Momentaufnahme | Rassismus

Dienstag Vormittag. Unser erster richtiger Seminartag beginnt. Ungefähr 80 junge Menschen sitzen im „Kino“, einem großen Raum, nach hinten sind die Sitzplätze erhöht, die Blickrichtung zielt auf eine Leinwand, unter ihr eine Bühne. Auf dieser Bühne steht Natascha. Sie ist Deutsche, schwarz und referiert zum Thema Rassismus. Zum Auftakt des Themenkomplexes versorgt sie uns mit Fachwissen, danach folgt eine interaktive Übung. Sie stellt Thesen (von Dr. Eske Wollrad) vor, treffen diese auf uns zu, sollen wir aufstehen.

Natascha beginnt mit der ersten Frage: „Wenn ich will, kann ich es arrangieren, die meiste Zeit in Gesellschaft von Menschen meiner Hautfarbe zu verbringen.“ Ich stehe auf. „Ich kann die Zeitung aufschlagen oder den Fernseher einschalten und Mensch meiner Hautfarbe überall repräsentiert sehen.“ Ich stehe auf. „Ich kann sicher sein, dass es in jedem Friseursalon MitarbeiterInnen gibt, die meine Haare frisieren können.“ Ich stehe auf. „Ich werde nicht aufgefordert, für alle Menschen meiner Hautfarbe zu sprechen.“ Ich stehe auf. „ Ich kann die Sprache und Tradition von schwarzen Menschen, die weltweit die Mehrheit darstellen, ignorieren, ohne dass meine Kultur das bestraft.“ Ich stehe auf. „Wenn ich verlange mit einer/einem Vorgesetzten zu sprechen, kann ich ziemlich sicher sein, dass es eine Person mit meiner Hautfarbe ist.“ Ich stehe auf. „Wenn ich Pflaster (oder Make-Up) mit der Bezeichnung ’naturell‘ kaufe, kann ich sicher sein, dass es mehr oder minder meiner Hautfarbe entspricht.“ Ich stehe auf. „In meiner Religion haben alle abgebildeten zentralen Figuren ungefähr meine Hautfarbe.“ Ich stehe auf. „Wenn ich von Polizeibediensteten auf der Straße angehalten werde, kann ich sicher sein, dass meine Hautfarbe nicht der Grund ist.“ Ich stehe auf. „Wenn ich neue Leute kennen lerne, wundert sich niemand über meine Deutschkenntnisse.“ Ich stehe auf. „Ich habe die Wahl mich mit Rassismus auseinanderzusetzen, oder auch nicht.“ Wieder stehe ich auf.

EJB Werbellinsee, 02.03.2016

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