Winteranfang

30° in Deutschland?! – Ja schön für euch. Hier ist es kalt. Schweinekalt.

Ich hatte mich drüber gefreut, meinen Dezembergeburtstag mit Eistorte (und Sonnenbrand) gefeiert zu haben, aber im Juli sich wie im Januar zu fühlen, ist die Schattenseite davon.

Ich will mich ja nicht beklagen, ich habe mich inzwischen dran gewöhnt und alle möglichen Hilfsmaßnahmen getroffen, angefangen bei der Abdichtung der zugigen Fenster über den Dauerbetrieb des Paraffin-Heizofens, die Heizdecke, die Wollmütze und schließlich mein fast schon an Abhängigkeit grenzender Faible für Tees aller Art, Hauptsache warm.

Die traditionelleren Häuser der Landbevölkerung in Chile bestehen oft nur aus ein bis zwei Räumen, aber das Zentrum bildet immer der mit Holz beheizte Herd und Ofen, der es rund um die Uhr erwärmt. Hier in der Stadt wurden dann überwiegend moderne Häuser nordamerikanischem Baustils hingesetzt und um Kosten zu sparen wurden einige Sachen weggelassen: Der Keller, ein Garten, Wärmedämmung und eben die Heizung.

Gestern war Winteranfang, aber wenigstens Schnee gab es hier schon sehr lange nicht mehr.

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Noch ZWEI Monate

Klar, manchmal denke ich, ich sei erst seit drei Wochen hier und nur das Datum verrät, dass schon Monate vergangen sind. Manchmal denke ich auch, dass ich schon seit Ewigkeiten hier bin, als ich zum Beispiel gestern auf der halbstündigen Busfahrt einschlief und beim aufwachen am ersten vorbeifahrenden Haus erkannte, wo ich bin (Dummerweise gerade an der Haltestelle vorbei…).

Nun sind es aber schon fast zehn Monate und mir bleiben heute auf den Tag genau noch zwei.

Was mich noch erwartet? – Zunächst laufen die Vorbereitungskurse für die Sprachprüfungen A1 und A2 weiter. Zwischenzeitlich noch die Winterferien (im Juli, damit werde ich immer noch nicht ganz fertig) und eine kleine geplante Reise für diese Zeit. Seminar in Berlin Mitte August und dann ist das Jahr schon um.

Wie schnell das geht!

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Wechselige Kurse

Vor einer Weile habe ich eine App runtergeladen, die mir jederzeit sagt, wie viel ein beliebiger Betrag chilenischer Pesos in Euro seien – bis auf die vierte Nachkommastelle.
Und was passiert?!- Der Euro steigt! Ich habe keine Ahnung warum, aber der Kurs liegt inzwischen bei fantastischen 666,8500 Peso je Euro.

Guckt euch mal diese Kurve an!

EUR - CLP 1 Jahr Chart

Damit habe ich eine Lohnerhöhung von 10 % bekommen und das ganz ohne Warnstreik. Daran sollte sich mal jemand ein Beispiel nehmen…

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Gezwungen geschäftstüchtig

Die Großmutter eines Freundes ist erkrankt. Angefangen hat es wohl mit einer Blasenentzündung, aber jetzt liegt die ältere Dame schon seit zwei Wochen im Krankenhaus. Ihre Krankenversicherung übernimmt zehn Prozent der Kosten nach Vorkasse. Seitdem verkauft die Familie zweimal wöchentlich Hotel Dogs in der Nachbarschaft.

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Schwierige Verhältnisse

Das hier ist meine Einschätzung nach einer ganzen Weile hier zum gesellschaftlichen, politischen und sozialen Klima, das sich mir in Santiago präsentiert. Ich habe keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit, aber ich habe mich um eine wirklichkeitsnahe Darstellung bemüht, wie ich es nach gut zehn Monaten in Santiago de Chile empfinde.

Ich wusste schon bevor ich nach Chile kam, dass das Land arm ist. Nicht entwicklungslandarm, aber auf keinem Fall auf dem Niveau einer Industrienation. Dass der Mindestlohn für einen Monat Vollzeitarbeit bei 280 Euro liegt und selbst das noch häufig unterschritten wird, hat mich vielleicht schockiert, aber nicht überrascht – die Armut schon.

Nicht die Armut an Vermögen und materiellen Gütern, sondern die Armut an Wissen, Bildung, Kultur, Interesse. Und was das in einer Gesellschaft anrichten kann, hat mich nicht nur überrascht, sondern in Teilen auch entsetzt.

