Auf der Expo und der Chinesischen Mauer

27 06 2010

Dieses Mal werde ich versuchen, den Artikel so zeitnah wie möglich zu erstellen, damit ich nicht nach meiner Reise so viel zu tun habe und ihn womöglichlich niemals fertig stellen werde. Es geht um meinen geplanten Trip von Bangkok mit dem Flieger nach Shenzhen, direkt nach Shanghai zur Expo, dann nach Peking, ab zur Chinesichen Mauer und ganz in den Norden in das Kaff Hohhot, um dann wieder direkt in den Süden nach Xi’an und Chengdu zu fahren, sodass ich Anfang Juli in Kuala Lumpur landen werde und mich von dort aus über Land zurück nach Bangkok durchkämpfe. Ich habe höchstens zwei Wochen für diesen Trip Zeit und die Flüge setzen mit fixe Daten, die ich einzuhalten habe. Der Rest ist frei planbar.

Bangkok nach Shenzhen (22.06.2010)

Ich schlief lange, weil mein Flug erst am Abend gehen sollte und ich eigentlich alle Vorbereitungen für meine Reise erledigt hatte. Am frühen Nachmittag hieß es also nur noch, die restlichen Sachen packen, mich von dem mir gegenüber wohnenden Mathelehrer zu verabschieden, der mir noch ein T-Shirt zum Abschluss schenkte, sowie Koffer, Rucksack und Laptop nach unten ins Foyer meines Apartments zu transportieren, um dort „auschecken“ zu können. Hier traf ich auf das erste Problem: Der Fahrstuhl war ganz plötzlich „out of service“ (außer Betrieb) und so musste ich wohl oder übel meinen 20-Kilo-Koffer, den fünf Kilo schweren Laptop und meinen 13-Kilo-Reiserucksack zusammen mit einem Hausangestellten aus dem 6. Stock nach unten tragen. Mann, das war vielleicht schweißtreibend! Der formelle Auszug aus meinem lieb gewonnenen Apartment verlief dann recht problemlos: Schlüssel abgeben, die Differenz aus Kaution und letzter Monatsmiete zurückbekommen und noch ein bisschen mit dem Vermieter und seiner Frau quatschen. Ich bekam zum Abschluss noch einmal mein Lieblingsessen kostenlos serviert und dann machte ich mich auf den Weg …

… nicht zum Flughafen, sondern direkt in Richtung Innenstadt. Mein Flug ging nämlich erst 18.30 Uhr, also wollte ich vorher noch experimentieren. Ein Taxi zum Flughafen kostet mich etwa 150 Baht (3 Euro), was ich mir dieses Mal geschickterweise sparen wollte. Der neue Airport-Link in Form eines Skytrains fuhr nämlich seit kurzer Zeit wieder einmal Testfahrten, sodass man angeblich kostenlos von der Innenstadt bis zum Flughafen kommen sollte. Er hielt glücklicherweise auch an der Station Ramkhamhaeng, die sich zwischen meiner Wohnung und der Innenstadt befand, sodass ich mit dem Zug also sowohl günstig in die Innenstadt als auch zum Flughafen kommen müsste, ohne mich immer nur den schrecklich langsamen Bus zu verlassen. Ich kam also mit dem 8-Baht-Bus (20 Cent) kurz vor 16 Uhr am Airport-Link an, der seine Testfahrten immer um diese Zeit startete. Das war superpraktisch und so kam ich tatsächlich binnen 20 Minuten kostenlos zum Flughafen. Das tat so gut.

Mit dem Check-In hatte ich ein paar Probleme, weil ich zwar zu einem so genannten „Self check-in“ gedrängt wurde, das aber noch am Schalter bestätigen lassen musste, was mir nicht bewusst war. Ich rannte also zum Gate, nur um dort zu erfahren, dass ich den ganzen Weg wieder zurücklaufen musste. Am Check-In-Schalter offenbarte man mir plötzlich die Meldung, dass ich für meine 13 kg noch 300 Baht (6 Euro) extra zahlen müsste, weil angeblich nur bis 7 kg frei wäre. Nun ja, damit musste ich halt leben. Dann hatte ich mich zu beeilen, damit ich den Flieger noch erreiche und so kam ich gerade noch in den letzten Shuttle-Bus, der die AirAsia-Gäste bis zur Maschine beförderte.

Der Flug war recht angenehm, doch plötzlich realisierte ich, dass ich ja meinen Rucksack, für den ich die Extragebühren hatte zahlen müssen, einfach beim Check-In hatte liegen lassen. War er automatisch ins Flugzeug geleitet worden oder hätte ich ihn nicht eigentlich mitnehmen müssen? 300 Baht erschienen mir ein bisschen wenig, um ihn ins Gepäckfach geben zu können, aber man hatte mir ja auch nichts gesagt … Hm, hoffentlich würde ich nicht ohne Gepäck in Shenzhen ankommen, welch grausame Vorstellung!

Der Flug war nicht langweilig, weil ich bald mit einem Chinesen, der in der Nähe meiner zweiten Heimat Thai studiert hatte und nun nach Hause nach Shenzhen flog, ins Gespräch kam. Er konnte zwar kaum Englisch, trotzdem unterhielten wir uns in dieser Sprache. Seltsam eigentlich, Thai wäre sicherlich sinnvoller gewesen. In Shenzhen angekommen, verloren wir uns dann, weil er ewig mit seinem Gepäck brauchte und dann nicht wieder aufzufinden war. Bei mir lief alles gut – mein Gepäck kam zum Glück doch an (!) -, doch der Grenzbeamte hatte wohl wieder mit meinem seltsamen „ß“ im Nachnamen Probleme, was ich in der „Arrival Card“ grundsätzlich als „ss“ wiedergebe und somit für Verwirrung sorge.

Shenzhen (22. – 23.06.2010)

Da es bereits gegen 23 Uhr war, fuhren leider keine Shuttle-Busse mehr in die Innenstadt – zumindest fand ich keine. Dabei hatte ich mir extra die wohl billigste Route per Bus und Metro herausgesucht und beabsichtigt, bis zum nächsten Morgen auf dem Flughafen zu nächtigen. Doch das war angesichts des so winzigen Flughafens, der so späten Stunde und der so nervigen Taxifahrer vor der Tür alles nicht möglich, sodass ich wohl oder übel in ein Taxi stieg und dem Fahrer erklären musste, dass ich ohne ATM, also Geldautomaten, nicht bezahlen könnte. Netterweise fuhr er mich sogar bis zum nächsten Automaten, verlangte dafür aber schon mal lächerliche 20 Yuan (2 Euro), die ich ihm erst einmal nicht gab, weil man für den Preis gewöhnliche mindestens fünf Kilometer in China und sogar ganze 15 Kilometer in Thailand kommt. Also verlangte ich, dass er mich mitten in der Nacht bis Luohu, also direkt zum Bahnhof, fährt. Er schlug abermals eine horrende Summe vor und weigerte sich, das Taxameter anzustellen. Ich handelte lange bis auf 150 Yuan (15 Euro) plus die schon fälligen 20 Yuan herunter, was mir nach einiger Überlegung immer noch viel zu überteuert schien. Für den Preis hätte ich in Thailand schon bis in eine andere Stadt fahren können. Jedenfalls stritt ich mich die ganze Fahrt über mit dem Fahrer und handelte immer weiter, wollte aber vor allem, dass er das dämliche Taxameter anstellt und nicht auf Verhandlungsbasis fährt. Ich scheiterte. Irgendwann stieg noch ein Fahrgast ein; den Sinn verstand ich nicht. An einer Stelle hielt der Fahrer plötzlich und redete lauthals mit vielen anderen Taxifahrern, die dort wohl ihren Treffpunkt hatten, über mich, meiner Verhandlungskünste und eine sinnvolle Lösung. Schließlich ergab sich, dass ich dem momentanen Fahrer einen 50er geben sollte und dem nächsten, der mich dann bis zum Bahnhof fuhr, die restlichen 100 Yuan. Das Ganze lief im Übrigen komplett auf Chinesisch, wovon ich wohl mehr Ahnung zu haben schien als alle Anwesenden von Englisch! Ich war einverstanden und konnte nebenbei beobachten, wie die Kilometer nur so stiegen. Im Endeffekt war ich ganze 39 Kilometer gefahren und überschlug, dass ich mit 15 Euro da noch recht günstig weggekommen war.

Am Bahnhof das nächste Problem, mit dem ich erstens als allerletztes gerechnet hätte und das ich niemals für möglich gehalten hätte, schon gar nicht in dem Zugreisenparadies China: Die Bahnhofshalle, der Ticketverkauf, die Bahnsteige sowie alles Dazugehörige waren geschlossen, zu, vergittert, einfach nicht zugänglich. Hallo, was ist denn das!? An einem mickrigen Zettelchen stand, dass der Bahnhof nur von 7 bis 22 Uhr geöffnet sei. Oh je, was für ein Blödsinn! Das kommt wohl daher, dass Shenzhen eine Grenzstadt zu Hongkong ist und daher dort alle Züge entweder enden oder anfangen. Ich musste nun also noch irgendwie die Nacht totschlagen; mir blieb aber eigentlich gar keine Gelegenheit, darüber nachzudenken, denn schon kam die erste Frau und drehte mir eine Unterkunft für 200 Yuan (20 Euro) an. Etwas angewidert lehnte ich ab und schon bot sie mir eine Übernachtungsmöglichkeit für ein Fünftel des Ausgangspreises an. Ich nahm an – was sollte ich auch machen!? – und folgte ihr, lange, bis in eine Privatwohnung im 18. Stock eines furchtbar schäbigen Wohnhauses. Dort offenbahrte sie mir die 40-Yuan-Kabine. Kabine ist kein Wort dafür, Besenkammer trifft es wohl eher. Die Kammer befand sich hinter einer 1,50 Meter hohen Tür in einem dreckigen Flur und sie war mit Brett, Fernseher und Ventilator ausgestattet. Auf dem Brett war eine dünne holzartige Matte von ca. fünf Millimetern Durchmesser ausgelegt und als Licht diente ein Stecker mit Glühbirne. Es gab sogar ein Fenster, aber den Blick hinaus ersparte ich mir und es ging auch nicht zu verschließen. Davor hing zwar etwas Gardinenähnliches, aber das war so mottenzerfressen, dass ich es kaum berühren mochte. Etwas angeekelt nahm ich die Luxusherberge an. Dann verschwand die Frau; ich sollte sie danach niemals wiedersehen. Ich hatte keinen Schlüssel für die Haustür, sodass, falls ich wieder in die Freiheit gegangen wäre, um mir wenigstens etwas zu trinken zu holen, womöglich nicht wieder in meine schöne Unterkunft hätte zurückkehren können. Ich entschloss mich also, mich sofort auf das Brett zu legen und immerhin drei Stunden zu schlafen. Wozu auch fernsehen und Licht anmachen? Dann wären nur alle Arten von Tieren hineingeflogen!

Gegen halb fünf hielt ich die Trockenheit in meinem Mund nicht mehr aus und ich musste einfach gehen. Ich schlich mich aus dem Haus, indem ich die Alarmanlage von innen abstellte und war froh, endlich wieder unter freiem Himmel sein zu dürfen. Bei McDonald’s fand ich zum Glück auch um diese Zeit Verpflegung und dann waren es ja auch nur noch zweieinhalb Stunden bis zur Eröffnung des Bahnhofs, zweieinhalb endlos lange Stunden, die ich mir mit Schlafen, Laufen und Umschauen auf dem Bahnhofsvorplatz vertreiben musste. Wie öde und vor allem wie eklig, wenn ständig eine Kakerlake „Hallo“ sagen kommt!

Es war sieben Uhr, endlich! Aber was war das? Nur der Zugang zum Guangzhou-Shenzhen-Zug wurde eröffnet, alles andere blieb geschlossen. Also noch eine Stunde warten …

Um acht Uhr konnte ich dann endlich mein Ticket nach Shanghai souverän auf Chinesisch kaufen. Es war erstaunlich teuer und es war nicht mal mehr ein Sitzplatz frei. Für weit über 20 Euro würde ich also fast 20 Stunden stehen müssen, na danke! Ich schlenderte mit meinem teuren Ticket noch ein bisschen über den Bahnhofsvorplatz und entschied mich dann, die Zeit bis zur geplanten Abfahrt gegen halb zwei nachmittags in der Wartehalle zu verbringen. Das tat ich dann auch liegend, schlafend, einkaufend, essend und gelangweilt … bis halb zwei. Und dann erfuhr ich, dass der Zug noch eine ganze Stunde Verspätung haben sollte. Es war wieder einmal furchtbar. Wie kann ein Zug, der in Shenzhen startet, denn Verspätung haben? Er war doch vorher noch in keinem anderen Bahnhof und hätte schon die ganze Nacht dort stehen können! Was für eine Planung auf Chinas Bahnhöfen!

Shenzhen nach Shanghai (23. – 24.06.2010)

Die Gates wurden also gegen 14.20 Uhr geöffnet und alle stürmten auf den Bahnsteig. Ich wunderte mich, wieso sie alle rannten, denn a) hatten ja die meisten ohnehin Platzkarten und b) mussten diejenigen ohne Platzkarten sowieso denjenigen mit Nummerierung auf ihrem Ticket den Vorrang lassen. Doch bald verstand ich: Ich betrat mein Abteil und kam gar nicht weiter als bis zum Heißwasserspender, der sich in chinesischen Zügen bekanntlich direkt am Ausgang befindet, denn der gesamte Gang war mit Menschen zugestellt. Es war von Anfang an unerträglich stickig, warm und eng in dem Zug und das sollte sich auch nicht bessern. Ich ließ mich also direkt gegenüber vom Wasserkocher, der ständig für die im Zug angebotenen Fertigsuppen verwendet wird, nieder und stand so zwischen zwei Abteilen. Sehr angenehm! Sollte ich das so die geplanten 17 Stunden Fahrzeit durchhalten? Nun ja, ich entschied mich, meinen großen Rucksack als Stuhl zu benutzen, um mal abwechselnd stehen und sitzen zu können. So konnte ich sogar recht gut schlafen, allerdings höchstens 10 bis 20 Minuten, denn dann musste mal wieder jemand durch. Warum auch immer, aber ständig rannten die Fahrgäste, Schaffner und am schlimmsten die Essensverkäufer von einem Ende des Zuges zum anderen, teils mit Rucksäcken und eben Essenswagen bepackt … wie grauenvoll und lästig!

Die Nacht wollte ewig nicht einkehren, die Stunden vergingen im Schneckentempo. Ich konnte nicht mehr stehen, und sitzen durfte ich nicht mehr auf meinem Rucksack, weil sich die Rückenstütze allmählich verbog, je länger ich mich darauf setzte. Der Rucksack sollte mir noch eine Weile erhalten bleiben, also blieben mir als Alternativen nur stehen oder auf dem Boden sitzen, was angesichts des sich mir gegenüber befindlichen Mülleimers und der ständig vorbei spazierenden Leute jeglicher Bevölkerungsschichten kein angenehmes Unterfangen darstellte. Ich stand mir also weiter stundenlang die Beine in den Bauch.

Ein paar Sitzreihen entfernt entdeckte ich eine Gruppe chinesischer Teenager, von der mich eine junge Frau immer wieder kurz ansah und sofort danach mit ihrer Freundin tuschelte. Welch furchtbares Gehabe, dachte ich mir, aber sie sah ja gar nicht so schlecht aus. Insgesamt zweimal kam sie in meine Richtung, um heißes Wasser zu holen, wobei sie sich beim zweiten Mal mir gegenüber hinhockte und mir zwei, drei Fragen auf Chinesisch stellte. Ich schämte mich innerlich ob meiner fehlender Sprachkenntnisse und konnte nichts als ein klägliches „听不懂“ (sprich: tīng bù dǒng; heißt: ich verstehe nicht) erwidern. Sie ging wieder auf ihren Platz und ich schämte mich weiter; aber sie hätte ja netterweise auch mal etwas auf Englisch fragen können, oder!?

Ein paar Sekunden später lud sie mich dann zu ihren Freunden ein und ich erhielt einen Sitzplatz. Als Weißer war ich ja ohnehin König und mir wurde sogar mein Rucksack von einigen Herumstehenden hinterher getragen. Wie nett! Ich setzte mich also zu den Jugendlichen, die wohl etwa in meinem Alter waren und versuchte, mit Händen und Füßen klarzumachen, wer ich bin, was ich mache, wo ich herkomme, wo ich hinwollte, warum ich überhaupt existierte und was ich denn in China zu suchen hätte – irgendwie auf Englisch und Chinesisch, wobei das Niveau deren Englisch etwa dem meines Chinesisch entsprach. Die Unterhaltung war also recht witzig, weil wir von der jeweils anderen Sprache eigentlich gar keine Ahnung hatten, um ehrlich zu sein. Trotzdem erfuhren sie alles von mir und ich ebenso alles von ihnen. Nebenbei lernte ich sogar noch ein Kartenspiel, die wichtigsten Körperteile und ein paar sinnlose Floskeln auf Chinesisch, während ich ihnen ein paar Sachen auf Englisch erklärte. Wie die Asiaten so sind, boten sie mir ständig Essen an und fragten, ob ich denn nicht mal hungrig sei und auch etwas Vernünftiges, zum Beispiel meine mitgebrachte Fertigsuppe, essen wollte. Nach einigten Stunden, irgendwann mitten in der Nacht, willigte ich dann ein und aß brav. Und ich konnte endlich auf einem weichen Platz sitzen! Das war schon sehr angenehm nach knapp achtstündigem Stehen.

Shanghai (24. – 28.06.2010)

So wurde die Fahrt dann doch noch ganz interessant, obwohl der Zug erst gegen Mittag ankam, nicht wie geplant am frühen Morgen. Deshalb musste die arme 须再 (Xú Zài), eine Freundin, mit der ich mich das letzte Mal schon in Shanghai getroffen hatte, ganze drei Stunden warten und ich hatte vergessen, mein Handy anzustellen, und somit auch völlig das Zeitgefühl verloren. Wie gemein.

Sie hatte mir versprochen, mit mir gemeinsam eine Unterkunft zu suchen, weil das wahrscheinlich während der Expo nicht ganz leicht sein würde. Ich war mir da aber eigentlich nicht so sicher, denn Backpackern ist es ja egal, ob Expo oder nicht, weshalb Hostels wohl sicher nicht unbedingt überbelegt sein müssten. Noch dazu hatte ich ein wenig Angst, nur mit Einheimischen zusammen zu wohnen, wo meine Sprachkenntnisse ja nicht einmal zu der einfachsten Konversation ausreichten. Aber ich vertraute ihr mal.

Wir gingen also gemeinsam durch Südshanghai und klapperten ein paar Wohnungen ab, die sie vorher schon herausgesucht hatte. Es handelte sich jeweils um WGs, in denen gewöhnlich chinesische Studenten hausten. Was hatte ich denn da zu suchen!? Darüber hinaus waren ihre Wohnungen alle extrem dunkel, dreckig, schlecht gelegen und dafür noch viel teurer als die Backpacker-Unterkünfte. Ich wollte lieber zu meinen geliebten Hostels nahe der 南京东路 (Nánjīng Dōnglù), denn dort kannte ich mich aus und wäre unter Gleichgesinnten gewesen. Ich konnte einfach nicht so mir nichts, dir nichts bei Fremden einziehen, die aufgrund Xá Zàis Anrufen vorher natürlich nicht mit einem Ausländer als Gast gerechnet hatten. Außerdem ist es in einigen Staaten wie China, Vietnam und Myanmar, verboten, privat Ausländer aufzunehmen.

Wir suchten noch eine Weile in diesem Bezirk nach einem günstigen Hotel, aber entweder war es teuer oder plötzlich belegt, als sie mich sahen. Mir reichte es und ich wollte nun im Backpacker-Style nach einer Bleibe suchen. Xú Zài begleitete mich, wir redeten viel und sie war immer verwunderter, sprich beeindruckter, wie souverän ich auf die Hostels zusteuerte und nach einer kostengünstigen Schlafmöglichkeit fragte. Zwei Hostels hatte ich ins Auge gefasst und schnell wurde mir in dem einen ein Mehrbettzimmer mit wenig Freiraum für 40 Yuan (4 Euro) angeboten, was aber seltsamerweise nicht erhältlich war, und ein Doppelzimmer für 80 (8 Euro). Xú Zài war verwundert, dass ich ein so sauberes Zimmer für so wenig Geld – im Vergleich zu den vorherigen Bruchbuden – bekommen konnte. Sie hätte es zwar gestört, dass es keine Fenster gab, aber das war mir ja egal. Im anderen Hostel nahm ich dann das Mehrbettzimmer für 55 Yuan (5,50 Euro), was für Shanghai immer noch sehr günstig war. Ich checkte ein und musste kurz darauf viele Sachen klären, bei denen ich auf die Hilfe meiner chinesischen Begleitung angewiesen war: Mittagessen möglichst günstig, Ankunft des kulturweit-Freiwilligen aus Wuxi am nächsten Tag, Übernachtungsmöglichkeit für mich und ihn bestenfalls zusammen, Zugticket nach Peking besorgen, Handykarte kaufen, meinen Handyakku aufladen bzw. mir ein Telefon leihen, um noch telefonieren zu können und vor allem Geld bekommen. Ich hatte nicht mehr viel Bargeld übrig und meine Kreditkarte wollte mir nichts geben. Na ja, sie war nicht gedeckt, aber gewöhnlich funktioniert es, dass ich dann automatisch Geld vom Internet-Konto bekomme, ohne mehr zu bezahlen. In China mochte man dieses System wohl nicht.

Wir pendelten also noch eine Weile zwischen den zwei Hostels hin und her und da das einst so günstige Doppelzimmer ganz plötzlich ausgebucht war, mussten wir auf ein teureres umsteigen. Problem dabei war, dass ich kein Bargeld mehr hatte und mir aus Höflichkeit natürlich auch nichts leihen wollte. Es war also recht schwer, dieses Zimmer zu reservieren, weil ich ja keine Anzahlung leisten konnte. Noch dazu müsste ich mit den noch übrigen vier, fünf Euro den Rest des Tages bestreiten können.

Ich verabschiedete Xú Zài, beeilte mich in ein Internetcafeé und lud schnell Geld auf die Kreditkarte. Ich hoffte, dass es schon bald zu bekommen war. Da mir bisher alle Inlandsbanken kein Geld geben wollten, versuchte ich es bei den internationalen. Ich hatte erfahren, dass die Deutsche Bank in Shanghai eine Filiale hatte und so suchte ich sie auf. Aber da ich dort erst gegen 18.30 Uhr ankam, war sie schon seit einer halben Stunde geschlossen gewesen. Wir blöd.

Ich entschied mich noch, bis zur HSBC zu fahren, um mein Glück zu versuchen, aber zum einen war der einsetzende Regen unerträglich und zum anderen fand ich keine Geldautomaten an dem riesigen Bürogebäude. Meine letzte Hoffnung war die Citibank, zu der ich mich eine gute Stunde lang in immer heftiger werdendem Regen durchkämpfte, und tatsächlich wurde ich belohnt: Ganze 100 Yuan (10 Euro) bekam ich ausgezahlt, dann meldete sich das Kreditkartenlimit wieder. Seltsam, aber immerhin ein bisschen Geld hatte ich ja erhalten. Ich hoffte darauf, dass mir das Glück am nächsten Tag wieder hold sein würde.

Klitschnass kehrte ich ins Hostel zurück und hatte Angst, meine Schuhe auszuziehen, denn da ich keine Socken getragen hatte, stanken sie aufgrund der Nässe nun so erbärmlich, dass mir eigentlich jeder, der noch in meinem Mehrbettzimmer schlief, Leid tat.

Da ich meine Zeit nicht vergeuden wollte, hatte ich mir den Wecker auf acht Uhr morgens gestellt, um möglichst viel von der Expo zu sehen. Als ich aufwachte, merkte ich jedoch, dass mein Wecker noch auf Thailand-Zeit eingestellt war und ich somit schon eine Stunde später dran war. Zudem musste ich noch frühstücken, mein Ticket nach Peking holen und viel wichtiger: Geld bekommen! Letzteres klappte tatsächlich problemlos an der nächsten Bank (wie gut es doch tat, wieder Bargeld zu haben!), die Fahrkarte nach Peking bekam ich auch souverän am chinesischen und extrem überfüllten Schalter und änderte sogar noch mal den mir vorgeschlagenen Zug (wie stolz ich doch wieder auf meine Sprachkenntnisse sein konnte!) und dann stand auch der Expo nichts mehr im Weg … außer dem Wetter.

Und da es wieder so unglaublich verregnet war, entschied ich, die Expo für diesen Tag sein zu lassen und meinen Aufenthalt in Shanghai zu verlängern. Ich fuhr zum Hostel und konnte das Zimmer für mich und Moritz bezahlen. Wäre das also auch geklärt! Bei diesem Wetter fiel mir aber noch eine Sache ein, die ich bei meinem letzten Besuch in Shanghai unbedingt noch hatte machen wollen, aber nicht geschafft hatte, und zwar in das so hochgelobte Museum zu gehen.

Tatsächlich war es den Ausflug wert. Auf verschiedenen Etagen, die im Viereck angeordnet waren, war für linguistisch, numismatisch, sino-, ethno- und archäologisch Interessierte eine ganze Menge zu entdecken. Ich hielt mich gute zwei, drei Stunden darin auf, kaufte mir auf dem Heimweg einen Regenschirm, den ich bald darauf wieder verlieren sollte, und legte mich bis zum geplanten Treffen mit dem kulturweit-Freiwilligen Felix am Abend schlafen.

Wirklich schlafen konnte ich nicht, also begab ich mich mit typischem Bangkok-Outfit, da meine guten Sachen vom Vortag noch klitschnass waren, zur U-Bahn-Station, um mir endlich mal neue Schuhe zu kaufen, denn in China rennt man eben nicht mit kurzen Hosen und Flip-Flops wie in Thailand herum. In der Station fand ich aber keine günstigen Schuhgeschäfte. So fuhr ich zur verabredeten Haltestelle. Felix etwas später als geplant am Treffpunkt an, sodass ich die Leute in der U-Bahn-Station beobachten konnte. Eine junge Frau viel mir sofort auf, die Buch lesend an einer Wand lehnte und auch auf jemanden zu warten schien. Ich konnte nicht erkennen, ob sie Chinesin oder Ausländerin war; ihr T-Shirt verriet nichts und den Buchtitel konnte ich auch nicht erkennen. Also wartete ich weiter auf Felix. Bald kam er … aber er ging nicht auf mich zu, sondern auf das Mädel …

Dan kam er zu mir und fragte mich, warum wir beide uns noch nicht kennen gelernt hätten. Sie hieß Lea und war auch eine kulturweit-Freiwillige. Wie witzig! Sie war eine der im März Ausgereisten und sollte nur ein halbes Jahr in Shanghai bleiben. Der Abend könnte also ganz lustig werden, denn als wir in den Club „I love Shanghai“ mit Billardtisch gingen, trafen wir sogar noch mehr neue „kulturweit“ler mit sämtlichen Anhängen. Eigentlich hatte Moritz, ein kulturweit-Freiwilliger aus Wuxi, mit dem ich mir in der kommenden Nacht ein Zimmer teilen sollte, auch vor zu kommen, aber er schaffte es zeitlich irgendwie nicht. Es war ein langer, teurer und netter Abend, der gegen zwei in einen anderen Club verlegt werden sollte, zu dem ich aber aus Angst vor einem verschlossenen Hostel nicht mitging und stattdessen ein Taxi nach Hause nahm.

Ein dubioser Amerikaner, den ich vorher flüchtig kennen gelernt hatte, saß mit in dem Auto, stieg aber an einer seltsamen Stelle aufgrund einer mysteriösen Verabredung aus, während ich dem Taxifahrer erklären konnte, dass ich zum 人民广场 (sprich: Rénmín Guǎngchǎng; heißt: Platz des Volkes) möchte, von wo aus ich noch gute drei Kilometer bis zum Hostel laufen musste. Die Strecke verkürzte ich mir mit einem Burger von McDonald’s und die Nacht mit einem ewigen Gespräch mit Moritz. Er musste nämlich am nächsten Tag schon gegen viertel vor sechs am Bahnhof sein, um seinen Zug zurück nach Wuxi zu bekommen. Wir erzählten also, bis sein Wecker um fünf klingelte, dann suchten wir gemeinsam ein Taxi und verabschiedeten uns.

