Vorwort
Monatelange Planung, dann wieder Pläne verwerfen, Geld sparen, zählen, umrechnen und vergleichen, das muss man gesehen haben, da sollte man lieber nicht hin, Rückflug buchen, Züge in China heraussuchen, Infos über Busse in Laos finden, mit Freunden verabreden, ein chinesisches Visum bekommen und die Zeitplanung nicht vergessen …! Habe ich das wirklich alles neben meiner Arbeit hier in Bangkok geschafft?
Drei Wochen später kann ich sagen: Ja, das habe ich! Ich bin froh, stolz, glücklich und erleichtert, dass ich fast alle geplante Städte tatsächlich gesehen, die herausgesuchten Busse in Laos bekommen, alle Arten von Zügen in China ausprobiert, eine der größten Buddha-Statuen der Welt bestiegen, auf der längsten Rolltreppe der Welt gestanden, rund 10.000 Kilometer auf dem Landweg zurückgelegt, die größte Stadt Chinas besichtigt, überhaupt das bevölkerungsreichste Land der Welt bereist, auf dem wohl schönsten Wasserfall Südostasiens über den Dschungel geschaut, das Leben am längsten Fluss Asiens beobachtet, die schrecklichste Zugfahrt meines Lebens durchgehalten, ein paar chinesische Vokabeln und Schriftzeichen aufgeschnappt, Fotos von dem größten Staudamm der Welt gemacht und einfach nur unglaubliche, unvergessliche und wahnsinnig wertvolle Eindrücke aus Laos und China mitgebracht habe.
Meine Reise begann in Bangkok, führte über Vientiane nach Luang Prabang und schließlich nach Kunming, Yichang, Shanghai, Guangzhou und Hongkong bis nach Macau, von wo aus ich wieder zurück nach Bangkok flog. Auf der gesamten Route habe ich alle denkbaren Verkehrsmittel verwendet: Taxis, einen thailändischen und mehrere chinesische Züge vom billigsten zum teuersten, zweimal ein Tuk-Tuk, ein Songthaew, einen laotischen Bus, ein Damenfahrrad, meine Füße (mehr als genug), einen chinesischen Schlafbus, ein Motorradtaxi, eine Fähre und das Flugzeug. Fehlt nur der Helikopter, aber der war mir zu teuer von Hongkong nach Macau.
Bilder gibt es hier, die Untertitel fehlen noch. Den folgenden Bericht unterteile ich nicht nach jeweiligem Datum, sondern nach der Stadt, von der ich jeweils berichte. Klickt einfach auf einen der folgenden Links, um zur gewünschten Stadt zu springen oder lest den ganzen Bericht hintereinander weg. Viel Spaß dabei!
Bangkok (Thailand)
Fahrt von Bangkok nach Nong Khai
Nong Khai
Vientiane Tag 1, Tag 2 (Laos)
Fahrt von Vientiane nach Luang Prabang
Luang Prabang Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4
Fahrt von Luang Prabang nach Kunming
Kunming Tag 1, Tag 2, Tag 3 (China)
Fahrt von Kunming nach Yichang
Yichang Tag 1, Tag 2
Fahrt von Yichang nach Shanghai
Shanghai Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4
Wuxi
Shanghai immer noch Tag 4, Tag 5
Guangzhou Tag 1, Tag 2, Tag 3
Hongkong Tag 1, Tag 2, Tag 3 (Hongkong)
Macau Tag 1, Tag 2 (Macau)
Zurück in Bangkok (Thailand)
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Bangkok (Freitag, den 18.12.2009)
Die große Reise begann am Freitag, dem 18. Dezember, etwa 18.30 Uhr vor meiner Wohnung in der Ramkhamhaeng 164, Bangkok. Mein Zug nach Nong Khai an die laotische Grenze sollte Punkt acht Uhr abends gehen, ein Ticket hatte ich mir bereits im Voraus besorgt. Da die Zeit wohl nicht reichen würde, um pünktlich mit einem Taxi anzukommen, befahl ich dem Taxifahrer, an die MRT-Station Phetchaburi zu fahren, von wo aus ich die Metro direkt zum Hauptbahnhof Hua Lamphong nehmen würde. Doch schon auf der Autobahn gab es dichten Verkehr, es war kaum ein Durchkommen … bis ich dem Fahrer versuchte zu erklären, dass mein Zug „soong thum“ fährt. Sogar er hatte Zweifel daran, dass wir das je schaffen würden, aber er drückte aufs Gas und raste auf der Standspur an den anderen Autos vorbei. Welch ein Glück, dass er jegliches Hupen der anderen ignorierte und sich nur um meinen Zug scherte! Endlich kamen wir 20 Minuten vor Abfahrt des Zuges an der Metrostation an, ich bezahlte auf den Baht genau (Geld wollte ich ihm auch nicht schenken), raste in die Station, kaufte mir ein Ticket und hoffte, dass die Metro die sieben Stationen schnell genug schaffen würde. Tatsächlich kam ich fünf vor acht am Bahnhof an, rannte mit meinem riesigen Backpacker-Rucksack durch den Bahnhof, stürmte auf einen Beamten zu und rief „Nong Khai“, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als mir den richtigen Zug zu zeigen. Ich musste noch ein ganzes Stückchen laufen, stieg schnell ein und schwupps … schloss man die Türen hinter mir und kein anderer kam mehr hinein! Puh … das ging ja gut los!
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Fahrt von Bangkok nach Nong Khai (Freitag, den 18.12.2009 – Samstag, den 19.12.2009)
Aber was war das? Ich war in einem Schlafwagen gelandet. Mein Ticket ließ das nicht zu, aber mal sehen. Dann kam der Schaffner und zeigte mir auf dem Ticket, welches mein richtiges Abteil sei. Eigentlich hatte ich dritte Klasse fahren wollen, aber man hatte mir nur eines für zweite Klasse verkauft. Somit war der „hard seat“ auch für die 14 Stunden Fahrt recht angenehm; zudem war der ganze Zug ziemlich leer, ein Luxus, den ich erst ab China schätzen lernen sollte!
Die Zeit vertrieb ich mir mit Schlafen, dem Schreiben von ca. 20 Weihnachtskarten an Freunde und Familie in Deutschland und dem Rest der Welt und der Bewunderung der thailändischen, insbesondere der Isaan-Natur. Der Zug hielt sehr oft an, teils auch unglaublich lange: manchmal 10 Minuten in einem Dörfchen, in dem kein Mensch ein- oder ausstieg.
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Nong Khai (Samstag, den 19.12.2009)
Am Samstag um etwa 10.15 Uhr kamen wir in Nong Khai an. Ich hatte von einem direkten Zubringerzug nach Thanaleng nahe Vientiane gelesen, aber von wegen! Hier gab es nichts als Tuk-Tuk-Angebote. Ich fragte einen „farang“, der in Nong Khai wohnte, wie das mit dem Zug sei, aber er meinte, den gäbe es nicht; er empfahl mir die Tuk-Tuks oder einen Fußmarsch bis zur Friendship Bridge. Ich hätte Letzteres machen sollen! Aber stattdessen setzte ich mich in so ein Gefährt zu anderen Leuten, was ziemlich eng war, und wurde zu einer Visa-Stelle gefahren. Die Schilder sahen recht offiziell aus, waren es wohl aber nicht. Man verlangte 1800 Baht und gab mir dafür einen ausgefüllten Visumsantrag und 31 US-Dollar. Damit sollte ich zur Friendship Bridge fahren, was ich dann auch tat. Dort wurde ich zunächst im Reisepass aus Thailand verabschiedet und mit einer Art Reisebus nach Laos zur Grenzkontrolle gefahren, wo ich den Antrag, meinen Reisepass und 30 Dollar abgab. Nach etwa 20 Minuten (obwohl kein anderer vor mir war!) bekam ich mein Visum. Insgesamt hatte es also 1800 Baht weniger einem Dollar gekostet, oder? Das fand ich schon recht überteuert und ich glaube, man hätte sich einiges Geld sparen können (15 Euro oder so), wenn man direkt zur Brücke gegangen wäre und den Antrag selbst ausgefüllt hätte. Schließlich warteten bereits ein paar Songthaew-Fahrer auf mich, die mich für 40 Baht (so weit konnte ich sie herunterhandeln) bis in die Innenstadt fahren wollten. Ich stieg in eines mit drei Thais und einem Laoten zusammen ein, wir unterhielten uns während der Fahrt auf Thai und Englisch, bis der Fahrer an einem Markt anhielt und mich aussteigen ließ. Er meinte, ich hätte nicht genug bezahlt, um bis in die Innenstadt zu kommen. Da ich keine Lust auf Diskussionen hatte, stieg ich aus und suchte das nächste Hotel.
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Vientiane Tag 1 (Samstag, den 19.12.2009)
Das war also Vientiane (auch Vieng Chan genannt). Das erstbeste Hotel namens „Phetmanyxay“ war nicht ganz billig (350 Baht), aber der Raum war ganz gut. Zwar war ich auch nicht in der Innenstadt, aber nachdem ich mich auf einer Karte, die ich mitgebracht hatte, orientiert hatte, merkte ich, dass Vientiane gut zu Fuß zu erkunden wäre. Aber stattdessen legte ich mich auf mein Bett, schaltete den Fernseher ein und schaute fast zwei Stunden „Horton hört ein Hu!“ auf Englisch, dann endlich bequemte ich mich in die Stadt, holte mir eine bessere Karte im Touristenzentrum und lief sofort zum Patuxai, dem Triumphbogen zur Untermalung der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahre 1949. Ich musste über die wunderbar gepflasterten Straßen, schön angelegten Beete und angenehm erfrischende und rauchfreie Luft staunen! Die Hauptstraßen von Vientiane glichen eher einem Park als einem armen Land. Danach ging es vorbei an der „National Assembly“ und dem „Unknown Soldier’s Monument“ zu dem Wahrzeichen der Stadt schlechthin: dem Pha That Luang. Diesen Stupa muss man einfach gesehen haben, alles aus Gold! Er ziert auch die Flagge Laos‘.
Ich wollte ein verspätetes Mittagessen in einem Restaurant einnehmen, aber entweder hatten sie geschlossen oder es waren keine anderen Gäste zu sehen, was für mich immer ein Indiz für ein nicht so gutes Lokal ist. Auf dem Weg zurück nach Hause hielt ich einen Tuk-Tuk-Fahrer an, der mich zum nördlichen Busbahnhof bringen sollte, damit ich dort mein Busticket nach Luang Prabang für den nächsten Tag kaufen konnte. Aber selbst nach ewigem Handeln verlangte er immer noch 25.000 Kip für die vier Kilometer! Ich entschied mich, am nächsten Morgen dahin zu laufen. So ging ich zurück in den Bezirk, in dem ich wohnte, und holte mir in einer Mall in einem Food Court etwas Ordentliches zum Essen, da ich seit Bangkok nur ein ekliges Sandwich und ein paar Chips gegessen hatte! Gekochter Reis und paniertes Hühnchen sollten es sein. Leider schmeckte das Beer Lao gar nicht gut und so begab ich mich danach direkt nach Hause und schlief ein.
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Vientiane Tag 2 (Sonntag, den 20.12.2009)
Mein zweiter Tag in Vientiane am Sonntag, dem 20. Dezember, begann früh halb 6, als mein Wecker mich aus dem Tiefschlaf holte. Aufgestanden bin ich erst um 7, ich duschte ausgiebig und packte meine Sachen. Dann lief ich die vier Kilometer zu Fuß bis zum nördlichen Busbahnhof, kam unterwegs am Mekong, am That Dam und an der Fa-Ngum-Statue vorbei und kaufte mir schließlich das Ticket nach Luang Prabang für 11 Uhr. Das verschaffte mir Zeit, um wieder nach Hause zu laufen, meinen Rucksack zu schnappen und mit einem Tuk-Tuk für wahnsinnig teure 40.000 Kip (weiter herunter konnte ich nicht handeln) wieder zum Busbahnhof zu fahren.
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Fahrt von Vientiane nach Luang Prabang (Sonntag, den 20.12.2009)
Die Fahrt ging erst 11.30 Uhr los, eine halbe Stunde später als geplant. Die restlichen Gäste waren Laoten; es war ja auch ein „local bus“, doch neben mich setzte sich ein Israeli und hinter mir saß ein Thai; sie sprachen beide ausreichend Englisch, um sich die gesamte Fahrt über mit mir zu unterhalten. Wir sprachen vor allem über Armee und Wehrersatzdienste in je unserem Heimatland. Ich erfuhr, dass Mann in Thailand als Ersatzdienst drei Jahre Wehrunterricht ohne Waffe nehmen muss, im Prinzip wie Abendschule.
Die Landschaft war atemberaubend! Ich fühlte mich wie in der Schweiz – der Bus fuhr entlang schöner Passstraßen, nahm in schwindelerregender Höhe Haarnadelkurven und auch dem Israeli neben mir war schon ganz schlecht, andere Fahrgäste waren gleich mit Tüte eingestiegen und nutzten diese auch! Ich fand die Fahrt eher angenehm. 🙂 Mein Sitznachbar stieg leider schon in Vang Vieng nach etwa vier Stunden aus, ab dann setzten sich zwei niedliche laotische Kinder neben mich. Der Bus stoppte bald für etwa eine halbe Stunde an einem Restaurant, in dem ich mir eine total billige (10.000 Kip) chinesische Nudelsuppe holte. Meine erste Erfahrung mit Stäbchen seit Jahren! Nach weiteren sieben Stunden Fahrt ohne jegliche Pause, also nachts um zehn, kamen wir endlich am Zielort an.
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Luang Prabang Tag 1 (Sonntag, den 20.12.2009)
Ich ignorierte alle bettelnden Tuk-Tuk-Fahrer und steuerte ohne Karte glücklicherweise in die richtige Richtung in die Innenstadt, vorbei an vielen Bars und Billboards. War das das stille Dörfchen mitten in Laos, von dem ich gelesen hatte? Der nächste Schlag ins Gesicht: Bei jedem Guesthouse, in dem ich nachfragte, hörte ich nur zwei verschiedene Antworten: „full“ oder „too late“. Ich bekam ein Angebot für über 25 Dollar pro Zimmer, aber das war ja überhaupt nicht so geplant! Ich traf einen Deutschen, der noch vor seinem Guesthouse saß, der meinte, ich müsste schon äußerst viel Glück haben, in dieser Nacht eine Unterkunft für unter 20 US$ zu finden. Aber das Glück war mir tatsächlich hold und sehr weit im Außenbezirk, nach einigen Kilometern mit meinem 10-Kilo-Rucksack, fragte ich höflich in einem Haus mit dem Namen „Khamvandi“ auf Thai „mii hoong mai?“ – die Antwort der vier Karten spielenden Laoten ging runter wie Öl: „mii khrap“. Ich bekam sogar ein Zimmer für nur 60.000 Kip pro Nacht, konnte aber nicht so viel auf einmal für die drei geplanten Nächte bezahlen, also meinte man zu mir: „you sleep, you pay, you sleep, you pay“. Man wollte nicht einmal meinen Namen wissen oder den Ausweis sehen, sondern gab mir gleich den Schlüssel. Die Nacht wollte ich mir mit Fernsehen versüßen, doch als ich ein bisschen in dem thailändischen Menü herumgespielte, schaltete ich versehentlich die Kindersicherung ein, sodass der Fernseher sich nicht mehr bedienen ließ. Einmal ausgemacht ging er nie wieder an! Na ja, wozu auch fernsehen?
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Luang Prabang Tag 2 (Montag, den 21.12.2009)
Der zweite Tag begann etwa um 10 Uhr mit einer Orientierung, wo ich denn am Vortag in der Dunkelheit überhaupt gelandet war. Das war tatsächlich mal ein komplett anderes Örtchen als Vientiane: Mein Guesthouse stand an einem Sandweg und überall rannten Leute herum, die nur mäßige Kleidung trugen. Beinahe hätte ich gedacht, dass ich wirklich dieses Dorf gefunden hätte, das so still und bescheiden in den Bergen Laos‘ liegen sollte … aber weit gefehlt: Bald auf der Hauptstraße angekommen, sah ich schon die ersten Touristen. Ich ging in ein Restaurant, um zu brunchen, bekam einen leckeren Fisch mit leider zu vielen Gräten, und ging danach weiter Richtung Innenstadt. Ich erspähte eine kleine Anhöhe und ging zu dem Tempel darauf. Drei Tage lang dachte ich tatsächlich, es wäre der Wat Phousi gewesen, aber in Wirklichkeit war es nichts als eine kleine Gebetshalle namens Wat That Luang (leicht zu verwechseln mit dem Nationalsymbol Laos‘ in Vientiane). Für dieses unbedeutende Bauwerk wollte man auch noch 10.000 Kip Eintritt haben! Bei meiner weiteren Reise durch die Stadt entdeckte ich einen Fahrradverleih. Der Händler empfahl mir ein 24er Damenfahrrad mit Korb für 15.000 Kip pro Tag. Das fand ich völlig in Ordnung, ein besseres Fahrrad gab es ohnehin dort nicht. Damit konnte ich gleich erst einmal zum nördlichen Busbahnhof fahren, um nach einem Ticket nach Kunming zu fragen. Dabei durchquerte ich viele Dörfer, die alle zu Luang Prabang gehörten, in denen ich von all den kleinen, niedlichen laotischen Kindern mit „sabaai dii“ begrüßt wurde. Das war jedes Mal so herzlich, wie ich es leider in China niemals wieder erleben durfte. Am Ticketschalter erfuhr ich, dass man für den Bus nach China 450.000 Kip bezahlen müsste. So viel hatte ich leider nicht mit – aber ich hatte den Preis bereits im Vorfeld geahnt. Auf die Frage nach einem ATM in der Nähe, musste man nur lachen und man verwies mich in die Innenstadt.
Wo ich schon einmal in einem Vorort war, fuhr ich auch gleich noch weiter Richtung Norden, bis es wirklich kein Dorf, kein Haus und keinen Menschen mehr gab. Immer weiter auf diesem Weg entlang würde ich irgendwann zu den Pak-Ou-Höhlen kommen, das wusste ich, aber das stand an diesem Tag nicht auf meinem Plan.
Also kehrte ich um und sah in weiter Ferne einen goldenen Tempel auf einer kleinen Anhöhe. Das ließ ich mir nicht nehmen und versuchte, mich mit meinem winzigen Fahrrad dort hinauf zu quälen. Ich stellte auf halber Strecke das Rad ab und lief an Laub kehrenden Mönchen vorbei weiter nach oben. Einer sprach mich auf Englisch an und meinte, er lebe in Amerika. Dann wollte er noch meine Lebensgeschichte wissen, bevor ich weiter zum Tempel namens Wat Phol Phao gehen konnte. Man freute sich am Eingang sehr über meine freiwillige Spende. Die Aussicht vom Balkon und vom obersten Stockwerk aus über Luang Prabang war sehr eindrucksvoll, aber ich sollte erst viel später erfahren, dass es noch einen besseren Aussichtspunkt gab. Oben traf ich ein deutsches Pärchen, die für ihre Asienreise ihren Job gekündigt hatten und mich für meine Beschäftigung in Thailand lobten. Am Ausgang wurde ich von einem Laoten angesprochen, der mir dubiose Busfahrten andrehen wollte und mich dann seinem „Schüler“ übergab, um mit ihm Englisch zu üben. Er erzählte mir einiges über die Gegend um Luang Prabang und wollte meinen Namen und mein Guesthouse wissen. Glücklicherweise vergaß er es gleich wieder, sodass ich mich ohne schlechtes Gewissen von den beiden verabschieden konnte, ohne dass sie mir etwas aufschwatzten.
