schönen warm war und zum anderen bis 24 Uhr geöffnet hatte. Am nächsten Morgen stand ich früh auf, die Sonne schien. Gut 1 ½ Stunden vor dem eigentlichen Termin war ich am Berliner Hauptbahnhof, an dem sich alle trafen. Und trotzdem war ich nicht der/die erste kulturweit Freiwillige. Die Begegnungen waren herzlich und voller Vorfreude, aber gleichzeitig auch oberflächlich. Während die Menschentraube nach und nach wuchs, lernte ich viele neue Gesichter kennen, hörte viele Storys, was sie das letzte halbe Jahr gemacht hatten und erfuhr von vielen Einsatzorten, die nun ihre neue Heimat werden wird. Als ich in den Bus stieg, der uns zum Auswärtigen Amt brachte, hatte ich all das wieder vergessen. Die Begrüßung dort war in Ordnung, wirkte auf mich aber aufgesetzt. Das kulturweit Team und einige Angestellte des Auswärtigen Amts empfingen uns und formale Worte füllten den „Weltsaal“. Die Häppchen waren vorzüglich!
Und dann begann es, das Vorbereitungsseminar. Während der ca 70 minütigen Busfahrt, überkam mich wieder die Vorfreude. 70 Minuten waren genug Zeit, um meine Sitznachbarin kennenzulernen.
An der EJB (Evangelischen Jugendbildungsstätte) angekommen war ich etwas eingeschüchtert. Angesiedelt direkt in einem Waldstück am Werbellinsee waren Baracken und Gebäude der ehemaligen Pionierrepublik „Wilhelm Pieck“ übernommen worden, in der bis 1989 Parteifunktionäre der SED Urlaub machten und Seminare besuchten. Und haargenau so sah es dort auch aus.
Ich dachte eigentlich, dass ich mit einer Woche Abstand ein Fazit über das Seminar ziehen und euch gleichzeitig einen guten Einblick liefern kann. Das klappt leider nicht. Aber lasst mich soviel sagen: Es ging um Rassismus und Sexismus, unsere Partnerorganisationen und Projektarbeit, um Versicherungen und eigene Grenzen, um den Sinn der ganzen Aktion und Post-Kolonialismus. Zehn Tage sind schließlich eine lange Zeit. In vielen Momenten ging es mir gut, in einigen habe ich mich absolut unwohl in meiner (weißen, männlichen) Haut gefühlt. Es war ein Programm das in Kombination mit den TeilnehmerInnen und ihrem Verhalten tief unter die Haut ging und aus dem ich viel für mich mitnehmen konnte. Vielleicht kann ich zu einem späteren Zeitpunkt mehr mit euch teilen, für diesen Moment solltet ihr die „Momentaufnahme“ etwas weiter unten lesen und euch darüber Gedanken machen. Rückblickend waren es zehn extrem kurzweilige Tage.
Nach einem weiteren Abend und einer weiteren Nacht in Berlin, die ich gemeinsam mit meinen Eltern verbracht habe, die extra angereist sind (Danke!), ging es dann endlich weiter mit meiner Reise in die Tschechische Republik!