Ganz, ganz am Anfang, direkt nach den eineinhalb Wochen am Werbelinsee bin ich nach Buenos Aires geflogen. Zwar leiste ich meinen Freiwilligendienst eigentlich in der chilenischen und nicht in der argentinischen Hauptstadt ab, aber da wir vom Goethe-Institut in Buenos Aires koordiniert werden, gab es eben dort die Einführung. Ich bin drei Tage früher geflogen, um noch etwas von der Stadt zu sehen und jetzt, eine Woche vor Ende meiner Zeit in Südamerika komme ich nochmal hierhin zurück.
Von Colonia de Sacramento in Uruguay, wo ich momentan bin, gelangt man per Boot in einer etwa einstündigen Fahrt rüber nach Argentinien. Die Migrationsangelegenheiten werden am Hafen erledigt, alles ganz problemlos, aber – wie bei jeder guten Geschichte bei mir- verlief ich mich erstmal bei der Ankunft im Hafen: Ich hatte vermutet, dass Boot würde in einem Hafen ankommen, der auf meiner Karte verzeichnet war und nicht irgendwo anders. Da stand ich dann auf einer Strasse, an deren Ränder Obdachlose ihre Zelte aufgeschlagen hatten und das ohne auch nur einen (argentischen) Peso in der Tasche. Wie man das als erfahrene Südamerikareisende, die ich inzwischen ja bin macht, lief ich einfach mal los, bemüht den Eindruck zu erwecken, ich wüsste ganz genau wo ich bin und wo ich hinwollte. Die erste Person, die mir begegnete und nicht aussah, als würde sie auf der Strasse schlafen fragte ich nach dem Weg zur Avendia Córdoba, die sich im Zentrum befindet und an der ich eigentlich auskommen wollte. Der Mensch, es war ein älterer Mann mit seinem Köter, schaute mich erst etwas verdutzt an und antwortete dann „Muy lejos.“, zu deutsch: Sehr weit. Immerhin wiess er mir den Weg zu einer Strasse, von wo aus ich – nachdem ich eine Kioskbesitzerin gefragt hatte und ihr erst meine gesamte Reisegeschichte schildern musste, bevor sie mir weiterhalf – nach einem halbstündigen Spaziergang auch wirklich ins Zentrum gelangte. Man merke: Den Ort zu finden, zu dem ich wollte gelingt mir inzwischen sehr gut.
Da ich immernoch ohne Geld war, aber Dollar in Argentinien nach dem offiziellen Kurs unterbewertet, auf dem Schwarzmarkt aber sehr begehrt sind, tauschte ich dann ein paar zum inoffiziellen Kurs von 1 zu 8,50 (Der offizielle Kurs wäre 1 zu 5,51). Und auch das hätte vor meiner Reise kaum gesagt, aber ich finde staatliche Eingriffe in den Wechselkurs wirklich Mist, ob in Argentinien oder noch extremer in Venezuela, dadurch entsteht immer ein Schwarzmarkt, an dem sehr merkwürdige Gesellen rumlungern.
Meine eigentliche Idee war es, mir ein paar Museen anzusehen, die ich beim erstem Mal nicht geschafft hatte, aber das Museo de la Revolución war geschlossen, dafür gab es einen Winter- (oder was auch immer)schlussverkauf in vielen Geschäften und ich verbrachte die Zeit überwiegend damit, die getauschten Pesos wieder in die argentinische Wirtschaft zu investieren.
Orte von meinem ersten Besuch habe ich kaum wiedererkannt. Das Hostel schon (und es hat in der Zwischenzeit seine Preise ordentlich erhöht, der Inflation sei dank…) und die Strasse, auf der es lag, aber ich war wohl beim meinem ersten Besuch noch so damit beschäftigt, mir das Treiben auf der Strasse anzusehen, dass ich mich an Gebäude oder Plätze wirklich nicht mehr erinnere.
Den Hafen fand ich auf dem Rückweg ohne Probleme (und diesmal mit dem Bus). Auf der Rückfahrt liefen im Fernsehen die Nachrichten über eine Explosion in Rosario mit acht Toten und über 60 Verletzten, verursacht durch Arbeiten an der Gasleitung. Komisch das zu sehen, dachte ich, and der Ecke war ich letzte Woche noch.
Jetzt bin ich wieder in Colonia, fahre morgen nach Montevideo zurück, übermorgen nach Santiago und dann in einer Woche nach Düsseldorf, noch ein paar Tage in Berlin und dann wieder nach Neersen. Auch wiederum eine merkwürdige Vorstellung, dass das jetzt alles bald vorbei sein soll.
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Diesen Artikel habe ich gestern geschrieben, aber dann war das Internet weg…
Ich bin in Colonia. Nein, nicht in dem am Rhing, sondern in Colonia de Sacramento in Uruguay, ungefähr zwei Stunden nördlich von Montevideo. Aber immerhin der Name passt so ungefähr. Dabei ist es hier auch sehr interessant:
Colonia wurde 1680 von einem Portugiesen namens Manuel Lobo im Auftrag der portugiesischen Krone gegründet um illegal englische Waren ins damals spanische Buenos Aires zu schmuggeln. Und da sagt noch einer, die Globalisierung wäre ein neues Phänomen. (Ich fahre morgen übrigens nach Buenos Aires, alles ganz legal.) Den heutigen Tag habe ich dann genutzt, mir das historische Viertel anzuschauen und ich muss schon sagen… ganz nett. Ausserdem habe ich um kein Kulturbanause zu sein eine kombinierte Eintrittskarte für alle sieben Museen der Stadt (zu rekordverdächtigen 50 UY$; ungefähr 1,70€) gekauft und hatte dann die innere moralische Pflicht, mir auch wirklich alle anzusehen und das dauerte eine ganze Weile, aber immerhin habe ich jetzt das Schlafzimmer des besagten Manuel Lobos gesehen und lasst mich sagen, nicht jeder hatte damals einen so schicken Nachttopf. Ich schien aber eine der wenigen mit diesem Verlangen zu sein und wurde immer sehr freundlich vom unterbeschäftigten Museumspersonal begrüsst, aber – so Leid es mir tut- für eine Sammlung portugiesischer Fliessen aus dem 18. Jahrhundert kann ich mich nur schwer begeistern, aber immerhin war ich da und hab`s versucht.
Morgen also mit dem Boot eine Stunde rüber nach Buenos Aires, wo ich vor knapp einem Jahr angekommen bin. Mal schauen, ob ich noch ein paar Sachen von letztem Jahr wiedererkenne und ob ich mich jetzt (hoffentlich) eine wenig besser zurechtinde als vor einem Jahr.