Danach fuhr ich durch die ganze Stadt und weiter südlich Richtung Tat Kuang Si. Die ausgeschriebenen 25 km (vom südlichen Ortsausgang aus gemessen) waren mir für diesen Nachmittag aber eindeutig zu weit und so kehrte ich, nachdem ich auch auf dieser Seite bald keine Häuser mehr fand, um und folgte einem Wegweiser zu einem anderen Wasserfall. Diesen fand ich jedoch nie, dafür das echte laotische Leben: baden im Fluss, essen über dem Feuer und mit knatternden Motorrädern steinige Berghänge hinaufkriechen … So hatte ich mir Luang Prabang eher vorgestellt, aber nachdem ich in der Dämmerung umkehrte, um wieder in die Stadt hineinzufahren, musste ich das absolute Gegenteil erfahren: Entlang der beiden Thanon Sisavangvong und Sakkarine waren bereits einige Stände für den Nachtmarkt aufgebaut worden und massig Touristen liefen dort entlang! Ich besuchte noch schnell den Wat Sensoukharam und den viel bekannteren Wat Xieng Thong und setzte mich anschließend für eine Weile an den Mekong. Mein Fahrrad hatte ich vor einem Internetcafé abgestellt, ging danach noch eine leckere Pizza, Hamburger und Pommes frites essen (man, ich hatte vielleicht Hunger!) und was war, als ich mein Rad wiederholen wollte? Es war inmitten der Stände des Nachtmarktes eingesperrt. Noch nie hatte ich soooo viele Touristen auf einem Fleck gesehen. Jetzt verstand ich, warum alle Unterkünfte bereits voll gewesen waren! In dieser Stadt gab es wohl mehr Touristen als Einheimische … welch ein Jammer! Dann fuhr ich nach Hause, denn ich wollte nichts auf dem Markt kaufen.
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Luang Prabang Tag 3 (Dienstag, den 22.12.2009)
Obwohl ich bereits halb 7 aufwachte, kam ich nicht vor 9 aus dem Haus. Lange suchte ich nach einem guten Frühstück in der Stadt, dann noch nach der Post, um die letzten Weihnachtskarten abzuschicken, bevor ich schließlich aufbrach zu einer Sache, die Lonely Planet als „exercise junkies can also get to Tat Kuang Si by road by bicycle“ beschreibt.
Ja, tatsächlich tat ich das: Ich nahm mein kleines Damenrad und fuhr die etwa 30 km bis zum Wasserfall über Anhöhen, die selbst mit einem Mountainbike unglaublich anstrengend gewesen wären. Ich traf auf den ersten ein, zwei Kilometern kaum einen Menschen auf dem Weg. Immer wieder kam ich durch kleine Dörfer, in denen man mich freundlich mit „sabaai dii“ begrüßte. Dann erreichte ich bald einen endlos scheinenden Berg und hatte zwei Möglichkeiten: Entweder umdrehen und ein Tuk-Tuk in Form eines Songthaew nehmen (für mindestens 40.000 Kip) oder mich bis zum Gipfel hochkämpfen und die anschließende Abfahrt weiter bis zum Wasserfall genießen, um irgendwie diesen Weg am späten Nachmittag wieder zurücknehmen. Der Weg nach oben war so anstrengend gewesen, dass ich ständig überprüft hatte, ob überhaupt genug Luft auf den Reifen war, denn ich kam kaum vorwärts. Ich entschied mich – glücklicherweise – für eine Weiterfahrt, obwohl ich bereits jetzt schon schwitzte wie einst in Bangkok. Das Wetter war doch eigentlich ideal mild zum Radfahren!
Die etwa ein Kilometer lange Abfahrt war so erfrischend, dass ich mich freute, mich so entschieden zu haben! Dennoch hatte ich ständig Angst vor der Rückkehr. Wie würde es wohl sein, wenn ich den ganzen Weg wieder nach oben kriechen müsste? Nach jedem Kilometer stand ein Meilenstein, der anzeigte, wie weit es noch bis zum Wasserfall sei. Das fand ich ausgesprochen hilfreich und man sollte so etwas auch auf deutschen Radwanderwegen einrichten. Auf einem Gesamtweg von mittlerweile fast 25 Kilometern seit der Innenstadt war ich nie abgestiegen, hatte nie eine Pause eingelegt und nie etwas getrunken … bis ich einen blonden Menschen vor mir ebenso angestrengt trampeln sah: Es war ein Neuseeländer, mit dem ich die letzten vier Kilometer zusammen erklomm. Die letzten paar hundert Meter musste wir dann aber tatsächlich beide schieben, da der Anstieg zu extrem war. Nach insgesamt gut 80 Minuten (ca. 12 Uhr mittags) war ich also am Wasserfall angekommen. Vor dem Eingang mussten wir unsere Räder (er hatte übrigens ein noch schlechteres als ich) abstellen, erst einmal ein Sandwich essen und dann das letzte Stück laufen. Aber der ganze Weg, jeder einzelne Meter, jeder Tritt in die Pedale hatte sich gelohnt, um DAS zu sehen: Ein 55 Meter hoher mehrstufiger Wasserfall, der sich in mehreren treppenartig angeordneten türkisblauen Gumpen ergoss. Doch damit nicht genug. Rechts neben dem Wasserfall konnte man über Naturtreppen und Wurzeln bis nach oben auf den Wasserfall klettern, sodass man direkt auf der Fallkante ankam und den wohl herrlichsten Blick über den Dschungel in ganz Laos genießen konnte. Ich hätte stundenlang dort oben in dem lauwarmen Wasser stehen können! Auf der rechten Seite konnte man über künstlich angelegte Treppen wieder bis nach unten gehen. Kurz vor Abfahrt trauten sich Travis, der Neuseeländer, den ich auf dem Rad getroffen hatte, und ich noch bis direkt an den Wasserfall heran, bevor wir uns nach einem kurzen Snack wieder auf die Räder schwangen.
Unterwegs trafen wir noch einen Vietnamesen, der an diesem Tag der dritte Verrückte gewesen war, der sich diesen Weg mit einem klapprigen Damenfahrrad, dem schlechtesten von uns dreien, aufgebrummt hatte. Erstaunlicherweise ging der gesamte Rückweg, nicht zuletzt auch wegen der unterhaltsamen Begleitung, viel rasanter als der Hinweg. Es schien auch mehr bergab zu gehen! Unterwegs trafen wir immer mal wieder laotische Jungen und Mädchen, von denen letztere uns hin und wieder auch mal „I love you“ und „What’s your name?“ hinterherrufen konnten. Auf den letzten Kilometern in die Stadt hinein verloren wir den Vietnamesen leider, wohingegen sich Travis und ich noch zum Abendessen verabredeten.
Ich fuhr noch schnell nach Hause, um zu duschen, und verirrte mich auf dem Weg in die Stadt wieder leicht, sodass ich etwas länger brauchte, als abgemacht. Travis brachte noch die Holländerin Maria und den Italiener Matteo mit, wir gingen in ein überfülltes, aber qualitativ nicht ganz so hochwertiges Restaurant und ich wurde natürlich von irgendwelchen Knoblauchzehen mit Pommes nicht satt, also gingen wir danach noch in ein anderes, ein deutsches Restaurant. Das Menü war auch auf Deutsch, so empfahl ich Maria, mal einen Radler zu probieren; interessant, dass man so etwas zwar in Italien als „bicicletta“, in den Niederlanden aber gar nicht kannte! Danach gab es nur noch zwei kleine Malheure: Zum einen war mein Fahrrad am Guesthouse der anderen drei eingesperrt worden, weshalb ich erst den Eigentümer aufwecken musste, und zum anderen kam ich in meine eigene Unterkunft nicht mehr hinein, weil es schon kurz vor zwölf war. Bevor ich es jedoch wagen konnte, über den Zaun zu klettern, half mir ein notorisch kläffender Hund, einen Angestellten des Hauses zu wecken, infolgedessen das Tor wieder geöffnet wurde und man sich bei mir für die Unannehmlichkeit entschuldigte. So ist man in Laos eben! Freundlich und reuig, auch wenn der andere eigentlich Schuld hatte.
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Luang Prabang Tag 4 (Mittwoch, den 23.12.2009)
Der Mittwochmorgen begann mit der Suche nach einem guten Frühstück. Ich entschied mich für eine unfreundliche skandinavische Backstube, die mir auch noch das falsche Sandwich für 5.000 Kip mehr brachte – aber geschmeckt hat es trotzdem! Dann fuhr ich mit meinem Rad, obgleich mir der Hintern schon vom Vortag unglaublich wehtat, zum nördlichen Busbahnhof und kaufte mir das Busticket nach Kunming. Der Ticketverkäufer wollte 500.000 Kip haben, aber ich war informiert und gab ihm nur 450.000. Als Entschuldigung bot er mir an, mich am Abend um 21.30 Uhr, eine Stunde vor geplanter Abfahrt des Busses, persönlich von meiner Unterkunft abzuholen. Deshalb musste ich schnell zurück zum Guesthouse und abklären, ob ich noch länger bleiben könnte.
Das Ganze musste ich auf Thai machen, da man in Laos, vor allem in dem Haus besser Thai als Englisch verstand. Die beiden Sprachen (Thai und Laotisch) sind sich unglaublich ähnlich, fast nur wie Dialekte, in denen jeweils die Tonhöhen und einige Wörter anders ausgesprochen werden. So konnte ich klären, dass ich bis „saam thum“ bleiben, aber nicht noch einmal schlafen möchte. Jedes andere Haus hätte mindestens den halben Preis für eine Nacht verlangt, aber dieses nicht. Vielleicht waren sie froh, dass so weit im Außenbezirk überhaupt einmal Gäste da waren!
Für heute nahm ich mir vor, in die Pak-Ou-Höhlen zu gelangen, aber es war leider schon zu spät für eine vom Reisebüro organisierte Reise. Man bot mir ein Privat-Tuk-Tuk für 220.000 Kip an, was ich dankend ablehnte! Also musste ich den Tag anderweitig nutzen; mit dem Rad hätte ich es nicht noch einmal geschafft, da sich die Höhlen etwa 30 km nördlich von Luang Prabang befanden. Zunächst besuchte ich also das Nationalmuseum, dann bestieg ich den gegenüberliegenden Phousi, auf dessen Gipfel der Wat Chom Si thronte, von dem aus man eine grandioser Sicht über ganz Luang Prabang hatte. Viele Fotografen hatten sich dort oben versammelt, um einzigartige Fotos schießen zu können. Auf der anderen Seite des Berges konnte ich wieder hinuntergehen, kam an einem liegenden Buddha, dem Wat Tham Phou Si und Buddhas Fußspur vorbei. Den Eintritt hierfür hielt ich für überteuert, denn man konnte nicht viel sehen. Vielleicht hätte ich auch einfach nur das Ticket von der anderen Seite des Berges zeigen müssen, um nicht zweimal zu bezahlen. 🙂
Unten angekommen, entdeckte ich eine interessante Bambusbrücke, die über den Nam Khan auf ein Feld führte und für die man ebenfalls Eintritt verlangte. Als ich hinüber und dann durch einen Tunnel aus Ranken ging, landete ich in einem Dorf mit Sandstraßen, einem Tempel, vielen etwas ungläubig schauenden Bewohnern und Hunderten von Motorrädern. Bald begriff ich, wo ich gelandet war: Wäre ich der Hauptstraße gefolgt, wäre ich wieder zum nördlichen Busbahnhof und zum Flughafen gekommen. Ich kehrte aber um, da ich mein Fahrrad noch am Phousi stehen hatte, und holte mir ein paar Pommes (für mehr reichte mein Bargeld nicht) in einem Restaurant am Fluss. Abermals war mein Fahrrad im Nachtmarkt versteckt, ich fand es aber und brachte es zurück zum Verleih, da ich meinen Ausweis wiederhaben wollte. Mein Abendbrot klappte leider auch nicht wie gewünscht: Statt einem „Chicken Sandwich“ bekam ich einen „Chicken Salad“ für gleich mal 10.000 Kip mehr, also holte ich mir anschließend meinen Wunsch auf dem Nachtmarkt für viel weniger Geld und ließ es mir als Proviant für meine Endlosreise nach China einpacken.
Ich lief nach Hause, packte meine Sachen und vertrieb mir die Wartezeit bis zu meinem Abhol-Service mit zwei laotischen jungen Männern, die halbwegs Thai und Englisch konnten. Tatsächlich kam der Ticketverkäufer bald mit einem Motorrad an und nahm mich mit. Die Fahrt war leider eiskalt und sie führte mich auch nicht zum Busbahnhof wie einst gedacht, sondern etwa drei Kilometer weiter hinaus aus Luang Prabang zu einem abgelegenen chinesischen Restaurant. Der Motorradfahrer meinte zu mir, ich solle hier auf den Bus aus Vientiane warten, da ich heute Nacht der Einzige sei, der aus Luang Prabang diesen Bus nehme. Die Zeit verging … man sagte mir erst etwas von einer halben Stunde, aus der aber natürlich zwei Stunden wurden! Besonders nervig fand ich die leicht angetrunkenen jungen Laoten, die in dem Lokal Billard spielten und bei jeder versenkten Kugel lauthals krakeelten. Als der Bus endlich ankam und ich fast erfroren war, wollte der Busfahrer nicht einmal mein Ticket sehen, die Tasche musste ich auch selbst in den Kofferraum tun.
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Fahrt von Luang Prabang nach Kunming (Mittwoch, den 23.12.2009 – Freitag, den 25.12.2009)
Das sollte also meine Fahrt von Laos nach China werden: Der Bus bestand aus 34 Mini-Betten, Sitze gab es nicht. Ich legte mich auf ein oberes ans Fenster, um bei Tag so viel wie möglich zu sehen. Zwar gab es Decken und Kissen, aber da der Busfahrer in der ohnehin nicht sehr warmen Nacht auch noch die Klimaanlage bei Kühlschranktemperatur laufen ließ, war die Nachtfahrt eher furchtbar als angenehm. Ich schlief kaum und wechselte das Bett, wartete auf so genannte Pinkelpausen, die man dafür auch nutzen musste, und merkte bald, dass in diesem Bus nur Chinesen waren! Das Problem dabei war, dass chinesische Männer grundsätzlich Kettenraucher sind und nicht gerne die Fenster öffnen. Meine Wahl, oben zu schlafen, war also auch nicht gerade ideal dafür. Das nächste Mal würde ich mich auf die Fünfer-Bettreihe am hinteren Ende des Busses legen.
Irgendwann (es war bereits Donnerstag, der 24.12.) stand der Bus plötzlich, weil die Straße blockiert war. Überhaupt war die laotische Straße bis zur Grenze mehr schlecht als recht, ganz und gar nicht zum Schlafen geeignet. Ich fürchtete jedes Mal, aus dem Bett geworfen zu werden, wenn ich doch mal einschliefe.
Etwa neun Uhr morgens hielt der Bus wieder einmal für längere Zeit, es war bereits hell geworden und die Leute stiegen der Reihe nach aus. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich nichts als Sand, Berge und eine kleine Bude, vor der ein paar Menschen standen. Das musste wohl die Grenze zu China sein! War das etwa Boten, die laotische Grenzstadt? Na ja, ich stieg also aus und sah, dass noch ein anderer Weißer (ein Franzose, der in Dali wohnte, wie sich später herausstellte) im Bus gewesen war. Die Grenze war leicht zu passieren, außer dass ich dem laotischen Grenzbeamten mein „ß“ im Nachnamen erklären musste. Wenn sie den Reisepass einscannen, liest der Computer meist ein „SS“, aber wenn sie ihn abschreiben müssen, dann fragen die Offiziellen fast immer nach dem seltsamen Buchstaben oder schreiben einfach ein „B“.
Der erste Eindruck, den ich von China gewinnen konnte war: groß! Das Grenzgebäude war riesig, so ein großes hatte ich noch nie gesehen. Ich fühlte mich wie auf einem kleinen Flughafen! Überall gab es Gesundheitskontrollen und Check-In-Schalter. Der Durchgang klappte gut, ich bekam meine Genehmigung zur Einreise und schon war ich in China! Der Franzose hatte größere Probleme und durfte aufgrund des schlechten Zustandes seines Ausweises erst einmal nicht einreisen. Gleich nach der Grenzkontrolle bot man mir einen Geldtausch an. Ich willigte ein, für 1000 Baht 200 Yuan zu bekommen, das war ein extrem fairer Tausch! Dann ging es weiter mit dem Bus (ohne den Franzosen) zu einem Parkplatz in Mohan, der chinesischen Grenzstadt, die ich extrem modern und sauber fand. Der Busfahrer meinte, dass die Fahrt erst um 14.30 Uhr weiterginge, das bedeutete einen Aufenthalt von unglaublich langweiligen fünf Stunden in einer Kleinstadt! Also lief ich einmal durch das ganze Nest und versuchte, mir eine SIM-Karte zu kaufen. Mit null Wörtern Chinesisch in petto und keiner Vorstellung, wie ich dem Verkäufer klarmachen sollte, was ich wollte, fasste ich mir ein Herz und ging in den Laden. Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, ich sollte 100 Yuan hinblättern und dann hätte es laut Verkäufer klappen müssen. Ich konnte zwar nicht nach Hause telefonieren, das verstand aber der Verkäufer nicht. Also nahm ich das Infopaket, komplett auf Chinesisch, mit und verschwand. Ich streunte noch ein bisschen durch die Stadt und bewunderte die dreisprachigen Verkehrsschilder auf Lanna, Chinesisch und Englisch.
Dann setzte ich mich vor den Bus, unterhielt mich ein bisschen mit dem Franzosen, der es endlich durch die Grenze und bis zur Bushaltestelle geschafft hatte, und experimentierte mit der SIM-Karte. Als der Bus endlich einmal geöffnet wurde, ergriff ich die Chance, mich hineinzusetzen und zu schlafen. Irgendwann wachte ich aufgrund des Treibhauseffekts im Bus auf und wollte wieder hinaus an die frische Luft; doch weit gefehlt: die Bustür war wieder verschlossen! Also musste ich allein die restlichen Stunden in dem warmen und stickigen Bus aushalten. Ich schaffte es sogar, Axel, einen kulturweit-Freiwilligen in China, dessen Wohnung ich in Guangzhou während seines Thailand-Urlaubes benutzen können würde, anzurufen. Es schienen also nur Gespräche nach China und nicht ins Ausland zu gehen. SMS hingegen konnte ich auch ins Ausland verschicken. Bald darauf wurde ich mit Info-SMS bombardiert und ich wusste gar nicht mehr, was ich machen sollte! In einer stand sogar mein momentanes Guthaben von fast 100 Yuan. Also hatte ich die Karte ja für umsonst erhalten, oder?
Ach ja, während der Pause erfuhr ich von einem Chinesen, dass wir womöglich erst fünf Uhr am nächsten Morgen in Kunming ankommen würden. Na toll, wozu hatte ich dann mein Hostel für die kommende Nacht gebucht? Und wie sollte ich um so eine Zeit vom Busbahnhof bis dahin kommen? Ich hasste diesen Busfahrer jetzt schon für die absolut lächerliche fünfstündige Mittagspause! Ach nein, es waren sechs Stunden, denn der Bus startete erst 15.30 Uhr! Fragt mich nicht, wieso, keiner wusste es!
Als es also endlich weiterging, konnte ich, solange es noch hell war, die zurecht so hochgepriesene schöne Landschaft der Yunnan-Region. Leider sah ich aber wegen der bald einsetzenden Dunkelheit nicht sehr viel davon. Die Raucher, die nun auch anfingen, den Schleim im Rachen hochzuziehen und den ganzen Schnodder auf den Boden zu spucken, regten mich immer noch furchtbar auf – und der Bus wurde wieder enorm kalt. Irgendwann gegen acht Uhr abends kamen wir in eine größere Stadt und hielten an; ich hatte tatsächlich gedacht, wir wären bereits in Kunming, aber weit gefehlt: Es stiegen noch mehr Leute ein und die Fahrt ging weiter. Mitten in der Nacht stoppten wir wieder an einem chinesischen Imbiss irgendwo in den Bergen. Ich holte mir eine Cola und eine Sprite, wollte nichts essen und fror, wie alle anderen, vor dem Bus bis auf die Knochen, da die Bustür wieder verschlossen war, bis der Busfahrer mit seinem Abendessen fertig war.