Ich ging wieder ins Bett und schlief noch ein paar Stunden. An diesem Tag wollte ich unbedingt auf die Expo, aber ich kam nicht vor zehn aus dem Haus und brauchte mit Laufen, Suchen und U-Bahn-Fahren noch anderthalb Stunden, um bis auf das Gelände zu kommen. Dort angekommen, wollte ich natürlich unbedingt das Studententicket für 100 Yuan statt dem normalen für 160 Yuan. Wieder ein Problem, denn weder war ich Student, noch hatte ich irgendeinen Beweis dafür, wie ich dieses Freiwilligenjahr herumgekriegt hatte. Ich erklärte mühevoll, dass ich Freiwilliger in Thailand sei, aber die junge Frau am Schalter wollte unbedingt einen Nachweis haben. Ich überlegte kurz und zeigte ihr einfach mein „educational visa“ (Ausbildungsvisum) für ein Jahr. Das reichte ihr und ich bekam meine ermäßigte Eintrittskarte. Das war ja leicht gewesen.

Der Eingang dagegen war gar nicht so leicht zu finden, aber ich folgte einfach den Chinesen, die zur selben Zeit ein Ticket gekauft hatten wie ich. So kam ich bald in eine riesige unterirdische Halle, an deren Ende sich mit Flughafensicherheit vergleichbare Kontrollpunkte befanden. Blöderweise hatte ich mir vorher noch zwei Flaschen Limonade geholt, die ich dann dort ohne zu zögern leerte, weil man keine eigenen Getränke mit auf das Expo-Gelände nehmen durfte.

Nach der Kontrolle führten alle Wege automatisch zum chinesischen Pavillon, den ich mir natürlich auch ansehen wollte. Ich wurde aber gleich zurückgerufen, da ich keine Eintrittskarte dafür hatte. Für genau dieses Gebäude braucht man nämlich ein Sonderticket, das man nur Punkt neun morgens an den Ticketverkaufsschaltern erhalten kann … wenn man Glück hat. Also gab ich die Idee, dieses Häuschen, das mit seiner immensen Größe über alle anderen Gebäude der Expo ragte, zunächst erst einmal auf und stellte mich gemütlich an den Pavillon der chinesischen Provinzen an, denn dort musste man nicht wirklich warten, sondern einfach nur schnell mit der Warteschlange mitlaufen, die sich auf mindestens 500 Metern stets fortbewegte und schließlich in dem riesigen Haus verschwand, in der sich jede chinesische Provinz individuell präsentieren konnte.

Hier musste ich auswählen, weil mich nicht alles interessierte: Shanghai und Peking hätte ich gerne besucht, aber die Wartezeit war mir jeweils viel zu lang; die Provinz Anhui interessierte mich, weil die chinesische Freundin Xú Zài daher kam; Xinjiang als ärmste und Tibet als bekannteste Provinz wollte ich natürlich unbedingt sehen; die Innere Mongolei sollte mir einen Vorgeschmack auf meinen bevorstehenden Trip nach Hohhot geben und von Yunnan erwartete ich aufgrund meiner Reise vor einem halben Jahr dorthin auch einiges.





Zwischenseminar in Kuala Lumpur

7 06 2010

Dieses Mal gibt es einen Live-Blog vom „Zwischen“seminar aus Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias.

Sonntag, 6. Juni 2010:

Nachdem ich meine Bettwäsche endlich gewaschen und den Morgen irgendwie anderweitig totgeschlagen hatte, begaben sich Philipp und ich mit dem Taxi gegen 11 Uhr zum Flughafen. Beim Check-In trafen wir den im Goethe-Institut Bangkok stationierten Michael, sodass wir drei unsere Wartezeit bis zum Flug um eins mit Mittagessen, Getränken und Quatschen verkürzen konnten. In der Wartezone trafen wir dann auch bald die anderen beiden Bangkoker Freiwilligen Liss und Mira und unsere beiden Seminarleiter, Götz und Frau Pott, die uns in den nächsten Tagen durch das Zwischenseminar, das gar nicht mehr so „zwischen“ für uns war, führen würden. Der AirAsia-Flug verlief problemlos und dauerte etwa zweieinhalb Stunden wegen Zeitverschiebung (+1h zu Bangkok), sodass wir erst gegen 17 Uhr am LCCT (kurz für Low Cost Carrier Terminal, also Billigflughafen) etwa 60 Kilometer von Kuala Lumpur entfernt ankamen und mit einem nicht so sehr billigen Shuttle-Bus über eine Stunde bis ins Stadtzentrum kutschiert werden mussten.

Dort trennten wir uns, Philipp und ich suchten sich gemeinsam eine billige Schlafgelegenheit. „Billig“ hieß dabei anfangs zwar „preisgünstig“, aber es stellte sich heraus, dass wir unsere Erwartungen auch auf „schäbig“ herunterschrauben mussten. Im erstbesten Guesthouse namens „Lee Mun“, das seinen Eingang mitten in einem Streetfood-Restaurant versteckt hatte, trauten wir uns tatsächlich, den Fahrstuhl, der nur durch einen halb verfallenen kurzen Korridor zu erreichen war, zu nehmen. Vorsichtig stiegen wir in die Fahrkabine, von der sich schon der Boden wellte und einige Etagenknöpfe nicht mehr so waren, wie sie eigentlich sollten, und kamen schließlich in einer Privatwohnung an, in der uns ein halbnackter Mann etwas seltsam anschaute. Wir fragten nach einem Zimmer und er gab uns eine Stadtkarte, auf der nichts zu erkennen war. Das mit dem Zimmer kapierte er erst später, aber schließlich zeigte er uns eine Gefängniszelle für 10 Ringgit (2,50 €) pro Nacht. Die Betten waren versifft, die Wände praktisch durchsichtig und das Bad auch nicht gerade 3-Sterne-würdig, aber es war billig. Zum Glück bekamen wir noch Bettwäsche. Unsere Namen oder Reisepässe interessierten den Eigentümer nicht, wir hätten auch am nächsten Morgen einfach abhauen können. Aber es war ja billig.

Wir hatten Hunger und bestellten uns immens teures Essen, wobei wir erst hinterher merkten, dass wir wohl abgezockt worden waren. Der Rest des Tages war schon vorher organisiert worden: Ein Treffen mit irgendwelchen Courchsurfern von Mira in einer Galerie, die gar nicht existierte, und danach gemütlich essen gehen mit Leuten von hier und da, mit zwei kulturweit-Freiwilligen unserer Generation aus Kuala Lumpur und mit anderen jungen Leuten, die wir ohnehin erst im Laufe der kommenden Woche näher auf dem Seminar kennen lernen sollten. Es gab indisch zum Abendbrot, unterwegs ein paar teure Bier (weil die Steuern dafür in so einem muslimischen Land extrem hoch sind) und danach einen kurzen Abschied von allen. Philipp und ich irrten alleine wieder zurück zu unserem tollen Guesthouse, wobei es uns schon vor der Nacht graulte. Ich erlegte kurzerhand eine Schabe und dann war das Zimmer auch bald „bug-free“ (insektenfrei), wie Lonely Planet es beschreibt. Die Nacht war nicht sehr angenehm, da wir in einem Tornado aus vier Ventilatoren und auf Drähten, die mit dünnem Stoff überzogen waren, nächtigen mussten, aber da wir hart im Nehmen sind, hatten wir im Endeffekt kein so großes Problem damit. Außerdem würden wir ja ab dem nächsten Tag in einem Hotel schlafen dürfen …

Montag, 7. Juni 2010:

Unser Seminartag war gekommen. Philipp und ich standen pünktlich gegen sieben Uhr auf, um uns zeitig genug an die Petronas-Tower-Menschenschlange, von der uns erzählt wurde, anzustellen, um kostenlose Tickets zu bekommen. Ich traute mich tatsächlich noch zu duschen, wobei aber nach fünf Minuten das Wasser alle war und ich eine Weile auf Nachschub von oben warten musste. Wir verließen unser Traumhaus und begaben uns mit einem Brötchen in der Hand per LRT (wie S-Bahn) zu den Zwillingstürmen, die vor sechs Jahren angeblich noch das höchste Gebäude der Welt waren. Sie erschienen uns extrem klein, aber trotzdem wollten wir hoch. Wir suchten vergebens nach der Menschenschlange und erfuhren, dass der Turm montags für Besucher geschlossen ist. Mist. Also setzten wir uns eine Weile, wie ein paar andere Touristen auch, auf einen Platz davor, unterhielten uns mit einer Frau aus Venezuela auf Deutsch und verspeisten unser mitgebrachtes leichtes Frühstück.

Da wir aber unbedingt etwas Sinnvolles mit unserer Zeit anfangen wollten, blieben uns nur noch zwei Möglichkeiten: der KL Tower, der wie der Fernsehturm in Berlin aussieht, und die Nationalmoschee. Wir stiefelten also zum Turm, sparten uns den kostenlosen Shuttle-Service und kamen schweißgebadet kurz vor neun, bevor er überhaupt für Besucher zugänglich war, am KL Tower an. Die Wartezeit verbrachten wir mit einer Abkühlung dank Klimaanlage in einem kleinen Kinosaal, sodass wir dann die Ersten waren, die in die Aussichtskugel dürften. Als der Tresen öffnete, erschraken wir vor dem Preis von 38 Ringgit (fast 10 Euro) pro Person, die uns einfach viel zu schade für diesen einen Turm waren. Wir nahmen also kurz nach neun den kostenlosen Shuttle-Service zurück und entschieden uns dann noch für einen Besuch der größten Moschee Kuala Lumpurs. Wir kamen kostenlos hinein, zumindest bis in den Eingangsbereich, durften einmal kurz in den Gebetssaal lugen und das war’s auch schon. Beeindruckend fand ich, dass alle Frauen ein Gewand umhängen mussten, während alle Männer in kurzen Hosen und Flip-Flops durchgelassen wurden. Auf das Minarett durften wir leider nicht, also war auch nichts mit dem dritten Turm in Kuala Lumpur. Wir fingen an, die Stadt nicht zu mögen, holten etwas beleidigt unsere Rucksäcke im Guesthouse und bezahlten unseren netten Zimmervermieter, der immer noch halbnackt herumrannte. Pünktlich um 12 Uhr mittags checkten wir ins Hotel Sentral, in dem wir ganze vier Nächte bleiben durften, ein.

Das Zimmer war sehr gut, entsprechend einem deutschen Hotel. Hier konnten wir endlich angenehm duschen, bevor wir alle zwanzig Freiwilligen uns im Fahrstuhl trafen, weil:

  1. die zwei Fahrstühle im Hotel so ein seltsames System haben, dass man durchschnittlich fünf Minuten wartet, bis er in der gewünschten Etage, in der man wartet, ankommt,
  2. eine „kulturweit“-Information aushing, die besagte, dass wir uns im dritten Stock im Seminarraum, den es dort aber nicht gab, treffen sollten,
  3. wir immer wieder im Foyer ankamen und dann der Reihe nach alle Etagen abklapperten und
  4. wir schließlich feststellen mussten, dass der dritte Stock im Nachbarhaus gemeint war.

So lernte man sich schon etwas kennen, aber trotzdem waren wir fünf Bangkoker und ein weltwärts-Freiwilliger von Anfang an etwas ausgeschlossen, weil die anderen sich schon von ihrem Vorbereitungsseminar kannten. Trotz allem verstanden wir uns von Anfang an recht gut und es sollte eine heitere und spaßige Woche werden. Wir stellten nur kurz je unsere Einsatzstellen vor und zeichneten zum Abschluss ein Bild von unserer Arbeit in Form eines Gebäudes. Das war ganz spannend, vor allem, weil es ja vier Freiwillige aus der Deutschsprachigen Schule Bangkok gab, die völlig verschiedene Aufgaben, aber recht ähnliche Eindrücke hatten. Die Vorstellung wurde auf den nächsten Tag verschoben.

Am Abend gingen wir in einen weiter vom Stadtzentrum entfernten Bezirk gut indisch essen, um das südasiatische Flair nebenbei ein bisschen kennen und lieben zu lernen. Wir aßen von Bananenblättern und uns wurde alles Mögliche darauf gescheffelt, ohne dass wir je erfuhren, was es eigentlich war. Aber schlecht schmeckte nichts davon. Danach setzten wir uns noch kurz in einen Pub und genossen ein Bierchen, bevor ich mich mit einer kleinen Gruppe zurück zum Hotel begab.

Dienstag, 8. Juni 2010:

Dieser Seminartag begann mit der Vorstellung unserer tollen Gemälde vom Vortag. Ich hatte unsere Einsatzstelle als Botschaftsgebäude dargestellt, das komplett von jeglicher thailändischen Kultur abgeschottet ist. Ich erfuhr, dass einige mit ihrer Stelle, sei es Goethe-Institut, DAAD-Büro oder deutsche Schule, kaum bis sehr zufrieden waren. Es folgte eine Traumreise, in der uns unser Seminarleiter unseren Lauf von der Bewerbung bis zum jetzigen Standpunkt erzählerisch und musikalisch unterlegt Revue passieren ließ. Ich schlief dabei ein.

Nach dem Mittagessen, das mich wie am Vortag schon nicht so sehr anlächelte, besprachen wir noch bisher ungeklärtes Organisatorisches und planten gemeinsam den Tagesausflug für den nächsten Tag. Na ja, wir versuchten es zumindest und fanden keinen Konsens. Auf dem Programm standen Höhlen, Freizeitpark, Stadtführung, Dschungeltour und Hochseilgarten, über die sich verschiedene Leute bis zum nächsten Tag informieren sollten, um es uns dann vorzustellen. Total unspektakulär.

Für das Abendbrot hatten wir uns den Bezirk Golden Triangle, in dem ich am Sonntag vor dem Seminar schon essen gewesen war, ausgesucht, um nach einiger Zeit an Entscheidungsfindung in einem Streetfood-Restaurant mit einer unglaublich notorisch gleichzeitig nervigen, lustigen und unterhaltsamen Bedienung, die wahrscheinlich das Geschäft ihres Lebens machte, eine nicht so sehr sättigende Mahlzeit einzunehmen. Ich lud Jonas, einen kulturweit-Freiwilligen meiner Generation, noch dazu ein.

Den Rest des Abends verbrachten wir wieder im Kollektiv in einem Lokal, in dem ich mir mit einer kleinen Gruppe zwei Bierkrüge teilte, wofür man uns als Promotion einen Minifußball zur WM schenkte. Danach verließ ich den Rest mit dem Großteil der Gesamtgruppe und wir fuhren mit der Monorail (ähnlich wie S-Bahn), die hier recht gut ausgebaut zu sein scheint, zurück zum Hotel. Gute Nacht.

Mittwoch, 9. Juni 2010:

Der Mittwoch sollte der am meisten mit „Unterrichtsstoff“ gefüllte Tag werden. Das Thema „Interkulturelles Lernen“ stand an. Zum Aufwärmen spielten wir ein Spielchen, in dem jeder je eine Sache nennen musste, die er in seinem Gastland gerne esse, die er mit nach Deutschland nehmen würde und die er im Gastland vermisse. Das war eine gute Lockerungsübung. Es folgte eine ewige Diskussion, in die ich mich gar nicht einbringen wollte, weil es sich um Kulturakzeptanz handelte und sich ständig im Kreis drehte. Wir schauten noch ein Video über ein paar Kenianerin, die ihre Sicht auf die deutsche Kultur beschreiben sollten, um zu sehen, wie andere über unsere Lebensweise denken.

Nach dem Mittagessen gab es bei gemütlichem Kuchen und Kaffee/Tee noch kleine Diskussionsrundenspiele, in der man noch einmal mit anderen, die man bis dahin noch nicht so gut kennen gelernt hatte, über dieses und jenes sprechen konnte. Anschließend planten wir den nächsten Tag, an dem wir nach den vormittäglichen Einzelgesprächen eine Gruppenaktion außerhalb des Seminarraumes durchführen sollten. Statt die Vorauswahl des Vortages weiter einzuschränken oder zu besprechen, kamen immer mehr Vorschläge dazu, sodass wir uns am Ende zwischen fünf möglichen Aktionen entscheiden mussten. Es gewann der Fantasy-Park, aber das Budget war noch nicht klar.

Das Abendessen durften wir in dem im hinduistischen „Temple of Fina Arts“ befindlichen Restaurant Annalakshmi genießen, was zum einen super geschmeckt hat und zum anderen „theoretisch“ völlig kostenlos war. Man zahlt nämlich das, was man bezahlen möchte: Wenn es gut war, dann gibt man halt das, was man halt für ein gutes indisches Essen und den entsprechenden Service zu bezahlen gedenkt. Im Anschluss besuchten wir noch einen kleinen hinduistischen Tempel, der mich aufgrund der tamilischen Schrift an den Wänden und Aushängen faszinierte, und eine heilige taoistische Stätte. Unser Seminarleiter erzählte uns, einer kleiner Gruppe aus nur noch sechs Personen, viel über Religionen, Kulturen und Glaubensrichtungen im asiatischen Raum. Den Abend ließen wir bei ein paar Bierchen vor dem Hotel ausklingen und fielen alle sehr spät ins Bett.

Donnerstag, 10. Juni 2010:

Umso schwerer fiel es mir dann auch, am nächsten Morgen zu meinem persönlichen Gespräch mit Frau Pott um 8.40 Uhr aufzustehen, aber ich schaffte es problemlos und konnte dann ein wenig über meine Zeit in Thailand reflektieren, auf Problemchen und Erwartungen eingehen und noch einmal deutlich machen, dass mir das Jahr insgesamt nur positiv in Erinnerung bleiben wird. Sie gab mir auch noch ein paar Tipps, wie ich die letzte Arbeitswoche so gut es geht gestalten könnte, beispielsweise sehr alltägliche Dinge fotografieren, die mir mittlerweile schon gar nicht mehr auffallen, aber Außenstehende als völlig absurd bezeichnen würden.

Ich wartete noch auf Michael und Philipp und dann liefen wir gemeinsam durch die Stadt. Unser Ziel war der „Lake Garden“ gewesen, aber wir fanden ihn nicht und kamen irgendwie zufällig an das „Tun Hussein Onn Memorial“. Er war der dritte Premierminister Malaysias, aber das interessierte uns nicht sonderlich. Viel beeindruckender war nämlich die Lage des Museums: Da es sich auf einer Anhöhe befand und mit Palmen umpflanzt war, hatte man einen herrlichen Blick auf Kuala Lumpur mit seinen Petronas Towers durch tropische Pflanzen hindurch. Es war zwar unerträglich heiß, aber sehr schön. Damit wir noch pünktlich Frau Pott, die eher abreiste, verabschieden konnten, begaben wir uns nach einem kurzen Museumsrundgang wieder zurück zum Hotel.

Mittlerweile stand auch fest, wo wir unseren Nachmittag verbringen wollten: Im Freizeitpark Genting etwa 50 Kilometer von Kuala Lumpur entfernt. Die Fahrt dorthin zu organisieren, war nicht ganz so einfach, da es angeblich keine Bustickets mehr für zurück gab, sodass wir kein günstiges „Package“ ergattern konnten und jeden Weg und den Eintritt einzeln bezahlen mussten. Aber schließlich packten wir es, sodass wir Punkt fünf im Park auf 2000 Metern Höhe waren, wohin wir nach der Busfahrt mit einer langen Schwebebahn über den nahezu unberührten Dschungel gekommen waren. Es war traumhaft, wirkte aber sehr künstlich. Die Halle, durch die wir als erstes kamen, war voller Spielautomaten, Losbuden und Menschen, praktisch wie auf einem Rummel in Deutschland. Danach erreichten wir die „Outdoor“-Anlage, die unserem Hansapark entsprach, mit dem Europapark aber niemals mithalten könnte. In zwei Stunden schafften ich es mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter, insgesamt drei Fahrgeschäfte auszuprobieren: zwei Achterbahnen und den Freifallturm. Die Aussicht von dort oben war einfach atemberaubend, da wir uns ja auf einem Berg befanden und die Wolken teils über, teils unter uns hingen. Einfach unbeschreiblich.

Zum Abschluss schlenderten wir noch durch den „Indoor“-Park, der praktisch wie eine Nachbildung Las Vegas‘ in einer riesigen Halle wirkte. Es war grandios. Die Schneelandschaft mit -5 °C, die wir nur von außen betrachteten, beeindruckte natürlich nicht nur uns, sondern vor allem die sonst so gar nicht an Kälte gewohnten Malaien. Wir erfuhren, dass wir noch eine Stunde auf unseren Bus zurück in die Hauptstadt Malaysias warten müssten, was uns im Endeffekt ziemlich in die Bredouille brachte, weil wir für 22 Uhr Plätze in der exklusiven Skybar, von der aus man einen herrlichen Blick auf die Petronas Towers erhaschen können sollte, reserviert hatten. Die Drinks waren aber so teuer, dass ich mir nichts bestellen konnte, wollte und sollte. Zum Vergleich: Ein einfaches Wasser kostete 14 Ringgit (fast vier Euro). Wir warteten bis Mitternacht, sodass wir das als so spektakulär erhoffte Erlöschen der Petronas Towers noch sehen konnten. Und dann war es so weit: Sie gingen aus. Einfach aus. Völlig unspektakulär, als würde jemand einfach einen Schalter umlegen. Keine Lichteffekte, nicht von oben nach unten, gar nichts. Wie langweilig.

Die Taxifahrt nach Hause wird mir ewig in Erinnerung bleiben: Ich saß vorn und sah, dass der Taxameter schon bei 9 Ringgit (über zwei Euro) anfing. Da der Fahrer noch einmal kurz ausstieg, der Taxameter aber weiterlief und so die Wartezeit und damit auch der Preis hochgehen könnte, wollte ich es elegant ausschalten, verstellte es aber irgendwie und erklärte ihm dann geschickt, ich hatte eigentlich den Radiosender verstellen wollen. Dann ging die Fahrt los und der Meter stieg unaufhörlich, immer weiter und uns sieben im Auto wurde richtig schlecht beim Blick auf den Endpreis: 55 Ringgit (14 Euro)! Noch niemals hatte ich so viel für ein Taxi bezahlt, in Bangkok selbst für absolut lange Strecken maximal sechs Euro. Diesen Frust mussten wir dann erst einmal bei einem abschließenden Bier herunterspülen.

Freitag, 11. Juni 2010:

Dieser Tag sollte nichts weiter als der Reflexion der vergangenen Woche und Vorschlägen zur Verbesserung solcher Zwischenseminare und des Programms „kulturweit“ selbst gewidmet sein. Der Abschied verlief dafür, dass wir uns nur fünf Tage lang gesehen hatten, recht herzlich. Dann war Schluss.

Die meisten blieben noch ein, zwei Tage länger, während wir als Bangkoker Fraktion schon am selben Tag wieder fliegen mussten, um pünktlich zum Maturaball unserer Schule am nächsten Tag zu kommen. So entschieden sich Philipp, Micha und ich für einen Ausflug zum Goethe-Institut Kuala Lumpur, um die Zeit bis zum Flug zu überbrücken. Die Anfahrt war trotz heftigen Unwetters leicht, aber kurz vorm Ziel mussten wir aufgeben, weil wir das Gebäude weder mithilfe der angegebenen Adresse, noch mittels Nachfrage der Leute vor Ort auffinden konnten. Wir gaben schließlich auf, hatten nichts erreicht, aber immerhin etwas von KL’s Außenbezirken gesehen und die Zeit bis zum Flug überbrückt.

Zwei kulturweit-Freiwillige, die am selben Tag nach Indien fliegen sollten, kamen mit unserem Bus mit zum Flughafen, und zwar zum LCCT (Low Cost Carrier Terminal, also für Billigflüge). Dort angekommen, stellten sie fest, dass ihr Flug gar nicht aufgelistet war und sie realisierten, dass sie am falschen Flughafen gelandet waren. Sie schafften es zwar noch rechtzeitig zum richtigen Flughafen, aber ich hätte in dem Moment nicht in ihrer Haut stecken wollen. Unser Rückflug nach Bangkok verlief problemlos und bei der Landung sah ich endlich auch mal Bangkok bei Nacht in seiner kompletten Ausdehnung; es war einfach gigantisch, wie groß diese Stadt war!






200 Đồng – und das Schicksal nimmt seinen Lauf …

5 05 2010

Entschuldigt bitte diesen verspäteten Bericht, aber trotz mittlerweile etwas stressfreieren Nachmittagen komme ich manchmal aufgrund Huế von Studieninformationen, außerschulischen Pflichten und absoluter Müdigkeit nicht zum Blogschreiben. Der folgende Artikel ist noch nicht vollständig und ich habe ihn noch nicht Korrektur gelesen; verzeiht mir also bitte Flüchtigkeitsfehlerchen und weist mich netterweise darauf hin.

Bilder und kurze Videos gibt es hier bereits untertitel zum Anschauen und genießen. Manchmal versteht man den Text nur in Zusammenhang mit den Bildern oder andersherum. Für den Blog waren es aber zu viele Bilder, deswegen habe ich sie extern hochgeladen. So, nun viel Spaß beim Lesen:

Vom 26. März bis zum 15. April bin ich wieder auf große Reise gegangen. Mein Ziel war keine bestimmte Stadt, sondern einfach eine Rundreise von Bangkok nach Südlaos, durch Ostkambodscha, den gesamten Weg von Süd- nach Nordvietnam, und zurück nach Bangkok durch Nordlaos. Hier könnt ihr die Reiseroute sehen. Der Höhepunkt meines Trips sollte eigentlich das Songkran-Fest in Chiang Mai darstellen, was ich aber aufgrund gewisser äußerer und teils selbst verschuldeter Umstände nicht einhalten konnte. Außerdem habe ich auf der Reise gelernt, wie man einen Motorroller fährt, dass man niemals etwas aus einem heiligen Ort stehlen sollte (es gibt dafür auch keine Wiedergutmachung), dass ich auch mitten im Nirgendwo mindestens zwei Tage überleben kann und dass in gewissen Situation Geld und Prinzip auch mal keine Rolle spielen sollten. Auf der Reise bin ich zweimal bestohlen worden, habe mir meinen großen Zeh arg verletzt und angeblich zwei Fortbewegungsmittel zunichte gemacht. Noch nie habe ich mich so sehr über einen Bus echauffiert wie in Hà Nội, kaum habe ich je zuvor eine so schöne Natur bestaunen dürfen wie im Bolavan-Plateau und noch nie zuvor konnte ich die Geschwindigkeit und die damit verbundene Freiheit vermischt mit Lebensmüdigkeit fühlen wie in Phnom Penh … alles in allem, eine extrem spannende, erlebnisreiche, unvergessliche, nicht gerade stressfreie, aber doch lohnenswerte Reise, von der ich eines weiß: Nie wieder Vietnam, ich bin in diesem Land wohl nicht willkommen!

Von Bangkok nach Pakse (26.03.2010) (Thailand-Laos)
Pakse (27. – 29.04.2010) (Laos)
Von Pakse nach Don Det (29.03.2010) (Laos)
Don Det (29. – 30.03.2010) (Laos)
Von Don Det nach Kratie (30.03.2010) (Laos-Kambodscha)
Kratie (30.03. – 31.03.2010) (Kambodscha)
Von Kratie nach Phnom Penh (31.03.2010) (Kambodscha)
Phnom Penh (31.03. – 02.04.2010) (Kambodscha)
Von Phnom Penh nach Hồ-Chí-Minh-Stadt/Sài Gòn (02.04.2010) (Kambodscha-Vietnam)
Hồ-Chí-Minh-Stadt/Sài Gòn (02. – 03.04.2010) (Vietnam)
Nha Trang (04. – 05.04.2010) (Vietnam)
Von Nha Trang nach Huế (05. – 06.04.2010) (Vietnam)
Huế (06. – 07.2010) (Vietnam)
Von Huế nach Hà Nội (07. – 08.04.2010) (Vietnam)
Hà Nội (08. – 12.04.2010) (Vietnam)
Von Hà Nội nach Vientiane (12. – 13.04.2010) (Vietnam-Laos)
Von Vientiane nach Udon Thani (13.04.2010) (Laos-Thailand)
Udon Thani (13. – 14.04.2010) (Thailand)
Zurück in Bangkok (15.04.2010) (Thailand)

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Von Bangkok nach Pakse (26.03.2010)

Nachdem ich am Freitag alle zu erledigenden Dinge in der Schule und privat abgeschlossen, meine Sachen für die große Reise gepackt und den beiden Schülern in Bangna Deutschunterricht gegeben hatte, konnte ich gelassen mit dem Taxi (obgleich mir die Maid der Familie in Bangna zu einem Bus, der nie ankam, geraten hatte) zum Hua Lamphong fahren und … ja, genau, noch zwei Stunden auf meinen Zug nach Ubon Ratchathani (ab jetzt nur noch Ubon) warten, weil ich für die gerade abfahrenden Bahn etwas zu spät angekommen war. So verbrachte ich die Zeit bis 23 Uhr wartend und Verpflegung kaufend auf dem Bahnhof, bis ich endlich in den für thailändische Verhältnisse extrem kalten Zug, der nie wärmer wurde, stieg. Ich musste mir eine Vierersitzgruppe mit einer Frau mit ihren zwei Kindern, die mich tatsächlich noch bis an die laotische Grenze begleiten sollten, und einer anderen älteren Dame teilen. Es war nicht leicht, guten Schlaf zu finden und so wachte ich etwas übermüdet gegen halb elf morgens nach zwölf Stunden Fahrt in Ubon auf.

