Champions League um kurz vor drei

Normalerweise würde ich den Tag der Arbeit ja damit zubringen, die arbeitende Bevölkerung bei ihren Kundgebungen zu unterstützen. Da ich jetzt aber in Chile bin, der Besitzer meiner Schule im letzten Jahr drei Lehrer entlassen hat, die einen Betriebsrat organisieren wollten und da es kalt ist, blieb ich zu Hause und guckte mit Judith, ihrer Schwester Belén, deren Freund Nico und zwei Freunden von Nico, deren Namen ich schon wieder vergessen habe, Fußball. Champions League, um genau zu sein. Die fängt dank Zeitverschiebung schon um Viertel vor Drei Uhr nachmittags an und das Dosenbier mit den Chips wirken um diese Zeit nicht ganz stilecht, aber sei es drum.

Nun finde ich so ganz allgemein und aus aktuellem Anlass, dass man seinen Gegnern nicht aus Prinzip mal die besten Spieler wegkaufen sollte, und auch dass man ganz allgemein auch seine Steuern zahlen sollte, und das ein Dialekt fast ohne Konsonanten auch nicht das Wahre ist. Und dann noch Stoiber und Marktwort an einen Tisch… Ich bin auf jeden Fall kein Bayern-Fan.

Nun musste ich das im Vorfeld klar stellen, was bei meinen chilenischen Mitguckern auf eine gewisse Verwunderung stieß, während der eine mir nur die ganze Zeit erzählte, dass er eine Tante in Holland hat. Um das Thema zu wechseln erzählte ich, dass mein Lieblingsspieler nicht mitspielte. Der wurde dann von Judith gegoogelt und für hässlich befunden. Im Gegenzug schwärmte sie von Mario Gomez. Der spielte aber jetzt auch nicht mit. Ich beschloss, die restliche Partie über nichts mehr zu sagen.

Das Spiel wurde auf FOX Sport übertragen und man merkte überdeutlich, dass die beiden Hyperaktiven mit dem Mikro in der Hand Argentinier sind. Sie machten nämlich aus Villa – mit ihrem unverkennbaren argentinischen Akzent- „Vischa“ und aus Montoya „Montoscha“ (über die Aussprache der deutschen Namen schweige ich mal lieber, aber dass sie Lahm wie „Lamm“ aussprachen, hatte was). Das schlimmst war aber, dass sie kurz davor waren, den Untergang des Abendlandes einzuleuten, weil: Der beste Spieler der Welt ist nicht dabei! Es klang so dramatisch, dass man fast schon eine Verletzung der Menschenrechtskonvention vermuten konnte.

Das Spiel plätscherte so vor sich hin und es war ja schon recht schnell klar, dass es mit den fünf Toren von Barcelona wohl nichts mehr wird. Meine fußballbegeisterten Freunde verloren das Interesse an der Partie, Judith googelte noch immer Bilder von Mario Gomez und ich dachte, heute würde nichts spannendes mehr passieren, bis dann das geschah:

Nach ungefähr einer Stunde wurde Xavi ausgewechselt und für ihn kam Alexis Sánchez. Nun muss man wissen, dass er Chilene ist und -zumindest von der Frisur her- ein Vorbild für viele seiner Landsleute. Die argentinischen Kommentatoren, immer noch entsetzt darüber, dass Messi auf der Bank ein doofes Gesicht machen musste, deuteten die Einwechslung so, dass nun die Zweite Garde zum Zuge kommen würden. Das hätten sie mal besser nicht so gesehen, denn in meinem Wohnzimmer brach plötzlich eine wüste Beschimpfungsorgie los, gegen die Kommentatoren, ihre Mütter Argentinien im Allgemeinen. Alles mit einem nachgemachten argentinischen Akzent… Lateinamerikanische Völkerfreundschaft ist noch in der Entwicklung.

Da musste ich daran denken, wie ich letztes Jahr mit meinem Papa das Finale der Champions League geguckt habe. Wir haben uns gefreut. Hoffentlich wird dieses Finale genauso. Nur mit anderer Begleitung.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.