Es wurde wieder ein neuer Tag: Der 25. Dezember 2009, Weihnachten! Und welch ein Heiliger Abend das war! Vor genau einem Jahr hatte ich an diesem Datum unterm Weihnachtsbaum mit vielen Geschenken im Warmen gesessen und nun stand ich draußen vorm Bus und zitterte vor Kälte. Frohe Weihnachten!
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Kunming Tag 1 (Freitag, den 25.12.2009)
Tatsächlich erreichten wir Kunming erst früh halb 5! Die gesamte Fahrt hatte also genau 28½ Stunden (inkl. Pausen) gedauert, meinem Rücken ging es nicht mehr ganz so gut, denn die laotischen Straßen, die für maximal 20 km/h zugelassen waren, befuhr der Busfahrer teilweise mit dreifacher Geschwindigkeit, und ich war gerade unglaubliche 1000 Kilometer in einem chinesischen Schlafbus gereist! Ich konnte es kaum glauben und wollte schon jubeln – aber so richtig nach Feiern war mir nicht zumute, denn weder hatte ich eine Unterkunft noch warme Wintersachen.
Ein Motorradfahrer wollte sich wahrscheinlich in den frühen Morgenstunden etwas Kleingeld verdienen und fragte mich, wo ich denn hinwollte. Nachdem er „Hump Hostel“ nicht verstand, sagte ich, fein auswendig gelernt, „Jin Ma Fang“ und gab ihm widerwillig 10 Yuan, herunterhandeln konnte ich nicht. Nun begann die wohl eisigste Motorradfahrt meines Lebens: Etwa 10 Minuten bei gefühlten -5 °C kamen mir wie eine halbe Stunde vor! Ohne Handschuhe, Mütze, Jacke und zweite Hose war es einfach nur bitterkalt – und endlich realisierte ich, dass ich in China gelandet war! An dem gewünschten Zielort suchte ich noch zirka 30 Minuten nach dem Hostel, fragte Müllfahrer (die den Namen der Unterkunft aber selbstverständlich nicht verstanden) und fand es schließlich kurz nach fünf Uhr morgens.
Doch was war das: Alles dunkel … ein junger Mann lag da in der Lobby auf der Couch und schlief. Da ich ja endlich mal ein festes Dach über dem Kopf wollte, weckte ich ihn erbarmungslos auf und „forderte“ praktisch aufgrund meiner vorherigen Reservierung mein Zimmer. Er kramte in dem Schlüsselschrank, bis er doch tatsächlich zugab: „We’re full tonight“. Ich diskutierte, weil ich bereits im Voraus gebucht hatte und auch schon eine Anzahlung geleistet hatte, bis wir uns darauf einigten, dass ich die erste Restnacht kostenlos in der Lobby schlafen dürfte und die zweite Nacht etwas verbilligt bekam. Ich sollte auf den ersten Check-Out eines Gastes warten, dann könne ich in mein Zimmer.
Etwa acht Uhr morgens klärte sich dann, mit neuen Kollegen, die Situation auf, man bot mir einen kostenlosen Tee an und ich kam in ein Vierbettzimmer zu etwa dem halben Preis. Dort konnte ich mich endlich richtig gemütlich ausschlafen, auch wenn das Zimmer immer noch eisig war. Ebenso war die Dusche nur lauwarm. Ich verstand in dem Moment noch nicht, warum dieses Hostel bisher immer so gute Kritik bekommen hatte. Anschließend ging ich in die Stadt und probierte meine Kreditkarte bei mehreren Banken aus, bis es endlich klappte. In China akzeptierte man wohl ausländische Karten nicht gerne … Beim Überqueren einer Hauptstraße mit geschätzten hundert anderen Menschen wurde ich doch tatsächlich von einer jungen Chinesin angesprochen: „Hi, where are you from?“ Auf meine „Germany“-Antwort bekam ich eine Frage gestellt, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hätte: „Can you teach me English?“ Wie bitte? Jetzt? Hier? Ich? Ich lehnte ab, hatte ja ohnehin anderes vor, und verschwand in der Masse.
Von Travis, dem Neuseeländer, den ich in Laos getroffen hatte, hatte ich den China-Reiseführer von Lonely Planet bekommen, als ich ihm eine große Touristenkarte über Thailand, Kambodscha, Laos und Vietnam gab, da er eine ähnliche Reiseroute wie ich vorhatte, nur andersherum. Wie in jenem Buch ausgeschrieben, versuchte ich, den richtigen Bus in den Shilin-Nationalpark zu finden, es gelang mir aber nicht. Ich fragte beim angeblichen Ticketverkauf nach, aber keiner wollte mir helfen. Ich sprach ja schließlich auch noch kein Wort Chinesisch. Hier merkte ich zum ersten Mal die Blicke: Sie waren ganz anders als in Thailand, noch dazu, weil ich blond war. In dem Land, das so lange von der Außenwelt abgeschottet lebte, war man noch nicht an Ausländer gewöhnt. Teilweise fielen den Leuten die Augen aus dem Kopf, andere wandten absichtlich den Blick ab, wieder andere tuschelten oder redeten gar laut über mich … etwas Befremdlich war das anfangs schon, aber im Laufe des Aufenthaltes sollte ich das Land und die Leute ja noch besser kennen und verstehen lernen.
Den Bus zum Shilin fand ich also leider nicht, so kehrte ich zurück zum Hostel und fragte dort nach, wie ich den richtigen Bus erwischen könnte. Das Hostelpersonal rief sogar im Ticketschalter an und bestätigte, dass er heute besetzt sei! Also hatte ich einfach nicht den richtigen Schalter gefunden. Leider war es aber mittlerweile nachmittags um zwei, sodass ich meinen Aufenthalt in Kunming um einen Tag verlängern musste – anders als geplant -, um am nächsten Tag in den Steinwald aufzubrechen! Außerdem sollte ich aus Sicherheitsgründen mein Zimmer wieder wechseln, da die beiden anderen, die sich das Zimmer mit mir teilten, schon seit Tagen an einer schweren Erkältung litten.
In dem neuen Zimmer lernte ich eine Pekingerin mittleren Alters kennen, mit der ich den Nachmittag bei einem Spaziergang und einer Sightseeing-Tour in Kunming verbrachte. Das war ganz gut so, denn sie konnte ja Mandarin sprechen, sodass wir eigentlich alle Foto-Objekte schnell finden sollten. An diesem und jenem Stand nahm sie ein paar lokale Spezialitäten mit und auch ich probierte die Snacks für teilweise weniger als 1 Yuan. Während wir an der Xisi Ta und der Dongsi Ta vorbeikamen und durch eine Tempelanlage streunten, erzählte sie mir viel über Pagoden, Tempel, den Buddhismus und den Glauben. Anschließend nahmen wir einen Bus in den Norden Kunmings und wollten zwei andere auf einer Touristenkarte eingezeichnete Pagoden besichtigen. Die Suche gestaltete sich allerdings viel schwieriger als gedacht und wir brauchten trotz allem Nachfragen bei der örtlichen Bevölkerung über eine Stunde, bis wir sie versteckt in einem Hinterhof zwischen Wohnblöcken erspähten! Die Pekingerin war völlig entsetzt, wie Menschen die Geschichte nur so kaputt machen und um diese schönen Türme einfach hässliche Baracken stellen konnten. In China wird halt kein Platz frei gelassen. 😉
Auf dem Weg zum Yuantong-Tempel wurden wir plötzlich von zwei jungen Chinesen mit Sprühschnee attackiert. Ich erschrak mich dabei derart, dass meine Brille zu Boden fiel und in mehrere Teile zersprang. Na toll, das hatte mir jetzt noch gefehlt! Insgeheim hoffte ich aber, dass mir meine chinesische Begleiterin wohl bei dem Kauf eines neuen Nasenfahrrads behilflich sein würde. Aber nicht jetzt … Wir kamen bald an besagtem Tempel an, aber es war schon zu spät, der Eingang war verschlossen; selbst eine halbstündige Diskussion, in der ich natürlich die Klappe hielt, mit dem Guard brachte uns nicht weiter an die Anlage heran …
So gingen wir noch durch den Green Lake Park und wunderten uns über den erstaunlich kleinen See, der auf der Karte so groß aussah. Auf dem Rückweg schneiten wir dann glücklicherweise bei einer Optikerin herein, die erstaunlich viel Geduld mit mir bewies, obgleich ich doch einfach nur eine neue und provisorische Brille wollte, nichts Exklusives. Allerdings schienen meine Augen so einen seltsamen Dioptrienwert aufzuweisen, dass wir uns fast eine dreiviertel Stunde in dem Laden aufhielten und immer wieder neu gemessen werden musste. Auf dem Rückweg durchquerten wir die Fußgängerzone von Kunming, die bereits mit Tausenden oder Millionen von Chinesen gefüllt war. Es war Weihnachten und das wurde hier so gefeiert: Alle jungen Leute gingen auf die Straße, jeder kaufte sich für nur 10 Yuan mindestens eine Sprühschnee-Dose und ging damit auf so viele andere Menschen in der näheren Umgebung zu, wie nur möglich. Davon blieb natürlich auch ich nicht verschont und als unbewaffneter Weißer war ich natürlich DAS Zielobjekt schlechthin.
Wir schafften es jedoch noch recht sauber in ein Restaurant zu gelangen, das bekannt für seine kunmingtypischen Spezialitäten war: Guoqiao Mixian, im Englischen eher als „Across-the-bridge noodles“ (aufgrund ihrer Geschichte) bekannt. Oh je, auf was hatte ich mich da eingelassen? In die anfangs leere Ölsuppe kam Folgendes: Bambus, schwarzes Hühnchen, Blätter, Vogeleier, Pilze, Schalentiere, Tintenfisch, Kaschunüsse, rohes Schweinefleisch, gebratene Bienen und selbstverständlich die Reisnudeln als letztes. Das Ganze sollte mit Stäbchen gegessen werden und war natürlich kochend heiß. Ich glaube immer noch nicht, dass ich das alles herunterbekommen habe! Aber so war es. Dann kehrten wir zum Hostel zurück und auf meine Beschwerde hin, dass ich noch nicht satt sei, empfahl mir eine andere Chinesin noch ein zweites Restaurant; ich wagte mich tatsächlich wieder in die schneesprühende Menge und kam keine 10 Meter, schon waren meine Haare pink statt blond. Es war mir zu unangenehm, so in ein Lokal zu gehen, also kehrte ich wieder um und gönnte mir eine ordentliche, dieses Mal warme Dusche. Am Abend gab es zwar Bar, Musik und nette Leute im Hostel, aber ich war einfach zu müde, um noch feiern zu können. Ich unterhielt mich lediglich noch mit einer chinesischen Studentin aus Hainan über meinen Auslandsaufenthalt, weil sie angeblich an solchen Freiwilligendiensten zwischen Schulabschluss und Studienbeginn forschte.
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Kunming Tag 2 (Samstag, den 26.12.2009)
Am zweiten Tag musste es einfach klappen, zum Shilin zu gelangen. Ich hätte eine Menge dafür gegeben und stand bereits zeitig genug auf, frühstückte ein paar Plinse und rückversicherte mich mehrmals bei den Angestellten des Hostels, wie ich genau zum richtigen Bus käme. Ich ließ mir meine „Frage“ sogar auf Chinesisch aufschreiben, damit ich den Zettel notfalls einem Beamten hätte zeigen können. Die Zeichen für Shilin konnte ich bereits lesen, sie entsprachen auch ihrer Bedeutung. Sieht 石 nicht wie ein Stein und 林 wie ein Wald aus? Also ging ich wieder in Richtung Bahnhof und suchte die Gegend dort nach diesen Zeichen ab, fand aber lediglich einen Busbahnhof. Dort belästigte ich einen Polizisten mit meinem Problem, der mich freundlicherweise zu einem Bus schickte, an dem tatsächlich Shilin auf Chinesisch stand. Davor stand der Busfahrer, den ich nach dem Ticket fragen konnte. Er war so nett und führte mich sogar direkt bis zum richtigen Ticketschalter, an dem natürlich auch nur alles auf Chinesisch stand. Nie hätte ich den gefunden! Meine Fahrkarte hatte ich also, so konnte ich nun guten Gewissens zum Steinwald fahren. Der Bus fuhr, wie alle chinesischen Busse, allerdings erst los, als auch der letzte Platz gefüllt war. In meinem Falle dauerte das glücklicherweise nur eine halbe Stunde.
Schon auf dem Hinweg sah man die eindrucksvolle Natur Yunnans: Riesige Berglandschaften, Seen und selbstverständlich die bizarren Steine, die wie Skulpturen aus dem Boden ragten. Ich erspähte sogar ein paar Ausländer im Bus und dann auch im Park, aber die geringe Anzahl wunderte mich nach meinem schwierigen Ticketkauf nicht im Geringsten. Meist sprachen jene auch wenigstens ein bisschen Chinesisch. Den Eintritt bekam ich sofort ermäßigt, ohne dass man mich nach einem Studentenausweis fragte. Leider sollte das bei meinen späteren Attraktionen nicht mehr so gut klappen. Einen Parkbus oder Guide sparte ich mir auch, schließlich waren meine Füße noch jung und konnten selbst laufen. Zunächst lief ich durch ein kleines Dorf, abseits jeglicher Touristenroute, kam an einem Büffel vorbei, der mich ebenso seltsam wie die Bewohner der Siedlung anstarrte, und kehrte wieder zurück zum Steinwald, bevor ich die Orientierung ganz verlor. An einem Wegweiser stand das mich fesselnde Wort „Eternal Mushroom“, sodass ich ihm folgte … in ein extrem abgelegenes Gebiet, in dem weit und breit kein einziger chinesischer Tourist mehr zu sehen war. Den seltsamen pilzförmigen Fels, keine wirkliche Attraktion in diesem Sinne, erreichte ich nach etwa einem Kilometer über Stock und über Stein. Blöderweise musste ich denselben Weg zurückgehen, um wieder auf die Hauptroute zu gelangen. Ich mag so etwas überhaupt nicht, lieber habe ich Rundwege, nach denen man zum Ausgangspunkt zurückkehrt; ich gehe nicht gerne denselben Weg zweimal. Nun endlich kam ich in den richtigen Steinwald, kroch durch Höhlen, auf Plateaus und traf die vielen Chinesen, die mich nur wieder ungläubig anschauten, als wäre ich interessanter als die Steine ringsherum. DIE Attraktion schlechthin war die Aussichtsplattform in der Mitte des Parks; dieser Meinung waren zumindest die chinesischen Touristen und drängten sich zu Hunderten auf den winzigen Pavillon. Eine wirklich gute Aussicht konnte man von dort aus also nicht genießen. Ein kleiner Junge redete in dem Gedränge die ganze Zeit mit seiner Mutter und seiner Oma über mich; das bekam ich schon mit, auch wenn ich nichts verstand – schade eigentlich! Dann beeilte ich mich schnell wieder von der Plattform und lief noch ein bisschen in die äußeren Bezirke des Steinwaldes, kam an einem eindrucksvollen Felsen namens „Mother with Child“ vorbei und testete auch noch die Toiletten. Bereits in Kunming hatte ich gelernt, in China immer eine Rolle Toilettenpapier mitzunehmen, da dieses gewöhnlich nicht zur Verfügung gestellt wird – weder an öffentlichen Plätzen, noch im Zug und auch nicht in Hostels, selten in Hotels. Diese Aborte im Steinwald waren allerdings eine Attraktion für sich: Über die Schüssel war eine Tüte gespannt, die nach einer Weile automatisch eingezogen und gewechselt wurde, sodass der nächste Gast wieder auf einer neuen Tüte saß. 🙂
Auf dem Rückweg kam ich an einem Wegweiser für einen Baoshan (oder so ähnlich) vorbei. Die Infotafel fesselte mich: Entgegen allem Glauben sollte dies, und nicht der Aussichtspavillon, der höchste Punkt des Shilin sein! Das ließ ich mir trotz bereits schmerzender Füße und ziehenden Schultern nicht nehmen und bestiegt den Felsen. Die Infotafel hatte nicht gelogen! Von hier aus hatte man eindeutig den besten Überblick über das gesamte Areal und das Beste daran: Es waren keine Touristen weit und breit zu sehen, nur eine chinesische Familie war mit auf dem Gipfel. Das war doch ein gelungener Abschluss, bevor ich wieder nach Kunming fuhr. Beim Ticketkauf für den Rückweg kam ich einem Ausländerpärchen, von dem die Frau gutes Chinesisch sprach, zwar zuvor, gab aber mein Ticket an sie ab, weil noch genau zwei Plätze im Bus frei waren. Ich wartete geduldig auf den nächsten Bus, der im Prinzip auch nicht so viel später in Kunming eintraf. Das einzig Blöde an diesem Bus war, dass die Lehne des Sitzes vor mir gebrochen war und ständig nach hinten klappte. Bevor die anderen Leute kapiert hatten, dass man diesen Platz nicht besetzen konnte, verging auch wieder einige Zeit. Neben mich setzte sich dann noch ein ältere Frau, die unruhiger kaum hätte sein können; selbst der Busfahrer musste sie ermahnen, dass sie sich während der Fahrt hinzusetzen hatte!
In Kunming angekommen, blieben noch zwei Hürden: Die erste war der Ticketkauf für meinen Zug nach Yichang. Der Bahnhof dieser fast 7-Millionen-Stadt war riesig, es gab etwa 15 Ticketschalter, an denen je 50 Leute standen. Alles war auf Chinesisch, sodass ich mich einfach irgendwo anstellte. Ohne etwas zu sagen, gab ich den handgeschriebenen Zettel vom Hostel mit meinen Abfahrtsdaten hin und die Frau im Verkauf wiederholte alles noch einmal auf Englisch. Dann bekam ich das gewünschte Ticket!
Die zweite Hürde war meine Brille: Glücklicherweise hatte ich die Rechnung vom Vortag noch und so ging die Abholung recht schnell, auch wenn dieses Mal eine andere Optikerin beschäftigt war. Ich konnte also frohen Mutes, mit Fahrkarte und neuer Brille zurück ins Hostel gehen, noch ein wenig im Internet surfen und traf doch tatsächlich noch – die Hoffnung hatte ich bereits aufgegeben – die im ganzen Hostel gesuchte mysteriöse Amy. Vorgeschichte: Travis aus Neuseeland, den ich in Laos am Wasserfall kennen gelernt hatte, hatte mir einen laotischen Schal für eine gewisse Amy im „Hump Hostel“ mitgegeben. Dort kannte man sie aber nicht, also hatte ich eine Notiz an der Rezeption hinterlassen. Ein bisschen dumm kam ich mir dabei schon vor, aber schließlich freute sie sich doch, dass ich ihr den Schal hatte überbringen können, auch wenn sie dann eher mich als ich sie fand. Viel mehr redeten wir aber nicht. Stattdessen wurde ich von ein paar Chinesen in meinem Alter zum Spiel „Wahrheit oder Pflicht“ eingeladen. Da man bei ihrer Version würfeln musste, lernte ich die Zahlen bis zwölf schnell auf Chinesisch, den Rest übersetzten sie für mich. Das Spiel machte sichtlich Spaß, es ging bis in die sehr späten Abendstunden, doch dann wurde es mir zu albern und ich ging zu Bett.