Auf dem Bahnhof aß ich zum Frühstück meinen in Bangkok gekauften Donut und ließ mir von der Information den Weg zum Busbahnhof erklären. Zwar hatte ich bereits eine Motorradfahrt bis auf 10 Baht für die Strecke ausgehandelt, aber da ich es nicht passend hatte, gab ich dem guten Mann teure 20 Baht. Auf dem Busbahnhof selbst musste ich nur Chong Mek, den Namen der Grenzstadt sagen, und schon saß ich in einem Bus nach Phibun, weil es keine Direktverbindung gab. Nach einer Stunde fahrt und 35 Baht für die Strecke wurden alle auf ein Songthaew verladen, wobei es sich eher um ein Saamthaew handelte und bei einer Kapazität von höchstens 20 Menschen ohne Gepäck bei momentanen 30 Reisenden mit Taschen, Reissäcken und allerhand Gerätschaften etwas sehr voll und unangenehm schien. Die Fahrt dauerte gefühlt ewig über eine endlos lange, gerade Straße und konnte nur durch die schöne bewaldete Landschaft, Berge und Seen relativiert werden. Auf dem Weg bis zur Grenze wurden immer wieder Leute auf kleinen Dörfern abgeladen, sodass ich fast der Einzige war, der bis Chong Mek geblieben war.

Es war leicht, das enorme Grenzgebäude zu finden, also aus Thailand hinauszukommen, während sich danach die Suche nach einem so genannten „visa upon arrival“ als ziemlich kompliziert darstellte, weil sich hinter dem dafür vorgesehenen Fenster kein Offizieller blicken ließ. Die Grenze war gar nicht touristisch und hauptsächlich Thais passierten sie. Ich habe zu der Zeit keinen anderen Touristen gesehen. Irgendwann bekam ich dann das Visum für 30 US-Dollar (mit einem furchtbar schlechten Wechselkurs durfte ich stattdessen auch 1300 Baht hinlegen) und 50 Baht Stempelgebühr.

In Laos gab es nichts, was nach Pakse führen sollte, zumindest keinen öffentlichen Bus. Also schlugen mir ein paar Laoten einen erst recht dubios scheinenden Minibus vor, der mich für 100 Baht bis nach Pakse bringen sollte. Im Van unterhielt ich mich mit einem laotischen Jungen in meinem Alter auf Thai und Englisch, wobei ich sein Englisch nahezu gar nicht verstand und ihm es wohl mit meinem Thai genauso ergangen sein musste. Ich hatte nie das Gefühl, dass die Fahrt klappen würde …

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Pakse (27. – 29.04.2010)

Aber schließlich kam ich doch in Pakse an und musste mit einem Tuk-Tuk zum „Sabaidy 2 Guesthouse“ gefahren werden. In der Unterkunft erkundigte ich mich nach einem freien Zimmer zunächst bei einem Mann, der sich bald selbst als Tourist entpuppte und den Inhaber aus dem Tiefschlaf holen musste. Das Einchecken verlief etwas ungewöhnlich, weil ich noch keine laotischen Kip hatte und der Mann meinen großen 1000-Baht-Schein nicht wechseln wollte. Also machte ich mich auf die Suche nach einem ATM, konnte ja nicht so schwer sein in der größten Stadt Südlaos‘. War es aber, denn obgleich ich drei verschiedene Geldautomaten fand, wollte mir keiner mein gefordertes Geld geben. So steckte ich die Kreditkarte wieder ein und musste mit meiner Notfallkarte aus Deutschland mit hohen Gebühren und schlechtem Wechselkurs eine halbe Million Kip abheben. Leider war kein Dorm mehr frei, also musste ich wohl oder übel ein teures Einzelzimmer für 40.000 Kip nehmen.

Nachdem ich mich kurz eingerichtet hatte, ging ich auf Essenssuche und traf die beiden Kanadafranzosen in einem Restaurant wieder, von denen ich den älteren Herrn ja aus Versehen nach einem Zimmer im Guesthouse gefragt hatte. Wir sprachen nicht sehr viel miteinander. Die junge Frau und der Mann sprachen ein mir recht fremdes Französisch, weshalb ich mich nur auf Englisch mit ihnen unterhielt. Danach suchte ich mir ein Fahrrad, was es aber nicht gab. Man verlieh nur Motorroller. In diesem Moment gingen mir zwei Dinge durch den Kopf: 1.) Das hast du noch nie gemacht, lass es lieber! 2.) Das hast du noch nie gemacht, warum nicht jetzt? Glücklicherweise entschied ich mich für Letzteres und ließ mir etwa 10 Minuten vom Verleiher zeigen, wie so ein manueller Motorroller funktioniert. Für 60.000 Kip bekam ich es leer, das heißt, ich würde es auch gleich noch auftanken müssen. Also fuhr ich zur nächsten Tankstelle, völlig ungeübt und sehr wackelig, aber schließlich wurde es mir für 20.000 Kip komplett vollgetankt. Was für ein Preis! Damit würde ich mindestens 150 Kilometer kommen, kein Vergleich zu Europa …

Ich übte noch eine Weile in der Stadt, bevor ich mich zum Guesthouse begab, um die Reiseroute für den nächsten Tag zu planen. Eine alte Frau sprach mich bald auf Deutsch an und erzählte mir ihre Lebensgeschichte, von der ich eigentlich gar nichts wissen wollte. Sie beschwerte sich arg über den Kommunismus und Leute, die kein Englisch sprechen. Sie behauptete, selbst 18 Sprachen inklusive Thai einst gesprochen zu haben; ich konnte mich immerhin von Deutsch, Englisch und Französisch überzeugen. Es war einfach nur ein ewiges Zuhörgespräch, aus dem ich aus Höflichkeit nicht fliehen wollte, bis ich mich vor Müdigkeit langsam in mein Zimmer schlich.

Da ich bereits zeitig am nächsten Morgen aufstand, war ich schon halb neun auf dem Motorrad, mit dem ich im T-Shirt (was anfangs sehr kalt, dann aber doch unglaublich heiß war) immer Richtung Ortsausgang von Pakse steuerte. Die Straße war einfach nur ewig lang, aber es war Freiheit pur. Obgleich es nur eine Straße gab, vergewisserte ich mich auf meinen Karten mehrmals, ob die Richtung überhaupt stimmen würde, da die Meilensteine (welch tolle Erfindung!) anfangs keine mir bekannten Orte verrieten. Laut Karte war es auch sehr simpel, den ersten Wasserfall innerhalb des so genannten „Bolavan-Plateaus“ zu finden: Einfach immer geradeaus, bis zu einem kleinen Örtchen namens „Baan Ithu“, dann rechts abbiegen. Kann ja nicht schwer sein!

Tatsächlich hieß aber jeder Ort nur „Baan Lak“ versehen mit einer Nummer danach. Es gab allerdings im „Baan Lak 38“ ein Hinweisschild auf den Tad Fan, dem ich über einen Sandweg bis zu einem Parkplatz folgte. Dort musste ich mein Motorrad abstellen, um den Rest zu Fuß zurückzulegen. Es gab hier keinen Wasserfall, lediglich einen „View Point“. Von dort aus konnte ich zwar zwei wundervolle absolut hohe und steile, gleichzeitig aber extrem schmale Wasserfälle erblicken, deren Tosbecken nicht einmal sichtbar war.

Natürlich wollte ich als Entdecker den Fuß dieser Wasserfälle erreichen und so suchte ich mir einen Weg durch Gestrüpp, über Wurzeln und einen Berghang hinab. Leichter gesagt als getan: Es gab nur einen schmalen Trampelpfad durch laotischen Dschungel, der immer steiler wurde. Nachdem ich eine auf ihren Freund wartende Touristin auf dem Weg überholt hatte, stürzte ich gleich ein paar Meter den Abhang hinunter und kam erst dank herumliegender Wurzeln zum Halt. Es tat ein bisschen weh, ich war furchtbar dreckig und meine Flip-Flops rutschten noch ein paar Schritte weiter nach unten und hielten nur knapp vor einem noch steileren Abhang an, sodass ich sie glücklicherweise noch aus dem Dickicht fischen konnte, bevor ich mich weiter Richtung Wasserfall nach unten durchschlug. Irgendwann traf ich das besagten „Freund“, der mir in klar erkennbaren französischen Akzent auf Englisch zu verstehen gab, dass er auch keine Ahnung hätte, wie man weiter nach unten käme, als ich an einer Zwischenstufe eines Wasserfalles mit herrlicher Aussicht über den Dschungel angekommen war. Auf der anderen Seite ging es wieder nach oben, aber nirgends weiter nach unten, weshalb ich wohl oder übel wieder umkehren musste und den gesamten Abhang unter tropfendem Schweiß wieder hochkroch bzw. mich vorrangig an Bäumen und Wurzeln hochzog.

Gegen 10.30 Uhr stieg ich völlig nassgeschwitzt und bereits voller Sonnenbrand an den Armen wieder auf den Roller und begab mich zum nächsten Wasserfall namens Tad Lo. Ich war nur einmal kurz falsch abgebogen und ansonsten nur richtig gefahren. Dank der Meilensteine wusste ich auch immer in etwa, wo auf der Karte ich mich gerade befinde. Als ich an einem Hinweisschild zum Tad Lo ankam, stand ich nach ein paar Metern plötzlich vor einer Abzweigung, an der zwar etwas auf Laotisch geschrieben stand, jedoch meines Erachtens nichts mit dem Wasserfall zu tun hatten. Zwei andere Motorradfahrer kamen an dieselbe Stelle und wir wussten nicht weiter. Zunächst entschieden wir uns für den falschen Abzweig und kamen an einem schönen See mit badenden Leuten an. Ich fragte nach dem Weg, aber sie beschrieben ihn so kompliziert, dass wir drei uns entschlossen, einfach die andere Abzweigung zu nehmen. Gesagt, getan: Bald wurden wir mit einem malerischen kleinen Wasserfall belohnt. Die auch auf dem Motorrad angekommene Französin Fiona war ebenso hungrig wie ich gewesen und so planten wir beim gemeinsamen Mittagessen, wie man am besten zu dem Tad Lo, an dem wir ja noch nicht waren, kommen würde.

Bald liefen wir los, aber der Weg schien zu weit. Also stiegen wir auf das Motorrad und fuhren einen Weg neben dem kleinen Wasserfall entlang. Irgendwann landeten wir „auf“ dem Tad Lo, an dessen Fuße Touristen badeten. Aber irgendwie war er immer noch enttäuschend klein, also quälten wir die Motorräder noch weiter nach oben, Richtung Tad Suong. Nach zwei Kilometern ging es nicht mehr geradeaus, sondern nur noch rechts in ein Dorf. Wir fanden keinen Wasserfall und durchquerten das Dorf, bis uns entgegen kommende laotische Kinder nach unserer Destination fragten. Sie zeigten uns den Weg zum Wasserfall, der uns direkt in das Dorf führte. Wir folgten ihnen etwas skeptisch und mussten bald von den Motorrädern steigen. Während Fiona auf die Bikes aufpasste und mit den kleinen Kindern Fußball spielte, folgte ich einem etwa 15-jährigen Dorfbewohner in Richtung Wasserfall. Es ging wieder durch eine verwilderte Landschaft, über Stock und über Stein, und bald wurde es mir zu öde. Ich fragte ihn in einem Mix aus Thai und Laotisch, wie viele Meter es denn noch bis zum Wasserfall wären. Dann zeigte er, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, eine Zwei mit den Fingern. Ich erschrak und vergewisserte mich „soong phan met?“, was er ebenso gleichgültig bejahte. Solange wollte ich die arme Fiona nicht in dem Dorf lassen und wir kehrten um. Wir entschlossen uns, umzukehren und zum ersten Wasserfall zurück zu fahren, woraufhin uns die uns umringenden Kinder noch um Geld anbettelten. Ohne Gabe fuhren wir zurück, stellten unsere Räder ab und liefen zu dem Tad Lo, dem zweiten Wasserfall, auf dem wir ja bereits gestanden hatten.

Mittlerweile waren nur noch Laoten dort, die sich entsprechend kichernd über uns unterhielten, als wir dort in europäisch gewohnter Badebekleidung ins erfrischend kühle Nass sprangen. Ich schaffte es sogar als Einziger, bis direkt unter die Fallkante zu schwimmen und dort eine unvergesslich herrliche Dusche zu genießen. Leider gibt es davon kein Foto, weil ich meine Wertsachen nicht unbeaufsichtigt liegen lassen wollte und im Motorradschließfach gelassen hatte. Weil Fiona noch einen Tag dort bleiben wollte, fuhr ich am Abend allein nach Pakse zurück. Glücklicherweise fand ich bald eine Tankstelle in der Wildnis und so konnte ich die 90 Kilometer relativ gelassen zurücklegen; relativ deswegen, weil es bereits 16 Uhr war und ich das Motorrad bis 17 Uhr zurückgeben sollte. Deswegen heizte ich mit Höchstgeschwindigkeit über die Landstraßen und kam dabei durch zahlreiche Dörfer. Nach einer Abbiegung fehlten plötzlich für 20 Kilometer Meilensteine mit der Aufschrift Pakse, was mich sehr beunruhigte. Noch dazu stand ich auf einmal vor einer riesigen Baustelle, die von weiter Entfernung aus gesehen keinen Verkehr durchzulassen schien. Ich folgte jedoch guten Mutes diesem Weg und wurde schließlich mit einer sehr gut ausgebauten Autobahn nach Pakse belohnt. Noch einmal kurz Kraftstoff für 5.000 Kip geholt und dann konnte ich den Roller auch mal so richtig ausfahren. Ich holte mir beim Verleih meinen Reisepass wieder und lief nach Hause.

Auf dem Weg traf ich aber die junge Kanadafranzösin Melissa im Restaurant. Wir unterhielten uns eine Weile und verabredeten uns zum Abendessen, zu dem ich sie dann auf Gentleman-Art auch einlud. Schließlich setzten wir uns am späten Abend noch mit einem laotischen Angestellten unserer Unterkunft zusammen, weil der gleichzeitig Englisch und Französisch lernen wollte. Dieser hatte ein auf Laotisch gehaltenes Buch, das die einfache englische Grammatik erklärt, wobei er jedoch unsere Hilfe benötigte. Er war erstaunt, dass ich die meisten laotischen Wörter auf Anhieb dank Thai lesen konnte und mich auch in einfachen Sätzen ausdrücken konnte. Wer ein bisschen Thai kann und weiß, welche Unterschied es zwischen Thai und dem Laotischen gibt, der kann letztere Sprache recht schnell sprechen. So erklärte ich die Aussprache der englischen Wörter, Melissa übersetzte ein paar Überlebenssätze ins Französische und der Einheimische korrigierte meine laotischen Vorlesungen. Bald gesellte sich noch ein anderer Angestellter dazu, der erstaunlicherweise vier Sprachen recht fließend sprach: seine native Minderheitssprache, Laotisch, Thai und Englisch. Einfach nur beneidenswert!

Leider stand ich am nächsten Morgen viel zu spät, das heißt 7.30 Uhr, auf, sodass ich – Frühstück und Anfahrt einberechnet – erst ein sehr spätes Songthaew in die 4000-Inseln-Region nehmen könnte. Wie Lonely Planet es schön vorschlägt, sagte ich dem wartenden Tuk-Tuk-Fahrer netterweise „Kriangkai“-Bushaltestelle. Dort sollten angeblich billige Songthaew nach Baan Nakasang nahe Don Det, meinem nächsten Ziel, abfahren. Der Tuk-Tuk-Fahrer gehorchte, und da ich wusste, dass es ein weiter weg bis zu der Station wäre, war ich von Anfang an bereit, ihm einen etwas höheren Betrag für die Fahrt zu geben. Nach einer kurzen Fahrt hielt er aber auf einem großen Busbahnhof an und meinte zu mir nur, dass mein Bus bereits abgefahren sei! Natürlich protestierte ich, dass ich nicht auf diese Station wollte, sondern viel weiter außerhalb der Stadt. Er zeigte mir an einem Schild, dass diese Bushaltestelle den Namen „Kriangkai“ trägt (ja, Lonely Planet hat auch nicht immer recht!) und dass ich ihm „Southern Bus Station“ hätte sagen müssen. Völlig empört gab ich ihm die versprochenen 10.000 Kip und suchte mir einen viel netteren Saamloo-Fahrer, der mich für nur 8.000 Kip viel weiter brachte, und zwar genau zu Songthaew-Station. Es war mittlerweile kurz vor neun.

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Von Pakse nach Don Det (29.03.2010)

Dort brauchte ich nur „Don Det“ zu denken, schon wurde ich in ein Songthaew (was wieder ein Saamthaew war) gezerrt. Der Rucksack landete auf dem Dach, ich im Gefährt und einen Preis konnte ich gar nicht aushandeln. Schön leer war der Dreireiher, der sich jedoch innerhalb weniger Minuten stark füllte. Schließlich wurde noch der Kanadier Bob aufgeladen, mit dem ich mich aber kaum unterhielt. Wir fuhren los. So schien es zumindest. Nach ganzen einhundert Metern blieben wir stehen. Dieser Zustand sollte auch noch etwa eine halbe Stunde so anhalten. Während keiner die Warterei verstand, wurden alle herumlaufenden potenziellen Passanten angequatscht, ob sie denn mitfahren möchten, bis das Fahrzeug wirklich voller als voll war. Die Kinder saßen auf dem Schoß der Eltern, um die Beine herum waren Reissäcke gestellt und einige Mitfahrenden mussten auf der Hecktreppe stehen. Es wurde zu einer mehrstündigen Fahrt über eine einzige gerade Straße, auf der immer wieder Leute auf- und abgeladen wurden, bis in Baan Nakasang praktisch nur noch der Kanadier und ich übrig waren. Wir wurden bis an den Mekong gefahren, von wo aus wieder eine teure Fähre (weil wir nur zu zweit waren) nach Don Det nehmen mussten. Die Fähre war nichts als ein schwimmendes Brett mit 08/15-Holzbänken und einem nutzlosen Dach, aber es war ganz angenehm, die 4000 Inseln zu durchqueren, um schließlich auf einer der Hauptinseln anzukommen.

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Don Det (29. – 30.03.2010)

Aus reiner Höflichkeit zeigte mir der Kanadier noch eine billige Unterkunft weit entfernt des touristischen Getümmels, woraufhin ich ihn noch zu einem Bier einlud. Nach einer Stärkung und kurzer Eingewöhnung mietete ich mir ein klappriges Damenrad ohne Gangschaltung, mit dem ich die Insel und vor allem die umliegenden Wasserfälle erkunden wollte. Don Det ähnelte praktisch einem großen Zeltplatz in Europa. Es war keine Gegend, in der ich mich wohlfühlte, also radelte ich so schnell wie möglich los. Ich hatte keine genaue Karte, nur eine Lonely-Planet-Übersicht des gesamten Si-Phan-Don-Gebietes.

Zufälligerweise traf ich unterwegs den Kanadier wieder, der mir erklärte, dass ich etwa vier Kilometer bis zu einer Brücke fahren sollte und es dann nur noch ein leicht zu findender Zwei-Kilometer-Weg bis zum Wasserfall sei – er beschrieb mir jedoch den Weg zum Tad Somphamit und nicht zum größten Wasserfall Südostasiens namens Khon Phapheng, was ich erst später herausfinden sollte. Die Beschreibung klang ja leicht – und so  kam ich auch problemlos an der besagten Brücke an, wo sich der so angenehme Sandweg plötzlich in einen Schotterpfad verwandelte. Denkbar ungünstig für ein Fahrrad fuhr ich immer weiter geradeaus und ignorierte wohl jegliches Hinweisschild, denn es kam kein Wasserfall. Ich hörte nicht einmal Wasser rauschen. Vor mir lag nur ein ewiger, endlos scheinender Waldweg, den ich mit niemals mehr als 5 km/h bezwingen konnte. Es war heiß, schwül, drückend, schweißtreibend, endlos und aussichtslos, es gab keinen Menschen weit und breit, ich hatte keine Orientierung, aber ständig Angst vor einem Platten. Würde ich je irgendwo ankommen? Aber ja, der Weg muss ja irgendwo hinführen … und wenn nicht zu einem Wasserfall, dann zu etwas anderem Interessanten. Ständig sagte ich mir: Noch bis zur nächsten Abbiegung und wenn dort nichts ist, dann drehe ich um. Aber entweder kam keine Abbiegung oder ich war einfach zu neugierig, was sich hinter der nächsten Kurve befinden könnte. Hin und wieder sah ich ein kleines Feuer mitten im staubtrockenen Wald lodern, bis ich schließlich nach gefühlten 10 Kilometern an einer Weggabelung ankam, auf die bald ein kleines Dorf folgte.

Hinter dem Dorf befand sich auch ein See … aber nein, es war der Mekong! Ich hatte also einmal die Insel Don Khon (die ich ja über eine Brücke von Don Det aus erreicht hatte) durchquert. Laut Lonely Planet musste ich am so genannten „Dolphin Spot“ gelandet sein. Dort saßen tatsächlich auch Touristen, mit denen ich aber kein Wort wechselte. Stattdessen ging ich direkt auf den Mekong zu, wartete, bis keiner der Dorfbewohner mehr hinsah, und sprang dann in den Riesenfluss. Ich schwamm ein paar Meter, bis mich recht große Fische umringten und mich aus dem Wasser vertrieben. Aber immerhin hatte ich meine Abkühlung, kaufte mir im Dorf noch ein Wasser und fuhr dann einen anderen, viel kürzeren und angenehmeren Weg zurück zur Brücke.

Ich fuhr noch einmal in eine andere Richtung, in der Hoffnung, den Wasserfall zu erreichen, aber ich merkte bald, dass es wieder die falsche Richtung war. So kehrte ich also um und erreichte den Wasserfall tatsächlich nach einigen Kilometern, allerdings im Mondschein und ohne eine Menschenseele! Nachdem ich ein bisschen über die Felslandschaft geklettert war, erspähte ich ein paar badende Einheimische, die ich lieber nicht stören wollte. So versuchte ich, trotz Warnschild mich immer weiter nach unten so weit wie möglich an den Wasserfall heran zu tasten, obgleich es ja keinen Weg dorthin gab. Aber ich schaffte es glimpflich, mit meinen Flip-Flops die Steinwände hinab- und erfolgreich wieder hinaufzusteigen. Die Gegend war bei Nacht und im Mondschein einfach nur idyllisch und ich hätte ewig dort bleiben können. Allerdings hatte ich bis nach Hause noch gute sechs Kilometer ohne Licht am Rad, immer am Wasser entlang (gefährlich!), vor mir. Diese bewältigte ich aber gekonnt und so hatte ich doch einiges an diesem eigentlich kurzen Tag geschafft.

In einem Reisebüro kaufte ich mir noch ein billiges Ticket nach Stung Treng (sprich: S-tüng Trscheng) in Kambodscha für den nächsten Tag und begab mich danach in meine Ecolodge. Bereits beim Betreten dieser sehr einfach gehaltenen Unterkunft auf einer Insel, die vor zwei Jahren noch nicht einmal Strom hatte, begrüßte mich eine riesige Kakerlake, die im Türrahmen sofort zu Bett ging, nachdem sie mich gesehen hatte. Die Nacht selbst war absolut unruhig, weil mir der Ventilator direkt ins Gesicht wehte, draußen der Wind das Dach fast abhob und schon gegen vier Uhr morgens die Hühner und Laoten um mein Haus herum zu arbeiten anfingen!

So war ich auch am nächsten Morgen der erste in jedem touristischen Restaurant, die meisten waren sogar noch geschlossen. Nach einem sehr günstigen Frühstück wartete ich mit ein paar anderen Touristen am Strand auf das Boot, dass uns zu dem Bus nach Kambodscha bringen sollte.

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Von Don Det nach Kratie (30.03.2010)

Auf der Bootsfahrt lernte ich den Kölner Chris kennen, mit dem ich mich dann die gesamte Busfahrt unterhielt. Bis zur kambodschanischen Grenze war es nicht weit. Alles raus aus dem Bus, zum Ausstempeln aus Laos anstellen (1 Dollar), dann zum Gesundscheck (noch mal 1 Dollar!), ein kambodschanisches Visum einsacken (23 Dollar) und zu guter Letzt noch mal zum Einstempeln nach Kambodscha (wieder 1 Dollar!?) anstellen, dann war ich in Kambodscha, dem wohl staubigsten Land in Südostasien. Alle waren durch die Grenze gekommen und … warteten, warteten, warteten. Worauf? Das wusste lange keiner. Etwa eine Stunde standen wir ratlos herum – bis irgendwann eine Kolonne von mindestens zehn schwarzen Lexus-SUVs die Grenzschranke passierte, vor unserem neuen Bus stehen blieb, eine Umschlagübergabe stattfand und die Kolonne sich schließlich weiter Richtung Kambodscha fortbewegte. Ich will gar nicht wissen, wie viele tausend Dollar sich in dem braunen Umschlag befanden! Jedenfalls ging es sofort nach dieser Aktion mit dem neuen Bus in alter Sitzordnung weiter nach Stung Treng, einem Ort, in dem es angeblich keine Touristen, keine Verleihstellen und nahezu keine Unterkünfte für Nicht-Kambodschaner gäbe, so zumindest der Ticket-einsammel-und-kontrollier-Mann in unserem Bus. Lange redete er auf mich ein, weil ich doch angeblich der Einzige, der dort aussteigen wollte, sei. Ich erfuhr, dass noch eine nach Kratie (sprich: Kratschje) wollte, ansonsten würden alle nach Siem Reap (sprich: Sjem Rijap) fahren oder in Stung Treng in einen anderen Bus nach Banlung verladen. Ich ließ mir nichts aufschwatzen und stieg in Kratie aus. Als ich meine Tasche herausholen wollte, sah ich einen anderen Touristen, der Gleiches tat. Er wollte auch in Stung Treng bleiben – und wieder redete der Ticketverkäufer auf uns ein. Das Ticket nach Kratie wäre von hier aus ja nur sieben Dollar; und um von dieser Stadt wegzukommen, gäbe es nur diesen einen Bus! Wir beide ließen uns überreden, aber handelten von sieben Dollar pro Person auf acht Dollar zusammen, also vier für jeden, herunter. Das war immer noch teurer als ein ursprüngliches Direktticket von Don Det nach Kratie, aber nun waren wir schon zu dritt, die in diese Einöde wollten.

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Kratie (30.03. – 31.03.2010)

In Kratie angekommen, stiegen also wirklich nur die Belgierin Katleen, der Chilene Alejandro und ich aus. Und wieder nervte uns der Ticketverkäufer! Da er ja in dieser Stadt zu Hause sei, kannte er sich bestens aus und empfahl uns gleich ein superbilliges Guesthouse für drei Dollar. Wir ließen es uns wenigstens zeigen und entschieden uns schließlich dafür. Der Chilene und ich teilten uns sogar noch diesen billigen Raum, sodass jeder nur unglaublich 1,50 US$ für eine Nacht bezahlte. Die Belgierin nahm einen eigenen Raum.

