Santigo ist eine gigantische Stadt, in vielerlei Hinsichten. Acht Millionen Menschen – beinah die Hälfte aller Chilenen – leben hier im unangefochtenen kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und industriellen Zentrum des Landes.
Es ist Hochsommer, die Hitze schwirrt durch die Stadt. Ventilatoren in der U-Bahn laufen aus Hochtouren und versprühen einen leichten Sprühnebel auf die Masse herab. In den Bussen gibt es so etwas fortschrittliches leider nicht und deswegen werden die Fenster und Luken so weit aufgerissen wie nur eben möglich, um möglichst viel Fahrtwind in den Bus zu locken.
Diese Woche hatte ich noch frei und verbrachte die Zeit überwiegend im kleinen, gefliesten Garten, immer auf der Suche nach dem kühlsten Sitzplatz. Die Katze suhlt sich in ihrem Wassernapf und ansonsten bewegt sich keiner. Nicht einmal die omnipräsenten Straßenhunde bellen jenseits der Mauer. Als „Apathie als einzig möglichster Zustand“ beschrieb Max Frisch in „homo faber“ die Situation seiner im mexikanischen Dschungel gestrandeten Hauptperson und so ist es hier auch.
Abends dann, wenn es langsam dunkler und kühler wird, kommen alle aus ihren Hinterhöfen und Terrassen hervor, die Straßen füllen sich wieder und das zuvor pausierte Leben geht wieder los, wie immer in dieser rastlosen Stadt.
Ich schaue dem staunend zu: Ist denn wirklich Januar? Was macht der Plastikweihnachtsbaum in meinem Wohnzimmer? Die Tagesschau zeigt Berichte übers Skispringen, nicht dass mich Wintersport besonders interessieren würde, aber so ein verschneites, österreichisches Bergdorf hat grade eine verlockende Anziehungskraft.
Nächsten Montag geht der Sommerkurs los, von zehn bis drei. Dann werde ich im Garten darauf warten bis es etwas kühler wird. Santiago im Hochsommer; Ab Anfang April soll es besser werden, meint meine chilenische Mitbewohnerin. Fügt aber gleichzeitig hinzu, dass es ab Ende Mai empfindlich kalt wird in den kaum isolierten und heizungslosen Häusern.