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Kunming Tag 3 (Sonntag, den 27.12.2009)
Um meinen Zug nach Yichang zu bekommen, musste ich bereits fünf Uhr morgens aufstehen. Vorm Auschecken joggte ich noch zur nächsten Bank, die meine Kreditkarte akzeptierte, kehrte zum Hostel zurück, holte meinen Rucksack und begab mich mit einem Taxi zum Bahnhof. Es dauerte eine Weile, bis der Fahrer „huo che zhan“ verstand, aber schließlich kam ich an, wo ich wollte. Die Wartehalle für den Zug war gigantisch (ca. zwei Fußballfelder) und ebenso die Menschenmenge, und das früh um sieben! Hier wurde ich bereits von mehreren Chinesen angesprochen, ich konnte aber lediglich „bu dong“ antworten. Im Laufe der nächsten Versuche lernte ich, dass man eigentlich öfter „ting bu dong“ sagte. Ich war in der Wartehalle und im Zug selbstverständlich der einzige Ausländer, denn auf dieser Strecke und noch dazu mit solch einer Zugklasse fuhr kein Tourist! Ich hatte die billigste Klasse und einen harten Sitzplatz ergattert: 100 Yuan für knapp 2000 Kilometer, nicht schlecht, oder? 😉
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Fahrt von Kunming nach Yichang (Sonntag, den 27.12.2009 – Montag, den 28.12.2009)
Als ich endlich, nach einigem Fragen, im richtigen Abteil ankam, setzte ich mich irgendwo hin. Nie hätte ich gedacht, dass jeder Platz in diesem Abteil gefüllt würde, also musste ich mich auch auf den auf meinem Ticket aufgedruckten Platz setzen. Irgendwie stand da eine 91 und man verfrachtete mich auf die 8, warum auch immer! Zunächst saß mir ein älterer Herr gegenüber, dann kam noch ein weiterer älterer Mann wahrscheinlich mit seiner Tochter und belegten die übrigen beiden Plätze in unserer Vierersitzgruppe. Da jeder Reisende mindestens zwei riesige Gepäckstücke dabei hatte, mussten die Koffer oben auf der Ablage sorgfältig sortiert werden. Als planender und großer Europäer übernahm ich diese Aufgabe auf unserer Seite und stapelte alles ordentlich zusammen. Auf Grund dessen fuhr mich im Laufe der nächsten paar Stunden ein etwas verbitterter Mann an, dass er meinetwegen nicht mehr an seinen Koffer komme! Was konnte ich denn dafür, dass so wenig Platz für das Gepäck vorgesehen war!?
Im ganzen Abteil sprach tatsächlich keiner ein Wort Englisch – und ich konnte nichts als „ting bu dong“, „bu yao“ und „xie xie“. Ich hatte aber bald auch keine Lust mehr, mit irgendjemandem zu reden, denn viele Passagiere ignorierten wissentlich das Rauch-, Müllwegwerf- und Spuckverbot. Obwohl sie unter diesen Verbotsschildern saßen, wurde eben eine Zigarette nach der anderen angezündet, die Abfälle einfach vom Tisch gekehrt oder zumindest in Richtung des Mülleimer geworfen und den überflüssigen Schleim nicht in eine Tüte oder ins Klo, sondern anderen Leuten vor die Füße gespuckt. Nahezu jeder machte das! Das mag hier vielleicht etwas rassistisch klingen, aber das sind leider Gottes meine Eindrücke aus diesem Zug – ich will so etwas nicht verschweigen. Natürlich wurde der harte Sitz irgendwann unbequem und so stand ich immer mal auf und schaute mir die Landschaft aus dem Fenster zwischen den Abteilen an – auch das war so eine typische „Spuckecke“.
Am späten Nachmittag kam dann eine lustige, aber etwas penetrante Schaffnerin und gleichzeitig Verkäuferin von Essen und Spielzeug auf mich zu, setzte sich mir gegenüber und fragte alles Mögliche auf Chinesisch. Anfangs war aus mir nichts herauszubekommen. Irgendwann hörte ich ein „nali“ sowie von einem anderen Mann „USA!“ (das war das einzige englische Wort, das mir auf der gesamten Zugfahrt je zu Ohren kam). Ich konnte stolz „de guo“ antworten und zeigte mein Ticket, damit sie auch bald wussten, wo ich hinwollte. Immer mehr interessierte Chinesen versammelten sich um mich herum, aber viel mehr konnten sie aufgrund der Sprachbarriere auch nicht erfahren. Bald kam die Nacht … oh je, hätte ich mir in Kunming doch mal Wintersachen gekauft! Lediglich ein Unterhemd, ein T-Shirt, ein Pullover, eine leichte Jacke, eine Stoffhose und ein paar Socken zierten meinen Körper. Das reichte bei Weitem nicht aus für einen Zug, der bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mit undichten Türen durch das kalte chinesische Hochland raste. Die Tür zum anderen Abteil war ohnehin eine Attraktion für sich: Kaum einer bekam sie ordentlich auf oder zu, denn sie klemmte an allen Ecken und Kanten. Und hatte man es tatsächlich mal geschafft, sie zuzumachen, so ging sie ewig nicht mehr auf. Auch wenn sie einmal ganz geöffnet war, bedurfte es schon viel Geschick und Kraft, sie wieder zu schließen. Zwischenzeitlich stand sie auch quer. Noch dazu regte es mich etwas auf, dass die ganze Nacht Essenswagen mit Marktschreierlautstärke durch alle Abteile geschoben wurden, weshalb immer wieder die Tür geöffnet werden musste. In dem Abteil war es praktisch die ganze Nacht genauso kalt wie draußen, dank des Fahrtwindes vielleicht gefühlt noch kälter.
Die letzten Stunden des 27. Dezembers waren trotz der Kälte sehr angenehm, da plötzlich eine mir schräg gegenübersitzende chinesische Studentin anfing, Zettelchen auf Englisch zu schreiben. Anfangs schien sie extrem unsicher, aber bald schrieb sie sich warm und ich verstand auch das meiste, was sie von mir wissen wollte. Diese Konversation hielt etwa zwei Stunden an, sie erfuhren von meiner Tätigkeit in Thailand, meinen China-Plänen und deutschen Bräuchen und auch ich lernte eine ganze Menge über die Denkweise der Menschen und vor allem über die Haltung zur Ein-Kind-Politik. Leider traute sie sich nicht zu sprechen. Der Schmuckverkäufer in meinem Alter neben ihr flüsterte ihr immer wieder eine Frage ins Ohr, die sie dann für mich übersetzen und aufschreiben musste. Er verstand praktisch gar kein Englisch. Mir tat es Leid, dass es für die Studentin wohl seit langer Zeit die einzige Möglichkeit war, ihr Englisch zu üben. So erging es wahrscheinlich vielen jungen Chinesen, die Englisch in der Schule lernten, aber es wohl nie anwenden können würde.
In der Nacht versuchte ich, so gut es ging zu schlafen, bis ich früh um fünf von einem sehr unfreundlichen Schaffner geweckt wurde, der mir befahl, mein Zeug zusammenzupacken und ihm zu folgen. Er schleppte mich insgesamt durch acht Abteile, durch die Küche und verfrachtete mich in die hinterste Ecke des Essenswagens. Dort sollte ich etwas essen, tat es aber nicht. Ich hatte schließlich bereits vorher mein Proviant vertilgt und selbstverständlich um diese Zeit auch keinen Hunger. Das Gute an diesem Abteil war, dass es eine Uhr gab, denn mein Handyakku hatte in der Zwischenzeit seinen Geist aufgegeben. Ich schlief ein und wurde um sieben – wer hätte es gedacht? – wieder von diesem Schaffner geweckt, um mich abermals in ein anderes, aber ziemlich leeres Abteil zu stecken. Dort sollte ich nun schlafen. Das tat ich auch, ich hatte ja nun eine ganze Bank für mich allein. Warum der Schaffner dies getan hatte, weiß ich bis heute nicht! In dem neuen Abteil wurde ich wieder von einem älteren Mann angesprochen, aber auch er gab nach den Infos „de guo“, „Yichang“ und „ting bu dong“ auf. Das Schwierige war nun noch, dass ich keine Uhr hatte. Ich wusste, um welche Zeit der Zug planmäßig in Yichang einfahren würde, aber ohne Uhr war das nur schwer auszumachen. Immerhin konnte ich die chinesischen Zeichen für Yichang lesen, somit stieg ich auch am richtigen Bahnhof aus und winkte im Vorbeigehen noch meinen ehemaligen Sitzgenossen zu.
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Yichang Tag 1 (Montag, den 28.12.2009)
Das war also Yichang. Trotz vieler Angebote bezüglich Unterkunft direkt vor dem Bahnhof steuerte ich planlos in die Innenstadt. Zunächst lief ich in die falsche Richtung, dann fand ich mich aber schnell zurecht. So groß schien die 4-Millionen-Stadt gar nicht zu sein. Nachdem ich zweimal mit meinem riesigen Rucksack um den Stadtkern gelaufen war, entschied ich mich für ein mickriges Hotel in einem Sachenladen. Dort verstand man aber kein Englisch, nicht einmal „room“, und ich wurde mit einem „no“ verabschiedet. Im benachbarten, sehr luxuriös scheinenden Hotel, das ich mir ohnehin nicht hätte leisten können, fiel die Frau an der Rezeption, noch bevor ich überhaupt einen Ton hatte sagen können, fast in Ohnmacht und rief den Dolmetscher. Dieser hatte nichts weiter zu tun, als mir die Preisliste auszuhändigen und sogar noch einen Megarabatt von 60 % zu gewähren. Damit wäre der billigste Raum etwa 370 Yuan gewesen. Ich sah mich weiter in der Stadt um und entschied mich für das „Motel Rest“, in dem man immerhin das Wichtigste auf Englisch sagen konnte. Ein Zimmer für 168 Yuan lag zwar auch weit über meinem geplanten Budget, aber dafür war es traumhaft eingerichtet. Über die kaputte Klospülung, bei der man den Stöpsel immer manuell im Spülkasten hochheben musste, sah ich hinweg. Die Dusche war sehr geräumig, heiß und einfach nur ideal, der Fernseher war programmierbar (aber auf Chinesisch, was mich einige Zeit kostete), es gab auch die übliche Hotelausstattung inklusive: Zahnputzzeug, Kamm, Badelatschen, Telefon und was man sonst so alles nicht brauchte. 😉
Ich kaufte mir im naheliegenden Supermarkt erst einmal Proviant für den Tag und machte mich dann auf, die von Lonely Planet beschriebene Bushaltestelle zum Drei-Schluchten-Staudamm über den Jangtse zu suchen. Tatsächlich fand ich sie etwas versteckt in einem Hinterhof. Alle Busse trugen nur chinesische Schriftzeichen, nirgends konnte ich aber die Zeichen für „sanxia daba“, die ich bereits kannte, erkennen. Also ging ich zum Ticketverkauft und sagte den Namen dieses Staudamms auf Chinesisch; mein Busticket bekam ich auch. Und welcher Bus war es nun? Auch hier musste ich wieder mit Händen und Füßen agieren, bis mir jemand half. An dem Bus stand übrigens 茅坪, was, wie ich erst in Shanghai von einer chinesischen Freundin erfahren sollte, Maoping hieß und der Name einer Kleinstadt in der Nähe des Staudamms war. Von dort aus sollen angeblich auch Touristenschiffe bis an den großen Damm fahren, aber davon wusste ich nicht und so schickte ich einen Motorradtaxifahrer zum „sanxia daba“. Dieser gehorchte fleißig, aber ich vergaß, den Preis im Voraus auszuhandeln. Und der nette Herr fuhr und fuhr und fuhr … den ganzen Weg, den der Bus auf der Yichang abgewandten Seite hochgeklettert war, wieder hinunter und auf der anderen Seite des Staudamms wieder nach oben. Die Fahrt dauerte gute 20 Minuten und wieder fror ich, vor allem am Kopf, und fürchtete eine bald einsetzende Erkältung. Nachdem wir ein Dorf durchquert hatten, in dem man, den Blicken nach zu urteilen, noch nie einen Ausländer auf einem Motorradtaxi gesehen hatte, erreichten wir an einem Abhang einen kleinen Pavillon mit drei Leuten. Einer wollte sofort 50 Yuan von mir haben. Da ich dachte, man müsste hier eine Art Zoll für den Staudamm bezahlen, und ich ohnehin nichts verstand, gab ich ihm widerwillig das Geld. Dann sollte ich absteigen und ihm folgen. Mann, ich hoffte, dass der Motorradfahrer dort stehen blieb, wie sonst sollte ich wieder zurückkommen? Ich fühlte mich wie im Nirgendwo. Dann nahm der dubiose Fremde meinen Fotoapparat und befahl mir, mich mal hier hinzustellen, dann mal dort, dann wieder an diese Stelle und dann an jene, vor diesen Schriftzug, an jenen Zaun, in dieser Pose, mal mit Power, mal kerzengerade – und immer wieder schoss er Fotos von mir mit dem Staudamm im Hintergrund, den man aufgrund des Nebels leider nicht so sehr gut sehen konnte.
Anschließend zeigte er mir noch ein paar Postkarten mit schönen Bildern vom Damm, die auf Chinesisch, Englisch und Deutsch beschriftet waren und mir für insgesamt 13 Yuan ein Schnäppchen schienen, bevor ich ihm und dem Motorradfahrer, der nun zum Foto-Shooting dazugekommen war, versuchte klarzumachen, dass ich AUF oder IN den Staudamm möchte. Es schien zwar ein Weg dorthin zu führen, aber sie verstanden nicht. Also ging es die ganze Strecke mit dem Motorrad wieder zurück zu einem zweiten Aussichtspunkt, wiederum auf der anderen Seite des Staudamms. Dieser Weg war allerdings versperrt, deshalb wollte ich endlich schnellstmöglich zum Bus zurück. Meine Fotos hatte ich ja, auf dem Staudamm war ich allerdings nicht – ob das überhaupt möglich gewesen wäre, weiß ich bis heute nicht. Es scheint aber Bootsfahrten bis an den Fuß des Riesenkoloss zu geben. Blieb noch die Bezahlung: Ich hätte ich höchstens 30 Yuan geben wollen für die Fahrt, aber er ließ sich von seinen geforderten 60 Yuan einfach nicht abbringen. Da half auch eine fünfminütige Diskussion nichts. Viel hatte ich in dem Nest sowieso nicht zu sagen, also blieb mir keine Alternative, als ihm das Geld schweren Herzens zu geben. Die Busfahrt zurück nach Yichang war von extrem schlechten Straßen geprägt. Danach musste ich nur noch das Ticket nach Shanghai für den nächsten Tag im Bahnhof kaufen. Ich hatte mich vorbereitet und bereits selbst die wichtigsten Sachen in den entsprechenden Schriftzeichen aufgeschrieben: Datum, harter Sitzplan, Zugname, Zielort. So konnte ich das Zettelchen durch das Schalterfenster schieben und bekam zügig meine Fahrkarte. Mein Abendbrot holte ich mir bei McDonald’s; die Frau konnte immerhin „menu“ und „one“ sagen. Den Rest des Abends verbrachte ich vor dem chinesischen Fernseher, dessen Bedienung ich nach etwa zwei Stunden endlich verstanden hatte.
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Yichang Tag 2 (Dienstag, den 29.12.2009)
Den zweiten Tag nutzte ich für einen morgendlichen Spaziergang zum Jangtse, dem längsten Fluss Chinas und damit dem drittlängsten der Welt. Am Ufer fand ich einige einheimische Spaziergänger vor sowie vereinzelt Fischer auf ihren Booten. Wieder war es sehr nebelig, sodass man nicht weit am Ufer entlang sehen konnte und ich etwas enttäuscht den Rückweg in die Stadt antrat. Für meinen Einkauf von Proviant für die Zugfahrt nach Shanghai hatte ich mir extra einen Rucksack mitgenommen, um nicht alles tragen zu müssen, da man in China gewöhnlich keine Tüten (wie es aus Thailand gewohnt war) an der Kasse für seinen Einkauf bekam. Doch diesen leeren Rucksack musste ich aus Sicherheitsgründen am Eingang einschließen und durfte ihn erst wiederholen, nachdem ich meinen Einkauf getätigt hatte. Verstehe einer das mal! An der Kasse versuchte die Verkäuferin, noch ein bisschen Englisch mit mir zu sprechen, sie gab aber zu: „My English is not good“. Punkt 12 checkte ich aus dem Motel aus, lief zum Bahnhof und hatte noch gute zwei Stunden Luft bis zu meinem Zug. Da ungefähr 500 Menschen vor dem Bahnhof auf ihren Koffern saßen, tat ich das auch, obgleich ich mir sicher war, dass es einen Warteraum im Gebäude geben müsste. Wieder war ich als einziger Ausländer in der ganzen Stadt bald die Hauptattraktion und schon zeigten die ersten Jugendlichen mit dem Finger auf mich, andere kamen nach kurzem Zögern auf mich zu. Ich verstand wieder einmal nichts außer „nali“ (der ganze Satz wird wohl „ni cong nali lai“ gewesen sein), worauf ich mit „de guo“ antworten konnte. Mein Alter konnte ich auch mit „er shi“ angeben und „Shanghai“ als Zielort war leicht verständlich. Sogar von meiner Arbeit in „tai guo“ erfuhren sie! Dann versuchten sie sich auf Englisch, was auch gar nicht so schlecht war. Teilweise waren ihre Sätze ziemlich lustig und sie mussten ständig über sich selbst lachen. Ich erfuhr, dass die Gruppe aus der Inneren Mongolei kam und schon seit zig Jahren Englisch lernte. Gegen um eins ging ich dann mit meinem Rucksack entlang des Bahnhofsgebäudes und fand den Schriftzug 入口 für „Eingang“. Dort ging es auch zum Warteraum. Es waren nicht ganz so viele Menschen unterwegs wie aus Kunming, aber seltsamerweise quetschten sich beim Boarding alle in dasselbe Abteil wie ich. Es wurde also wieder ziemlich eng, aber mir gefiel hier sofort die Sauberkeit, die ich in dem Zug davor vermisst hatte.
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Fahrt von Yichang nach Shanghai (Dienstag, den 29.12.2009 – Mittwoch, den 30.12.2009)
Die Fahrt war recht angenehm. Ich hatte mir einen K-Zug herausgesucht (wahrscheinlich für „kuai su“), somit war auch der harte Sitzplatz angenehm weich. Die Leute gingen zum Rauchen in ein extra Abteil, der Müll wurde auf dem Tisch gesammelt, bis der Schaffner in einem großen Müllsack alles wegbrachte, und gespuckt wurde entweder in Tüten oder nur ganz vereinzelt auf den Boden. Man nervte mich nicht mit Fragen, es gab kaum seltsame Blicke, der Zug war warm, die Nacht ruhig, die Essenswagen wurden nur bis etwa 22 Uhr durch die Abteile geschoben, viele Leute hatten vor Einbruch der Dunkelheit den Zug bereits verlassen und ich konnte gut schlafen, hatte ja ab Mitternacht eine ganze Bank für mich allein. Diese Zugfahrt, die insgesamt 24 Stunden dauerte, war richtig bequem, sparte mir eine Übernachtung und für 215 Yuan unbedingt weiterzuempfehlen. Es war selbstverständlich kein ICE, sondern eher mit einem sehr guten Bummelzug in Deutschland zu vergleichen.
Am nächsten Morgen gegen 10 Uhr, also bereits am 30.12.2009, sprach mich eine zugestiegene Chinesin an, um ihr Englisch zu trainieren. Ich habe viel von der Konversation vergessen, aber so waren die letzten Stunden nicht ganz so langweilig. Sie stieg bereits in Hangzhou wieder aus, also schlief ich den Rest bis Shanghai durch.