Nachdem wir uns kurz akklimatisiert und eingewöhnt hatten, gab es noch die Idee, von der uns der Ticketverkäufer erzählt hatte, zum so genannten „Dolphin Spot“ zu fahren, um dort die seltenen Irrawaddy-Delfine in freier Natur zu beobachten. Es schien von Anfang an recht teuer, sodass wir mit allen herumstehenden Motorrad- und Tuk-Tuk-Fahrern diskutierten, bevor wir uns schließlich entschieden, uns doch für drei Dollar pro Person darauf einzulassen. In dem besagten Guesthouse gab es noch eine Jugendgruppe bestehend aus Niederländern, Australiern und einer Kanadierin, die aber die Tour zu den Delfinen nicht mitmachen wollten.

Bevor uns der Fahrer bis zum Ziel brachte, hielten wir erst an einem ATM an, an dem uns der schon altbekannte Ticketverkäufer noch einen Bus nach Phnom Penh andrehen wollte. Das Angebot für sechs Dollar klang gut und so nahmen der Chilene und ich eines. Danach hielt er Tuk-Tuk-Fahrer an einer Tankstelle an und verlangte einen Vorschuss der Fahrtkosten, damit er den Preis für den Sprit begleichen konnte. Endlich fuhren wir drei ganze 17 Kilometer mit einem klapprigen Tuk-Tuk durch viele, viele Vororte von Kratie mit freundlichen, uns grüßenden Menschen, bis wir an der Stelle, an der man angeblich die Delfine zu Gesicht bekommen soll, ankamen. Lange diskutierten wir über den enormen Preis von sieben Dollar pro Person, aber mit dem Versprechen, das Geld bei erfolgloser Delfinsuche zurückzubekommen, willigten wir ein.

Dann begaben wir uns auf ein Boot und warteten … wie viele andere Touristen (wo die auf einmal alle herkamen?) auch. Ein paar Minuten vergingen, dann bewegte sich etwas im Wasser. Schnell die Kamera gezückt, schon war es vorbei. Dort wieder, und da, dort drüben, hast du das gesehen?, war das nicht ein Delfin?, oh, schau mal, so nah!, ach Mist, wieder nicht mit der Kamera erwischt … es war ein Geduldsspiel, die scheuen Tiere mit der Kamera einzufangen. Es war nahezu unmöglich. Dutzende Bilder eines leeren Sees wurden geschossen, bis zum Sonnenuntergang. Niemals sah man mehr als die Rückenflosse und den Rücken der Tiere, aber immerhin! Wir fuhren noch auf eine kleine Insel, von der aus wir bessere Bilder schießen wollten, aber vergebens. Da es so schwül an diesem Abend war, sprangen Alejandro und ich noch von der Bootsanlegestelle aus in den Mekong und hielten es keine zwei Minuten darin aus. Zitat Alejandro: „There’s a forest underwater!“ Nach dem Sonnenuntergang traten wir die Heimreise durch die bereits stockdunklen Dörfer an, suchten uns in der Stadt ein tolles Restaurant mit günstigem „amok trei“ und setzten uns mit den anderen, die wir ja schon vor der Delfintour kennen gelernt hatte, auf das Dach unserer Unterkunft.

Deren Bier war aber nach kurzer Zeit bereits leer, sodass wir uns entschieden, die Stadt unsicher zu machen. Im ersten Restaurant handelten wir 24 Dosen Bier für 20 Dollar aus, was uns einige Zeit kostete. Nachdem sich noch zwei Schweizerinnen und der Restaurantbesitzer zu uns gesellten, machten wir uns recht spät noch in die von Letzterem empfohlene Karaoke-Bar auf. Sie kostete fünf Dollar pro Stunde und befand sich in einer Privatwohnung auf einer Fläche von höchstens drei mal vier Metern inklusive Fernsehtisch, Ecksofa, Tisch und Toilette! Es war praktisch kein Platz für neun Leute in diesem Kämmerchen, aber dennoch hatten wir anderthalb Stunden großen Spaß beim englischen Karaoke mitten im eigentlich absolut nicht touristischen Osten Kambodschas. Zurück im Zimmer quatschte ich noch bis gegen drei Uhr nachts mit Alejandro, wobei ich zusehends müder wurde, bis ich schließlich fertig vom Tag einnickte und erst am nächsten Morgen gegen 7.30 Uhr wieder erwachte.

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Von Kratie nach Phnom Penh (31.03.2010)

Nach einer Dusche und einem sehr teuren, qualitativ aber billigen Frühstück mussten sich Alejandro und ich gar nicht bemühen, um den Bus nach Phnom Penh zu bekommen; es stand bereits ein uns abholender Motorradfahrer bereit, der zuerst den Chilenen, dann mich zum Bus brachte. Die Belgierin wollte ja noch mindestens einen Tag unter den Einwohnern Kraties weilen. Während ich warten musste, wurde ich von einer sehr jungen Kambodschanerin in recht gutem Englisch angesprochen bzw. angebettelt, ob ich ihr nicht ein Wörterbuch Khmer-Englisch kaufen könnte, weil sie so gerne Englisch sprechen möchte, aber kein Geld dazu hat. Den Ansatz fand ich ja sehr gut, aber die Masche war eindeutig: Geld vom Ausländer bekommen. Ich tue solche Sachen einfach nicht mehr; es lohnt sich einfach nicht. Wenn ich einem Menschen Geld gebe, kommen fünf weitere an und wollen ebendasselbe. Gebe ich auch diesen etwas, so potenziert sich die Anzahl der Bettler und man lernt gezwungenermaßen irgendwann, „nein“ zu sagen, auch wenn es vielleicht schmerzt. Zurück zur Reise: Der Motorradfahrer verlangte zunächst einen ganzen Dollar für den Service von einer Strecke, die wir in fünf Minuten hätten laufen können, obgleich der Pick-up ja im Ticket enthalten war. Ich steckte ihm empört 1000 Riel entgegen und damit war gut.

Wir waren uns nie sicher, dass wir im richtigen Bus saßen, weil er a) gen Norden fuhr, b) pink war und c) nur Kambodschaner darin saßen, von denen der Großteil Mönche waren. Auf dem Weg wurden immer ärmere Menschen aufgegabelt, die aussahen und rochen, als kämen sie gerade vom Feld. Die Zähne sahen aus wie noch nie geputzt (gelb und schwarz oder gar nicht mehr vorhanden) und der Geruch dieser Feldarbeiter ähnelte dem eines Fußes, der schon sechs Monate in Gips lag. Nach einem kurzen Stopp an einer Tankstelle, an der man wohl noch nie Ausländer gesehen hatte, waren wir uns recht sicher, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Die Fahrt hatte uns ganze 7½ Stunden gekostet, also würden wir wohl an diesem Tag nicht mehr viel in Kambodscha machen können. So würde ich auch einfach noch eine Nacht länger als geplant bleiben – was ich sowieso musste, da mein vietnamesisches Visums aufgrund eines Fehlers bei der Beantragung erst ab 2. April galt.

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Phnom Penh (31.03. – 02.04.2010)

In Phnom Penh wurden wir sofort von Tuk-Tuk-Fahrern umringt, von denen sich einer anbot, uns für einen Dollar bis zum „Number 9 Guesthouse“ zu kutschen. Das tat er wahrscheinlich auch, hielt aber vor einem Typen, der uns unaufgefordert ins „Green Lake Guesthouse“ brachte. Zunächst versprach er uns ein Zimmer für drei Dollar, zeigte uns aber nur die für fünf Dollar. Auf unseren Wunsch offenbarte er dann eine schäbige Kammer für weniger Geld, das wir aber nicht zu zweit hätten bewohnen dürfen. Wir entschieden uns also für ein Doppelzimmer für fünf Dollar.

Der Rezeptionist dieses uns aufgezwungenen Hauses war nicht nur unfreundlich, sondern regelrecht beleidigend. Es fing schon damit an, dass wir die eine Nacht, die wir erst einmal nahmen, um uns die Möglichkeit offen zu halten, für die zweite Nacht eine andere Unterkunft zu suchen, im Voraus bezahlen sollten. Das an sich ist ja kein Problem, aber er wollte das Geld jetzt haben und uns die Quittung nach dem Auschecken am nächsten Tag geben. Den Sinn verstand ich nicht und so protestierte ich: Er bekommt das Geld, wenn wir die Quittung bekommen, oder wir bezahlen einfach am nächsten Tag, wenn er bereit wäre, uns den Beleg auszustellen. Das kapierte er wiederum nicht und schusterte widerwillig einen Zahlungsnachweis zusammen, wobei ihm aber der Kommentar „I’ve seen a German like you“ herausrutschte. Ich steckte das Geld zurück mit den Worten „One word like this, and I‘ll check out“. Mit einem frechen „Pff“ schob er mir die Quittung zu und forderte das Geld ein. Ich sah es zwar schlecht angelegt, aber willigte schließlich ein, wenigstens eine Nacht dort zu weilen.

Wir besprachen die Situation in unserem tollen Zimmer mit zwei Ventilatoren, bis Alejandro einen günstigeren Preis mit „guten“ Worten aushandeln wollte – ohne Erfolg. Wir bestellten uns in der sehr schön eingerichteten Lobby mit Seeblick etwas zu essen, wobei aber Alejandros Spaghetti niemals kamen und er auch feststellen musste, dass der Rezeptionistenfuzzy einfach nur unglaublich unfreundlich war.

Wir schauten uns in unserem Ghetto um, kamen an einer Art Moschee vorbei und liefen eine lange Avenue entlang, bis wir nach ewigem Fußmarsch endlich an dem Motorradverleih „Lucky, Lucky!“, der auch von Lonely Planet empfohlen wurde, ankamen. Da ich die ganzen Touristen-Attraktionen schon mal gesehen hatte und Alejandro sowieso noch ein Tag länger als ich bleiben würde, entschieden wir uns dafür, uns für vier Dollar am Tag je einen Motorroller zu nehmen und so die Stadt ohne Verkehrsregeln auf unseren Bikes unsicher zu machen. Ich hatte natürlich meinen Reisepass im Zimmer liegen lassen, sodass Alejandro den Kopf herhalten und für beide gemietete Motorräder haften musste. Zwar gefiel mir mein Helm überhaupt nicht, aber egal, es war Kambodscha! So schwangen wir unsere Hintern auf die Bikes und ab ging es über die unendliche Phnom Penher Autobahn in die Nacht hinein. Wir fuhren ziellos immer in eine Richtung und da es eine Art Außenring gab, kamen wir schnell wieder in die Stadt hinein. Wir kehrten kurz wieder in unseren Bezirk zurück, um pakistanisch zu essen und dann ging es wieder auf die Räder. Da die Straßen mittlerweile immer leerer geworden waren, konnten wir sie gut für ein Straßenrennen nutzen. An diesem Tag fuhren wir bereits das erste Mal den Tank leer.

Wir suchten uns besonders dunkle Gassen, schwierige Wege und wenig überschaubare Straßen aus, um eben gerade nicht die Touri-Gebiete zu sehen … bis wir kurz vorm Flughafen standen und Alejandro einen Platten beklagte. Was für ein Pech nachts um eins! Aber glücklicherweise fanden wir bald jemanden, der zwischen Einzelteilen ohne Dach auf der Straße saß und eine Honda reparieren konnte. So flickte er für einen Dollar kurzerhand den Hinterreifen, und wir konnten in unsere Unterkunft zurückkehren.

Mein Ziel für den folgenden Tag hieß Stung Meanchey, das ärmste Viertel von Phnom Penh, in dem sich Müllberge türmen und die Menschen vom Verkauf des angehäuften Unrats leben müssen. Ich wollte mir diese unglaubliche Müllstadt in der Großstadt einfach ansehen, denn sie ist auf keiner Touristenkarte verzeichnet und wird in keinem Reiseführer erwähnt – so, als würde sie nicht existieren! Grund genug dafür, unsere Motorräder dorthin zu quälen.

Vorher gab es aber noch in einem Restaurant, das nicht für Touristen gedacht war und die Speisen nur auf Khmer hatte, glücklicherweise mit Bildern. Mir schmeckte das ungewöhnliche Frühstück, während es dem Chilenen etwas gegen den Strich ging. Dann ging es los, zunächst zum Ticketverkauf für meinen Bus am nächsten Tag und dann immer Richtung Südwesten, kann ja nicht so schwer sein. Wir irrten aber etwa eine Stunde in der Stadt herum und fanden den „Ausgang“ nicht. Schließlich in Stung Meanchey angekommen, hätten wir wohl in eine der Seitengassen, die auf Hinterhöfe zu führen schienen, abbiegen müssen, um in den eigentlichen Müll zu kommen, taten es aber nicht, sondern folgten einer langen Straße immer weiter Richtung Süden. Es gab dort zwar Deponien und sehr arme Menschen, aber nicht das, was ich eigentlich hatte sehen wollen. Wir versuchten bald, über einen Umweg nach Phnom Penh zurückzukehren, machten kurz Halt an einem Shop mit zwar kühlen, aber seltsamen Getränkedosen und einer verwunderten Verkäuferin, die um einiges jünger als wir war, und gelangten in eine wunderschöne Stadt namens Ta Khmau am Bassac-Fluss. Ein paar kambodschanische Kinder hatten wahnsinnigen Spaß an uns, aber mehr als „Hello“ und „Su-e sdei“ war an Gesprächen nicht drin. Also kehrten wir den Leuten dort bald den Rücken und kamen endlich wieder in Phnom Penh an – doch warum sollten wir schon wieder zurück in unser Guesthouse? Der Spaß sollte erst noch anfangen!

Statt direkt weiter in die Stadt zu fahren, bogen wir über eine Brücke nach Osten in einen anderen Randbezirk ab, wonach wir auf eine mehrere Kilometer lange Nationalstraße, die sich vollkommen einer Restauration unterzog und so lediglich aus festgefahrenem Sand bestand, gelangten. Trotz Einspurigkeit in beiden Richtungen quetschten sich auch mal kleinere Autos und Tuk-Tuks an den großen Lastern vorbei, selbst wenn ein ebenso riesiges Gefährt entgegen kam. Wir auf unseren Motorrädern zogen in dieser Lebensmüdigkeit mit und waren wohl die Schnellsten auf der gesamten Strecke. Zwischen geschätzten 60 und 80 Stundenkilometern ging es im Slalom um die LKWs herum, um schlussendlich in Kien Svay zu landen. Dort verbrannte sich beim kurzem Trinkstopp Alejandro sein Bein an dem Auspuff meines Motorrads, woraufhin wir uns entschlossen, schnellstmöglich zurück zu unserer Unterkunft in Phnom Penh zu fahren. Es ging also wieder die gesamte Strecke lebensgefährlich mit Höchstgeschwindigkeit durch die Lasterkolonnen, „zu Hause“ tankten wir bei einem Shake wieder etwas Energie und schafften die Bikes dann wieder zurück zum Verleih. Wir aßen noch sehr günstig in einem Restaurant mit einer sehr hübschen vietnamesischen Bedienung, weshalb ich mich eigentlich auch auf Vietnam freute, beglichen alle offenen Rechnungen im „Green Lake Guesthouse“ und verabschiedeten uns schon einmal voneinander, weil ich am nächsten Morgen ziemlich zeitig aufstehen würde. Zum Abschluss schenkte mir als Hobby-Numismatiker Alejandro noch ein paar chilenische Münzen und erzählte mir von seinem Heimatkontinent.

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Von Phnom Penh nach Hồ-Chí-Minh-Stadt/Sài Gòn (02.04.2010)

So geschah es dann auch: Pünktlich 7.30 Uhr wartete ich am Eingang unseres Guesthouse samt Gepäck auf das Pick-up-Tuk-Tuk, das mich erwartungsgemäß zu meinem Bus nach Hồ-Chí-Minh-Stadt (im Folgenden nur noch Sài Gòn) bringen sollte. Stattdessen sprach mich aber ein blau uniformierter Mann an, wo ich denn hinwollte. Nachdem wir beide mitbekommen hatten, dass er mein „Abholer“ war, sollte ich ihm zu seinem Wagen folgen. Dieser sah als schwarzer Minivan alles andere als vertrauenswürdig aus, aber mir blieb ja keine Wahl außer einzusteigen. Noch dazu war ich der Einzige in dem geräumigen Auto. Wie konnte man am frühen Morgen nur in Phnom Penh ein vierrädriges Gefährt mit mindestens zehn Sitzen für einen Abholdienst von nur einer Person einsetzen!?

Der Fahrer hatte auch keine Ahnung, wo ich überhaupt hinsollte. Glücklicherweise hatte ich am Vortag aufgepasst, als mir die Ticketverkäuferin nebenbei mitteilte, der Bus fahre nicht wie üblich an einer Bushaltestelle, sondern nahe dem Olympiastadion ab. Das musste ich meinem klugen Abholer natürlich sagen, denn der fuhr völlig falsch. Schließlich kamen wir aber doch pünktlich an. Zwei Dinge an diesem vietnamesischen Bus merkte ich sofort, die meinen späteren Eindruck von Vietnam noch bestätigen sollten: Obwohl die Fahrt ewig nicht losging, wurde ich unfreundlich darauf hingewiesen, dass ich doch bitte endlich einsteigen solle. Am Vortag war mir ein Frühstück und Getränk für die Busfahrt versprochen worden, weshalb ich nichts vorher gegessen und mir nichts gekauft hatte. Fehler, denn wenn Vietnamesen etwas gut können, dann ist es, etwas Minderwertiges einem geschickt schmackhaft zu machen: Das Frühstück bestand aus einem zermatschten, lauwarmen, mit Käse überbackenem (dass ich Letzteres nicht mag, ist ja meine Schuld) Bagel, den ich selbstverständlich verschmähte, und das Getränk war ein warmes Wasser ohne Sprudel, auch nicht gerade lecker.

Vor der Abfahrt wurden die Reisepässe eingesammelt und auf ein vietnamesisches Visum überprüft. Pünktlich 8.15 Uhr ging es los. Eine kurze Auflockerung zwischendurch gab es nach gut anderthalb Stunden, als wir den Mekong bei Neak Luong überqueren mussten. Auf unserer Fähre befand sich neben Passanten und Motorradfahrern auch ein Personentransport, wie man ihn extrem oft in Kambodscha sieht. So werden meist weit mehr als zwanzig arme Menschen in einen kleinen Van gequetscht, der für nicht einmal die Hälfte dieser Anzahl vorgesehen ist. Bilder sind in solchen Situationen aussagekräftiger.

Kurz vor dem Mittag gab es noch einen Stopp in Bavet, der Grenzstadt auf kambodschanischer Seite, in der ich mich mit Reis, Brot und Fanta für die letzten Kilometer stärkte. Bavet schien eine wichtige Spielhallenstadt zu sein, denn neben besagten Casinos fanden sich auch teure Oberklassehotels in näherer Umgebung. Nach ein paar Minuten Fahrt erreichten wir die Grenze.

Alle sollten aussteigen und einige, einer davon ich, bekamen ihren Reisepass wieder, um ihn abstempeln zu lassen und danach wieder abzugeben. Danach ging es schon weiter, bis wir das Grenzgebäude von Vietnam in Moc Bai erreichten. Dort standen wir eine gute halbe Stunde sinnlos vor dem Schalter, weil unsere Reisepässe ja eingesammelt worden waren. Keiner wusste Rat – bis der Schaffner, der unserer Passports ja einkassiert hatte, anfing, laut die Namen der vietnamesischen Passagiere aufzurufen und ihnen ihre Reisepässe wieder aushändigte. Die Ausländer wurden gemäß ihrer Nationalitäten gerufen: Der Pass war tatsächlich vollständig abgestempelt worden und ich war in Vietnam.

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Hồ-Chí-Minh-Stadt/Sài Gòn (02. – 03.04.2010)

Gegen 14 Uhr erreichten wir Sài Gòn. Auf den letzten paar Kilometern unterhielt ich mich noch mit der Chinesin Li Wei, die zwar schon die ganze Zeit neben mir gesessen, aber mit der ich kein Wort vorher zu wechseln verstanden hatte. Sie gab mir aber einen essentiellen Tipp für meinen Aufenthalt in Vietnam: Die vollständige Adresse stehe immer in bestimmter Reihenfolge an nahezu jedem Haus, sodass man sofort wisse, in welcher Stadt, welchem Distrikt und welcher Straße man sich gerade befinde. Der Bus hielt glücklicherweise in der Phạm Ngũ Lão, dem Ausländerviertel von Sài Gòn überhaupt, aber ich lief in die falsche Richtung und nahm ein Motorradtaxi zur Đường Đề Thám, in der sich bekanntlich alle billigen Unterkünfte befinden sollten. Ein Zimmer für fünf US-Dollar zu finden, stellte sich als schwierig heraus, aber ich hatte Erfolg und mir wurde ein Dorm auf dem Dach eines Hauses namens „Yịnh Guesthouse“ angeboten. Den beschwerlichen Aufstieg bis ins sechste Stockwerk machte die wunderbare Aussicht über die Innenstadt von Sài Gòn wett, sodass ich mich für dieses „Zimmer“ entschied. Im Prinzip waren es lediglich Betten auf einem Dach, das mithilfe eines Zaunes als Wände und einer Pappdecke den Eindruck eines Zimmers erweckte. Beim Einchecken musste ich ungewöhnlicherweise meinen Reisepass abgeben, was ich aber ohne Murren tat.

Anschließend wollte ich mir ein Fahrrad holen, da ich auf diese Weise die Stadt schneller erkunden könnte, aber es gab nur ein nicht sehr viel Vertrauen erweckendes Rad, sodass ich doch lieber einen Motorroller für fünf Dollar nahm. Ein Schloss gab es dieses Mal nicht dazu. Wieder sollte ich meinen Reisepass abgeben, aber da ich das ja bereits im „Yịnh Guesthouse“ getan hatte, überredete ich den Verleiher, doch meinen deutschen Führerschein als Pfand zu akzeptieren. Was für eine Ironie: Ich gebe meinen Führerschein ab, um ein motorisiertes Fahrzeug zu steuern! Das versuche mal einer in Europa.

So ging es also über die chaotischen Straßen von Sài Gòn bis zur ersten Tankstelle. Für 50.000 Đồng war der Roller voll. Das eigentliche Chaos merkte ich erst im Kreisverkehr: Es gibt in Sài Gòn praktisch keine Verkehrsregeln, dafür aber Millionen Motorroller und umso weniger vierrädrige Fahrzeuge. Ampeln sind oft Deko, die Fahrtrichtung muss nicht immer eingehalten werden, Bürgersteige sind auch für Motorräder da und wer eine Straße überqueren will, tut das einfach. Man kann eine Straße zu Fuß, auf dem Fahrrad oder mit einem Motorroller überqueren, ohne dabei auf die einhundert einen umzingelnden Roller zu achten, weil die ja schon auf denjenigen achten, der lebensmüde über die Straße läuft. Nicht umsonst wird Sài Gòn die Stadt mit dem verrücktesten Verkehr weltweit geschimpft. Mit meinem neu erworbenen Gefährt fuhr ich zunächst ein paar Straßen Sài Gòns ab und orientierte mich an … hm, woran eigentlich? … an gar nichts – bis ich die Probe aufs Exempel machte und versuchte, wieder nach Hause zu finden. Das Ganze kostete mich eine gute Stunde und etwa zwanzigmal anhalten, weil ich bei dieser undurchsichtigen Straßenführung ständig auf die Karte schauen musste. Das sollte es für heute auf dem Ding gewesen sein.

Ich holte mir einen Hot Dog und wollte den nach einem Shake in einem Restaurant in meinem Bett auf dem Dach essen, doch dazu kam es nie: Die ersten zwei Vorhaben klappten zwar, aber als ich in dem Restaurant saß, kam ich dank einer Buchverkäuferin, wie man sie zuhauf in ganz Vietnam und Kambodscha findet, mit dem Reisenden Mike tschechisch-englischer Abstammung und dem älteren kanadischen Ehepaar Michelle und Tony ins Gespräch, in dem es hauptsächlich um Lonely-Planet-Plagiate und Reiseberichte ging. Mit Mike leerte ich noch ein paar Biere und dann suchten wir nach einer billigeren Unterkunft für die nächste Nacht, wobei ich aber vergaß, dass ich eigentlich nur diese eine Nacht in Sài Gòn bleiben wollte. Jedenfalls fanden wir die uns empfohlene Bleibe nicht und so gingen wir getrennte Wege.

Mittlerweile war der Schwede Kiet mit vietnamesischen Wurzeln in meinem Dorm aufgetaucht – so waren wir zu zweit auf dem Dach. Also unterhielten wir uns noch eine Weile, bis wir beide hundemüde ins Land der Träume verschwanden.

Für den nächsten Tag hatte ich mir einen Ausflug zu den Củ-Chi-Tunneln mit dem Motorrad vorgenommen. Ich checkte bereits gegen neun aus und ließ meine Tasche im Guesthouse stehen. Lonely Planet meinte, bis zu den Củ-Chi-Tunneln, einem unterirdischen 200 Kilometer langen Netzwerk aus Tunnelgängen, die von den Viet Cong als Basis und Versteck vor den Amerikanern im Vietnamkrieg genutzt wurden, wären es stadtauswärts nur 23 Kilometer. Kann ja nicht so schlimm sein. Also fuhr ich los und fand schon ewig keine Straße, die aus Sài Gòn herausführte. Noch dazu war es furchtbar heiß und ich hatte keine Sonnencreme dabei. Irgendwann kam ich schließlich auf eine Autobahn, die nach Củ Chi führen sollte. Autobahn in Vietnam heißt, dass sie problemlos auch mit Motorrollern befahren werden kann, da es dafür meist sogar abgetrennte Fahrbahnen gibt. Auf einer Doppelspur in jeder Richtung fahren gewöhnlich Autos und große Lastwagen, wahlweise aber auch Motorräder. Ich war wieder der schnellste, weil ich nicht verstehen konnte, wieso die Vietnamesen alle so über die Schnellstraße kriechen müssen.

Es war eine endlose Fahrt, heiß und staubig, weit mehr als 23 Kilometer. Und dann war ich in Củ Chi. Dort entschied ich mich, mal von der Autobahn abzufahren und nach Schildern zu den Tunneln zu suchen, aber Fehlanzeige: Selbst wenn es mal Schilder gab, dann waren sie auf Vietnamesisch. Wie man „Tunnel“ in dieser seltsamen Sprache sagte, wusste ich nicht. Ich fuhr, fuhr und fuhr einfach durch die Stadt … bis ich doch tatsächlich mal einen Hinweis auf Englisch mit einer Übersetzung ins Vietnamesische darunter sah. So fand ich den Weg und kannte auch das Wort für „Tunnel“ auf Vietnamesisch.

Noch ein Rückschlag: Es standen niemals die noch zurückzulegenden Kilometer bis zu den Tunneln an den Schildern. Ich fuhr also wieder lange, lange den Hinweisen hinterher und schließlich gab es einen Abzweig, der nach links 14 km und nach rechts wohl 1 km zu den Tunneln anzeigte. Beim schnellen Vorbeifahren registrierte ich nur die linke Seite des Schildes und so dauerte es weitere 20 Minuten und ein heftiges Schlagloch (was ins Auge hätte gehen können), bis ich endlich an dem ach so touristischen Ausflugsziel nahe Sài Gòn ankam: den Bến-Dược-Tunneln bei Củ-Chi.

Ich sollte mein Motorrad abstellen und 70.000 Đồng Eintritt hinblättern. Danach schlenderte ich durch den Bến-Dược-Tempel und suchte den eigentlichen Eingang zu den Tunneln. Mehrere herumlungernde Vietnamesen wiesen mir den Weg zu einer kleinen Hütte, wo mir gleich ein Führer aufgedrängt wurde. So hatte ich mir das zwar nicht vorgestellt, aber da die Führung kostenlos war, folgte ich dem Menschen halt zunächst zu einem langweiligen Schwarz-Weiß-Film und danach einem anderen zusammen mit Koreanern zu den Tunneln. Er zeigte uns ein paar Einstiegslöcher, einen Bombenkrater und Fallen, dann stiegen wir hinab in ein paar unterirdische Gänge mit einer Höhe von höchstens einem halben Meter und aßen schließlich eine mir unbekannte, aber dank übersprungenen Mittagessens sehr willkommene Frucht, die angeblich die Viet Cong an genau derselben Stelle vor 40 Jahren schon zu sich nahmen. Wir landeten nach ein paar weiteren Tunnelgängen und Erklärungen in geradeso akzeptablem Englisch an einem kleinen Imbiss, wo ich mich bei einer Flasche Wasser ein Weilchen mit den Koreanern unterhielt, die mich dann freundlicherweise in ihrem Auto bis zu meinem Motorrad fuhren. Das war’s schon. Nicht sehr weltbewegend und etwas enttäuschend für diese weiter Strecke.