Eine ähnliche Idee wie Humboldts Bildungsideal hat es in Chile wohl nie gegeben. Bildung wird funktionalisiert, Wissen nach Nützlichkeit bewertet und was nicht standhält, fliegt aus dem Lehrplan. Der Geschichtsunterricht hat bei der Reform in den 2000er Jahren nur mit Mühe überlebt. Heute fällt es den Schülern mit denen ich Unterricht habe schwer, selbstständig sich den Inhalt eines Briefes auszudenken. Nicht bloß auf Deutsch, sondern selbst auf Spanisch. Scheinbar nie gelernt.

Das Resultat solcher Bildungspolitik sind Menschen, die zwar willig und auch recht billig sich als Arbeitskräfte ausbeuten lassen, aber ein Buch nur dann in die Hand nehmen, falls sein Inhalt in irgendeiner Prüfung verlangt wird.  Die organisierte Arbeiterbewegung in Deutschland hat schon vor 150 Jahren angefangen, neben besseren Arbeitsbedingungen auch Bildung für die benachteiligten Schichten zu fordern und politische Mitbestimmung, doch in Chile war die Entwicklung anders.

Überhaupt, die politische Mitbestimmung. Bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr lag die Beteiligung bei unter 30%. Aber trotzdem wird über die Arbeit der (von ihnen?) gewählten Regierung hergezogen. Die hält man ohnehin wahlweise für kriminell, korrupt oder grenzdebil oder gleich alles zusammen. Es scheint noch nicht richtig angekommen zu sein, dass die Diktatur seit über zwanzig Jahren vorbei ist und dass die Regierung nicht schicksalsgegeben, sondern abwählbar ist. Doch Mut oder Lust sich einzumischen, sei es in Form von Initiativen, neuen Bewegungen oder schlichtweg der Wahrnehmung der bürgerlichen Ehrenrechte des aktiven und passiven Wahlrechts? Im größeren Stil alles Fehlanzeige.

Natürlich, die Studentenbewegung, die vor allem im Jahr 2011 auch in der deutschen Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erhielt. Sie ist zumindest noch in Resten vorhanden. Nicht, dass ich nicht mit ihren Zielen sympathisieren würde, (als die CDU nach dem Wahlsieg 2005 Studiengebühren in NRW einführte, habe ich auch dagegen demonstriert) aber es reicht eben nicht nur aus, gebührenfreie Bildung zu fordern, sondern der Protest braucht auch die Erklärung, wer – wenn nicht die Studierenden selber – diese bezahlen soll. Außer einen Verweis auf die Kupfermienen des Landes kommt da aber kaum was. Was soll man davon halten?!

Im Gegenzug stellt man sich jedoch in der Auseinandersetzung mit dem Präsidenten Boliviens um Meereszugang für sein Binnenland mit dümmlich-nationalistischem Gehorsam hinter den sonst so verachteten Präsidenten, bereit jeden Zentimeter chilenische Küste zu verteidigen. Der Gedanke, dass die Grenzen Südamerikas überwiegend von den Spaniern gezogen wurde und willkürlich sind, kommt scheinbar nicht auf. Lateinamerikanische Solidarität genauso wenig.

Für mich ist die Situation in Chile vor allem ein anschauliches Beispiel dafür, wie es in einer – aus meiner Sicht – gebildeten, aufgeklärten, gerechten Gesellschaft nicht zugehen sollte. Für mich persönlich kann ich Lehren daraus ziehen, wie ich meine Lebensumwelt beeinflussen möchte, damit sie nicht droht, ähnliche Probleme zu bekommen wie ich sie hier sehe.  Gerade wegen solcher Erfahrungen empfinde ich meine Zeit im Ausland als wertvoll und denke, dass es möglichst vielen jungen Menschen ermöglicht werden soll, solche zu sammeln.

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„Ich freue mich…“

Es sind noch gut zweieinhalb Monate, bis ich wieder zurückfliege und damit dann auch alles glatt geht, kümmerte ich mich schon mal um die Unibewerbung und dann guckt mal her, was die mir antworte:

„Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihnen auf der Grundlage der von Ihnen übermittelten Angaben bereits jetzt einen Studienplatz in Freiburg zum Wintersemester 2013/2014 zusichern können.“

Ich mich auch!!!

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