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Shanghai Tag 1 (Mittwoch, den 30.12.2009)
Da war ich also: 14 Uhr, Shanghai Südbahnhof. Angekommen in der größten Stadt Chinas mit fast 20 Millionen gemeldeten Einwohner und einer Fläche halb so groß wie Thüringen. Zunächst musste ich mich auf dem Südbahnhof orientieren. Bevor ich die Metro fand, verging auch einige Zeit. Der Lonely-Planet-Reiseführer von 2005, den ich von Travis aus Neuseeland erhalten hatte, beinhaltete auch einen Metro-Streckenplan für Shanghai, der noch älter als das Buch selbst war. Seitdem waren aus drei Linien bereits zwölf geworden und einige Stationen hatten mittlerweile einen anderen Namen. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hinfahren sollte, da ich ja auch noch keine Unterkunft herausgesucht, dafür aber glücklicherweise ein paar Hosteladressen aufgeschrieben hatte. Ich entschied mich für den Renmin Guangchang, da er wohl das Zentrum Shanghais bildete. Dort angekommen wurde ich erst einmal von den zahlreichen Wolkenkratzern und Menschen um mich herum überrascht. Es sah genauso aus, wie ich mir Shanghai vorgestellt hatte. Doch im Moment konnte ich mich noch nicht um die Umgebung kümmern, solange ich keine Unterkunft hatte. Also begab ich mich zur ersten Adresse namens „Captain Hostel“. Dort wollte man mich aber ohne Reservierung nicht aufnehmen, also zog ich weiter. Das zweite Hostel war aufgrund von Renovierungsarbeiten geschlossen! Na, das fing ja toll an. Glücklicherweise kam ein niederländisches Pärchen vorbei, die mir verrieten, sie hätten vor ein paar Tagen die gleiche Idee gehabt und wären in ein anderes, neues Hostel geschickt worden. Dieses zeigten sie mir auch und ich fragte höflich nach einer Bleibe. Die niedliche Rezeptionistin im nämlichen „Bik Time Hostel“ verneinte erst, da das Haus erst im neuen Jahr öffnen würde, dann gab sie aber nach und überreichte mir den Zimmerschlüssel. Ich war froh, so eine Unterkunft gefunden zu haben, denn sie war nicht nur billig und zentral gelegen, sondern die Angestellten waren auch extrem freundlich und gewährten mir kostenloses Internet, einen Waschservice und einiges mehr, was ich erst noch kennen lernen sollte.
Am Abend wollte ich nur schnell etwas bei McDonald’s in der Fußgängerzone essen gehen, weil ich von der Anreise ziemlich müde war. Und dann passierte das Unheil: Auf dem Rückweg nach Hause wurde ich inmitten der Menschenmassen von einer Shangainesin auf Englisch angesprochen, woher ich denn komme, was ich hier mache, wie alt ich sei und so weiter. Ich erzählte ihr alles brav, war aber nicht sonderlich interessiert an dem Gespräch. Dann lud sie mich „in eine Bar“ ein. Ich hätte lieber schnell verschwinden sollen, aber stattdessen willigte ich ein, weil sie erstens ganz gutes Englisch sprach und zweitens gar nicht so blöd aussah. Natürlich gingen wir nicht in eine Bar, sondern in ein absolut exklusives Restaurant für das perfekte Dinner zu zweit – ich ahnte bereits Schlimmes und hätte hier abermals umkehren sollen, aber stattdessen setzte ich mich mit ihr hin und sah mir die Karte an: Letzte Chance zum Abhauen, ein Tee allein kostete schon 39 Yuan! Aber ich Blödmann bestellte diesen Tee auch noch, um nicht ganz so unhöflich im Restaurant zu erscheinen. Das Geld wäre ja nicht schlimm gewesen, aber als ich merkte, dass meine tolle Begleitung der Kellnerin einiges auf Chinesisch auflistete, wurde mir bereits das erste Mal schlecht. Nach einer Weile kam das Bestellte und ich traute meinen Augen nicht: Selbstverständlich mein gewünschter Tee, aber dazu auch eine Obstplatte, allmöglicher süßer Schnickschnack und ach herrje … zwei Gläser Rotwein! Ich ahnte das Unheil und wollte protestieren, den Wein zu trinken, aber schließlich gab ich mich geschlagen. Er schmeckte nicht einmal sehr gut, noch dazu war ich ohnehin kein Wein-Freak. Sie wünschte mir jedes Mal ein Frohes Neues Jahr, wollte immer wieder anstoßen und ich nur noch gehen. Wenigstens schmeckte das Obst gut. Doch was dann geschah, war wirklich zu viel des Guten: Quer durch das Lokal rief sie etwas auf Chinesisch, was ich natürlich nicht verstand, aber in etwa ahnte. Eine Nachbestellung also. Ich hätte aus dem Fenster springen können … aber das hätte mich auch nicht mehr retten können. Die Kellnerin kam mit unglaublichen sechs (!) Gläsern Rotwein an und mir fielen die Augen aus dem Kopf. Das reichte nun wirklich. Um nicht unhöflich zu wirken, trank ich meinen Tee noch aus und verlangte dann die Rechnung. Während die Kellnerin etwa 15 Minuten an der Rechnung saß (jede Minute tat weh), leerte das Mädel neben mir zwei weitere Rotweingläser und wirkte zunehmend angetrunkener. Dann kam die Rechnung. Ehrlich gesagt hätte ich mit höchstens 100 Yuan für diesen Abend rechnen wollen, aber dann lag da ein Zettel auf dem Tisch, an dessen Ende eine stolze 2000 thronte! Mir wurde schlagartig übel und mein Verstand sagte im Einklang mit meinem Geldbeutel: Das kannst du nicht bezahlen. Mein schönes Reisebudget! Hatte ich dafür etwa an anderen Ecken gespart? Dafür!? 299 Yuan kostete ein winziges Glas Import-Rotwein und auch die Obstplatte musste sich da mit gut 130 Yuan nicht verstecken … Nun ja, jetzt ging die Diskussion los: Die nicht angerührten Gläser stornierte ich erst einmal, das brachte uns auf eine Summe von gut 1400 Yuan. Immer noch ein stolzer Preis für einen 30-minütigen Abend für zwei Personen! Ich verlangte, dass wir die Rechnung zumindest teilen, auch wenn sie ständig behauptete, in China zahle stets der Mann. Das hätte ihr so passen können und war natürlich von Anfang an geplant. Jetzt hielt mich nichts mehr: Sie hatte mehr Rotwein als ich getrunken, warum sollte ich also noch ihren Trinkwahn finanziell unterstützen? Ich knallte erbost 600 Yuan auf den Tisch und lies sie den Rest bezahlen. Aber wie das natürlich gerade in dieser Situation passte, hatte sie nichts als einen mickrigen, zerknitterten 20-Yuan-Schein im Portemonnaie – und glücklicherweise eine Kreditkarte! Mir tat nichts Leid und ich stand auf, ließ sie mit der Kreditkarte zum Tresen gehen und verschwand durch den Fahrstuhl, hinaus in die Fußgängerzone und ab ins Hostel. Ich konnte nicht mehr klar denken und begriff noch lange nicht, was mir gerade geschehen war! So teuer habe ich noch nicht einmal in Deutschland zu Abend gegessen! Es war grauenvoll … eine fiese Abzocke aufs Äußerste. Ich weiß natürlich bis heute nicht, ob sie entweder zum Restaurant gehörte oder einfach nur eine etwas reichere Shanghainesin war, die sich von einem anscheinend noch reicheren Ausländer den Abend hatte bezahlen lassen wollen. Na, Frohes Neues Jahr also! Völlig verärgert schrieb ich am danach noch eine Rundmail über die letzten Tage und verabredete mich für den nächsten Tag mit Felix, einem anderen kulturweit-Freiwilligen, der in Shanghai gelandet war.
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Shanghai Tag 2 (Donnerstag, den 31.12.2009)
Mal sehen, ob der zweite Tag in der Metropole besser verlaufen würde. Ich hoffte es inständig. Ab 10 Uhr erkundete ich die Stadt ein wenig und machte mich zu Fuß auf, den Jin Mao Dasha, einem der höchsten Wolkenkratzer der Welt, auf der anderen Seite des Huangpu zu besichtigen. Auf dem Weg dahin wurde ich wieder von jemandem angesprochen. Es war ein 19-jähriger Chinese aus Hangzhou, der in Shanghai irgendwie völlig die Orientierung verloren hatte und nach einer Unterkunft suchte. Ich war mir nicht sicher, ob ich dieses Mal Richtiges tat, aber ich empfahl ihm mein Hostel, wir liefen zusammen dahin und er kam auch noch in meinem Zimmer, dass ich mir bereits mit einem Koreaner teilte, unter. Danach liefen wir beide auf die andere Seite des Flusses, wo die richtig hohen Gebäude, eins am anderen, standen. Neben dem Jin Mao Tower stand das um 40 Meter höhere Shanghai World Financial Center, dessen Form an einen Flaschenöffner erinnerte. Andere Gebäude ähnelten UFOs, wieder andere waren komplett aus Glas. Auch der Oriental Pearl Tower hatte eine sehr markante architektonische Form. Weil ich mit Felix verabredet war, schickte ich meinen bisherigen Begleiter nach Hause, musste ihm aber den Weg zum Hostel auf seiner Karte aufmalen. Haha, ich war gerade mal einen Tag in Shanghai gewesen und musste schon einem Chinesen die Wege erklären!
Mit der U-Bahn fuhr ich zur verabredeten Station, traf dort bald Felix, wir holten uns an einem Stand etwas typisch Chinesisches und vertilgten dies in seiner Wohnung. Ich war erstaunt, wie gut er schon mit seinem Mitbewohner Chinesisch reden konnte; ich wünschte, mein Thai wäre bereits so gut gewesen, aber er hatte ja Vorlauf, da er vor kulturweit schon einmal drei Monate in China gewesen war. Wir tauschten uns über unsere bisherigen Erfahrungen bei einem Spaziergang durch den Century Park, der mit viel Grün und einem See als Platz der Entspannung galt, aus, bevor wir – bereits am späten Nachmittag – uns für einen Museumsbesuch entschieden. Natürlich wollte ich das so hochgelobte Shanghai Museum, das von außen wie ein Kochtopf aussah, auch von innen bewundern, allerdings war nach 16 Uhr kein Einlass mehr. Wir waren 16.07 Uhr angekommen. So fuhren wir zurück zum Pudong-Gebiet, verabschiedeten uns und wollten uns am Abend wiedertreffen. Ich lief noch ein bisschen zwischen den in der Dunkelheit mittlerweile sehr imposant beleuchteten Wolkenkratzern umher, bevor ich mich zurück zum Hostel begab.
Mit dem Koreaner und dem Chinesen ging ich zu Abend essen. Der Chinese bestellte für uns (wir konnten es ja nicht lesen), aß aber selbst nichts. Meine Nudelsuppe schmeckte eigentlich auch ganz gut. Auf der Nanjing Donglu, der Einkaufsmeile in Shanghai überhaupt, waren in der Zwischenzeit bereits so viele Menschen zusammengekommen, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ich ein paar Stunden sollte ja Silvester gefeiert werden. Es war kaum ein Durchkommen und die Polizei musste den Verkehr regeln, um wenigstens ein paar Autos durchzulassen. Ich wartete vergeblich auf eine Meldung von Felix, mit dem ich noch hatte ausgehen wollen, und erreichen konnte ich ihn auch nicht mehr. Es war bereits 23 Uhr, nur noch eine Stunde bis zum neuen Jahr. Bevor ich wieder hinausging, entschied ich mich noch, kurz zu duschen. Leider war das Wasser etwa eine Viertelstunde lang eiskalt, sodass ich, als es endlich warm wurde, diesen heißen Erguss richtig genoss – und zwar ein wenig zu lange! Als ich mich gerade anziehen wollte, gab es draußen einen furchtbaren Knall, gefolgt von weiteren kleineren Explosionen. Es war Mitternacht, Neujahr, der 1.1.2010! Und wo war ich!?
Schnell zog ich mir die Jacke, die Felix mir geborgt hatte, über, raste durch das Hostel auf die Straße und stürmte zur Nanjing Donglu. Bis ich ankam, verging trotz Sprint bei 0 °C eine weitere Viertelstunde, sodass das Feuerwerk auch schon vorbei war! Ich wurde nur noch von Millionen von Menschen, von denen sich eine Hälfte von Ost nach West, die andere Hälfte in die entgegensetzte Richtung drängte, empfangen. Es war bitterkalt, alles schon vorbei und einfach nur wahnsinnig überlaufen. „Sinni kualoq!“ Auf dem Rückweg wollte ich mir noch schnell etwas bei McDonald’s holen, aber oh Wunder, diese Idee hatten auch geschätzte 1000 andere Menschen. Das Restaurant hatte maximal 100 Sitzplätze und so stand der Rest. Es dauerte schon eine Weile, bis man seine Bestellung bekam. Anschließend kehrte ich zum Hostel zurück und war eigentlich hundemüde. Aber das Hostelpersonal spielte irgendein seltsames Spiel vor dem Gebäude; sie fragten mich, ob ich mitmachen wollte, und ich willigte ein. Das Wichtigste übersetzten sie mir, aber viel musste man nicht reden: Bei dem Spiel ging es darum, nachdem man mit verbundenen Augen um die eigene Achse gedreht worden war und die anderen ringsumher springenden mit einem kurzen „stop!“ oder „ting!“ zum Momentstillstand gebracht hatte, sich in irgendeine Richtung vorzutasten, einen anderen dabei zu berühren und ihn anhand seiner Hand zu erkennen. Da ich deren Namen selbstverständlich nicht kannte, musste ich, wenn ich an der Reihe war, nur „boy“ oder „girl“ erraten. Den Namen des Spiels habe ich nie erfahren, aber es war ganz lustig. Etwa gegen zwei Uhr ging ich dann endlich ins Bett.
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Shanghai Tag 3 (Freitag, den 01.01.2010)
Da ich mich für diesen Tag bereits um 10 Uhr mit einer langjährigen Freundin namens Xu Zai, die ich in dem Sprachforum wordreference kennen gelernt hatte, im westlichen Außenbezirk treffen wollte, stand ich sehr zeitig auf. Sie hatte ihre Zwillingsschwester Xu San dabei, was gleich zu einer lehrreichen Unterhaltung bezüglich chinesischer Namensvergabe führte. Nachdem wir uns einen morgendlichen frsch gepressten, warmen Saft geleistet hatten, fuhren wir in die Innenstadt, um etwas Richtiges zum Mittag zu essen. Ich bestellte mir malaysischen Reis und die beiden Schwestern bezahlten. Wir sprachen viel über westliche, vor allem deutsche Essgewohnheit und sie konnten nicht glauben, dass man bei uns nahezu nie in ein Restaurant geht, dass man des Öfteren auch mal alleine zu Hause isst, dass Restaurants bei uns im Vergleich so extrem teuer sind, dass man nicht jeden Tag dorthin gehen kann, und dass ich mir zum Frühstück immer ein Toastbrot schmierte, denn diese Erfindung kannten sie nicht – weder das Brot selbst noch das Gerät dazu. Dann begaben wir uns auf meinen Wunsch hin zum Jin Mao Tower, da ich nicht glauben konnte, dass sie noch nie dort oben gewesen waren, wenn Xu San bereits seit einiger Zeit in Shanghai lebte. Xu Zai hatte hier nur ein Bewerbungsgespräch. Bereits vor dem Wolkenkratzer wurden wir von verschiedenen Fremdenführern angesprochen, die uns alle ermäßigte Angebote für eine Besteigung des Jin Mao Tower oder auch des um 71 Meter höheren World Financial Trade Center nebenan anboten. Wir nahmen nach vielen Diskussionen und Nachfragen das Angebot an, 200 Yuan für alle drei zusammen zu bezahlen, um auf den Jin Mao Tower zu gelangen. Von dort oben hätte man eigentlich auch eine sehr schöne Sicht über ganz Shanghai haben können, aber es war an diesem Tag leider etwas diesig, sodass man kaum weiter als 20 Kilometer sehen konnte. Oben holte uns der Guide wieder ein, der uns die Tickets gegeben hatte; ich bezahlte 90, die anderen beiden teilten sich den Rest, da sie mich ja schon zum Essen eingeladen hatten. So waren wir wieder quitt.
An der U-Bahn-Station verabschiedeten wir uns, weil sie zu einem Meeting mussten. An diesem Tag, weil fast alle Chinesen frei hatten, waren die Metro-Stationen übervoll und ich brauchte zehn Minuten am Ticketautomaten, bevor ich an die Reihe kam. Den Rest des Tages wollte ich im Museum verbringen, aber wieder war ich erst kurz nach 16 Uhr dort, sprich kein Einlass. Ich war allerdings ohnehin sehr kaputt vom vielen Laufen in den letzten Tagen, kehrte also zurück zum Hostel und schlief bis nachts um elf. Dann klärte ich noch schnell mit Moritz, einem weiteren kulturweit-Freiwilligen in der Nähe, wann und wo wir uns am nächsten Tag in Wuxi treffen sollten, bevor ich mich wieder aufs Ohr haute.
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Shanghai Tag 4 (Samstag, den 02.01.2010)
Ich stand bereits 6 Uhr auf, um einen frühen Zug nach Wuxi zu bekommen. Unsanft verabschiedete ich mich von meinen Zimmergenossen, duschte, packte meine Sachen zusammen, checkte aus, nahm die Metro zum Hauptbahnhof und wollte mir das Ticket für meinen vorher herausgesuchten Zug am Fahrkartenautomaten kaufen. Leider war der Zug schon voll, so musste ich einen viel teureren, aber doppelt so schnellen und mindestens zehnmal komfortableren Express nehmen. Es gab auf dem Bahnhof acht riesige Wartehallen, jede davon etwa ein Fußballfeld groß und je vier Gleise bedienend.
Ich hatte mir keinen Sitzplatz reserviert, also musste ich in dem einem deutschen ICE ähnlichen Zug eine Stunde lang stehen. Solche Züge sind mit einem großen „D“ gekennzeichnet.
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Wuxi (Samstag, den 02.01.2010)
Dank dieser schnellen Verbindung kam ich noch vor vereinbarter Zeit (10 Uhr) in Wuxi an, wartete ein paar Minuten auf Moritz, einem kulturweit-Freiwilligen, mit dem ich mich am Vorabend verabredet hatte, und dann schafften wir gemeinsam meinen Rucksack zum Kofferaufbewahrungsort. Ich war froh, dass er nahezu fließend Chinesisch sprach, so lief vieles um einiges schneller und reibungsloser. Das war ja auch kein Wunder, seine Eltern kamen beide aus China. Ich kaufte gleich ein Ticket für den Rückweg nach Shanghai für 15.01 Uhr und von dort aus nach Xiamen, meinem nächsten geplanten Ziel, für 18.14 Uhr. Zeit genug, um in Shanghai sogar vom Haupt- zum Südbahnhof zu wechseln. Wir hatten also gerade einmal fünf Stunden in Wuxi. Was ich dort machen wollte, wusste ich nicht, also ließ ich mich beraten. Auf der Straße wurden wir von mehreren Pauschalreiseverkäufern zu einem Trip zu einem Tempel an einer Bergkante am See geraten, aber das lehnten wir ab und machten uns selbst auf den Weg. Auf halber Strecke stiegen wir am Lihu-Park aus, konnten beim Spaziergehen über unsere bisherigen Erlebnisse reden und den Blick auf einen Arm des riesigen Taihu-Sees werfen. Mit dem Riesenrad im Park wollten wir nicht fahren, es wäre bei der schlechten Sicht bloß Geld- und vor allem Zeitverschwendung gewesen. Also fuhren wir zu besagtem Tempel, aber erstens kostete es über 100 Yuan Eintritt und zweitens wäre von dort aus ein Bus (wenn voll!) gestartet, der womöglich zu lange gebraucht hätte, sodass ich um meinen Zug hätte fürchten müssen.