Der Rückweg gestaltete sich schwierig, weil an vietnamesischen Autobahnschildern nur äußerst selten die größte Stadt oder Richtung geschrieben steht, sondern meist nur das nächste kleine Kuhkaff. Ich fuhr also ewig in die eine Richtung und kein Ort kam mir bekannt vor, also drehte ich um, bis ich nur noch Schilder sah, die den nach Moc Bai anzeigten: Das war die Grenzstadt zu Kambodscha, also auch falsch. Ich fragte kurz einen Dorfbewohner, der sinnlos an der Autobahn herumstand und drehte wieder um. So war ich wenigstens auf dem richtigen Weg, aber zwischen all diesen Motorrädern war das gar nicht so leicht. Alles war in Ordnung … bis ich plötzlich eine junge Fahrerin bei Rechtsverkehr auf der rechten Seite überholen wollte. Ja, okay, das macht man eigentlich nicht, aber in Vietnam war das bisher auch immer egal gewesen. Konnte ich wissen, dass sie gerade in diesem Augenblick ohne Blinkzeichen nach rechts von der Autobahn abfahren wollte? Nein, also überholte ich sie – und sie fuhr in meine Seite hinein, fiel hin und tat sich weh. Ich hätte weiterfahren können, aber aus Höflichkeit stieg ich ab und versuchte, wenigstens mitleidig zu tun. Da sie und alle umstehenden Menschen ohnehin kein Englisch konnten, bestand der einzige Wortwechsel aus meinem „xin lỗi“ und ihrem gequält gemimten „okay“. Ein anderer Mann schickte mich fort und so fuhr ich von dannen … direkt zum Verleih. Der Spiegel, der durch ein Schlagloch extrem locker und damit so unbrauchbar geworden war, dass er auch ruhig hätte ganz abfallen können, wurde nicht beanstandet und ich bekam meinen Führerschein wieder. Was für eine Tour! Ach ja, meine Arme waren selbstverständlich auch verbrannt, mehr als verbrannt!

Nun musste ich mir noch die Zeit bis 20 Uhr vertreiben. Ich suchte mir ein Restaurant mit günstiger Pizza im Angebot und bestellt wie immer meine leckere Funghi – aber bitte ohne Käse. Völlig irritiert wirft mir die Bedienung vor: „no have“. Ich wollte wissen, wieso sie keine Pizza ohne Käse hätten. Was wäre denn so schwer daran, einfach den Käse wegzulassen!? Nun ja, sie würden wohl nur einfach Fertigpizza in den Ofen schieben, schlussfolgerte ich. Prinzipiell falsch bestellte ich in diesem Restaurant einfach etwas anderes. Ich hätte das Lokal eigentlich wechseln sollen. Anschließend zog ich mich in meinem bereits abgemeldeten Zimmer des einstigen Guesthouse um und schrieb bei einem Apfel-Shake in einem anderen Restaurant die letzten Erlebnisse in mein Notizbüchlein. Ich setzte mich allein an einen Vierertisch in der Nähe des Eingangs, was der Bedienung nicht gefiel. Ein in Hongkong lebender Brasilianer bot mir einen Platz an und wir unterhielten uns eine Weile auf Deutsch. Dann musste ich zum Bus. Abfahrt pünktlich 20.30 Uhr. Zwar saß ein Vietnamese neben mir, was automatisch weniger Platz zum Schlafen bedeutete, aber der stieg mitten in der Nacht irgendwo aus, sodass ich mich bald quer den zwei Sitzen ausbreiten konnte.

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Nha Trang (04. – 05.04.2010)

Wir kamen gegen 5.30 Uhr in absolut morgendlicher Frühe in Nha Trang an und wurden sofort von Motorradfahrern (schlafen die eigentlich nie!?) von Hotelangeboten überschüttet. Von Anfang an machte ich ihnen klar, dass ich nichts über 5 US$ nehmen würde und mich eine Fahrt dahin nicht mehr als 10.000 Đồng kosten darf. Ein Fahrer erbarmte sich und fuhr mich zu einem Hotel, das eigentlich noch geschlossen hatte. Da man mir dort nichts für unter sechs Dollar anbieten konnte, verlangte ich eine Weiterfahrt zum nächsten. Das Triệu-Mẫn-Guesthouse dagegen hatte solch ein billiges Zimmer, sogar mit Fernseher, zwei Betten und nicht zu bedienender Klimaanlage, dafür aber mit einem Ventilator und abgetrenntem Bad. Manko war halt, dass die Vermieter des Englischen nahezu nicht mächtig waren.

So wirklich Lust hatte ich zu gar nichts, nicht einmal am Strand liegen wollte ich, weil es einfach noch so früh am Morgen war. Also schlief ich bis zum Mittag, ging kurz essen, suchte einen Waschservice, fand aber keinen, wusch also meine Sachen selbst, infolgedessen das Bad zwei Wochen unter Wasser stehen sollte, und legte mich wieder ins Bett. Damit ich überhaupt noch etwas Produktives an diesem Tag machte, lief ich gegen 16 Uhr zum Bahnhof und kaufte mir ein unglaublich teures Ticket für fast 300.000 Đồng nach Huế für den nächsten Tag. Obwohl es schon sehr dämmrig war, begab ich mich noch zum „Giant Buddha“, der auf einer Anhöhe thronte und von weither sichtbar war. Als ich den Aufstieg gefunden, die Treppen bewältigt und an der Statue angekommen war, wurde ich sofort wieder von absolut seltsamen Fliegen, die furchtbar lästig wie Mücken waren, nicht stechen konnten, an meinem Schweiß kleben blieben und wie kleine Hausfliegen aussahen, vertrieben.

Ich holte mir ein Sandwich, verspeiste eine Pizza (ja, ohne Käse!) und legte mich an den mondbeschienenen Strand von Nha Trang. Nach einer Weile wurde mir langweilig und ich marschierte immer gen Süden am Wasser entlang, bis ich an einen Hafen kam und über die Straße zurückkehrte. Könnt ihr euch vorstellen, dass ich bei dem Spaziergang über die belebte Straße von guten drei Kilometern die ganze Zeit der einzige Fußgänger war? Wenn ein Vietnamese eine gewisse Strecke zurücklegen muss, nimmt er seinen Roller (in Ausnahmefällen auch sein Auto) oder setzt sich auf einen von jemand anderem oder winkt einen Cyclo-Fahrer heran oder leistet sich ein teures Taxi. Die Alternative, auch einmal zu laufen, gibt es nicht.

Da ich am nächsten Tag nicht erst bei absoluter Mittagshitze am Strand verbrennen wollte, hatte ich eigentlich vorgehabt, so zeitig wie möglich aufzustehen. Gelang mir aber nicht. Mein Frühstück hieß Chips – um 10. Dann checkte ich aus und ließ meine Tasche bis zum Abend im Guesthouse. Eine ganze Stunde hielt ich es am Strand aus, dann wurde es mir wieder langweilig. Ich bin einfach kein Strandlieger. In weiter Entfernung hatte ich eine Schwebebahn gesehen, die eine Nha Trang vorgelagerte Insel mit dem Festland verband. Sie führte direkt zum Erlebnispark „Vinpearl“ auf der Insel Hòn Tre. Wieder lief ich die Strecke am Strand Richtung Süden ab, wie in der Nacht zuvor, musste aber ab Hafen auf die Straße wechseln, weil es keinen Strand mehr gab. Das war mir irgendwann zu heiß, also ließ ich mich mit einem Motorrad für 10.000 Đồng zur Basis der Schwebebahn bringen (man muss „capo“ sagen, so nennen die Einheimischen dieses Ding nämlich). Als ich mich nach den Preisen erkundigte, erschrak ich mich bei den horrenden Summen: 320.000 Đồng sind für vietnamesische Verhältnisse kein Pappenstiel, aber natürlich nichts im Vergleich zu unseren deutschen Eintrittspreisen. Dieser Betrag enthielt zwar Eintritt zum Erlebnispark sowie An- und Abreise mit Schwebebahn oder Boot, aber ich hatte das Geld einfach nicht dabei, da ich ja nicht beabsichtigte, in den Park zu gehen, sondern nur die Seilbahn zu nutzen.

Ich entschied mich, wieder für 25.000 Đồng nach Hause zu fahren, um dort in einem nahe gelegenen Meeresrestaurant extrem teuer schlecht Mittag zu essen, weil die scheinbar billig scheinenden Bananengarnelen mich niemals hätten satt machen können und ich mir noch unglaublich scharfen Chili-Reis dazu bestellen musste. Um die Zeit bis zum Abend, wenn mein Zug fahren würde, zu überbrücken, surfte ich eine Weile im Internet, legte mich dann an den Strand, schlief dort ein, surfte wieder im Internet und ließ mich dann für 20.000 Đồng mit einem Cyclo zum Bahnhof fahren. Die Abfahrt verschob sich bis 19.40 Uhr, sodass ich vor lauter Langeweile viel zu teure Kekse, von denen ich nur die Hälfte essen würde, kaufte.

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Von Nha Trang nach Huế (05. – 06.04.2010)

Als der Zug dann endlich einfuhr, wunderte ich mich schon, dass ich für mein teures Ticket lediglich im ersten, also qualitativ schlechtesten Wagen saß. Dabei würde ich nur nach Huế fahren und nicht, wie andere Passagiere, gleich nach Hà Nội. Der Sitz war wenigstens weich, es gab aber scheinbar keine Platznummern, sodass ich mich einfach irgendwo hinsetzte. Der Schaffner kam und hätte ja spätestens jetzt meckern können, dass ich auf dem falschen Platz säße, aber das tat er nicht und lochte mein Ticket problemlos. Der Fernseher war vietnamtypisch extrem laut und nervig und ohne Untertitel, sodass ich Mühe hatte einzuschlafen.

Die Nacht war ruhig, bis in frühester Morgenstunde überkorrekte Leute einstiegen, die auf ihrem Platz bestanden, und zwar auf dem, den ich schon viele Stunden lang vorgewärmt hatte. Da es noch dunkel war, konnte ich wieder keine Platznummern im Zug entdecken. Noch dazu konnten diese Leute inklusive Schaffner kein einziges Wort Englisch außer „nine“, meiner Platznummer, was ich sogar auch auf Vietnamesisch konnte! Manchmal erschrak ich regelrecht, dass ich nach ein paar Tagen in Vietnam schon mehr von ihrer Sprache beherrschte als sie Englisch nach vielen Jahren Unterricht! Oder was lernen die denn in der Schule!? Sie zeigten stets auf das andere Ende des Waggons, aber ich beharrte auf meinem Recht, einfach sitzen zu bleiben, solange mir mein richtiger Platz nicht gezeigt würde. Da sie das eben nicht tun konnten beziehungsweise nicht verstanden, blieb ich sitzen und eine stinkende Oma setzte sich auf den gerade neben mir frei gewordenen Platz.

Die Fahrt ging weiter. Die eben überkorrekten Leute stiegen aus und … wer hätte es gedacht, an dieselbe Stelle kamen nun neue Reisende, die sich ebenfalls beschwerten, dass ich auf einem mir nicht zugewiesenen Platz säße. Doch diesmal war es anders, nämlich hell. Ich konnte endlich sehen, wo die mickrigen, schlecht lesbaren Platznummern standen, und zwar grau auf schwarzem Untergrund am Vordersitz. Wie hätte ich die in der Dunkelheit finden können? Ich gab also nach und zog um. So musste sich ein Mann leider von „meinem“ Platz entfernen und auf seinen Sitz mit abgebrochener Lehne setzen … aber ich war nicht schuld. Da ich nun andersherum saß, war ich völlig irritiert und dachte ständig, wir würden in die falsche Richtung fahren, auch wenn die Sicht aus dem Zug herrlich war: Es ging an Steilküsten und Felswänden vorbei und man hatte kontinuierlich einen tollen Ausblick auf das Meer bis zum Horizont. Diese Strecke zählt auch zu den schönsten der Welt.

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Huế (06. – 07.2010)

Gegen acht Uhr morgens kamen wir in Huế an und ich handelte wieder geschickt auf 15.000 Đồng herunter, um mit einem Motorrad bis zur Phạm Ngũ Lão (ja, genau, wie in Sài Gòn) geschafft zu werden. Die erste Unterkunft namens „The Huế Backpackers‘ Hostel“ schien vielversprechend und noch bevor ich überhaupt eintreten konnte, starrte mich eine gar nicht so schlecht aussehende Rezeptionistin an und fragte, ob wir uns schon einmal gesehen hätten. Völlig unmöglich, erklärte ich ihr, aber ich fand sie trotzdem von Anfang an sympathisch – wie eigentlich jeden in dem Hostel. Es gab einen Australier, der dort viel auf Englisch managte und einige hübsche Rezeptionistinnen und Bedienungen. Das Zimmer war als Dorm für ganze 6 US-Dollar ziemlich teuer, aber dafür gab es kostenlos Frühstück und am Abend ein Freibier, wodurch der Preis wieder absolut gerechtfertigt war. Außerdem gab man mir ein großes Bett zum Preis für ein kleines.

Da noch keine Eincheck-Zeit war, musste ich noch mindestens eine Stunde warten und durfte schon einmal duschen und frühstücken. Nachdem ich endlich meine Sachen im Zimmer ablegen und verschließen konnte, begab ich mich in der bereits angebrochenen Mittagshitze zur so genannten Zitadelle. Schon nach den ersten paar Metern merkte ich, dass ich völlig kaputt dort ankommen würde, da die Sonne einfach ungeheuerlich brannte. Auf dem Weg dorthin sprach mich ein seltsamer Motorradfahrer an, der von vornherein behauptete, er sei kein „driver“, sondern lediglich ein Lehrer auf Besuch in Huế. Wir unterhielten uns kurz und er lud mich – mehr oder weniger – zu einem Bier am frühen Nachmittag ein. Ich lehnte ab und gab an, zu der Zeit lieber etwas zum Mittag zu essen. Was sollte da schon schief gehen? Also verabredeten wir uns für 13 Uhr.

Ich fand zwar schnell zur Zitadelle hin, aber nicht gleich den Haupteingang. Zudem schwitzte ich eimerweise, die Augen brannten von dem herunterlaufenden Schweiß und die Sonne brannte sich abermals in meine ohnehin schon rote Haut ein. Ein Cyclo-Fahrer nervte mich auch noch gute fünfzehn Minuten, ich gab aber nie nach und versuchte, den Eingang allein zu Fuß zu finden. Sagen wir, eine halbe Stunde später hatte ich das auch geschafft – die Füße waren bereits verbrannt und ich konnte nicht mehr laufen. Mit 55.000 Đồng war ich drin, aber was sich mir bot, war nichts Besonderes: Alte Ruinen, ein großer Tempel, Burgmauern und verfallene Gebäude. Den „Garten“, der praktisch nur Wildnis war, zähle ich mal nicht auf. Nachdem ich anderthalb Stunden durch die verfallene Stadt geirrt war, mir immer weiter die Füße verbrannt hatte (nur die Stellen, die von Flip-Flops bedeckt waren, schienen weiß hervor) und mit dem Motorrad zurück ins Hostel chauffiert worden war, legte ich mich kurz schlafen und erschien dann zum vereinbarten Treffpunkt mit dem Vietnamesen, der mir von seinen deutschen Cousins erzählte. Immerhin war er in deutscher Landeskunde nicht so schlecht und er fuhr mich zu einem lokalen Restaurant und er lud mich zum Essen für 35.000 Đồng ein … alles schön und gut, aber der Hammer kam noch: Als Entschädigung für das bezahlte Essen wollte er jedoch ein kleines „Geschenk“ von mir haben. Kein Problem, dachte ich mir, suchst du ihm eine Kleinigkeit aus. Er fuhr mich allerdings in ein Tee-Geschäft, wo ich ihm etwas kaufen sollte. Nun gut, Tee ist nicht gerade billig, aber dass er soooo teuer wäre, damit hätte ich nicht gerechnet: Er fragte, ob ich ihm ein Geschenk in der Unter-, Mittel- oder Oberklasse kaufen würde – wie unverschämt! Ich entschied mich fairerweise für einen Mittelklassetee, fragte aber vorsichtshalber nach dem Preis. Schlappe 400.000 Đồng wäre so eine Packung gewesen. Nun gut, etwas teuer, also versuchte ich es mit der Unterklasse: Immerhin nur noch 300.000 Đồng! Völlig entrüstet, aber noch freundlich gab ich ihm zu verstehen, dass ich lediglich so viel Geld wie für ein Mittagessen notwendig mithatte. Damit gab er sich zufrieden und er fuhr mich zurück. Jetzt fühlte ich mich aber schlecht und stand in seiner Schuld. Also bot ich ihm an, etwas Kleines zu schenken, wusste aber nicht, was. Er hingegen wusste es wieder genau: Mein thailändisches Geld interessierte ihn. Davon hatte ich aber nur 1000er-Scheine. Natürlich würde ich ihm so einen wertvollen Schein nicht geben. Schnell rechnete ich im Kopf um, machte aber einen Fehler dabei: 1000 Baht seien 20 Euro und 20 Euro seien 400.000 Đồng. Falsch! Zum einen waren 1000 Baht mittlerweile fast 25 Euro und für einen Euro erhielt man auch nicht 20.000, sondern gute 25.000 Đồng. Ich kalkulierte also schon um 200.000 Đồng falsch! Noch dazu hatte er nicht so viel Geld mit und kratzte mühsam 320.000 Đồng zusammen, mit denen ich blöderweise einverstanden war.

Nun ja, zwar hatte ich kostenlos essen dürfen, aber auch wiederum viel Geld eingebüßt … was soll’s! Ich ging zurück zum Hostel und schlief wieder ein. Nach etwa einer Stunde wurde ich von dem Finnen Nuutti geweckt, dem ich gestand, dass ich für mein Bett weniger zahlte als er für seines – ich bekam dabei heraus, dass man mir ein breites Bett für zwei Dollar weniger gegeben hatte … warum, weiß ich jedoch nicht. Ich kaufte mir noch ein Busticket nach Hà Nội direkt vom Hostel, da mir die Züge viel zu teuer erschienen und war froh, am nächsten Tag bereits das letzte geplante Ziel in Vietnam ansteuern zu können. Im Hostel unterhielt ich mich noch eine Weile mit einem neuseeländischen Pärchen, das vergeblich versuchte, ihr Motorrad wieder zu verkaufen und den Rest des Tages verbrachte ich mit Spaziergängen durch die Gassen Huếs, Erzählungen und einigen Bier zusammen mit dem Finnen, wobei wir versuchten, von einem Restaurant zum nächsten zu gelangen, um den Preis immer ein bisschen weiter zu drücken. Neben einem Freibier im Hostel gab es alles in der Preisspanne von 5.000 bis 20.000 Đồng. In einem Restaurant kamen wir mit zwei Engländern ins Gespräch, die sich mit dem Kellner über thailändische Floskeln unterhielten. Meine Chance zur Korrektur! Es fühlte sich gut an, ein bisschen mit Thai prahlen zu können. Da wir wieder einmal von einem Cyclo-Fahrer angesprochen worden waren, ob er uns zu „lady boom boom“ bringen solle, machte ich ihm den Vorschlag, dass ich ihn dorthin bringe, wofür er mir 10.000 Đồng geben würde. Er willigte ein und so setzte ich mich mal auf dieses tolle Gefährt und brachte ihn zu besagtem Puff. Dort stellte sich allerdings heraus, dass ich und nicht er hineingehen solle, was ich selbstverständlich ablehnte. Deshalb verlangte ich von ihm, dass er mich nun wieder zurückbringe. Das tat er zwar auch, aber er wollte Geld dafür! Ich hatte auf meinen Reisen nun schon gelernt, dass man manchmal einfach hartnäckig sein muss und so gab ich ihm natürlich nichts, ich hatte mich ja schließlich auch abgestrampelt und nichts bekommen! Leicht angetrunken fiel ich ins Bett und erwachte am nächsten Morgen (07.04.2010) noch gerade pünktlich für das Frühstück.

Da ich an diesem Tag nichts Besonderes mehr vorhatte, bis ich zum Bus nach Hà Nội gebracht würde, lieh ich mir ein Fahrrad gleich um die Ecke vom „Backpackers‘ Hostel“ aus, im „Hello!“-Verleih. Merkt euch diesen Namen, wenn ihr mal in Huế sein solltet: Dort bitte nichts ausleihen, die Geschichte dazu folgt gleich. Das erste Fahrrad, das ich bekam, war mir einfach zu eirig und sah so baufällig aus, dass ich ein anderes bevorzugte. Für ebenso 20.000 Đồng bekam ich also einen etwas besseren, aber immer noch nicht sehr vertrauenserweckenden Drahtesel, um mich damit in Richtung der heiligen Grabstätten fortzubewegen. Immer die Đường Điện Biên Phủ entlang und den Schildern ab Ortsausgang Huế folgen. Mehrere Kilometer fuhr ich über Dörfer und kam irgendwann durch Wälder, in denen sich seltsame Steinskulpturen und -gräber befanden. Ich hielt kurz an einigen dieser heiligen Orte an, konnte aber nichts Besonderes entdecken, sodass ich mich immer weiter zu gewissen „Tombs“ vorarbeitete. Plötzlich tauchte vor mir etwas Gigantisches aus, dass einer Ruine einer alten Arena ähnlich sah. Wieder stieg ich von meinem tollen Rad, dass den Weg bis hierher mühelos überstanden hatte, und kletterte an der besagte Ruine hinauf, nur um herauszufinden, dass das, was ich gerade eifrig fotografierte, einfach nur ein völlig normaler Friedhof war, jedoch in Form einer kleinen Nekropole. Solch eine Totenstadt hatte ich vorher noch nie gesehen, weshalb ich es spontan völlig beeindruckend fand. Teilweise trugen einige Grabsteine sogar Bilder der Verstorbenen und komplette Lebensgeschichten. Dann schwang ich mich wieder auf den Sattel, um endlich zu einer als Touristenattraktion ausgeschriebenen Stätte zu gelangen, der von Chín Hầm. Wer oder was das war, weiß ich nicht. Aber die Empore sah einfach nur beeindruckend aus: Vier große Säulen markierten den Aufstieg über eine endlos scheinende Treppe, um einer Statue mit drei Kämpfern herum, bis zu einem auf einem Berg thronenden Tempel, der jedoch verschlossen war. Von oben hatte man eine wunderbare Aussicht auf … na ja, auf die Treppe, die ich hochgelaufen war. Mehr gab es nicht zu sehen. Also wieder hinunter. Dann gab es dort noch kleinere Kammern, auf Vietnamesisch „Tunnel“ genannt, von denen die meisten ohnehin schon zerfallen und nie restauriert worden waren. Im Tunnel 8 („Hầm số 8“) hatte man eine Folterszene plastisch nachgestellt. Ein kleiner Spaziergang durch den Dschungel bildete den Abschluss dieser Grabstätte, bevor ich mich mit meinem Fahrrad noch ein Stückchen weiter zur nächsten Reliquie, die irgendwie Huyền im Namen hatte, begab.

Seltsamerweise sah ich dort einen Teil des Personals meines Hostels, sprach aber nicht mit ihnen. Für mein Fahrrad musste ich eine Standgebühr und für die Stätte Eintritt bezahlen … hm, schon ein bisschen touristischer, oder? Die Frau am Ticketverkauf verstand zwar nichts als „how much?“, aber ich kam hinein und wurde erst einmal von einem kleinen Tempel enttäuscht. Die wahre Schönheit verbarg sich dahinter: Zu einem weiteren Tempel auf einer Anhöhe führte ein Aufstieg, der von einem riesigen, steinernen Drachengeländer begleitet wurde. Oben angekommen, hatte ich zwar einen tollen Überblick über die gesamte Anlage, mir fehlte jedoch irgendetwas. So suchte ich mir Irrwege durch den umliegenden Dschungel, kam in eine Sackgasse (wobei mir hier der englische Begriff „dead end“ besser gefällt, weil der Weg tatsächlich mitten im Gestrüpp einfach aufhörte), vorbei an einem anderen, noch im Bau oder Restauration (?) befindlichen Tempel, von dem aus ich eine noch schönere Aussicht über den zentralvietnamesischen Urwald hatte, folgte einem Wegweiser zu einer Statue des Maitreya und kam schließlich an eine unglaublich Treppe, die zur so genannten Friedensglocke auf etwas mehr als 100 m ü. NN führte. Zunächst bewunderte ich die herrliche Aussicht über Huế, das Hupen der Autos in weiter Ferne und die Geräusche der Natur in der Umgebung. Alles bestens. Doch ein Problem gab es bei dieser Sache.

Kurze Einleitung: Ich sammle schon seit vielen Jahren zahlreiche Währungen aus verschiedenen Ländern, wie ein Hobbynumismatiker. Mir macht es einfach Spaß, die vielen diversen Abbildungen, Prägungen und Schriften auf den Münzen und Scheinen zu sehen. Aus Vietnam hatte ich bisher alle Scheine (Münzen hat das Land kaum) zusammengesucht, mir fehlte nur noch der kleinste, sich noch in Gebrauch befindliche Geldschein, nämlich 200 Đồng! Und gerade von diesem sonst so seltenen Schein steckte etwa ein Dutzend zwischen Duftkerzen in der heiligen Stätte, die wohl Buddha geweiht war. Zu gerne wollte ich diesen Schein haben, also was spräche dagegen, einen davon hinauszunehmen und einen etwas größeren Đồng-Schein als Tauschgeschäft hineinzustecken? Leichter gesagt als getan, wenn man kein kleines vietnamesisches Geld bei sich hat. In meinem Portemonnaie befanden sich nur 20.000er und höher notierte Werte, zudem noch ein paar Dollar. Das war mir zu viel zum Spenden – und so dachte ich mir, warum nicht einfach den klitzekleinen, nahezu wertlosen 200-Đồng-Schein zu nehmen, einzustecken und sich wieder zurück nach Huế zu begeben. Es war ja auch niemand in der Nähe. ABER: Es war ein heiliger Ort! Und einen heiligen Ort bestiehlt man nicht, das zeugt von extrem schlechtem Karma! Aber darüber dachte ich in dem Moment nicht nach und schwang mich nach einem langen Abstieg wieder auf mein Rad.

Erstens war es noch lange nicht Zeit für die Rückkehr und zweitens wollte ich noch mehr von den Grabstätten sehen. So fuhr ich wieder ein Stückchen zurück und bog auf eine kleine Anhöhe ab. Nachdem ich über den Gipfel schauen konnte, offenbarte sich mir eine wunderschöne Sicht auf … tja, auf was? Was war das? Wieder ein Friedhof? Jedenfalls standen links und rechts von mir hohe Grabsteine mit Bildern und Widmungen und Blumen. Aber die Straße führte direkt durch diesen Friedhof, durch diese Totenstadt. Selbst in einer Entfernung von geschätzten 200 Metern Luftlinie konnte ich noch massig Gräber auf einem Berg sehen. An einigen Stellen arbeiteten Leute, die mich selbstverständlich seltsam beäugten. Wo war ich hier gelandet? Zwischen tausenden von Toten? War das vielleicht ein schlechtes Omen? Jedenfalls war es der Beginn einer Pechsträhne: Ich kehrte zurück, weil ich mir hier einfach unwohl fühlte. Zurück in die Stadt. Wollte ich zumindest. Aber ich muss die kleine Anhöhe, die ich zum Friedhof gekommen war, wieder in entgegengesetzter Richtung erklimmen.

Also trat ich kräftig im Stehen in die Pedale und … das Fahrrad verbog ein wenig. Plötzlich ließ es sich nur noch sehr schwer lenken und war so unglaublich eirig, dass ich es schon aufgeben wollte, damit weiterzufahren. Aber ich gab nicht auf. So ging es bald wieder einen kleinen Hügel (für das Fahrrad wohl einen Berg) hinauf und wieder trat ich im Stehen in die Pedale. Ein Fahrrad sollte doch so etwas aushalten, oder? Nun ja, nicht jedes vietnamesische Rad scheint das zu schaffen: Krack! Da lag ich auf dem Boden. Der mittlere linke Zeh schmerze, meine Wasserflasche rollte davon und ich wusste nicht mehr, wo oben und unten ist! Da lag das Fahrrad nun, ich darauf. Bald realisierte ich, dass das Vorderrad von der Lenkstange abgebrochen war. Ja, tatsächlich! Es war ab. So verrostet, dass es unter meinem Leichtgewicht zusammenbrach. Der Wasserflasche ging es auch nicht so gut, denn sie hatte nun ein Loch und ich bald nichts mehr zu trinken. Dreckig war ich auch, aber viel schlimmer noch: Ich war planlos, was ich tun sollte! Wie sollte ich die 20 Kilometer zurück in die Stadt kommen? Was sollte ich dem Verleih sagen? Wie sollte ich das Fahrrad zurück in die Stadt bekommen?

Mein nicht mehr ganz so klarer Kopf sagte mir: Ruf erst mal beim Verleih an. Ich griff die Visitenkarte aus dem Portemonnaie und wählte die Nummer des Verleihs. Ein Mann nahm ab und verstand mich nicht. Das Telefon wurde an eine Frau weitergereicht. Sie verstand zwar in Teilen und konnte auch geradeso verständlich antworten, aber das Gespräch scheiterte daran, dass entweder ich die Straßennahmen oder Sehenswürdigkeiten in so unverständlichem Vietnamesisch aussprach oder sie sich einfach überhaupt nicht in der Gegend auskannten. Später sollte ich merken, dass es sich wohl um Letzteres handelte. Ich legte auf und versuchte, eigenständig in die Stadt zurückzukommen. Ein Minibus kam vorbeigefahren, aber der Fahrer verstand kein Englisch und meinte, er führe gar nicht nach Huế. Mehrere Motorradfahrer hielten eher schadenfroh als hilfsbereit an … was für ein Land! Irgendwann fand ich tatsächlich einen Dorfbewohner, der auf seiner alten Möhre vorbeigetuckert kam und mich meiner erbarmte. Das Fahrrad fotografierte ich noch schnell und schmiss es dann abseits der Straße ins Gestrüpp. Für 15.000 Đồng brachte mich der nette Mann also wieder nach Huế, von wo aus ich noch gute zwei Kilometer bis zum Fahrradverleih laufen musste.

Dort ging der Spaß dann los: Zunächst wunderten sie sich, wo denn mein Fahrrad sei, dann erinnerten sie sich an den Anruf, dann erklärte ich die Geschichte und sie glaubten es kaum. Ich zeigte ihnen das Foto, aber das glaubten sie mir auch nicht. Der Verleihfuzzy wollte das Fahrrad sehen! Ich machte ihm deutlich, dass es noch an der „Unfallstelle“ liege. Daraufhin fragte die Frau ganz besorgt, ob ich es denn wenigstens angeschlossen hätte! Ja, klar, wer würde schon so ein zerbrochenes und absolut nicht mehr fahrtüchtiges Rad klauen!? So musste ich also wohl oder übel auf das Motorrad des Verleihers steigen und ihm den Weg bis zum zurückgelassenen Fahrrad beschreiben. Er konnte kaum Englisch, aber was er konnte, war „oh, very far!“ – und diesen Satz sagte er nach jedem geschafften Kilometer, somit also gute 20 Mal. Als wir endlich ankamen, traute ich meinen Augen kaum: Wo war denn das Fahrrad hin? An der Stelle lag nichts mehr, auch nicht im umliegenden Geäst. Verzweifelt versuchte ich zu erklären, aber vergebens … Ich fragte Dorfbewohner, die gesehen haben mussten, wie ich den Minivan hatte anhalten wollen, aber sie kannten mich nicht. Dann lief ich mit dem Verleihtypen zu einer nahegelegenen Werkstatt, aber auch dort hatte man das Fahrrad nicht gesehen. Es war verschwunden, ein für alle Mal. Wie arm muss denn ein Land sein, dass solche Räder geklaut werden!? Glücklicherweise fand ich noch einen Metallring an der vermuteten Unfallstelle, aber das war es dann auch und das reichte ihm wohl auch schließlich als Beweis. Wir fuhren zurück. Mein Geld – weder für das Fahrrad noch für die Transportkosten nach Huế – bekam ich selbstverständlich nicht zurück, auch nicht nach einer halbstündigen Diskussion. Mit Vietnamesen kann man einfach nicht diskutieren!

So wartete ich noch eine Weile im Hostel, aß Fisch und Pommes und unterhielt mich wieder mit den Neuseeländern, bis mein Sammeltaxi gegen halb fünf nachmittags kam und mich zum Bus nach Hà Nội bringen sollte. Wir sammelten noch andere Vietnamesen ein und kamen an einem schon bereit stehenden Bus an. Toll, dachte ich, da wird es ja bald losgehen! Aber weit gefehlt: Meine Tasche war zwar schon im Kofferraum, aber als ich das Ticket zeigte, teilte man mir mit, ich sei im falschen Bus. Ich sollte noch ein paar Minuten warten … Der Bus kam dann auch bald, nach 20 Minuten, und dann wartete er noch bis etwa 18 Uhr.

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Von Huế nach Hà Nội (07. – 08.04.2010)

Glücklicherweise saß ich allein, so würde ich mich ja in der Nacht ausbreiten können. Gegenüber saß eine Touristin, die ich aber absolut unsympathisch fand. Irgendwann gegen 22 Uhr stiegen noch mehr Leute ein und so setzte sich ein Vietnamese, der vorher vor mir gesessen hatte, nun neben mich. Ich ärgerte mich zwar, aber schließlich hatte ich ja nur ein Ticket für einen Platz! Ich schlief ein. Zwischenzeitlich wurde ich mal mit Worten von der Touristin gegenüber, der einzigen im Bus (!), geweckt, um mich darauf hinzuweisen, dass mein toller Sitznachbar ständig an meine Tasche wolle. Ich nahm ihren Hinweis nicht so ganz ernst, aber stellte wenigstens meine Tasche so zwischen mich und das Fenster, dass man sie nicht hätte wegnehmen können, ohne mich dabei zu wecken. Handy und Portemonnaie ließ ich in den Hosentaschen mit Klettverschluss.

Gegen drei Uhr (08.04.2010) wachte ich auf. Ich sah mich um: Der Vietnamese neben mir war weg. Toll, endlich Platz zum Liegen! Der obligatorische Griff zum Handy zur Zeitabfrage führte ins Leere. Wo war denn das Handy? Hm, vielleicht aus der Hosentasche gefallen. Ich suchte den Boden ab, aber da war nichts; der Reisverschluss war ja auch noch verschlossen. Dann kombinierte ich: Handy weg, Vietnamese weg! Verdammt, geklaut! Da ich so etwas nicht auf mir sitzen lasse, weckte ich die Touristin gegenüber und fragte, ob sie denn gesehen hatte, wann der Typ ausgestiegen sei. Sie verneinte, konnte sich aber immerhin an sein Gesicht erinnern und meinte, er habe wohl unter Drogen gestanden. Sie hätte den Diebstahl angeblich schon vorausgesehen, aber das nützte mir jetzt auch nichts mehr. Ich gab nicht auf und lief mit meinem Vietnamesisch-Phrasebook zum Busfahrer und Schaffner (diesem Ticket-einsammel-und-dann-nicht-wiederfinden-Typen), konnte aber nahezu nichts sagen, da beide wirklich null Englisch sprachen und ich ewig brauchte, um den passenden Satz im Buch zu finden. Ich konnte ihm „klauen“ und „Telefon“ mitteilen und dabei auf meine Tasche zeigen. Dabei realisierte ich, dass sie aufgeschlitzt worden war! Wie skrupellos! Mein schönes neues Handy, in das ich erst Stunden investiert hatte, um alle Telefonnummern wieder zu speichern. Weg war es.

Ich suchte noch den Satz „Gibt es hier jemanden, der Englisch spricht?“ heraus und der Schaffner schüttelte nur den Kopf. Auf dem Ticket stünde angeblich auch nichts über die Herkunft des ominösen Fremden und wann und wo er ausgestiegen war, wusste auch keiner. Was für ein Verein! Ich blieb bis Hà Nội auf dem vordersten Sitz, um jeden zu beobachten, der ausstieg. Aber keiner machte den Anschein, etwas verbrochen zu haben, und so kam ich handylos in Hà Nội an – direkt vor dem Büro des Busunternehmens.

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Hà Nội (08. – 12.04.2010)

Ich schrieb mir das Nummernschild ab, ging ins Büro und beschwerte mich über den schäbigen Service auf der Fahrt. Ich war so unglaublich sauer! Nicht unbedingt auf den Typen, der mir das Handy geklaut hatte, sondern auf die Unlust, mir zu helfen. Nächstes Problem war, dass ich keine Ahnung hatte, wo in Hà Nội ich eigentlich gelandet war. Ich ließ mir im Büro einen Punkt in meine Karte malen, der aber sowas von falsch lag, dass ich schon wieder hätte überreagieren können. Ich irrte also eine Weile umher und lief zurück zum Büro. Dort bestand ich darauf, mir gefälligst die richtige Straße auf einer Karte zu zeigen. An einer Wandkarte fand die nette Frau endlich, wo sie eigentlich arbeitete, sodass ich es mit meiner Karte vergleichen konnte. Hatte ich es mir doch gedacht: Der Bus hatte uns irgendwo im Nirgendwo hinausgeschmissen!

Nun hatte ich eine Ahnung, wie weit ich noch bis ins geplante Touristenviertel laufen müsste. Oder ich fände eine günstige Mitfahrgelegenheit. Handeln hatte ich ja bereits gelernt, also schaffte ich es, für nur 20.000 Đồng mit einer Motorradfahrerin bis zur Mã Mây zu kommen. Das einzig Nervige daran war, dass die gute Frau mir ständig irgendwelche Fragen auf Vietnamesisch stellte und von mir verlangte, sie zu beantworten. Ich wusste noch nicht einmal, wie man „ich weiß nicht“ oder „ich verstehe nicht“ in ihrer Sprache sagte, und da sie auch mein Englisch nicht kapierte, war die Unterhaltung eher einseitig, aber schließlich kam ich ja an und steuerte gleich auf eine Unterkunft namens „Ðông Á Hotel“ für vier Dollar pro Nacht zu. Es war ein Dorm mit etwa zehn Betten, die an einem langen Korridor entlang als Doppelstockbetten aufgestellt waren. Ich richtete mich kurz ein, duschte endlich mal wieder mit konstant warmem Wasser und erkundigte mich dann sofort in den umliegenden Reisebüros nach einem Direktbus nach Vientiane. Das Angebot war überwältigend, nahezu jedes Reisebüro bot diesen Service an, und zwar von 13 bis 25 Dollar. Ich hatte vorher im Lonely-Planet-Reiseführer gelesen, dass es diesen Bus für 24 US$ gäbe, aber darunter seien auch eine ganze Menge „Scams“ (Betrugsversuche). Ich war froh, günstige Angebote bekommen zu haben, und da mir alle versicherten, dass es der Bus in etwa 18 Stunden schaffen würde, war ich mir meiner Heimreise schon sicher, kaufte aber noch kein Ticket.

Stattdessen lief ich in die Innenstadt, zu Ho Chi Minhs Mausoleum, das aber verschlossen war, am großen „West Lake“ vorbei und entlang dem Verteidigungsministerium, vor dem Soldaten mit tollen Gewehren standen. Immer wieder sah ich diplomatisches Geleit aus verschiedenen Ländern in noblen, schwarzen Autos vorbeifahren, aber ansonsten fand ich die Stadt nicht sehr aufregend. Sehenswürdigkeiten gab es auch nicht. Ich schneite im Kriegsmuseum hinein, für das ich keinen Eintritt mehr bezahlen musste, weil es nur noch eine Viertelstunde geöffnet hatte. Die Zeit reichte mir als absoluter Gegner jeglicher Kriegshandlungen völlig und so marschierte ich zurück in die Touristengegend. Dort suchte ich mir ein vietnamesisches Restaurant mit zwar sehr gutem Preis-Leistungs-Verhältnis, aber absolut schlechter Servicequalität (ich saß 20 Minuten vor meinem leeren Teller und wartete aufs Bezahlen!). Dann ging ich schlafen – es war ein anstrengender Tag gewesen.

Am nächsten Morgen (09.04.2010) weckte mich der Österreicher Anatol, weil er gerade erst angekommen war und sich noch nicht so auskannte. Zwar war ich mit Hà Nội auch noch nicht sehr vertraut, aber immerhin war ich schon einmal in der Innenstadt gewesen. Wir entschieden uns dafür, einfach jeweils ein Motorrad für 100.000 ₫ auszuleihen und damit zur 100 Kilometer entfernten „Halong Bay“, der Touristenattraktion in Vietnam überhaupt, zu fahren. Da wir die Bikes wie immer ohne Sprit bekommen hatten, suchten wir verzweifelt nach einer Tankstelle. Selbst mit Durchfragen dauerte es uns eine gute halbe Stunde, bis wir den Tank endlich voll bekamen. Am Tag zuvor hatte ich mich noch mit Steve, dem momentanen „kulturweit“-Freiwilligen in Hà Nội, per E-Mail bei sich auf Arbeit verabredet und so suchten wir, Anatol und ich, das Büro des DAAD auf dem Campus einer Technischen Universität. Wir mussten uns wieder auf Englisch und Französisch durchfragen, bis wir endlich das Deutschzentrum fanden. Unglaublich, dass in Vietnam tatsächlich Leute unsere Sprache lernen oder gar sprechen! Das Gespräch mit Steve dauerte vielleicht zehn Minuten, dann musste er zum Mittagessen, wir auf unsere Motorräder und wir wollten uns am nächsten Abend noch einmal treffen.

Den Weg aus Hà Nội hinaus zu finden, stellte keine großen Schwierigkeiten dar. Und da wir wieder einmal die schnellsten auf der Autobahn waren, kamen wir auch schnell in die ländlichere Gegend. Bald sollten es nur noch 80 Kilometer bis zur Halong-Bucht sein. Die Fahrt war aber zwischen all den LKWs, Bussen, anderen Motorrädern und dem aufgewirbelten Staub furchtbar unangenehm, also entschieden wir uns, den Weg über die Landstraße zu suchen. Wir fuhren also von der Autobahn ab und folgten einem halb gepflasterten Weg, der lange Zeit nur geradeaus führte. In einem Dorf hielten wir kurz an und fragten, wo wir denn seien. Da die Bewohner keine Karte lesen konnten, versuchte ich es mit meinem Sprachtalent. Wo sei denn die „Thành phố Hưng Yên“ (Stadt Hưng Yên), fragte ich, denn das wäre die nächstgrößere Stadt laut meiner Karte gewesen. Die Dorfbewohner deuteten in eine Richtung, die ich nicht vermutet hätte, aber wir glaubten ihnen und folgten einem noch schlechteren Weg. Die Fahrt machte Spaß, führte aber irgendwie zu nichts, schon gar nicht zur Halong-Bucht.

Anatol hatte sich immer beschwert, dass wir doch einfach mal die kleineren Sandstraßen und nicht immer die so schön ausgebauten Wege befahren sollten. Gesagt, getan: Ich schlug ihm einfach einen ins Nichts führenden Sandweg auf einem Dorf vor und schon bemühten wir unsere Motorroller über den unebenen Grund. Wir kamen mal wieder an einem Friedhof vorbei (schlechtes Omen!?) und steuerten dann geradewegs die matschigen Reisfelder an. Wir balancierten auf den Grenzwegen zwischen den unter Wasser stehenden Reisfeldern entlang, vorbei an verdutzten Bauern, bis es nahezu nicht mehr weiterging. Irgendwann mussten wir die Motorräder mit geschicktem Gangwechsel über Abgründe hieven, in denen das Vorderrad auch hätte stecken bleiben können. Das Ganze lief zwar recht gut, aber da ich ja ohnehin schon recht viel Pech in Vietnam gehabt hatte, störte es mich auch nicht mehr so sehr, dass ich am fünften Abgrund mit der Maschine umkippte und zur einen Hälfte ins Reisfeld, sprich in braunen Matsch, hineinfiel. Meine ganze linke Seite war braun und nass, aber eigentlich war es eher lustig als schlimm. Das Einzige, was ich bei dem Sturz verloren hatte, war die Lust, noch weiter in die Felder hervorzudringen, sodass wir erst einmal die Räder abstellten und zu Fuß erkundeten, wie sich der Weg entwickeln würde.

Anatol wollte unbedingt weiterfahren, ich aber nicht. Also starteten wir ein kleines Wettrennen: Anatol würde über eine weitere Runde versuchen, zum Ausgangspunkt zurückzukehren, während ich es in entgegen gesetzter Richtung auf der eben bezwungenen Route schaffen sollte. Ich gewann zwar, aber trotzdem war ich mit meinem Schlamm noch nicht ganz so glücklich. Wir trafen noch einen sehr lustigen Dorfbewohner, der sich wohl gerade an seine Arbeit auf dem Feld machen wollte. Er redete etwa zehn Minuten auf Vietnamesisch auf uns ein, bis Anatol sich einen Spaß daraus machte und ihm „unsere“ Geschichte auf Deutsch schilderte. So lief das Gespräch etwa zwanzig Minuten – keiner verstand die andere Partei, aber es war sehr lustig. Das einzige Wort, dass wir immer wieder aus seinen Erzählungen heraushörten, war so etwas wie „murat“ (schön auf Türkisch aussprechen). Dieses Wort würden wir von nun an nehmen, um alles, was mit Reisfeldern und „Dreck am linken Arm“ zu tun hat, zu beschreiben.

Wir fuhren weiter und kamen endlich in der großen Stadt Hưng Yên an. Die Autobahn machte uns abermals keinen Spaß, also entschieden wir, vom Weg abzufahren und durch die kleinen Gassen der Stadt zu düsen. Der Hunger quälte uns bereits und so hielten wir wohl oder übel an einem restaurantähnlichen Häuschen an, vor dem eine Frau saß und irgendwelche seltsamen Sachen frittierte. Dahinter saß eine ganz schar sich amüsierender Vietnamesen. Das sollte uns nicht stören und so setzten wir uns einfach vor die Pfanne, aus der uns die gute Frau ein paar flache, von der Konsistenz her Kroketten ähnelnde, frittierte Stückchen reichte. Etwas skeptisch probierte ich zuerst, und nachdem ich den guten Geschmack bestätigen konnte, kostete auch Anatol davon. Dann gab es ballförmigen, gekochten Teig, von dem wir nicht erfuhren, was eigentlich enthalten war, aber er schmeckte definitiv. Jedes Stück kostete uns schlappe 2.000 Đồng; was für ein Schnäppchen!

Bald wurde uns die Stadt zu langweilig und es ging wieder ins „Murat“. Unsere mittlerweile zu Dirtbikes gewordenen Motorräder machten schier alles mit und teilweise wussten wir selbst nicht, ob die Reiswege überhaupt irgendwie hinführen würden. Nach einigen Anläufen, einen sinnvollen Weg zu finden, landeten wir auf einem Dörfchen, in dem die Bewohner wohl noch nie Touristen gesehen hatten. Einer verwehrte mir sogar das Fotografieren eines seltsam anzuschauenden Baumes. Schulmädchen, die gerade Pause hatten, kreischten aus den Fenstern und vom Schulhof, weil sie uns beide schicke Westler vorbeifahren sahen, und waren sichtlich verwundert, wenn nicht gar geschockt, dass wir die Feldwege den gepflasterten Straßen vorzogen! In einem Dorf konnte man sich wirklich verirren, da die Wege zwischen den Häusern zwei Meter hoch eingemauert waren …
Als wir genug vom Dorf hatten, traten wir den Heimweg an. Wir kamen an einem großen bankähnlichen Gebäude vorbei, in dem ich mich endlich von meinem „Murat“ am linken Arm befreien konnte. Es schien wohl eine Börse gewesen zu sein. Jedenfalls verstand man „toilet“ und verwies mich in ein recht gepflegtes Bad. Um unseren anhaltenden Hunger zu stillen, kauften wir vor der Börse noch riesige, preisgünstige Baguettes und unterhielten uns wieder auf Deutsch und Vietnamesisch zunächst mit einem Baum-, dann mit einem Schlangenverkäufer. Wer auch immer solche Sachen kaufte, wir jedenfalls erschienen den beiden wie potenzielle Interessenten, auch wenn wir schließlich ohne Baum und ohne Schlange heimkehren sollten. Auf der Heimreise übte Anatol noch ein paar Burn-outs mit dem Motorrad in dickem Sand neben (!) der Autobahn und dann war es auch nicht mehr schwer, den Weg zurück nach Hanoi zu finden. Schwer war es aber, wieder zurück zu unserer Unterkunft zu kommen, weil die Straßenführung im „Old Quarter“ nicht geradlinig verläuft, sondern meist halbkreisförmig, weshalb man bei dreimal nach links abbiegen wieder am Ausgangspunkt ist, während man dafür gewöhnlich viermal in dieselbe Richtung abbiegen muss.

Bei einem gemütlichen Abendessen in einem gemütlichen Restaurant kamen wir mit drei deutschen Teenagern ins Gespräch, von denen einer ein Jahr zuvor ebenfalls ein Auslandsjahr beim SFD Kassel in Peking, wofür ich mich auch einst beworben hatte, vollendet hatte. Zu fünft klapperten wir alle möglichen Restaurants in der Umgebung ab, aber da es nirgends mehr „bia hơi“ (Bier vom Fass) gab, war der Abend bald zu Ende.

Während Anatol am nächsten Morgen (10.04.2010) sein Motorrad gleich zurückgeben wollte, hatte ich eigentlich vor, es bis 10 Uhr noch zu behalten, um damit zu Hồ-Chí-Minhs Mausoleum zu fahren, aber soweit sollte es gar nicht kommen. Viel Glück hatte ich ja schon die letzten Tage nicht gehabt, also sollte es mit dieser Pechsträhne weitergehen: Mein Hinterrad hatte einen Platten. Na klasse! Wir entschieden also, die Roller zurück zum Verleih zu bringen. Mit einem platten Reifen konnte ich ja ohnehin nichts mehr anfangen.

Lange ließ der Verleiher auf sich warten, da wir die Räder über eine Reiseagentur, also einen Zwischenhändler, gemietet hatten. Freundlich wies ich den Mann auf den Platten hin, damit er ihn flicken lassen könnte, falls ihn denn jemand zerstochen hatte. Der Typ verstand das aber nicht so, sondern notierte es sich gleich als Mängel und meinte, wir müssten sofort den Reifen wechseln lassen. Bei Anatol wurde unterdessen ein kaputtes Rücklicht festgestellt, das aber schon beim Ausleihen nicht funktionierte. So etwas hatten wir natürlich nicht beanstandet, denn mein Tacho ging auch nicht, jedes Mal sprang bei mir der Gang heraus, wenn das Motorrad stand, und der Österreicher beklagte sich über einen instabilen Lenker bei hohen Geschwindigkeiten. Was war da schon ein Rücklicht? Für uns nichts, für den Verleiher eine willkommene Gelegenheit, uns Geld aus der Tasche zu ziehen. Mein Motorrad wurde gleich zur Werkstatt geschoben, aber statt den Reifen zu flicken oder überhaupt erst einmal auf Schäden zu untersuchen, sollte er gleich ausgewechselt werden. Das wird natürlich wieder ein Grund, um mich tierisch aufzubäumen, aber im Endeffekt brachte es nichts: Ich musste 50.000 für den Reifen hinlegen und Anatol hatte die gleiche Summe zu blechen. Na klasse! Das war zusammen wieder eine volle Motorradmiete.

Jetzt fragt ihr euch, warum wir nicht einfach abgehauen sind und das Geld bezahlt haben? Tja, weil der Verleihfuzzy den Reisepass von Anatol als Pfand bekommen hatte. Auch wenn es der wichtigste Gegenstand auf Reisen ist, muss man ihn gewöhnlich bei Motorradausleihen abgeben und bekommt ihn erst bei Auflösung des Vertrages beziehungsweise ordnungsgemäßer Rückgabe zurück. Da kann man nichts machen, es sei denn, man besteht auf einer vollständigen Abschrift oder Kopie (bestenfalls einer beglaubigten von einer internationalen Behörde), einem Ersatzdokument (Führerschein, Personalausweis) oder Geldpfand (gewöhnlich zwischen 20 und 100 Dollar).

Völlig verärgert ging ich mir dann noch ein Ticket bei einer der weder teuren, noch billigen Agenturen nach Vientiane kaufen, hoffte damit also auf ein gutes Mittelmaß an Service. Sie hatten mir ja schon einmal die Reiseroute und den Ablauf an der Grenze erklärt; alles schien verlässlich. Aber als ich an diesem Tag ankam, gab es nur einen Schlafbus – ich mag diese Schlafbusse aber nicht, nicht nur, weil sie teurer sind, sondern weil ich ohnehin im Sitzen besser in einem Bus schlafen kann. Die Betten sind ja meist auch zu klein und viel zu hart. Da es also mein Ticket für den nächsten Tag nicht gab, begab ich mich zu einer billigeren Agentur, in der mehr die Chefin höchstpersönlich tatsächlich einen Sitzbus für 14 US-Dollar anbot. Mehrmals vergewisserte ich mich nach der Route und hoffte so herauszufinden, ob sie verlässlich seien. Die Chefin schien kompetent und so kaufte ich die Fahrkarte …

Anatol wollte demnächst nach Indien und brauchte ein Visum dafür. Wir nahmen ein extrem teures Taxi zur Botschaft, nur um feststellen zu müssen, dass sie verschlossen war. Der Wächter konnte wieder einmal kein einziges Wort auf Englisch und so zeigte er eine „2“ mit den Fingern. Wir deuteten es als „noch 2 Stunden geschlossen“, weshalb wir uns die Zeit in einem kleinen, extrem schwer zu findenden und von einer Australierin geführten Buchladen und danach in der wohl uninteressantesten Sehenswürdigkeit Hanois namens „Temple of Literature“ (der rein gar nichts mit Büchern zu tun hatte) vertrieben. Auf der Suche nach Essen und einem Zeitvertreib, lies: Kino, landeten wir einem von „Lonely Planet“ beschriebenen Hinterhof, der, nachdem er von außen ganz und gar nicht einladend aussah, sich als Luxusrestaurant mit integriertem Kino und Hotel herausstellte. Es war uns aber viel zu teuer, wenn auch „urgemütlich“, wie der Österreicher zu sagen pflegte. In einem kleinen Restaurant an der Straße bestellten wir uns dann billigeres „local food“, aber die Sprachbarriere war auch hier mehr als deutlich. Wenn selbst „Wasser“ und „Salz“ auf Englisch nicht in einem Restaurant verstanden werden, wo dann? Ich musste also die Wörter in meinem Phrasebook zeigen, um uns verständlich zu machen, denn meine Versuche, die beiden Wörter auf Vietnamesisch auszusprechen, scheiterten ebenso. Das Essen war billig, aber nicht lecker.

Zurück zur Botschaft: Immer noch verschlossen, es waren bereits drei Stunden verstrichen. Wir fragten den Wächter noch einmal und wieder zeigte er eine „2“ mit den Fingern. Dieses Mal deuteten wir es als „noch 2 Tage geschlossen“. Wir zogen von dannen.

Mit Steven, dem „kulturweit“-Freiwilligen in Hanoi, machte ich mir ein erneutes, hoffentlich längeres Treffen für um sechs per Internet aus, da weder ich noch Anatol ein Handy besaß. Dieses Treffen schlug aber fehl, weil Steven die Mail zu spät gelesen hatte, da er vorher noch auf einem Samstagsausflug für seine Arbeit war. Ich spazierte also mit Anatol ein bisschen um den großen See im „Old Quarter“ und wir führten philosophische Gespräche über dies und über das.
Das eigentlich Verwunderliche kommt jetzt aber: In einem Restaurant bestellten wir uns beide ein Pizza. Wie immer reichte es mir ja nicht, einfach nur den Namen der Pizza zu sagen, ich muss ja stets hinzufügen, dass ich „keinen Käse“ will. Zunächst erwartete ich einen erschrockenen Blick von der Bedienung (was auch eintraf) und dann natürlich einen ebenso überraschten Gesichtsausdruck von meinem Tischnachbarn. Aber der sagte ganz normal, dass er auch keinen Käse möchte. Wow, das hatte ich noch nie erlebt! Er erklärte mir auch, dass die originale neapolitanische Pizza in zwei Ausführungen kommt: einmal mit und einmal ohne Käse. Dort sei diese Eigenart Standard. Noch in Saigon hatte mir eine Bedienung doch tatsächlich weismachen wollen, dass sie „keine Pizza ohne Käse“ habe. Diese Reaktion konnte ich mir nur durch Tiefkühlpizza erklären …

Als Abschluss unseres langweiligen Tages in Hanoi machten wir noch ein „Spiel“, das sich nur in Hanois „Old Quarter“ so gut spielen lässt. Wie schon einmal erwähnt, sind die Straßen dort nicht rechtwinklig angeordnet, sodass man nicht genau weiß, wie oft man in dieselbe Richtung abbiegen muss, um wieder am Ausgangspunkt zu landen. Wir wollten uns einfach auf der anderen Seite unseres Hauses wiedertreffen, während ich nach links und Anatol nach rechts läuft. Das ging schief. Ich schaffte es problemlos, aber Anatol war verschwunden. Ich lief den Weg in beide Richtungen dreimal ab und auch in die Nebenstraßen. Er war weg. Ich ging duschen, dann schlafen. Der Österreicher war immer noch weg.