Also liefen wir gemütlich um einen Teil des Sees herum, nahmen dann einen Bus in die Innenstadt, aßen lokaltypisch zum Mittag, Moritz empfahl mir noch einen „Bubble Juice“ und dann wurde es plötzlich enorm knapp: Ich hatte noch genau 15 Minuten (15.01 Uhr) bis zur Abfahrt des Zuges. Bis zum Bahnhof waren es nur vier Kilometer, das sollte ein Taxi schaffen. Wir stiegen in eines ein, doch schon bald erstickte es im Nachmittagsverkehr. Staus, rote Ampeln, querstehende Autos und viele Menschen machten das Durchkommen zum Bahnhof nahezu unmöglich. 14.58 Uhr hielt das Taxi vor dem Eingang des Bahnhofs, ich musste noch meine Tasche abholen, durch den Sicherheits-Check gehen, die richtige Wartehalle finden und … ach, es war ohnehin zu spät, der Zug stand nicht einmal mehr an der Abfahrtsliste, die Bahnhofsuhr zeigte bereits 15.06 Uhr! Verdammter Mist … was nun?
Ich rief Moritz an, wir fanden uns wieder und nun hieß es planen und improvisieren. Das verfallene Ticket konnten wir nicht mehr retten, aber ich musste den Zug um 18.14 Uhr in Shanghai bekommen, denn dieses Ticket war sehr wertvoll. Moritz rief einen Kumpel an, der die Busverbindungen zu Hause am Computer checkte und wir taten das Gleiche am nahegelegenen Busbahnhof, denn Züge nach Shanghai gab es bis um sechs nicht mehr. Und tatsächlich gab es einen Bus, der 16.10 Uhr in Wuxi losfuhr, aber erst nach zwei Stunden in Shanghai am Südbahnhof (Ort wie gewünscht, Zeit zu knapp) ankäme. Darauf konnte man sich nicht verlassen, aber das Busticket kaufte ich trotzdem als Sicherheit. Wir suchten auf der Straße nach weiteren Möglichkeiten. Es gab tatsächlich Leute, die mir Fahrten direkt bis nach Xiamen für über 300 Yuan anboten, aber das war mir viel zu schwammig. Wir versuchten noch, das verfallene Ticket irgendwie zurückzugeben, aber da war nichts zu machen. Ein netter Chinese sprach uns an und versuchte zu helfen. Er suchte nach einem Taxi, das auch außerhalb der Stadt fahren durfte, aber der einzige Fahrer, den wir finden konnten, verlangte ganze 600 Yuan für die Fahrt nach Shanghai. Es schien aussichtslos!
Ich musste umplanen: Das Ticket von Shanghai nach Xiamen wieder mit 20 %-iger Gebühr verkaufen, den Bus nach Shanghai nehmen und sobald wie möglich dort einen Zug nach Guangzhou, meinem eigentlich übernächsten Zielort, zu ergattern. Xiamen wäre damit gestorben. So geschah es dann auch und ich fuhr mit dem Bus nach Shanghai.
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Shanghai immer noch Tag 4 (Samstag, den 02.01.2010)
Der Bus kam tatsächlich punktgenau zwei Stunden nach Abfahrt in Shanghai an: 18.10 Uhr. So hätte ich meinen Zug um 18.14 Uhr nie erwischen können! Ich suchte den Ticketschalter und konnte die Fahrkarte nach Guangzhou mittlerweile allein auf Chinesisch, ohne ein englisches Wort, bestellen. „Yingzuo“ und „qu Guangzhou“ waren nicht so schwierig. Blöderweise meinte ich zum Ticketverkäufer „mingtian“ statt „yintian“, also bekam ich eine Fahrkarte für früh um vier. Ich fragte noch „jidian dao“ und der Mann zeigte in typisch chinesischen Handzeichen eine Sechs. Der Zug gefiel mir eigentlich überhaupt nicht: Abfahrt mitten in der Nacht, 26 Stunden Fahrt und eine Ankunft zu einer Zeit, wenn das Büro des DAAD, wo ich den Schlüssel von Axel, einem kulturweit-Freiwilligen, der mir während seines Kambodscha-Thailand-Urlaubs freundlicherweise seine Wohnung überlassen hatte, noch längst nicht besetzt war.
Trotzdem kehrte ich voller Stolz (ich hatte ja alles auf Chinesisch geregelt) zum Hostel in Shanghai zurück und fragte freundlich, ob ich meinen Rucksack noch einmal für die paar Stunden dort deponieren könnte. Natürlich durfte ich. Dann nahm sich eine nette Kollegin meiner an und untersuchte mein eben gekauftes Ticket, nachdem ich ihr die Wuxi-Story erzählt hatte. Sie recherchierte im Internet nach einer besseren Möglichkeit, um nach Guangzhou zu kommen, und fand tatsächlich einen Zug, der die Strecke in 16 Stunden von 18 bis 10 Uhr für nahezu den gleichen Preis schaffte. Daraus ergaben sich zwei Vorteile: Noch einmal einen Tag in Shanghai genießen und zu einer humanen Zeit in Guangzhou ankommen. Sie schrieb mir auf einen Zettel auf Chinesisch, dass ich gerne das vorhandene Ticket durch das neue ersetzen lassen würde. Keiner im Hostel hatte damit gerechnet, dass ich das ohne entstehende Unkosten hinbekommen würde. Sie empfahlen mir noch einen Bus, mit dem ich günstiger und schneller als mit der Metro zum Bahnhof kam, und so stellte ich mich an den Schalter, gab Ticket und Schriebs ab und hoffte, dass ich nicht viel draufzahlen müsste. Zunächst wurde ich an einen anderen Schalter geschickt, man versuchte dort, den Text zu entziffern, und auf dem Display erschien ein wahnsinniger Preis von 5 Yuan, nach dessen Zahlung ich das gewünschte Ticket erhielt. Wahnsinn, ich hatte also nichts extra bezahlen müssen! Endlich hatte ich mal wieder Glück nach allem Pech … voller Freude kehrte ich ins Hostel zurück, erzählte die Geschichte, die man mir kaum abnahm, und zum Dank blieb ich natürlich noch eine Nacht.
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Shanghai Tag 5 (Sonntag, den 03.01.2010)
Endlich konnte ich mal geruhsam bis 11 Uhr ausschlafen, Sachen packen und gegen Mittag auschecken. Meinen Rucksack ließ ich noch im Hostel stehen, um die Stadt bis zu meiner Abfahrt nach Guangzhou unsicher zu machen.
Anstatt es abermals im Museum zu versuchen, entschied ich mich gleich für die Urban Planning Exhibition Hall. Mich sollte dort laut Beschreibung die für die Zukunft geplante Stadtgröße Shanghais als Modell erwarten sowie viele Infos zur bald stattfindenden Expo. Den Studentenpreis konnte ich leider nicht aushandeln, aber die 30 Yuan Eintritt waren es trotzdem wert: Auf vier Etagen durfte ich atemberaubende Modelle der Stadt in naher Zukunft und der Expo bestaunen, interessante Bildvergleiche von heute zu vor 100 oder noch mehr Jahren anschauen und eine ganze Menge über die Geschichte und Infrastruktur der Riesenstadt erfahren. Alles Interaktive war leider nur auf Chinesisch. Insgesamt hielt ich mich gute zwei Stunden in der Ausstellung auf. Da ich erst gegen 16.30 Uhr noch einmal mit Xu Zai verabredet war und es gerade einmal 14 Uhr geschlagen hatte, dachte ich, es sei noch ausreichend Zeit, um mehr von der Stadt zu sehen. So fuhr ich also zum Jing’an-Tempel, dessen 30-Yuan-Eintritt mir leicht überteuert schien, und anschließend weiter in den Außenbezirk zum Longhua-Tempel, den ich allerdings nicht fand.
Es war dank meines Suchens bereits 16.20 Uhr und so würde ich wohl nicht zeitig genug zum vereinbarten Treffpunkt kommen können. Darüber hinaus musste ich erst noch meinen Rucksack im Hostel abholen. Insgesamt dauerte es bis 17.30 Uhr, bevor ich am Hauptbahnhof, wo wir uns treffen wollten, ankam. Glücklicherweise hatte ich ihr bereits per SMS mitgeteilt, dass es später werden würde. In dem Menschengewirr am Bahnhof fanden wir uns nicht mehr und da mein Zug schon gegen halb sieben abfahren sollte, ging ich bald durch die Sicherheitsschleuse, durch die man nur mit gültigem Ticket kam, und begab mich in den Warteraum. Dieser war mehr als überfüllt: Alle Plätze waren besetzt und gut 200 wartende Passagiere mussten stehen. Ich setzte mich auf den Boden und schon nach etwa 10 Minuten war Einlass.
Die Waggons waren wieder, wie es sich für einen T-Zug gehörte, auf Top-Niveau. Von meiner 6er-Sitzgruppe war selbstverständlich alles besetzt, trotzdem war die Fahrt recht entspannend. Auch in der Nacht konnte ich sehr gut schlafen. Der Zug hielt nur zweimal auf der Fahrt von Shanghai nach Guangzhou, gleich nach Abfahrt in Jinhua und laut Fahrplan noch einmal mitten in der Nacht in Zhuzhou. Ich lernte noch die Zahlen auf Kantonesisch, wobei mir auffiel, dass sie ein Mischmasch aus Mandarin und Thai waren, sodass mich mein linguistisches Fieber packte und ich gleich alle Zahlen im Thai, Mandarin, Kantonesischen, Vietnamesischen, Khmer, Laotischen, Burmesischen und Malaiischen in einer Tabelle gegenüberstellte. Dadurch verging die Zeit im Zug wie im Fluge und bald war ich auch schon angekommen.
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Guangzhou Tag 1 (Montag, den 04.01.2010)
Gegen 10.30 Uhr fuhr der Zug in den Ostbahnhof von Guangzhou ein. Ich suchte nach einer Metro-Verbindung, mit der Axels Beschreibung zu seiner Wohnung, die ich während seines Thailand-Urlaubs freundlicherweise hatte nutzen dürfen, begann, fand sie aber nicht. Also lief ich weiter Richtung Osten, was eigentlich blödsinnig schien, mich aber glücklicherweise bald zu einem Hinweisschild nach einer Metrostation führte. Ich sollte zur Station Sun Yat-Sen University fahren, die sich, wie ich nach langem Suchen endlich herausgefunden hatte, auf Linie 2 befand. Ich war auf der Linie 3, einmal umsteigen also, oder?
Bereits beim ersten Ansehen des Metroplans war mir eine Ungereimtheit aufgefallen: Die Linie 3 war zweigeteilt. Hier könnt ihr euch selbst ein Bild davon machen. Ich fuhr also zunächst bis zur Tiyu Xilu, dem Knotenpunkt, an dem sich die Linie 3 teilte und wartete, was passierte: Ein paar Leute stiegen aus und einige, die wohl auch das erste Mal in Guangzhou waren, blieben im Zug. Die Metro fuhr denselben Weg wieder zurück. So war ich also abermals am Ostbahnhof, der Endstation dieser Linie. Ich wartete, was die anderen Verwunderten taten; sie blieben im Zug und warteten ebenso. Also fuhr die Metro wieder zur Tiyu-Xilu-Station, an der ich dieses Mal ausstieg. Auf der gegenüberliegenden Seite konnte ich dann erkennen, dass man in die zweite Linie 3 einsteigen musste, was ich dann auch tat. Nach dem Umstieg am Transferpunkt Kecun verlief dann alles normal.
Die Wegbeschreibung von Axel führte mich zunächst zum DAAD-Büro auf dem Gelände der Sun-Yat-sen-Universität, wo ich den Wohnungsschlüssel für meine vorrübergehende Unterkunft abholen konnte. Die beiden chinesischen Kolleginnen sprachen Deutsch auf Muttersprachlerniveau und gaben mir den Schlüssel. Die Wohnung konnte ich zunächst nicht finden, da das McDonald’s, anhand dessen sich Axels Wegbeschreibung orientiert hatte, hinter einem Gerüst versteckt war. Also kehrte ich zurück zum DAAD-Büro, ließ mir den Weg zum McDonald’s erklären und fand so auch schnell zur Wohnung. Den Rucksack hatte ich im Büro gelassen, also musste ich den Weg noch einmal gehen, um ihn wieder abzuholen.
Ich ruhte mich kurz aus, wusch meine Wäsche, nachdem ich die Anleitung zur Waschmaschine gefunden hatte und probierte den Fernseher aus. Mit Letzterem kam ich leider nicht klar.
Den Nachmittag verbrachte ich im Yuexiu-Park, in dem man gut spazieren gehen konnte und über den man vom Zhenhai Tower aus einen guten Blick erhaschen konnte. Auf dem Rückweg kam ich an der Statue und der Gedenkhalle von Dr. Sun Yat-sen vorbei und wollte mich noch zum Guangxiao-Tempel begeben, aber erstens war die Dunkelheit bereits eingekehrt und zweitens fand ich ihn nicht auf Anhieb. Danach versuchte ich, am Hauptbahnhof ein Zugticket nach Hongkong zu bekommen, fand aber weder einen Hinweis noch einen Schalter dafür. Ich traute mich auch nicht zu fragen (warum auch immer) und fuhr zurück nach Hause. Am Abend probierte ich endlich mal die ständig im Zug verkaufte chinesische Form der Suppenterrine und stellte fest, dass sie richtig gut schmeckte. Ich beschäftigte mich noch ein bisschen mit Axels Fernseher und bekam ihn immerhin als Radio zum Laufen.
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Guangzhou Tag 2 (Dienstag, den 05.01.2010)
Dieser Tag war absolut unspektakulär: Ich wachte erst gegen Mittag auf, holte mir zwei Suppenterrinen im 7-Eleven, aß sie gemütlich in der Wohnung und kehrte dann ins Land der Träume zurück. Der Grund war wohl einerseits Erschöpfung, andererseits aber auch das Nieselwetter, bei dem weder Sehenswürdigkeiten noch Parks oder sonstige Touristenanlaufpunkte Spaß machten. Nachdem ich in den frühen Abendstunden endlich aufwachte, fiel mir ein, dass ich ja noch gar keine Unterkunft für Hongkong am nächsten Tag herausgesucht hatte, also machte ich mich im nasskalten Regenwetter auf, um ein Internet-Café zu suchen. Der Lonely-Planet-China-Reiseführer listet solche gewöhnlich für jede Stadt auf; diese sind aber nicht immer verlässlich oder haben bereits dichtgemacht.
Ich fuhr mit der Metro zu einer Station in der Nähe des beschriebenen Internet-Cafés, musste aber noch eine ganze Weile durch eine dunkle Gasse, in die sich gewöhnlich Blondschöpfe auch nicht verirren, laufen, weil ich die entsprechende Hauptstraße nicht gefunden hatte, und suchte dann noch eine gute halbe Stunde nach dem Gebäude. Im Prinzip war der Internetraum ein riesiger Cyber-Treffpunkt für die Zocker, die wohl zu Hause keinen Rechner hatten. Ich bekam mein Passwort (nun ja, auf Chinesisch) und ließ mir erklären, wie ich denn nun ins Internet käme. Dann klappte auch alles sehr gut, ich fand erstaunlich viele Hostels in Hongkong und zahlte am Ende nur 3 Yuan für die eine Stunde online.
Anschließend wollte ich im Hauptbahnhof mein Zugticket für die Hongkong-Fahrt kaufen, man verwies mich aber auf Nachfrage auf „Guangzhou Dong“. Allerdings traute ich mich nicht mehr bis dorthin, da ich fürchtete, die Metro würde auf dem Weg dahin bereits schließen; es war immerhin schon gegen halb zwölf nachts. Ein Taxi vom Bahnhof bis in die Innenstadt wäre wahrscheinlich extrem teuer gewesen und die Buslinien kannte ich nicht. Bis in die späten nächtlichen Stunden arbeitete ich weiter an meiner Sprachenvergleichstabelle, die ich ja auf der Fahrt von Shanghai nach Guangzhou bereits angefangen hatte, und schlief nur noch drei Stunden …
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Guangzhou Tag 3 (Mittwoch, den 06.01.2009)
… denn ich musste noch die Wohnung aufräumen und sie, so gut es ging, sauber machen, meinen Rucksack packen, den Schlüssel zurück zum DAAD-Büro bringen, zum Ostbahnhof fahren und dort den richtigen Ticketschalter finden, bevor mein Zug in das vierte Land auf meiner Reise ging. Aber dank der hilfreichen Informationen an den Metroschildern („Kowloon Tickets“) kam ich schnell in einen Extra-Etage für Züge nach Hongkong. Nur an einem einzigen Schild konnte man übrigens tatsächlich „Hongkong“ lesen, ansonsten stand nur „Kowloon“, „Hung Hom“ oder gar „广九“ (kurz für „广州九龍“) an den Hinweisschildern, sodass man sich schon ein wenig mit der Sprache beschäftigen musste, um in dem Land zurechtzukommen. Am Schalter kaufte ich also ein, wie ich finde, extrem teures Ticket für einen Durchgangszug, d.h. wie bei einem Flug fand die Ausreise aus China bereits vor dem Boarding und die Einreise in Hongkong erst im Zielbahnhof statt. Somit musste der Zug nicht auf der Grenze halten, wie es normalerweise der Fall wäre.
Dieses Mal hatte ich bei dem T-Zug, also ähnlich einem deutschen ICE, sogar einen Sitzplatz und schlief die meiste Zeit der etwa anderthalbstündigen Fahrt.
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Hongkong Tag 1 (Mittwoch, den 06.01.2009)
Jaaaa, das vierte Land auf meiner Reise! Hongkong: Eine ehemalige britische Kolonie und Metropole aus hohen Glasgebäuden, massig Beton und zu vielen Autos, die mit den 200 naturbelassenen, idyllischen und dünn besiedelten vorgelagerten Inseln kontrastiert. Ich war also angekommen in dem kleinen bisschen Europa in Asien, das ich vor allem auch an den Preisen merken sollte.
Da sich der Hung-Hom-Bahnhof im Stadtzentrum Kowloons befand und ich mir die meisten Hostels für den Bezirk Tsim Sha Tsui herausgesucht hatte, entschied ich, sie zu Fuß und ohne Öffentliche Verkehrsmittel aufzufinden. Ich lief intuitiv immer am Wasser entlang, genoss die schöne Skyline auf der anderen Seite des Victoria-Hafens und fand nach einiger Zeit auch die Nathan Road. Als ich all die Billboards, Hotels, Juweliere, Uhrenläden und Ausländer sah, erinnerte es mich zunächst an die Shanghaier Nanjing Donglu, aber es war viel krasser. Da ich mit dem großen Rucksack nicht gerade so aussah, als hätte ich bereits eine Unterkunft, war ich natürlich gefundenes Fressen für die ganzen Inder, die vor den Einkaufspassagen standen und ihre tollen Hotels, Hostels und Guesthouses anpriesen. Nachdem ich die ersten drei abgewiesen hatte, legte ich es auf einen Versuch an: Ein Inder nervte mich so derart und verfolgte mich ganze 100 Meter, sodass ich schließlich nachgab und ihm nach seinem billigsten Zimmer fragte: 150 Hongkong-Dollar bot er mir an. Das wies ich gleich ab. Er meinte, ich sollte mir erst einmal den Raum anschauen, was ich auch widerwillig tat, da ich mir Verhandlungsspielraum ausrechnete. Mein Ziel waren eigentlich 50 HK$.