Am nächsten Morgen (11.04.2010) lag er wie ein Stein im Bett. Ich sollte später erfahren, dass er am Vorabend vom Weg abgekommen und in einer dunklen Gasse gelandet war, von wo aus er aus Angst einen Motorradfahrer bis nach Hause anheuerte. Ich ließ ihn schlafen und machte mich nach einem kurzen Frühstück (zum vierten Mal im selben Restaurant) endlich auf zum Mausoleum des berühmten Hồ Chí Minh. Ich wurde sofort von einer gut hundert Meter langen Menschenschlange empfangen, die sich langsam fortbewegend immer weiter in das große Gebäude mit dem Leichnam der Berühmtheit hineinschob und wahrscheinlich auf der anderen Seite wieder hinauskommen musste. Es war schwierig, sich zurechtzufinden, vor allem aber das Ende der Schlange zu finden. Eintritt kostete es nicht, lediglich die Kamera musste man abgeben. Bald war ich Teil der Schlange, dann ging es viele Stufen im Zickzack hinauf und schließlich einmal um den Sarg Hồ Chí Minhs herum, auf der anderen Seite wieder hinaus, wo ich überraschenderweise meine Kamera sofort wieder in der Hand halten durfte, als hätte sie jemand dorthin gebeamt.

Man landete im Hinterhof des Mausoleums, von wo aus man noch in einen Garten oder in ein Museum gehen konnte. Ich erbarmte mich Letzterem, aber bis auf die erstaunliche Innen- wie Außenarchitektur des Gebäudes fand ich das Museum nicht sehr museumshaft. Vielleicht hatte ich einfach keine Ahnung von der Geschichte, vielleicht auch einfach kein Interesse mehr an Vietnam, nach allem, was mir hier schon passiert war.

Bis 17 Uhr musste ich mir nun noch die Zeit vertreiben. Anatol auch, dann würde sein Bus nach Hué gehen – und meiner eben nach Vientiane. Ich freute mich darauf, endlich aus Vietnam hinauszukommen. Das Land gefielt mir nicht, die Mentalität der Leute sagte mir nicht zu und ich hatte viel Pech hier erlebt. Nun sollte es wieder in mein sicheres, gewohntes Thailand gehen.

Es war 17 Uhr. Wie ausgemacht sollte ich mich in der Agentur, bei der ich das Ticket gekauft hatte, einfinden, weil man mich von dort aus zum Bus per „Pick-up-Service“ bringen würde. Super. Konnte ja nichts mehr schiefgehen, außer … Schon von Weitem, ohne dass die Frau einen Ton hervorbringen konnte, hörte ich ein mitleidiges „ohhh, soooorry“. Als der Ton an meinen Ohren ankam, bestätigte sich dieser Verdacht. Ich wollte, ohne dass ich überhaupt wirklich wusste, warum, der Frau schon ins Gesicht schreien: „Ich hab’s doch gewusst“. Und wirklich hatte ich es geahnt: Mein Bus, für den ich ja das Ticket schwarz auf weiß in der Hand hielt, existierte nicht. „Your bus is not available“, versuchte mir die Praktikantin klarzumachen. Sie war nicht hübsch, sie war nicht superfreundlich und sie war schon gar nicht einsichtig, sie war einfach typisch vietnamesisch. Das bestätigte leider noch einmal den Eindruck, den ich aus diesem Land größtenteils mitnehmen konnte. Mir war es doch egal, ob es diesen Bus gäbe oder nicht, ich wollte einfach am nächsten Tag in Vientiane sein. Grund: In zwei Tagen würde Songkran in Chiang Mai gefeiert werden. DAS buddhistische Fest überhaupt, da würde ich natürlich dabei sein müssen und so etwas dürfte ich einfach nicht verpassen, schon gar nicht wegen eines nicht existierenden vietnamesischen Busses!

Nun stellte ich mich quer: Ich wollte meinen Bus, für den ich ja mein Ticket hatte. Schließlich gab die gute Frau nach und offerierte mir einen Angebot für einen Schlafbus, der noch genau einen Platz heute für mich hätte. Klar, den würde ich nehmen. Das Ticket hatte ich ja schon. Aber genau darin lag das nächste Problem. MEIN Ticket galt ja nur für einen Sitzbus, der ach so viel komfortablere Schlafbus wäre natürlich teurer gewesen, und zwar nur 15 Dollar. Daraus ergäbe sich ein Gesamtaufpreis von über 100%! Was für ein Geschäft … Abzocke pur. Aber ich bin ja jemand, der angeblich nie auf solche „Scams“ (Betrüger) hereinfallen würde, also willigte ich natürlich nicht ein. Warum sollte ich auch noch mehr bezahlen, wenn es meinen Bus, für den ich ja ein Ticket hatte, urplötzlich nicht mehr gab? Unverständlich, vietnamesisch.

Eine Stunde war bereits vergangen. Anatol hatte bisher hinter mir gesessen und mit einer anderen Angestellten geflirtet. Er verabschiedete sich nun auch. Ich hatte keinen Bus, war gefangen in Hanoi. Nach weiterem Bedrängen der ach so armen Studentin auf dem Drehstuhl bekam ich endlich mal die tolle Chefin ans Telefon, die zunächst einen bedauerlichen großen Fehler gemacht habe und dann ganz zufällig im Ausland und damit nicht zu erreichen sei. Ich hatte mich durchgesetzt und nun die Tante am Hörer. Ich ließ sie natürlich nicht ausreden und musste mich zusammenreißen. Ich bat um Alternativen: Schlafbus, Privatbus, Flugzeug, was auch immer, Hauptsache für denselben Preis bis zum nächsten Abend bis nach Vientiane. Aber es half nichts, die Frau war unbelehrbar, uneinsichtig, hartnäckig, teils unfreundlich, kurz: vietnamesisch.

Nach einer Weile ein winziger Erfolg: Einen ganzen Dollar wollte sie mir doch erlassen, sodass ich nur noch 14 Dollar draufzuzahlen hätte. Wie lächerlich! Es war so lächerlich, dass ich laut lachen musste, obgleich mir gar nicht mehr zum Lachen zumute war.

Ich schrieb mir den Namen der Praktikantin, der Chefin und der Reiseagentur auf. Ob es mir etwas helfen sollte? Ich schund zumindest Eindruck. Damit wer auch immer diesen Bericht liest, nicht in dieselbe Falle gerät, halte er sich lieber von „Namdo Tours“ in der Mâ Mãy 33, geleitet von Nguyễn Hoàng Anh, an diesem Tag mit Praktikantin Nguyển Thủy, fern. Ein eingangs billig scheinendes Angebot wird bald zum bösen und vor allem teuren Erwachen.

Irgendwann tauchte noch der Pick-up-Service auf. Ich bestand darauf, dass er mich wenigstens zu dem Schlafbus fahren sollte. Aber ohne meine „Nachzahlung“ würde er das nicht tun. Die Praktikantin meinte, ich schuldete dem Busfahrer 15 Dollar, wenn ich den Bus nehmen würde. Genau deswegen wollte ich ja zum Bus! Ich verlangte also mein vor zwei Tagen bezahltes Geld für das nichtige Ticket zurück, behielt aber geschickterweise das Ticket in der Hand. Nun hatte ich ja immerhin 14 Dollar wieder und ein immer noch eigentlich gültiges Ticket für einen nicht vorhandenen Bus. So lief ich schnell zum Pick-up-Service und reichte ihm das Geld, mit dem er mich gefälligst zum Bus fahren sollte. Blöderweise war die Praktikantin auch nicht ganz so dumm und erklärte dem Typen – natürlich auf Vietnamesisch –, dass das so einfach nicht gehe und dass ich entweder die gesamten 29 Dollar bezahle oder gar nicht mit dem Bus fahren würde. Man brachte mich also weder zu dem angeblichen Schlafbus, noch kam er zur Agentur. Irgendwann war er angeblich abgefahren.

Es war schon acht Uhr abends. Drei Stunden Diskussion. Kein Erfolg, außer dem einen Dollar Erlass. Ich nahm noch einmal Anlauf und fragte nach Alternativen. Gäbe es denn wenigstens einen Zug nach Vinh, einer Stadt 100 km vor der laotischen Grenze, von wo aus ich wieder auf einen Tourbus springen könnte? Da die Praktikantin als Reisekauffrau völlig unfähig schien, schob ich sie vom Stuhl, setzte mich vor ihren Computer und fand im Internet im Handumdrehen die Zugverbindungen, die sie vergeblich gesucht hatte … was für eine Agentur! Es stellte sich heraus, dass es sehr zeitig früh am Morgen einen Zug nach Vinh geben würde, von wo aus ich es einfach auf eigene Faust nach Vientiane versuchen würde. Das Angebot, den gleichen Bus einen Tag später von der Agentur zu nehmen, schlug ich aggressiv ab. Warum sollte ich auch? Bei dieser Agentur? Hier wollte ich kein Geld mehr lassen. Die 14 Dollar hatte ich ja bereits in Đồng zurückbekommen, das Ticket dafür abgegeben.

Da ich aber gerade in der richtigen Diskussionsstimmung war und keine Einbußen wegen dieser dämlichen Agentur machen wollte, fehlte noch eine Unterkunft für die Nacht. Ich verlangte mindestens vier Dollar, um in meinem vorherigen Dorm nächtigen zu können. Natürlich wollte sie das wieder nicht einsehen, also diskutierte ich immer weiter. Irgendwann schlug sie mir ein nahegelegenes Hotel vor, in dem ich kostenlos schlafen dürfte. Sie gab mir eine Adresse, ich sollte es suchen gehen. Selbst mit Durchfragen fand ich es nicht. Diese Adresse schien falsch zu sein. Auch den Namen des Hotels verstand keiner – er war ja auch englisch! Ich ging zurück und ließ nun die Praktikantin suchen … Ewigkeiten … Unterdessen fragte ich in einer anderen Unterkunft nach einem möglichst zeitnahen Bus nach Vinh oder Vientiane, den es aber nicht gab. Ich würde wohl den Zug nehmen müssen.
Irgendwann kam die Reisebüroangestellte völlig außer Atem zurück und teilte mir voller Freude, aber auch vorwerfend (siehe, was ich alles für dich tue!) mit, sie habe den Schuppen gefunden. Wir gingen hin. Auf den ersten Blick wirkte alles sehr nobel. Ich bekam das oberste Zimmer. Das sah ich mir an: Fernseher, großes Bett, eigenes Bad, Klimaanlage, sogar einen kleinen Kühlschrank gab es. Da sagte ich schnell zu und war froh, auch noch kostenloses Internet in der Lobby dazuzubekommen. Ich war zufrieden und bedankte mich für das Angebot.

Zurück in der Agentur kam gegen neun, nach vierstündiger Diskussion, eine Freundin der Praktikantin, um sie abzuholen. Diese schien sich in dem Metier auszukennen und half mir sofort, eine günstige Zugverbindung zu finden. Sie bedauerte, keine Tickets mehr im Voraus reservieren zu können, weil es dafür schon zu spät sei. Man könne sie nur direkt im Bahnhof holen. Damit ging die Diskussion auch zu Ende. Ich hatte zwar immer noch keine Fahrgelegenheit nach Laos, aber immerhin einen Plan und eine kostenlose Übernachtung …

… in einem Zimmer, das trügerischer nicht hätte sein können: Als erstes fielen mir die wahnsinnig vielen kleinen Fliegen an den Wänden auf, die ich vorher gar nicht gesehen hatte. Da es ziemlich stickig war, wollte ich die Klimaanlage schön anschalten, doch oh weh, die Fernbedienung war nicht aufzufinden. Ich suchte und suchte, fand sie aber nicht. Da es auch keinen Ventilator gab und man nicht ohne Ventilator oder Klimaanlage überleben könnte, stolperte ich alle Stufen wieder hinunter, fragte nach einem „fan“, bekam einen und trug ihn wieder bis in den fünften Stock. Oben angekommen, wollte ich ihn anstellen, doch er funktionierte nicht, egal was ich tat. Ich schaffte ihn wieder hinunter, besorgte mir einen neuen, kletterte wieder alle fünfzig Stufen nach oben und sah, dass er diesmal funktionierte, zwar nur auf der höchsten Stufe, aber na ja. Nun probierte ich weiter: Der Fernseher funktionierte auch nicht, ging einfach nicht an. Das Wasser war nicht wirklich warm und das Bad voller Fliegen. Alles in allem war das Zimmer trotz seiner Größe nicht einmal fünf Dollar wert. Aus diesem Grund und weil ich den Zug um 5.55 Uhr nicht verpassen wollte, verbrachte ich praktisch die halbe Nacht vor dem kostenlosen Internet in der Lobby. Da ich meist der Einzige im Eingangsfoyer war, musste ich öfter mal die Tür für einkehrende Gäste öffnen, die ohne mich wahrscheinlich nicht mehr in ihr tolles Hotel gekommen wären. Dann ging ich schlafen und wachte glücklicherweise gegen halb fünf morgens wieder auf, sodass ich mich nach einer angemessenen Dusche davonschleichen konnte. „Davonschleichen“ trifft es wohl am besten, denn als gewisse Rache klaute ich mir zwei Cola-Dosen aus dem funktionierenden Kühlschrank, legte den Zimmerschlüssel an die Rezeption und schob mich aus der Glastür, die sich nur von Innen mit einem Stock öffnen ließ, in die morgendliche Frühe – auf zum Bahnhof, ohne auch nur noch einen Đồng in Hanoi zu lassen! Ich lief also.

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Von Hà Nội nach Vientiane (12. – 13.04.2010)

Den Bahnhof erreichte ich recht pünktlich, das Ticket kostete auch nur einen Hunderttausender und ich musste nicht auf den Zug warten, denn er stand schon da. Da ich mit der dritten Klasse wirklich die unterste Kategorie jeglicher Fahrgelegenheit erstanden hatte, musste ich mich nach sechsstündiger Fahrt auf Holzbänken nicht über Rückenschmerzen wundern. Interessant waren vor allem die Möglichkeiten, die sich die Vietnamesen in dem engen, stickigen und billigen Zug ausdachten, um bequem schlafen zu können. Das reichte von angezogenen Beinen auf der Bank über hochgestreckte Beine am Fenster bis hin zum Schlafen unter den Bänken auf dem Boden. Faszinierend!

Gegen 12 Uhr kamen wir an – in Vinh, einer Stadt, in der es wohl extrem selten Touristen gibt und in der man selbstverständlich auch nichts mit Englisch anfangen konnte. Hier war mein bisher erlerntes Vietnamesisch essentiell. Eine Stadtkarte hatte ich natürlich auch nicht. Ein Motorradfahrer empfing mich und drängte natürlich auch gleich darauf, mich an meinen Zielort zu fahren. Doch der war gar nicht so leicht zu beschreiben: Ich wollte zu einem Busbahnhof, der Busse hat, die nach Laos fahren: „đi xe buýt đi Lào“ (sprich: die se büt die laau) sollte verstanden werden. Und tatsächlich schien der Motorradfahrer zu kapieren und fuhr los. An einem großen Busbahnhof kam ich an. Ich fragte alle möglichen Busfahrer nach „đi Lào“, aber was auch immer sie verstanden, den Sinn hatten sie wohl nicht kapiert. Also versuchte ich es anders, zeigte meine Landkarte und erklärte ihnen, ich möchte gerne Richtung Tây Sơn (sprich: dai sönn), denn das war das letzte größere Dorf vor der Grenze, von wo aus ich bis zur Grenze trampen könnte. Würde schon irgendwie gehen …

Bald zerrte mich ein Fahrer in seinen Bus und meinte, er würde nach Laos fahren. An dem Bus stand tatsächlich eine Grenzstadt namens Mường Xén, schien also gar nicht so falsch zu sein. Erst später sollte ich realisieren, dass man an diesem Grenzübergang kein Visum bekommt, sondern vorher eines benötigt. Ich fuhr also eine Weile mit diesem Bus, der bereits voll war, in dem auch ein Motorroller Platz fand und der noch weiter Leute von der Straße einsammelte. Meine Fahrt sollte 100.000 Đồng kosten, das schien in Ordnung. Eigentlich freute ich mich, dass das alles so gut klappte, bis mich jemand, der vor mir saß, auf Englisch fragte, wo ich hinwollte. Ich meinte: nach Laos. Sie beredete etwas mit dem Geldeinsammler (praktisch: Schaffner), der mich dann bald hinauswarf. Zwar noch in Vinh, aber weit weg vom Busbahnhof. Es war unglaublich heiß und ich stand mit meinem Gepäck wieder auf der Straße. Eine gute Stunde hatte mich der Quatsch gekostet, gekonnt hatte ich damit nichts.

Ich sprach ein paar herumlungernde Motorradfahrer an, ob sie mich bis Laos fahren könnten. Selbst einen Taxifahrer fragte ich. Aber obwohl ich von guten 600.000 auf schließlich 300.000 Đồng herunterhandeln konnte, war mir das alles viel zu viel. Also suchte ich nach einer weiteren Möglichkeit. In einem Luxushotel, in dem man kaum Englisch sprach, fragte ich nach einer Alternative, um nach Laos zu kommen, aber die kapierten es nicht oder wollten mir nicht helfen. Also lief ich wieder zum Busbahnhof und sah mich dort genauer um. Es gab tatsächlich einen Ticketverkauf, aber nichts an den Fahrplänen erinnerte mich an Laos, Cầu Treo (Grenzdorf) oder Tây Sơn (laut Lonely Planet letztes Dorf vor der Grenze). Trotz meiner Bemühungen, Cầu Treo (sprich: Gau Tscheeo) und Tây Sơn (Dai Sönn) richtig auszusprechen, verstanden sie Ersteres nahezu nie und Letzteres fast immer als englisch „station“ (sprich: s-teyschn). Keine Ahnung, wie schlecht das Englisch der Vietnamesen sein musste, um so falsch zu verstehen, aber na ja, irgendwann schrieb ich es auf und ließ am Schalter nicht locker, bis eine wenigstens annähernd hilfreiche Frau mir sagte, ich sollte mich zum „buýt xe chợ“ (sprich: büt se go) begeben, denn nur dort führen Busse nach Laos. Na, mal sehen …

Ich merkte mir den Wortlaut und setzte mich in eine herannahendes Taxi mit Taxameter, weil ich keine Ahnung hatte, wie weit es sein würde und ich so keinen Preis mit einem Motorradfahrer hätte aushandeln können. Der Taxifahrer brauchte eine Weile, bis er kapierte, und dann fuhr er immer geradeaus. Wir kamen an einem großen Markt, chợ eben, an, wo ich ausstieg, weil ich dachte, wir wären da, und weil der Fahrer auch unsicher schien, wo ich hinwollte. So lief ich also durch die „Mall“, wie man sie in Großstädten nennen würde, fand aber nichts Busähnliches. Ich fragte also wieder einen Motorradfahrer, ob er mich zu besagtem „buýt xe chợ“ fahren könnte, brauchte dieses auch eine Weile, bis jemand verstand, und ärgerte mich schließlich über abermals 15.000 Đồng, die ich für keine 400 Meter opfern musste, denn dieser Busbahnhof befand sich direkt hinter der Einkaufspassage.

So, nun war ich also endlich da, von wo aus Busse nach Laos fahren sollten. Endlich! Was für ein Stress – in dieser Hitze, einfach unerträglich! Ich suchte nach dem Ticketschalter und wurde schon von allen Seiten seltsam beäugt. Na klar, es war ein örtlicher Busbahnhof, der Touristen gewöhnlich, falls sie mal nach Vinh kommen sollten, vorenthalten wird. Mit meinem mittlerweile perfekten Vietnamesisch fragte ich souverän nach einem Bus nach Laos. Ich sollte bis 14.30 Uhr warten, ein Ticket brauchte ich nicht. Warten musste ich nur fünf Minuten, schon kam der erste Minibusfahrer und zerrte mich in seinen Bus, indem er meinte, er führe nach Laos. Mehrmals vergewisserte ich mich mittels meiner Landkarte, dass er auch wirklich die richtige Route fahren würde. Er schien die Karte nicht lesen zu können, aber immerhin Tây Sơn sagte ihm etwas. Er bot mir die Fahrt für 100.000 an und ich machte ihm klar, dass ich eigentlich Tây Sơn bis Cầu Treo, also direkt zur Grenze wollte. Diesen Ort kannte er nicht, aber ich würde ja dann schon diskutieren können und ihm sicher kein Geld geben, bevor ich nicht ankäme. So sicher war ich mir meiner Sache schon.

Die Zeit bis 14.30 Uhr verging einfach nicht. Ständig wurde geschleppt und gemacht um den Bus herum, Leute stiegen ein und stiegen aus, es war heiß und ein Vietnamese rauchte in der Tür, an der ich saß. Aber wir fuhren schließlich pünktlich ab. Ein paar Leute waren schon drin. Damit ist ein vietnamesischer Bus aber nicht voll und somit nicht abfahrbereit. Also wurden in ganz Vinh noch mehr Menschen eingesammelt, die in diese Richtung fahren wollten. Das ganze dauerte mindestens eine Stunde. Dann waren alle Plätze belegt. Aber damit ist ein vietnamesischer Bus immer noch nicht voll. Wir fuhren also noch eine halbe Stunde durch Vinh, die selbe Strecke wie zuvor, um den Bus richtig vollzustopfen. Es war furchtbar heiß und stickig und ich hatte keine Orientierung, wie spät es eigentlich war und wo wir hinfuhren, weil ich die Orte nicht kannte und die meisten davon gar nicht auf meiner Landkarte eingezeichnet waren. Als einzige Zeitorientierung hatte ich meine Kamera, mit der ich immer ein Foto machen konnte, um dann zu sehen, wann das letzte Foto eben geschossen wurde. Die Richtung schien zu stimmen, denn es ging immer zur untergehenden Sonne, also gen Westen, wo ja Laos lag. Unterwegs wurden immer mehr Menschen abgeladen und einige neue aufgenommen. Auf dem Dach hatten neben zig Holzkisten auch viele Gebrauchsgegenstände und ein Motorrad Platz gefunden, in dem Bus selbst wurde der restliche Platz, der noch nicht von Menschen belegt war, mit Reissäcken, Rucksäcken, Koffern und Metallstangen ausgefüllt. Bald war ich fast nur noch der Einzige in dem Fahrzeug und mir wurde mulmig. Wieso? Weil ich merkte, dass ich keine 100.000 Đồng so hatte, wie sie es haben wollten. Ich hatte 90.000 Đồng, 20 Dollar, 3000 Baht und ein paar übrig gebliebene Riel. Wie sollte ich die Fahrt also bezahlen? Die Dollar brauchte ich definitiv für das laotische Visum und mit Baht und Riel würden sie in Vietnam nichts anfangen können. Nun gut, warten wir mal ab, wo sie mich hinbringen …

An einem Straßenrand in einem Dorf – es war wohl Tây Sơn – sah ich ein paar Ausländer herumstehen. Ich lachte schon insgeheim, dass sie dort wohl von einem Busfahrer herausgeworfen worden waren. Vieles hatte ich bereits über den Trip von Hanoi nach Vientiane gelesen, vor allem viele Horrorstorys. Ich war mir meiner Sache aber sicher.

Dann hielt der Busfahrer und befahl mir auszusteigen. Nein, hier sei doch keine Grenze, meinte ich. Wir waren ja erst in Tây Sơn. Ich protestierte, dass ich nichts zahlen würde, wenn ich hier aussteigen müsste. Also gut, sie gaben nach, ich hatte Angst, aber die Fahrt ging noch ein paar Kilometerchen weiter. Dann hielt der eklige Fahrer wieder und zeigte auf ein Schild, auf dem in englischer, laotischer und vietnamesischer Sprache eindeutig „Grenzgebiet“ stand. Immer noch protestierte ich, dass ich nicht an der Grenze sei, dachte mir aber, dass ich vielleicht nur noch ein paar Meter laufen müsste. An einigen Meilensteinen zuvor hatte ich immer gelesen, dass Kaew Nuea, der laotische Grenzort, noch über 30 Kilometer entfernt sei, hatte aber gedacht, dass es sich dabei um einen Ort nach der Grenze in Laos handeln würde. Und da mit Vietnamesen, wenn sie sauer werden, nicht zu spaßen war, gab ich schließlich nach.

Ich hatte aber kein vernünftiges Geld und bot ihnen erst einmal die 90.000 an. Eifrig zählte der eine recht junge Fahrbegleiter und meinte, es fehlten zehntausend. Die hatte ich nun mal nicht. Ein-Dollar-Scheine hatte ich auch nicht, nur einen Zehner und zwei Fünfer. Also bot ich fünf Dollar an, die umgerechnet genau 95.000 Đồng wären, und gab noch einen 5.000er-Schein dazu. Es dauerte lange, sie zu überzeugen, dass es das gleiche Geld war, aber schließlich schaffte ich es. So stieg ich also aus.

Wo ich gelandet war, wusste ich nicht genau, es muss wohl am Ortsausgang von Tây Sơn gewesen sein. Dort stand ich nun vor dem Schild mit der Aufschrift „Frontier Area“. Und wo war nun das Kontrollhäuschen? Ich lief also mit meinem großen Rucksack los und folgte der Straße. Die Leute schauten aus ihren Häuschen und wunderten sich und kicherten und riefen mir „đi đâu“ (wohin gehst du?) zu. Ich antwortete sicher: „đi Cầu Treo“ oder „đi Lào“. Da lachten die meisten noch mehr. Ich lief und lief und lief. Es war nun kurz vor sechs Uhr abends, die Grenze würde bald schließen. Immer wieder hielten Motorrad- und Autofahrer an und witterten ihre Chance auf das große Geld. Für schlappe 15 Dollar oder 300.000 Đồng wollten sie mich gerne mitnehmen. Lonely Planet hatte geschrieben, man käme für 50.000 von Tây Sơn bis zur Grenze. Also versuchte ich es immer wieder, auf 30.000 herunterzuhandeln. Diese Zahl, „ba mười nghìn đồng“, wurde bald zu meinem Wanderspruch. Jeder, der mich mitnehmen wollte, bekam diese Zahl zu hören. Keiner aber ließ sich darauf ein. Einer, dessen Mund so aussah, als hätte er gerade ein Tier lebendig gefressen, fing bereits an, seine Krücke von Auto auszurümpeln, um mir Platz auf einem nur noch halb vorhandenen Beifahrersitz zu schaffen, bis ich den Preis erfuhr und weiterlief. Immer wieder musste ich „ba mười nghìn đồng“ sagen, aber es half nichts.

Bald gesellte sich eine Schüler- und Schülerinnengruppe mit Fahrrädern um mich und amüsierte sich über meine „ba mười nghìn đồng“. Sie wiederholten es auch dauernd. Sie wollten wissen, wo ich denn hinwollte. Nun ja, nach Laos, wohin denn sonst? Ich freute mich, eine Unterhaltung gefunden zu haben, obgleich es schon etwas dämmerte und ich keine Ahnung hatte, wann und ob ich überhaupt ankommen würde. Irgendwann bot mir ein Junge an, dass ich mich auf seinen Gepäckträger setzen könnte. Wie nett! Aber das ging nicht, er schaffte es nicht. Ich bot ihm also an zu tauschen, sodass ich mich abstrampelte und er auf dem Gepäckträger Platz fand. So ging das eine ganze Weile ziemlich gut, bis er irgendwann nach Hause musste und ich das Fahrrad wechselte. Die Kinder übten ihr Englisch und hatten ihre Freude an mir. Das mit dem Fahrradwechsel ging noch ein Weilchen so weiter und schnell waren gute vier Kilometer überbrückt. Von Grenze natürlich keine Spur.