So schleppte er mich zu einem Aufzug, an dem man ewig anstehen musste. Dann fuhren wir bis in den 15. Stock, den höchsten! Oben angekommen erwartete mich nicht etwa ein langer Flur, sondern direkt ein Gefängnis: Eine vergittertes Tor aus Stahl, dahinter ein weiterer Inder mit Türsteherfigur sowie ein enger Gang mit kleinen Türen rechts und links. Ich wollte schon umkehren, hier wäre ich auch für 50 HK$ nicht geblieben, denn ich fürchtete um mein Leben. Er lobte seine tolle Unterkunft, für die 150 HK$ hätte ich sogar (!) eine Dusche auf einer Größe von einem Quadratmeter im Zimmer gehabt. Für 100 Dollar hätte er mir ein Zimmer mit externem Bad gegeben, aber unter 90 für ein Dorm (wenn ich es richtig verstanden hatte, mit ihm zusammen!) ging er nicht und meinte ständig, ich würde in der ganzen Straße nichts unter 100 HK$ finden. Na, das wollten wir doch erst einmal sehen und so ging ich. Ehrlich gesagt, hatte ich ziemliche Angst vor dem Gehen, da der Inder erst mit seinem Chef telefonierte, dann noch einen anderen angeblichen Bewohner des Hostels aus seinem Zimmer holte und ihm nach seiner Bezahlung fragte (der meinte etwas von 350 Dollar) und anschließend notorisch auf mich einredete. Ob ich hier wieder heil herauskäme? Ich versprach ihm, dass ich zurückkehren würde, falls ich nichts Günstigeres fände. Selbst in den Fahrstuhl begleitete er mich noch; ich fühlte mich erstaunlich bedrängt, aber bald war ich erlöst.
Zurück auf der Straße bekam ich gleich das nächste Angebot, wieder von einem Inder. Ich wollte es eigentlich mit der Mirador-Mansion, in der sich viele Hostels befinden sollten, versuchen, aber ohne angesprochen zu werden. Da auch der zweite Inder so aufdringlich war, freute ich mich fast, dass ein Chinese ihn „ablöste“ und mich in die Mirador-Mansion in sein „USA Hostel“ führte. Dieses hatte ich mir sogar als mögliche Alternative herausgesucht, also folgte ich dem „Tout“ (dafür gibt es leider noch kein gutes deutsches Wort). Auch er fuhr in das fast höchste Stockwerk, Nr. 13. Dort angekommen, versuchte er gleich, meine Daten, Anzahl der Nächte usw. aufzunehmen, bevor ich überhaupt etwas sagen konnte. Aber ich wollte noch verhandeln. Sein Angebot war zunächst 120 Dollar, mir auch zu teuer. Ich verlangte nach einem Dormitory, aber die waren angeblich bereits ausgebucht, ich hatte ja keine Reservierung. Was sollte ich machen? So handelte ich eben das Einzelzimmer herunter, auf leider nur 100 HK$. Da ich schon keine Lust mehr auf Wohnungssuche hatte, mein Rucksack immer schwerer wurde und ich den Tag in Hongkong noch für andere Sachen nutzen wollte, willigte ich halt ein, mit dem Fehler, mir nicht das Zimmer zeigen zu lassen! Hongkong-Dollar hatte ich auch noch nicht, also musste ich mit Kreditkarte bezahlen, worauf sie eine Service-Gebühr von sechs weiteren Dollar erhoben. Was für ein Schwindel, all das hier!
Nächste Enttäuschung: Mein Zimmer. Darin befand sich fast nichts. Na gut, ein Eisengestell und darauf lag eine uralte Matte. Ein mickriges und nicht sehr schön anzuschauendes Kissen präsentierte sich mir auch noch stolz. Die kleine klapprige Kommode musste ich erst noch zu einem Nachttisch umfunktionieren. Welch Glück, dass wenigstens ein Ventilator an der Decke hing, wenn es schon keine Fenster gab, denn der Raum roch extrem muffig. Das hatte ich also für 100 Dollar bekommen – und dann auch noch gleich für zwei Nächte!? Was für eine Verschwendung! Schwamm drüber, ich wollte hier ohnehin nur nächtigen und nicht wohnen. Am Tage konnte ich mich ja draußen aufhalten.
Das machte ich dann auch gleich und lief zur nur 20 Meter entfernten Metrostation. Ich erschrak, als ich mir die Preise, um innerhalb von zwei Stopps zur nächsten Insel zu gelangen, ansah: 8,50 HK$ allein für diesen Weg. Das war fast so teuer wie eine Fahrt durch die ganze Stadt mit der Shanghaier Metro mit gerade einmal 9 Yuan! Trotzdem gönnte ich mir die Fahrt, um nach Hong Kong Island zu kommen, wo ich mir als erste Sehenswürdigkeit die längste Rolltreppe der Welt vorgenommen hatte. Diese fand ich auch bald und stellte mich darauf, wie einige andere auch, die sie wohl eher als Transportmittel denn als Attraktion nutzen.
Jedoch wurde ich schon beim ersten Anblick enttäuscht: Ich hatte in meinem Reiseführer nur von „the world’s longest escalator“ gelesen, daraus ging aber nicht hervor, ob es eine Rolltreppe oder ein Rollband wäre. Es war Letzteres und damit nicht sehr spektakulär. Nach ein paar Metern wurde ich das zweite Mal enttäuscht, denn das Band endete und ein neues führte nach oben. Ich dachte hoffnungsvoll, ab jetzt würde es durchgehen, aber wieder kam eine Unterbrechung. Teilweise musste man auch Stufen selbst laufen. Ich realisierte also, dass dies wohl das längste Rolltreppensystem gewesen sein musste, nicht aber die längste Rolltreppe in einem Stück. Dennoch dauerte die Fahrt auf dem 800 Meter langen Transportsystem gute 20 Minuten und man gelangte in ein Wohnviertel aus riesigen, schmalen Hochhäusern. Auf der Anhöhe orientierte ich mich zunächst, wunderte mich über dieses plötzlich so bergige Hongkong als Kontrast zur sonst flachen Innenstadt, aus deren Oberfläche hunderte Meter hohe Wolkenkratzer ragten.
Ich fand ein Hinweisschild auf eine Peak Tram, das mich sehr interessierte. Also folgte ich ihm und es ging wieder den ganzen Berg herunter und an einem Zoo vorbei, bis ich schließlich an der Drahtseilbahn, die die Passagiere für 30 HK$ bis auf den Gipfel des Victoria Peak und zurück brachte, ankam und mir ein Ticket kaufte. Bereits während der Bergfahrt hatte man ein herrliche Sicht über die gigantische Stadt, die nur noch vom Blick aus den Fenstern des Peak Tower getoppt werden konnte. Leider war es an diesem Tag extrem neblig, sodass man nicht allzu weit schauen konnte. Aber es hatte sich gelohnt, zumal bald die Dunkelheit einkehren sollte. Vorher versuchte ich noch, bis zur höchsten Stelle des Peak Tower zu gelangen, aber vor der letzten Rolltreppe standen zwei Damen, die mich zurückwiesen, da ich dafür kein Ticket hatte. Noch einmal 25 Dollar hätte ich bezahlen sollen, was mir dann doch etwas zu viel erschien bei so diesigem Wetter. Also was sollte es, so ging ich halt ins Burger King, da mir erstens die anderen Restaurants viel zu teuer waren und ich zweitens dort mit meinem Tram-Ticket etwas ermäßigt kaufen konnte, bis es richtig dunkel wurde. Die Sicht auf die Hongkonger Lichter bei Nacht war schon eindrucksvoll, aber ich bereute in diesem Moment, dass ich in Deutschland vor meinem Aufenthalt in Thailand nur so eine billige Kamera gekauft hatte, denn jeder Versuch, die Aussicht auf Bild festzuhalten, scheiterte; teilweise sah man nur schwarz, manchmal war es sehr hell, verzerrt und verschwommen, sodass kein gescheites Foto zustande kam. Entschuldigt bitte! Das war wohl der Hauptgrund, warum ich bald wieder vom Berg verschwand und die Bahn nach unten nahm. So ein Foto hätte ich gern selbst geschossen.
Unten angekommen und immer noch auf Hong Kong Island befindlich, probierte ich, intuitiv, d.h. ohne Karte, zum Wasser zu laufen. Doch irgendwie schaffte ich es nicht und merkte nach einer Weile, dass ich die ganze Zeit über parallel zum Ufer gelaufen war. Ich spazierte entlang einer schön angelegten Promenade, ruhte mich auf einer Bank aus, genoss die Sicht auf die andere Seite und begab mich dann, dank herumstehender Hinweisschilder, zum Macau-Fährticketverkauf. Der Kauf des Tickets für neun Uhr morgens in zwei Tagen klappte reibungslos und ich konnte geruhsam nach Hause fahren. Doch als ich an der Metrostation in meinem Bezirk nach dem richtigen Ausgang suchte, fand ich auch den Hinweis auf eine Avenue of Stars. Fälschlicherweise verstand ich den Begriff „stars“ hier in seinem eigentlichen Sinne als „Sterne“, was mein Interesse natürlich sofort weckte. Ich kam also auf einer Promenade im Hongkonger Stadtteil Kowloon gegenüber Hong Kong Island an und entdeckte die wohl schönste Skyline bei Nacht, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Zunächst dachte ich, mit „stars“ seien die Lichter an den Hochhäusern gegenüber gemeint, bis ich begriff, dass ich mich auf einer Art Walk of Fame befand, auf der sich verschiedene Künstler der Filmindustrie mit Handabdrücken im Boden verewigt hatten. Ich genoss die Sicht über den Victoria-Hafen, ging anschließend zum „Star Ferry Terminal“, um mir Infos für meine geplante Hafenkreuzfahrt am nächsten Tag zu holen und meine letzten übrigen Renminbi Yuan umzutauschen, und schaffte es doch tatsächlich, wunderschöne Fotos mit meiner Kamera von der nächtlichen Skyline zu schießen! Ich ging zurück zum Hostel und „freute“ mich schon auf mein komfortables Bett. Nicht einmal eine funktionierende Steckdose hatte ich, so gab ich mein Handy an die Rezeption zum Aufladen. Problem dabei: Für den nächsten Morgen würde ich mir keinen Wecker stellen können und dank fehlender Fenster würde ich auch kein Zeitgefühl haben! Um ein zu spätes Aufstehen zu vermeiden, ließ ich während der Nacht das Licht brennen, um dadurch immer mal wieder kurz aufzuwachen und vor der Tür nachzusehen, ob schon jemand unterwegs war.
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Hongkong Tag 2 (Donnerstag, den 07.01.2010)
Das erste Mal wachte ich wahrscheinlich gegen vier Uhr morgens auf, es war noch keiner an der Rezeption, aber immerhin brannte auch im Flur Licht. Ich schlief wieder ein und beim zweiten Aufwachen konnte ich bereits mein Handy abholen und es zeigte acht Uhr an. Welch ideale Zeit, um den Tag in Hongkong zu nutzen! Also entschied ich mich für eine Fährfahrt von Hong Kong Island nach Lantau, der wohl billigsten Möglichkeit, auf diese Insel zu gelangen, und begab mich per typischer Stadtstraßenbahn (City Tram) zum Pier. Ein Standardticket kostete tatsächlich nur 13 HK$, die Metro dahin wäre mit 23,50 HK$ fast doppelt so teuer, aber selbstverständlich auch doppelt so schnell, jedoch nicht einmal halb so interessant gewesen. Ich musste nur ein paar Minuten auf die Fähre warten, da ich zu einer günstigen Zeit angekommen war. Sie fuhr schön entlang der beiden Skylines von Hongkong durch den Victoria-Hafen und ich hatte mir einen Fensterplatz gesichert. Die Scheiben sowie auch das Wetter ließen allerdings keine schönen Fotos zu und an Deck konnte man auch nicht gehen.
Nach etwa einer Stunde kamen wir in Mui Wo auf Lantau an, doch da es hier nicht viel außer Unmengen an Fahrrädern zu sehen gab, nahm ich gleich den Bus Nr. 2 nach Ngong Ping, dessen Preis angeblich 13,50 HK$ betrug, aber der Fahrer sich nicht um die Bezahlung beim Einstieg scherte. Auch während der Fahrt, die über Pässe und an Berghängen vorbei führte, wie ich sie schon aus Laos kannte, kam keiner, um das Geld einzusammeln. Als wir ankamen, wollte ich dem Fahrer endlich das Geld in die Hand drücken, aber er schickte mich heraus und meinte nur „no pay“. Interessant!
Das Erste, was ich mir in Ngong Ping ansah, war der kostenfreie Po-Lin-Tempel des Zenbuddhismus, der wieder mit einer großen silbernen Buddha-Statue, reicher Verzierung und viel Glanz auf den Besucher wartete. Viel mehr gab es hier aber auch nicht zu sehen, also ging ich zu DER Attraktion auf Lantau überhaupt: der Tian-Tan-Buddha-Statue, die weit oben auf einem Berg saß, leicht im Nebel verschwand und nur über 268 Stufen zu erreichen war. Mit 34 Metern zählt sie zu den größten Buddha-Statuen der Welt und ich fand, sie sah sehr elegant aus, vor allem die erhobene Hand war so beeindruckend. Nachdem ich mich ein bisschen auf der Statue und umher umgesehen hatte, begab ich mich zurück in Richtung Bushaltestelle, kam dabei aber an dem „Ngong Ping Village“ vorbei, das ich mir noch eine Weile ansah. Da ich bisher noch nichts zum Mittag gegessen und den Fehler gemacht hatte, mir nichts als Proviant mitzunehmen, musste ich wohl oder übel in einem der teuren Restaurants auf dem Berg speisen. Ich wählte lange und eigentlich auch gewissenhaft aus, da alle Lokale ihr Menü bereits draußen ausgestellt hatten, was für chinesische und überhaupt südostasiatische Gaststätten nicht sehr typisch war. Als ich endlich eines auserkoren hatte, gönnte ich mir das billigste Essen: Gegrilltes Schweinfleisch mit Reis, dazu einen Orangensaft. Doch weder war das Schweinefleisch gegrillt (zumindest nicht für meinen Geschmack), noch bekam ich den erwarteten stinknormalen Orangensaft, sondern einen frisch gepressten mit Fruchtfleisch. Igitt! Aber was sollte es, ich hatte ihn ja bereits getrunken, ohne gleich zu reklamieren. Das einzig Gute an dem Teller war der Reis im Schälchen. Dann veranschlagte man noch eine obligatorische Servicegebühr von 10% statt Trinkgeld, was mich insgesamt auf rund 80 HK$ brachte! Was für eine Abzocke – und auf dem Berg gab es natürlich keinen ATM, sodass ich um meine Rückfahrt fürchten musste.
Bis Tung Chung, von wo aus ich die Metro zurück nach Hause hätte nehmen können, fuhr zwar eine Seilbahn, aber die war mir viel zu teuer und Geld hatte ich ja auch keines mehr. Also lief ich zum Busbahnhof, zählte meine Münzen und fuhr mit einem anderen Bus noch bis Tai O, wovon ich auch im Reiseführer gelesen hatte. Die Fahrtkosten lagen mit 8,50 HK$ gerade noch in meinem Budget, hoffte aber wieder, dass ich kostenlos fahren dürfte, warum auch immer. Dem war zwar nicht so, aber dafür lohnte sich der Ausflug auch. Tai O kann ich als krassen Gegensatz zu der Hongkonger Innenstadt nur wärmstens empfehlen. Ein 300 Jahre altes Dorf, in dem die Menschen leben, wie in deutschen Dörfern vor 400 Jahren: Ein Kanal trennt das Nest in zwei Teile, die Hütten stehen auf Pfählen im Wasser, jedes Bauwerk besteht aus Holz oder höchstens primitivem Stein oder Beton und überhaupt gibt es fast nur Menschen über 40 Jahre dort. Leider zeigen sich auch hier die Kettenraucher nicht gerade von der besten Seite und mittlerweile ist das beschauliche Dörfchen zu einer Touristenattraktion geworden, weshalb die Wegweiser auch oft auf Englisch erscheinen, aber insgesamt war es eine gelungene Abwechslung nach verstopften Straßen, roten Ampel, Shopping-Malls und einem Hochhaus neben dem anderen. Das einzig Westliche, was ich in diesem Moment wirklich äußerst nützlich fand, war der ATM am Ortseingang. Ich lief einmal durch das komplette Dorf, schlenderte über einen typischen Markt, auf dem vorwiegend Meerestiere lebend verkauft wurden, kam am Yeung-Hau-Tempel aus dem Jahre 1699, den man nur über eine Mole erreichen konnte, an, machte dort kehrt und lief den ganzen Weg zurück. Ein langer, künstlicher Damm führte in ein anderes Dorf, aber meine Füße wollten nicht mehr und so nahm ich den Bus nach Tung Chung, von wo aus ich gleich in die Metrostation lief und mir ewig einen Zielort suchte, da ich natürlich noch nicht nach Hause wollte; es war ja erst halb fünf.
Ich wählte das sich ebenfalls auf Lantau befindliche Disneyland aus, um wenigstens einmal die extra dafür gebaute Disneyland Resort Line auszuprobieren und ärgerte mich jetzt schon über den Preis von 10,50 HK$. Um wieder von dort wegzukommen, würde ich bis Kowloon auch noch 23,50 HK$ bezahlen müssen. Aber ich fand die Fahrt auf der Tung Chung Line am Meer entlang sowie auch die extra für die Kleinen schön gestaltete Disneyland Resort Line sehr eindrucksvoll. Leider setzte bald ein leichter Nieselregen ein, der sich immer weiter verstärkte, sodass ein Besuch im Disneyland natürlich undenkbar war. Der Preis von gut 350 Dollar war zwar für europäische Verhältnisse vollkommen in Ordnung, aber nicht für einen Backpacker durch Asien. Ich sah mich also nur um, lauschte der angenehmen Musik, lief zum Pier und hoffte auf ein Boot, aber dort gab es weder Informationen zu Preisen und Abfahrtszeiten noch einen einzigen Menschen, den man hätte fragen können. Also musste ich den ganzen Weg bis nach Hong Kong Island mit der teuren Metro fahren, denn dort gab es mehr zu entdecken als in meinem Bezirk. Ich nahm wieder die Tram, denn damit konnte man am billigsten parallel zum Ufer des Victoria-Hafens über die ganze Insel fahren. Zunächst nahm ich eine in Richtung Westen, kaufte mir dort sehr gutes Brot und ein paar Stückchen Kuchen für den nächsten Tag und fuhr dann mit einer anderen immer weiter in den östlichen Teil der Insel. Allerdings war bald nichts mehr mit Osten, denn die Bahn bog plötzlich nach Süden ab und ich gelangte in ein Wohnviertel. Bis ich meinen Standpunkt auf der Karte orten konnte, verging einige Zeit. Dann entschied ich, den ganzen Weg zurückzulaufen, mich in die Metro nach Hause zu begeben und im Hostel nach Internet zu fragen. Da ich keinen Laptop mithatte, brauchte ich selbstverständlich außer Internet auch noch einen Computer, den sie mir erst nach einer kleinen Verhandlung zur Verfügung stellten. Dafür bekam ich eine Viertelstunde gratis Internet, um Unterkünfte für Macau herauszusuchen.
Das reichte mir allerdings nicht und so ging ich noch einmal hinaus auf die Nathan Road und lief sie bis zum nördlichen Ende (auf etwa 600 Hausnummern), fand aber kein einziges Internet-Café. Also ersparte ich mir den langen Rückweg und nahm die U-Bahn, die direkt unter der Straße entlang führte. Da ich im 13. Stock der Mirador Mansion untergekommen war, konnte ich gut alle Fenster im Innenhof sehen und erspähte sogar eine Aufschrift „Cyber Café“ drei Stockwerke unter mir. So hatte ich doch noch mein Internet für eine halbe Stunde nutzen können, musste aber feststellen, dass Macaus Zentrum an Backpacker-Unterkünften kaum etwas zu bieten hatte. An diesem Abend packte ich noch meine Sachen, duschte und stellte den Wecker auf 6.30 Uhr, da meine Fähre um neun auf der anderen Insel gehen sollte.
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Hongkong Tag 3 (Freitag, den 08.01.2010)
Wie gewünscht, klingelte mein Wecker halb sieben und ich wachte davon auf. Super! Da konnte mir ja nichts mehr passieren. Aber irgendwie wollte ich noch zehn Minuten liegen bleiben und schlief – aus Versehen – wieder ein. Dann war da kein Wecker mehr, der mir helfen konnte, die Fähre um neun zu kriegen. Nur noch meine innere Uhr …
… die mich glücklicherweise gerade noch rechtzeitig um 8.20 Uhr weckte. Die Fähre würde 9.00 Uhr auf der anderen Insel fahren und ich hatte keine Lust, sie zu verpassen! Also schnappte ich meinen zum Glück schon gepackten Rucksack, zog mich rasant an, war froh, dass ich bereits am Abend zuvor geduscht hatte, checkte in Windeseile aus dem Hostel aus und stürmte zur Metro-Station. Der Ticketschalter akzeptierte keine Scheine und ich hatte keine Münzen! Also musste ich noch in einem Laden nebenan meinen Hunderter wechseln gehen. Auf dem U-Bahn-Plan sah ich, dass ich sogar noch einmal die Linie wechseln müsste, um sofort zum Pier zu gelangen. Die Zeit verging plötzlich wie im Fluge, dann musste ich an der letzten Station der Metro auch noch den richtigen Ausgang und dann den Weg zur Fähre finden, was aber kein großes Problem mehr war, da ich ja bereits vor zwei Tagen dort das Ticket für den TurboJet gekauft hatte.
Die letzte Hürde stellte nur noch die Ausreise aus Hongkong dar – und dann war ich auch schon im Warteraum zum Boarding. Das alles hatte ich tatsächlich bis 8.50 Uhr, also in genau einer halben Stunde, geschafft. Eingeplant hatte ich zwei Stunden für diesen Weg! Nun also auf nach Macau, in das fünfte Land und dem letzten Ziel auf meiner Reise, von wo aus bereits am nächsten Tag mein finaler Flug nach Bangkok gehen sollte.
Beim Einstieg in die Fähre, wurde mir schnell mein Sitzplatz gezeigt und ich stopfte den Rucksack in den Gepäckraum über mir. Während der Fahrt beschäftigte ich mich mit meinem China-Reiseführer, der auch Macau enthielt, da ich mit einer Dauer von fünf Stunden gerechnet hatte. Tatsächlich war die Fahrt aber schon nach gut einer Stunde zu Ende und ich vermisste plötzlich meinen Reisepass. Er war weder im Handgepäck noch lag er auf dem Boden oder auf dem Sitz. Ich suchte wie verrückt und mir wurde heiß und kalt gleichzeitig, der Angstschweiß lief mir von der Stirn. Hatte ich den Pass, das wichtigste Dokument überhaupt, etwa beim Boarding verloren? Aber nein, ich hatte ihn doch in der Hand gehabt, doch wo war er danach hingekommen? Er musste auf dem Schiff sein! Ich überlegte mir, wie ich die Crew am geschicktesten informieren könnte, da ich selbstverständlich ohne Pass nicht nach Macau kommen würde – und auch nach Hongkong zurück wäre unmöglich. Ich war zwischen zwei Grenzen eingesperrt, im Südchinesischen Meer! Die ersten Leute standen bereits und mir war immer noch schlecht. Letzte Chance, wo der Pass sein könnte: Im Gepäckraum, in den ich meinen großen Rucksack getan hatte. Also öffnete ich voller Hoffnung die Klappe und sah … nur meinen grünen Rucksack dort liegen. Jetzt war jegliche Hoffnung gestorben, ich nahm meinen Rucksack aus dem Fach und wollte gerade zu einem der Crewmitglieder gehen, als ich doch tatsächlich den Reisepass etwas zerknautscht in der Ecke des Gepäckraums entdeckte! Mann, da fielen mir aber tausend Steine vom Herzen und meine Körpertemperatur normalisierte sich schlagartig. Nun konnte ich gelassen aussteigen und in ein Land gehen, das eigentlich noch zu China gehörte, aber bereits weitgehend autonom agieren durfte.
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Macau Tag 1 (Freitag, den 08.01.2010)
Die Einreise nach Macau verlief, dank meines wiedergefundenen Reisepasses, recht reibungslos, allerdings stand ich nun etwas orientierungslos am Pierausgang, da es erstens in Macau keine Metro oder sonstige S-Bahn-Systeme gibt und ich zweitens keinen öffentlichen Stadtbus entdecken konnte, der am Pier hielt. Willkommen in der ehemaligen portugiesischen Kolonie, in der noch heute „Ost trifft West“ wie in kaum einem anderen Land sichtbar wird! Ich lief einmal quer über den Busbahnhof, fand aber eben keinen Linienbus, sondern nur Reisebusse. Dann versuchte ich, einen nach „Center“ zu fragen, der war aber nur ein Reisebegleiter und sprach kein Englisch. Ich probierte es auf Portugiesisch („centro“), da Macau ja einst eine portugiesische Kolonie war und alle Straßenschilder Kantonesisch und Portugiesisch konnten. Das kapierte er aber auch nicht, mit Sicherheit sprach ich es auch falsch aus. Leider wusste ich nicht, wie es auf Mandarin, geschweige denn auf Kantonesisch hieß, also holte der immerhin freundliche Mann eine englischsprachige Kollegin, die mir empfahl, sich einfach in einen kostenlosen Shuttle-Bus zu einem Nobelhotel in der Innenstadt zu setzen und sich bei Ankunft schnell zu entfernen.
Das tat ich dann auch, fuhr zum „Grand Emperor“ und war bereits auf der Hinfahrt vom „Grand Lisboa“, dem Hotel in Macau überhaupt, ergriffen. Es fühlte sich schon wie Stadtzentrum an, aber seltsamerweise konnte ich den Straßennamen „Avenida de Almeida Ribeiro“ nicht finden. So lief ich zunächst gefühlsmäßig Richtung Osten und entlang der „Rua do Campo“, bis ich merkte, dass hier nur Wohnungen und kleine Geschäfte standen, sodass ich wieder umkehren musste. Macau sah sehr schön aus, sparte weder an Hochhäusern noch an Casinos und bot den Spaziergängern mal hier, mal da eine Bank und einen netten Blick über See und Meer. So lief ich weiter mit meinem schweren Rucksack durch die Straßen von Macau, studierte eine Ewigkeit meine Stadtkarte und kam schließlich in der erwünschten Straße an. Diese durchlief ich einmal bis zum Nordende, musste aber mit Bedauern feststellen, dass es kein einziges Guesthouse oder Hotel dort gab. In den kleineren Parallelstraßen wurde ich dann fündig. Im ersten Hotel versuchte ich lange herunterzuhandeln, mir gelang es aber nicht, ein schäbiges Zimmer für weniger als 100 Patacas zu kriegen. Ich zog beleidigt weiter und suchte mir ein weiteres. Das Angebot lautete 350 Patacas und keine Verhandlung! Wo war ich denn hier gelandet!? Letzte Möglichkeit in diesem Bezirk, sonst würde ich weiterziehen, in eine andere Gegend Macaus: Das „San Va Hotel“, das ich mir auch im Internet herausgesucht hatte, hatte auch nur hässliche Zimmer für 100 Patacas im Angebot, abermals ohne Verhandlungsbasis. Ich willigte halt ein, immerhin hatte ich hier Bettwäsche, einen Nachttisch, einen Spiegel und ein Waschbecken. Man fühlte sich aber eher wie in einem Schrank, da die Wände zwischen den Zimmern nur aus einem dünnen Brett bestanden, das nur an den Seiten festgemacht war, sodass man hätte darüber klettern oder darunter durchkriegen können.
Nachdem ich mich schnell eingerichtet hatte, zog ich gleich wieder los in die Stadt, die ich ja dank meines Irrlaufs bereits etwas kennen gelernt hatte. Zunächst orientierte ich mich auf dem „Largo do Senado“, wo ich zum bereits auf viele Touristen stieß, holte mir zwei chinesische Arten von Waffeln, von denen mir die Hälfte von einer auch gleich herunterfiel, und folgte den Schildern zur „Igreja de São Domingos“, angeblich einer der schönsten Kirchen Macaus, konnte sie aber nicht finden (später sollte ich erfahren, dass ich bereits mehrere Male daran vorbeigelaufen war) und ging stattdessen in Richtung „Ruínas de São Paulo“, was sehr interessant klang. Dort kam ich auch bald an und wurde von den zahlreichen Touristen überrascht. Es war tatsächlich eine gelungene Attraktion, die alten, aber rekonstruierten Überreste der einst größten Kirche Asiens aus dem frühen 17. Jahrhundert zu betrachten und auch zu besteigen. Sehr gut fand ich auch die Möglichkeit, mal in eine Krypta zu gehen, da ich so etwas bisher nur theoretisch aus dem Kunstunterricht kannte.
Danach folgte ich den benachbarten Stufen zur „Fortaleza do Monte“ und abermals staunte ich über die vielen Touristen. Es ging hinauf in – wie der Name schon sagte – ein ehemaliges Fort, das nun natürlich nur noch als Besucherattraktion gilt. Von dort aus hatte man einen wunderbaren Blick über die ganze Halbinsel Macau, vor allem auf den Inneren Hafen und das „Grand Lisboa“, und in weiter Ferne sah ich auch einen Leuchtturm, der noch höher stand. Auf der Burg befand sich auch ein Museum, dazu fehlte mir allerdings die Zeit.
Zum Mittag wollte ich gerne thailändisch essen gehen, da ich in meinem Reiseführer eine Empfehlung dafür gefunden hatte und sich das Restaurant in nicht allzu großer Distanz von mir befinden sollte. So spazierte ich bis direkt zur Adresse und war plötzlich in einem thailändischen Viertel Macaus gelandet. Ich fühlte mich bereits wie zu Hause; überall stand etwas auf Thai, ich konnte es lesen (im Gegensatz zu den chinesischen Schriftzeichen) und an den Fenstern waren Gerichte wie „khaao phat gai“ oder „phat thai“ abgebildet. Jedoch hatte keines der hiesigen Restaurants geöffnet, ehrlich gesagt wirkte alles auch sehr verlassen und verfallen, als hätte es hier schon Ewigkeiten kein Thai-Essen mehr gegeben. So kehrte ich wohl oder übel zurück und kam gleich an einem McDonald’s vorbei, sodass ich mir den weiteren Weg sparte und dort etwas zu mir nahm. Anschließend ging ich wieder durch das Thai-Viertel, entlang der „Rua Ferreira do Amaral“ und bis zur „Colina da Guia“, von wo aus ich mir die Seilbahn bis zum Gipfel mit zwei Macanesen teilte. Nach etwa 500 Metern Wanderung erreichte ich auch die „Fortaleza da Guia“ mit dem sich in Restauration befindlichen Leuchtturm. Von dort aus hatte man einen noch besseren Blick über Macau und eben auch auf das vor ein zwei Stunden erst besuchte Bergfort. Unter dem Leuchtturm befand sich noch ein winziges Museum, das die Geschichte der Anlage erklärte, viel mehr gab es aber hier oben aber nicht zu sehen, sodass ich schon nach einer guten Stunde wieder unten ankam und mich sofort der nächsten Attraktion widmete, dem Macau-Tower.
Für 100 Patacas fuhr ich ganz allein bis nach oben und ärgerte mich zunächst ein bisschen über das nicht allzu erfreuliche Wetter, das die Sichtweite behinderte. Aber bald sollten sich die Wetterverhältnisse ändern und es wurde Nacht. Nacheinander fingen die Gebäude gute 200 Meter unter mir an, ihre Wände eine schöner als die andere zu beleuchten. Im Las Vegas Asiens zeigten die teuersten Hotels und Casinos blinkende, glitzernde und unglaublich beeindruckende Lichteffekte, Videos und Werbung an ihren Glaswänden. Dabei übertraf natürlich das „Grand Lisboa“ alle anderen mit einer Lichtshow aus aufblühenden Pflanzen sowie animierter und dreidimensionaler Poker-Werbung auf der unteren gigantischen Glaskugel. Nahezu jedes Casino hatte seine eigenen Effekte und in Lichtern drehende Dächer. Und auch die drei Brücken nach Taipa standen den Gebäuden in nichts nach, denn sie waren ebenfalls über die gesamte Strecke beleuchtet und hatte schon bei Tageslicht wunderschön ausgesehen. Ich genoss die schöne Sicht, da der Turm an dem Tag kaum besucht war, und entschied mich dann, noch eine Etage höher zu fahren. Dort erwartete mich der Skywalk, den ich mir aber nicht leisten konnte. Andere Möglichkeiten, die einem sofort angeboten wurde, waren der höchste Bungee-Jump der Welt, ein Mast Climb zum höchsten Punkt Macaus und der SkyJump. Ich schaute zu, wie sich ein paar Leute den Skywalk trauten, was ich selbstverständlich auch gemacht hätte, wenn mir das Geld nicht zu schade gewesen wäre. Da fällt mir ein: Hatte ich nicht irgendwo in Shanghai gute 600 Yuan in den Sand gesetzt? Die wären hier eindeutig besser angelegt gewesen. 😉
Nachdem ich mich sattgesehen hatte, ging es wieder herunter und in Richtung der „Ponte de Sai Van“, die bei Nacht natürlich unheimlich sehenswert war. Um meinen Weg abzurunden, ging ich über die „Avenida Dr. Sun Yat-Sen“, die unter der „Ponte Governador Nobre de Carvalho“, einer Brücke mit einer buckelartigen Erhebung in der Mitte, hindurchführte und einen einmaligen Blick auf die macanesische Skyline mit dem „Grand Lisboa“ im Mittelpunkt, das einen Drachenkopf darstellen sollte, ermöglichte. Als ich auf dem Rückweg zufällig am „Wynn Macau“ vorbeikam, wurde ich von der plötzlich einsetzenden Wasser- und Lightshow im sonst so ruhigen Pool vor dem Gebäude überrascht. Es war ein wahres Spektakel, das etwa drei Minuten anhielt und viele Touristen anzog. Danach ging ich nach Hause und da meine Füße schon wehtaten, hielt ich es für angebrachter, dort auch bis zum nächsten Morgen, meinem letzten Tag, zu verweilen.
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Macau Tag 2 (Samstag, den 09.01.2010)
Nachdem ich meine Sachen zusammengepackt hatte, wollte ich mich vor meinem geplanten großen Fußmarsch zum Flughafen auf der anderen Insel für meinen Rückflug noch mit lokalem Essen stärken, musste aber feststellen, dass ich in einem christlichen und nicht mehr buddhistischen Staat gelandet war: Alle Geschäfte und Restaurants hatten am Sonntag geschlossen! Nun ja, so lief ich also wohl oder übel wieder zum McDonald’s, obwohl ich doch zum Abschluss extra noch etwas Lokaltypisches hatte essen wollen.
Dann ging es auf zum finalen Marathon: Ein Fußmarsch vom Zentrum der Halbinsel Macau über die „Ponte Governador Nobre de Carvalho“ bis nach Taipa zum Flughafen, selbstverständlich mit meinem Gepäck: einem neun Kilogramm schweren Rucksack auf dem Rücken und einem kleineren vorn über den Bauch. Bis zum Abflug waren es noch gute drei Stunden. Ich freute mich auf die Wanderung, da das Wetter nahezu ideal war: Etwa 15 °C und kein Nebel, sodass ich meinen Weg immer gut im Blick hatte. Den ersten Rückschlag erlitt ich bereits nach etwa einem Kilometer, als ich an der tollen Brücke ankam: Sie sei für Fußgänger verboten, obgleich es doch einen Fußweg gab. Ich sah allerdings einen Läufer, der die Brücke als Sportstrecke verwendete, sodass ich bei der Überquerung auch nichts fürchtete. Die Überführung verlief zunächst über den Nam-Van-See und anschließend über die Meeresenge zwischen dem nördlichen und südlichen Teil Macaus, wo sie in der Mitte bis auf 36 Meter anstieg, sodass man, wenn man sich umdrehte, einen herrlichen Blick über die gesamte Skyline Macaus hatte. Am Ufer sah ich ein Polizeiauto, das gerade in dem Moment, als ich es erblickt hatte, losfuhr. Nun befürchtete ich schon, angehalten zu werden und noch einmal kurz vor Ende meiner Reise ordentlich blechen zu müssen. Aber zum Glück kamen sie nie zu mir. Nach dem Höhepunkt der Brücke, den man nach etwa einem Kilometer erreichte, lagen noch gute anderthalb Kilometer bis zur Taipa-Insel vor mir. Dort angekommen, ruhte ich mich zum ersten Mal kurz auf und musste nun nur noch bis zum Flughafen, der ja ausgeschildert war, gelangen. Bisher hatte ich höchstens 40 Minuten gebraucht, also war mir der Flug schon so gut wie sicher. Die restlichen vier Kilometer waren dann auch kein Problem mehr, lediglich der Check-In verwirrte mich etwas: Angeblich sei bei meinem bereits gebuchten Flug für 435 Patacas kein Gepäck eingeplant, sodass ich eben alles mit in den Passagierraum mitnehmen musste. Das fand ich im Endeffekt auch vorteilhaft, weil ich so das Notwendigste nicht erst in den kleinen Rucksack hatte packen müssen. Beim Security-Check sollte ich auch noch all meine Getränke leeren, bevor ich endlich in den Warteraum und schließlich ins Flugzeug konnte.
Da ich die Zeitverschiebung bei der Buchung nicht bedacht hatte, dauerte der Flug zwei, nicht wie angenommen nur eine Stunde, weshalb ich mir auch trotz anhaltendem Hunger nichts zum Essen bestellte.
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Zurück in Bangkok (Samstag, den 09.01.2010)
Landung. Keine Zwischenfälle. Ich war zurück, zu Hause, in Bangkok, in Thailand. Ich war so froh, vor allem, dass ich mich endlich wieder verständigen konnte, nach allen Strapazen von wegen „ting bu dong“ in China. Natürlich würde ich immer noch oft „mai khao dschai“ sagen müssen, aber dennoch würde ich meistens bekommen, was ich wollte. Wie ein Thai wollte ich ganz leger einen Stadtbus bis zu meinem Bezirk nehmen, konnte aber keinen finden. Ich fragte in einer Bude, die Shuttle-Busfahrten in die Innenstadt anboten, nach einem Bus zur „Thanon Ramkhamhaeng“. Aber was war das? Sie verstanden mich nicht! War mein Thai etwa in den letzten drei Wochen so schlecht geworden, dass sie wirklich nicht verstanden, oder waren das Einzige, was sie kannten, die Namen großer Hotels in Bangkok? Ich vermutete natürlich Letzteres, und Ersteres sollte auch bald widerlegt werden.
So nahm ich mir ein Taxi und unterhielt mich die ganze Fahrt mit dem Taxifahrer auf Thai. Ich konnte ihm sagen, dass ich eigentlich aus Deutschland, gerade aber aus China komme, dass ich an der „Ruamrudee“ ein Lehrerpraktikum mache und dass meine Familie noch zu Hause sei. Wir unterhielten uns über deutschen Fußball und tatsächlich fiel nur ganz selten ein englisches Wort. Als ich wieder in meiner Soi war und den Rucksack ins Zimmer schmeißen konnte, war ich froher denn je, ein festes Dach über dem Kopf zu haben. Ich war wieder zu Hause!
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