Irgendwann kamen die letzten zu Hause an, an einem großen Haus. Ich sagte der Großfamilie, die im „Vorgarten“ saß, nett „xin chào“ und verabschiedete mich dann von den Mädchen. Von nun an würde ich mich alleine durch den Dschungel bis zur Grenze durchschlagen müssen. Was soll’s!

Aber plötzlich riefen mich die Mädchen, mit denen ich gerade gekommen war, zurück und boten mir an, ob ich nicht bei ihnen zu Abend essen wollte. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen, nachdem ich schon Frühstück und Mittag ausgelassen hatte. Sie boten mir sogar einen Schlafplatz an, was ich auch nicht verneinte. Zuerst durfte ich duschen gehen. Wow! Total nett! Das Wasser war warm, die Familie schien wohlhabend und nett, ich bekam Abendessen und ein Bett für eine Nacht. Die Kinder waren überdies auch noch total hilfsbereit, freundlich, interessiert und niedlich. Besser hätte es ja kaum laufen können.

Ich lernte noch die Namen der vier interessiertesten Mädchen (es gab eine ganze Menge Kinder in der Familie): Dung (sprich: Jung), Ngan, Lanh (sprich: Lang) und Lê, und war danach stolz, dass ich mir die Namen weitestgehend behalten konnte. Meine Erklärung, dass ich aus Deutschland käme und dass es in Europa liege, lief ins Leere. Das Abendessen war fertig. Es gab … Reis und anderen Reis und wahrscheinlich Schwein oder Huhn oder so und noch vieles anderes, was ich niemals sonst essen würde. Aber ich quälte mir das meiste, was mir angeboten wurde, herein. Erstens hatte ich Hunger, zweitens wusste ich nicht, wann ich das nächste Mal essen können würde und drittens wollte ich nicht unhöflich sein. Aber es schmeckte grauenhaft. Über meine Stäbchenkünste amüsierten sie sich auch sehr. Die Männer saßen alle im Schneidersitz und die Frauen mit nach hinten angewinkelten Beinen auf dem Boden um ein großes Tuch mit viel Essen, während diejenigen, die bereits fertig waren, aufstanden, sodass noch andere Platz nehmen konnte. Von vielen Töchtern und Söhnen gab es über Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel alles. Es war ja auch ein riesiges Haus im Vergleich zu den anderen Bruchbuden im umliegenden Dorf. Ich fühlte mich sehr gut aufgehoben.

Dann sollte ich den Mädchen bei ihren Englischhausaufgaben helfen. Für mich ja kein Problem, ich helfe ja gerne. Also gingen wir in ihr Zimmer. Irgendwann kam ein anderes Kind und wollte etwas von mir. Alle diskutierten eine Weile, wussten aber nicht, was sie mir sagen sollten. Ich ging davon aus, dass sie meine ID haben wollten, wer ich denn eigentlich sei. Als ich den Personalausweis hervorholte, lehnten sie ihn ab und beredeten weiter. In meinem Phrasebook suchten sie nach der passenden Übersetzung und fanden es schließlich: Den Reisepass wollten sie sehen. Etwas skeptisch und misstrauisch holte ich ihn hervor und zeigte ihn ihnen. Sie wollten ihn haben! Das ging natürlich unter keinen Umständen. Für nichts in der Welt sollte ein Reisender dieses wichtige Dokument in fremde Hände geben! Ich diskutierte, bis der Vater kam. Er wollte unbedingt meinen Reisepass haben, aber ich hielt ihn fest. In einfachstem Englisch versuchte ich zu erklären, dass ich für immer in Vietnam bleiben müsste, wenn ich diesen Pass nicht mehr hätte. Sie verstanden nicht, hatten ja keine Ahnung von der Welt. Der Vater wurde sauer und wurde aggressiv. Er drohte, mich hinauszuwerfen, wenn ich ihm den Reisepass nicht gäbe. Also ging ich …

Meine Bücher, Stifte und Zettel hatten die Mädchen unterdessen in meinen Rucksack gepackt und brachten ihn mir nun. Ich suchte meine Flip-Flops und ging … in die Dunkelheit. Hm, keine gute Idee. Ich versuchte es noch einmal mit Vernunft gegenüber dem Vater: Hier, ich gebe dir das Ding, dann darf ich hier schlafen und du gibst es mir morgen früh zurück, okay? Er war ein sturer Bock und schmiss mich von seinem Grundstück.

So stand ich nun irgendwo im Nirgendwo in der Dunkelheit in einem Grenzgebiet zwischen Laos und Vietnam auf einem Dorf, in dem man praktisch ohne Vietnamesisch kaum überleben konnte, und hatte keinen Plan, wie ich nun weiterverfahren sollte. Ich rechnete mir aus, dass ich wohl noch gute 25 Kilometer zu laufen hatte und dass ich am nächsten Morgen ja an der Grenze ankäme, wenn ich nun losliefe. Immer wieder bereute ich diverse Entscheidungen: Hätte ich doch die 200 Đồng nicht gestohlen, hätte ich doch den Schlafbus aus Hanoi mit Aufpreis genommen, wäre ich doch auf die teure Bedingung eingegangen, mit einem Motorradtaxi für 300.000 bis zur Grenze zu fahren, hätte, wäre, könnte … so war es nicht und nun musste ich damit leben.

Vor mir lag also ein stockdunkler Weg, der leicht aufwärts ging. Noch war Dorf, ein paar nahezu unbeleuchtete Häuschen links und rechts, doch was würde danach kommen? Würde ich die Nacht bis zur Grenze überleben? Sollte ich mich einfach in den Straßengraben legen und schlafen? Was sollte da schon passieren? Erfrieren, ausgeschlossen. Verschlafen, ausgeschlossen. Ausgeraubt werden, möglich. Von Hunden attackiert werden, wahrscheinlich. Sollte ich es wagen, mich meinem Schicksal hingeben, aufgeben, einfach aufgeben? Nein, ich würde kämpfen, bis zum Ende!

Ich marschierte weiter. Es war dunkel, stockdunkel. Es war warm, aber dunkel. Ich sah nichts. Es kam ein Motorrad von vorne, dann eines von hinten. Wieder war es dunkel. In der Ferne bellten Hunde. Ich hatte Angst, tierische Angst. Das Bellen wurde lauter und schien sich auf mich zuzubewegen. Ich hatte höllische Angst und rannte zu einem nahegelegenen Haus, dessen Umrisse ich nur dank des Kerzenscheins aus dem Hausinneren erahnen konnte. Davon schienen Leute zu sitzen. „Egal, die fragst du jetzt“, sagte ich mir und lief auf sie zu. Ich erkundigte mich nach einer Schlafgelegenheit, was ich auf Englisch beziehungsweise in internationaler Gebärdensprache zu verstanden gab, und sie erlaubten mir wohl, bei ihnen zu nächtigen.

Ich legte meinen Rucksack ab, war froh, den Hunden entkommen zu sein und holte mein Wörterbuch heraus. Ich schlug „hier“ und „schlafen“ nach und war froh, dass sie meine beiden einzigen vietnamesischen Wörter tatsächlich bejahten! Ich hatte mir also einen Schlafplatz irgendwo zwischen Vietnam und Laos, in dem kleinen Dörfchen Sơn Kim 1, gesichert. Hier konnte ich bleiben. Das Haus hatte dreieinhalb Wände, immerhin ein Dach, einen Tisch und eine Kerze. Die Bewohner schienen sehr irritiert ob meiner dreisten, aber in Vietnam normalen Art, mich hier niederzulassen. Nachdem ich ihnen kurz zu verstehen gab, dass ich auf dem Weg nach Laos sei, luden sie mich zum Abendessen ein. Wieder gab es Reis. Und ich erfuhr, dass auch noch Hühnchen und Fisch im Angebot waren, denn einer der älteren Bewohner sprach ein bisschen Laotisch, was ich dank meines bisher erlernten Fähigkeiten der thailändischen Sprache sogar einigermaßen verstand. Ich probierte alles, obwohl mir nichts außer dem rohen Reis wirklich zusagte. Zum Trinken gab es klares Wasser, wahrscheinlich aus einem nahe gelegenen Bach. Immerhin gab es etwas, denn nachdem ich ja sowohl Frühstück als auch Mittagessen ausgelassen hatte, hungerte ich nicht nur, sondern sehnte mich unglaublich nach Flüssigkeit! Mein Proviant war bereits aufgebraucht.

Aber ich war froh, dass ich mir für diese Nacht eine Unterkunft gesichert hatte. Irgendwo zwischen Laos und Vietnam, etwa 25 Kilometer vor der lang ersehnten Grenze. Es war der 70. Geburtstag meines Opas und ich war erfreut, dass ich nach allem Pech, das ich immer noch auf den verhexten 200-Đồng-Schein schob, endlich wieder einen Hauch von Glück spüren konnte.

Bevor ich mich nach diesem konfusen, anstrengenden, unvergesslichen und entmutigenden Tag geruhsam schlafen legen konnte, tauchten plötzlich ein paar fremde Gestalten auf, während ich mich bei Taschenlampen- und Kerzenlicht mit den mir mittlerweile etwas bekannteren Gastgebern um ein sinnvolles Gespräch bemühte. Doch so fremd waren diese Gestalten gar nicht, denn da kamen doch tatsächlich die Mädchen Lanh und Lê mit ihren Englischheften und einem kleinen Zettelchen. Ich las es stillschweigend und lächelnd durch:

I am Le and Lanh. I’m sorry
we are satting and we cryed.
We will miss you, forever.
We are looking forward to seeing soon.
We want to stay of you but it can’t
See you again!
Girl …
Le Lanh

Dann schoben sie mir vorsichtig und kichernd ihr Englischheft zu und baten mich, ihre Hausaufgaben zu machen. Das fiel mir zwar nicht besonders schwer, aber ich wollte ihnen natürlich auch erklären, wieso an einer bestimmten Stelle gerade dieses und nicht jenes Wort passte. Dabei musste ich jedoch vorher erst einmal klarstellen, was Verben, Substantive und Adjektive sind, denn im Vietnamesischen wird wie auch in den meisten anderen ostasiatischen Sprachen nicht unterschieden. Das Interessante daran war aber eigentlich, dass ich es ihnen irgendwie in einer Sprache zu erklären hatte, die sie auch verstanden. Ihr Englisch war besser als das der übrigen Bewohner des Dorfes, ließ aber trotzdem sehr zu wünschen übrig. Also versuchte ich es mit wenigen Wörtern Vietnamesisch und meinem tollen Sprachführer, aber ob sie es kapierten, weiß ich bis heute nicht. Jedoch gefiel es mir, dass die beiden Mädels meine Hilfe brauchten und so waren auch die Bewohner des einsamen Hauses umso freundlicher und interessierter an mir. Die Fragen, die sie an mich stellten, mussten die beiden jungen Frauen aus der Nachbarschaft genauso übersetzen wie sie es mit meinen Antworten taten. So kam dann doch eine recht lustige Gesprächsrunde zustande. Ich kämpfte derweil mit herumfliegenden Insekten, die sich ebenso sehr wie die Gastgeber an meiner ausziehbaren und blinkenden Taschenlampe erfreuten. Dann verließen die Kinder meine tolle Wohnung und verabschiedeten sich noch mit einer großen Entschuldigung für ihren Vater – ich sollte sie danach niemals wiedersehen, auch wenn sie die bisher wohl nettesten Vietnamesinnen gewesen waren, die ich je getroffen hatte.

Mein Schlafplatz bestand aus einer geschirrtuchdünnen Decke, die auf einem Holzboden im Haus, das lediglich aus einem Zimmer bestand, ausgelegt worden war. Ich packte alle mir wichtigen Sachen aus dem großen Wanderrucksack in die kleine alltagstaugliche Tasche, die ich als Kopfkissen nutzte. Ich hatte kein wirkliches Zeitgefühl, da mir das Handy bereits entwendet worden war; doch auch dabei wusste ich mir zu helfen: Mit meiner Kamera, mit der ich schon durch Dick und Dünn gegangen war, schoss ich einfach ein beliebiges Foto und ermittelte dann anhand der Detailansicht des zuletzt aufgenommenen Fotos die momentane Zeit. Das war zwar immer etwas umständlich, aber sehr hilfreich! Die Kerze war bereits gelöscht, aber die anderen Bewohner legten sich noch nicht schlafen. Ich tat auch nur so, denn ich wollte ja mitbekommen, was mir noch so im Laufe dieser verwirrenden Nacht geschehen würde. Schlafen konnte ich ohnehin nicht richtig, denn zum einen nutzten zahlreiche Fliegen und Käfer mich als Flughafen und zum anderen nervte mich so ein sinnloses Spielzeug, das wohl zu jeder halben Stunde eine Art Geckogeräusch von sich gab. Ich hatte in diesem Moment die Schnauze voll vom Reisen, hätte am liebsten aufgegeben, wenn es ein Spiel gewesen wäre, doch es war die Realität. Da lag ich nun, mitten in der Nacht, in einem wildfremden Zimmer mit dreieinhalb Wänden, mitten in Vietnam, über 100 Kilometer von einer Großstadt entfernt, ganz allein, ohne Handy und mit extrem wenig Geld in der Tasche, von dem ich noch die Visagebühren für Laos, falls ich je dorthin kommen sollte, sowie einen Bus bis nach Vientiane bezahlen musste. Dieser besagte Bus musste ja auch erst einmal gefunden werden, doch laut Lonely Planet, meiner Reisebibel, sollte das an der Grenze kein großes Problem mehr sein.

Endlich schlief ich ein. Doch nicht sehr lange, wieder weckte mich dieses Geckogeräuschspielzeug. Und wieder bekrabbelten mich kleine Tierchen. Es war einfach nur schrecklich. Neben mir schliefen zwei, drei Bewohner, die anderen hatten sich wohl ins Esszimmer zurückgezogen. Ich hatte vor, so zeitig wie möglich zu verschwinden und möglichst unbemerkt, da ich fürchtete, dass sie mich noch eine Weile da behalten wollten, wie die Asiaten ja so sind …

Gegen 7 Uhr morgens erwachte ich aus einem unruhigen Schlaf und war plötzlich wieder voll Ehrgeiz, dass ich es heute über die Grenze nach Laos schaffen würde. Meine Gastgeber waren auch schon auf den Beinen, die Sonne schien bereits und ich packte schnell meine Sachen zusammen, putzte mir die Zähne und wusch mein Gesicht in einer Wassertonne vor dem Haus. Ich lief los. Nichts im Magen, zwei Rucksäcke von insgesamt rund 10 Kilogramm auf dem Rücken und noch gute 23 Kilometer Fußmarsch bergauf vor mir. Diese Zahl verriet mir ein Meilenstein, die man überall auf ländlichen Straßen in Vietnam und Laos vorfindet. Ich rechnete mir anhand der gelaufenen Zeit von einem Kilometer aus, wie lange ich denn wohl zur Grenze brauchen würde, doch hoffte ich immer wieder auf ein Wunder, denn ich wollte schon vor dem Mittag in meinem geliebten Laos sein.

Der Weg schien endlos, aber die Landschaft war herrlich. Immer wieder kam ein vermeintlich netter Vietnamese vorbei und wollte mich für einen sagenhaft günstigen Preis von 25 US-Dollar oder 500.000 Đồng (jeweils etwa 20 Euro) bis zur Grenze bringen. Doch dieses Angebot wäre für gerade mal 20 Kilometer selbst für Deutschland reiner Wucher, deshalb beugte ich mich meinem Schicksal und watschelte die Straße weiter hinauf. Ich hoffte eigentlich auf einen netten Laoten, der mal mit seinem Auto vorbeikam, aber immer wenn ich ein laotisches Nummernschild erspähte, war das Gefährt schon viel zu weit entfernt. Es nützte nichts, ich lief weiter. Die Kilometer wurden zwar weniger, aber der Rucksack schwerer und die mentale Last fast untragbar. Zu alledem kamen auch noch die wilden Hunde, bei denen ich immer schon aus weiter Ferne die Aggressivität heraushören konnte. Ich hatte nichts zum Schutze, kein Messer, keinen harten Gegenstand, keine Ahnung; lediglich mein Wissen aus anderen asiatischen Städten, wie man mit solchen Kötern umzugehen hat. Ich lief also schnurstracks auf die Biester zu und so sehr sie mich auch ankläfften, ich veränderte mein Schritttempo nicht und versuchte, die Rudel zu durchbrechen. Das klappte nicht immer sehr gut, aber auch dabei wusste ich mir zu helfen: Mit ausgestreckter Handfläche nach vorn, ähnlich dem Warnzeichen für „Zutritt verboten“, ging auf die entsprechenden Hunde zu und schrie sie mit sicherer Stimme lautstark an, womit ich sie mir hierarchisch unterwarf.

So schaffte ich es, mehrere Kilometer weiter in Richtung Laos vorzudringen, bis ein Motorradfahrer langsam neben mir herfuhr. Ich ging davon aus, dass er wie alle seine Vorgänger auch über mich lachte und wieder Geld von mir verlangen würde, doch nach dem üblichen kurzen Smalltalk auf Vietnamesisch von „Đi đâu đấy?“ – „Đi Lào“ („Wohin gehst du?“ – „Ich gehe nach Laos“) bot er mir an, dass ich mich auf seinem Motorrad niederlassen dürfe. Dieses Angebot schien zu gut um wahr zu sein, also vermutete ich versteckte Kosten, die am Ende der Tour auf mich zukommen würden. Aber nachdem er auf meine Geldfrage keine Antwort gab, stieg ich dann doch auf. Er fuhr und fuhr und fuhr. Gute acht Kilometer kam ich so binnen einer Vietelstunde voran, bis wir an einem kleinen Waldweg Halt machten. Ich dachte, er müsse nur kurz austreten, doch er forderte mich auf, ihm zu folgen. Er hatte seltsame Blumen und andere Utensilien bei sich. Ich folgte ihm, was blieb mir auch anderes übrig? Wir kamen an einem kleinen privaten Schrein an, den der Herr zunächst von Spinn-weben und Blättern befreite und schließlich wieder mit Opfergaben auf Vordermann brachte. Es schien sein eigener zu sein und so fing er an zu beten.

Er forderte mich auf, es ihm gleichzutun. Ich habe noch nie in meinem Beten aus freien Stücken ernsthaft gebetet, weder bei früheren Kirchenbesuchen noch bei irgendwelchen Ängsten, die ich je zuvor in meinen Leben verspürt hatte, aber dieses Mal war es so weit. Ich war am Ende und mir ging es richtig schlecht. Ich betete zu Gott, zu Buddha und zu allen anderen Göttern oder Allmächtigen, dass ich gesund und munter wieder nach Laos und dann zurück nach Bangkok kommen würde und dass ich es bestenfalls so schnell wie möglich schaffe. Eine unmögliche Bitte war das, aber dafür spendete ich auch ungeheure 11.000 Đồng (ca. 50 Cent). Ich solle doch bitte erhört werden!

Der Mann, der mich an diesen Ort gebracht hatte, setzte sich dann genüsslich vor seinen Schrein und lud mich zu einem Gläschen Whiskey ein. Na klasse, das hatte ich ja jetzt gebraucht! Ich nahm also zwei davon und dann erklärte ich ihm, dass ich nun endlich nach Laos wollte. Er bot mir an, mich für unschlagbare 200.000 Đồng (7 Euro) bis zur Grenze zu fahren, aber obgleich der Herr sehr nett schien, wollte ich ihm erstens das Geld nicht geben und zweitens hatte ich es auch nicht. In meinem Portemonnaie befanden sich nur noch kleine Dollarscheine und die brauchte ich ja für die Weiterreise. In dieser gottverlassenen Gegend gab es natürlich keinen Geldautomaten – und dass es einen an der Grenze geben sollte, bezweifelte ich auch.

Ich lehnte sein Angebot also ab und lief weiter; etwas enttäuscht, dass mich der gute Mann nicht weiter mitnehmen konnte, da er sich wieder auf dem Heimweg begab, und aber auch sehr erleichtert, dass ich nun nur noch gute 13 Kilometer vor mir hatte. Ich lief eine Anhöhe hinauf, ein alter Van überholte mich und stoppte kurz vor mir. Ich war völlig verwundert ob dieser hilfsbereiten Art vietnamesischer Leute und näherte mich nur langsam dem Fahrzeug. Sie fragte, wo ich denn hinwolle und ob sie mich ein Stück mitnehmen sollten. Natürlich wollte ich das, aber bitte ohne zu bezahlen, da ich ab jetzt bis zur Grenze nichts mehr ausgeben durfte, um die Visumskosten noch begleichen zu können. Ich hatte zwar noch mehrere tausend Baht (1000 Baht sind heute etwa 25 Euro), aber die nahm hier in Vietnam ohnehin kein Mensch an.

Ich ging zum Beifahrerfenster des Vans und entschuldigte mich einem kläglichen „không có tiền“ (sprich: khomng go tjenn), was so viel wie „ich habe leider kein Geld dabei“ heißen sollte. Das störte sie nicht und sie meinten, ich könne hinten einsteigen. War mein Gebet doch erhört worden? Ich saß nun irgendwo zwischen Dutzenden von gestapelten Kisten in einem uralten Van, dessen Türen nur mit viel Kraft zu öffnen waren, und wurde doch tatsächlich den gesamten Weg bis zur Grenze mitgenommen. Dabei muss ich zugeben, dass der Weg immer steiler wurde und selbst das Auto kämpfen musste, um nicht wieder rückwärts hinunterzurollen. Ich versuchte, mich mit dem Fahrer und seiner Beifahrerin zu unterhalten, musste aber größtenteils alles aufschreiben, weil sie mein wahnsinnig gutes Vietnamesisch nicht verstanden.

Und um ziemlich genau 9 Uhr morgens kamen wir an: Die Grenze lag vor mir, ich hatte es doch tat-sächlich bis Cầu Treo/Nam Phao geschafft. Ich bedankte mich unendlich bei den beiden Leuten, die mich mitgenommen hatten, und eilte ins Grenzhäuschen. So verlassen, wie ich es mir hier auf dem Berg vorgestellt hatte, war es dann doch nicht. Im Gegenteil: Von beiden Seiten kämpften die Leute darum, endlich ihre riesigen Scheine in Dollars, Đồng, Kip oder Baht tauschen zu können. Es gab dort nämlich eine Art Wechselstube mit zwei Angestellten, die immer wieder Stapel von Geldscheinen in die Hand gedrückt bekamen und auf den Gegenwert in der gewünschten Währung warteten. So stellte ich mich auch eine Viertelstunde an, hatte aber keine Chance gegen die anderen Leute und blieb so auf meinen Baht sitzen. Ich ging also zum Grenzposten, gab dem Beamten meinen Reisepass und einen Dollar Stempelgebühr, die ich ohnehin immer lächerlich finde, womit er sich aber wahrscheinlich sein Mittagessen finanziert. Dann war ich raus aus Vietnam, endlich weg aus diesem mir Unglück bringenden Land! In diesem Moment war ich nirgendwo auf der Welt, zwischen zwei Ländern gefangen, denn ich hatte keine 25 US-Dollar mehr für das laotische Visum! Was tun?

So marschierte ich also zum nächsten Grenzhäuschen, in dem nun alles laotisch war. Ich fühlte mich auf dem Weg bis dorthin ganz allein, aber dann tauchte eine jugendliche Reisegruppe vor mir auf. Sie füllten gerade den Visumsantrag aus und diskutierten mit den Grenzbeamten. Ich schöpfte Hoffnung, dass ich notfalls in ihrem Bus mitfahren könnte, wenn es keine öffentlichen Verkehrsmittel an der Grenze geben sollte. So beeilte ich mich mit meinem Visumsantrag und durfte sogar mit unverschämt hohem Wechselkurs in Thai-Baht bezahlen (1400 Baht, also 47 Dollar!), denn für den normalen Dollarpreis hatte ja mein Geld nicht mehr gereicht. Aber ich bekam das Visum und ich war wieder glücklich. Eine riesige Last fiel von meinen Schulten, doch das nächste Problem stand kurz bevor: Wie sollte ich nun nach Thailand kommen?

Es gab zwei mögliche Routen: Einen direkten Touristenbus nach Vientiane suchen und von dort aus ganz leicht über die thailändische Grenze nach Nong Khai zu marschieren oder mich bis in die nächs-te Stadt durch trampen, laufen und bezahlen vorzukämpfen, um einen örtlichen Bus in Richtung Thailand zu ergattern. Die erste Möglichkeit schien komfortabler, aber das Glück, einen solchen Bus zu finden, musste man auch erst einmal haben.

Ich erinnerte mich an die Backpacker, die ich zuvor im Grenzhäuschen gesehen hatte, und suchte den dazugehörigen Bus, denn irgendwie mussten sie ja zur Grenze gekommen sein. Und tatsächlich erspähte ich plötzlich vor mir einige große Fahrzeuge, neben riesigen Lastern auch einen Bus, dessen Rückscheibe die Aufschrift „Hanoi Vientiane Travel“ zierte. Den nimmst du jetzt!, sagte ich mir und steuerte auf ein paar Leute zu, die gerade mühevoll Koffer und Taschen in und auf dem Bus verstauten. Man hält es immer kaum für möglich, wie viel Gepäck in solch einem Bus befördert werden kann! Ich erwischte den Busfahrer und fragte höflich in den drei Sprachen Laotisch, Vietnamesisch und Englisch, ob er denn nach Vientiane mitfahren würde und ob ich noch einsteigen könne. Wie die Vietnamesen so sind, erlaubte er mir die Fahrt für 25 Dollar. Doch leider hatte ich nur noch 20 dabei und so handelte ich herunter. Mit den Worten „but just standing“ (aber nur stehen) nahm er mein Geld und ich betrat den Bus.

Natürlich konnte man in diesem Bus nur noch stehen, wenn überhaupt! Er war bis zum Rand gefüllt: Alle Sitzplätze waren belegt, meist saßen sogar mehrere Menschen auf einem Sitz oder standen zwischen den Sitzen. Der Gang war nicht zu betreten, denn überall hockten, saßen und lagen Menschen. Dort, wo kein Mensch mehr hingepasst hatte, lagen Taschen, Reissäcke oder anderes Geröll. Kaum zu glauben, dass dieser Bus tatsächlich schon 400 Kilometer seit Hanoi unterwegs gewesen sein musste! Aber wieso sollte ich nicht auch noch in dem Bus Platz nehmen dürfen? Ich legte meinen großen Rucksack quer auf in Gang und setzte mich darauf. Das sparte Platz, aber besonders bequem war es auf nicht einmal 70 mal 70 Quadratzentimetern keineswegs. Aber ich war gerettet und für 20 Dollar sollte es nun etwas unangenehm bis nach Vientiane gehen. Es lagen nur noch gut 400 bis 500 Kilometer vor mir, was dieser Bus eigentlich in sieben bis acht Stunden schaffen sollte. Während ich es mich so in dem Bus einrichtete, wurde ich von den Vietnamesen im Bus angemacht und von anderen Backpackern gewarnt, wieso ich denn hier einsteige und dass ich für den Preis, der mir angeboten wurde, niemals hier hätte einsteigen sollen. Aber sie kannten ja meine Geschichte nicht …

Kurz nachdem der Bus losgefahren war, konnte ich mir einen Überblick über die Sitzordnung ver-schaffen: Es war ein Multi-Kulti-Bus aus Vietnamese, Laoten und internationalen Backpackern. Die Insassen waren alle zwischen 80 Tagen und 80 Jahren alt. Manche hatten einen Sitzplatz bekommen, andere saßen auf denjenigen, die einen Sitzplatz hatten, wieder andere saßen zusammengekauert in den Gängen, auf Rucksacken oder Gerätschaften, wieder andere saßen auf kleinen, selbstgebastelten Stühlen, einige standen vorne am Fenster auf der Treppe und eine hockte doch tatsächlich auf der Lehne des Busfahrers. In diesem Bus befanden sich wohl mehr als 80 Leute, obwohl kaum Platz für die Hälfte gewesen wäre. Demzufolge war das Gepäck auch auf dem Dach festgeschnallt, in die Kofferräume gewürgt und unter den Sitzen verstaut worden. So ging es dann gemütlich weiter bergauf bis zur ersten Rast an einem kleinen laotischen Restaurant.

Nun mussten alle der Reihe nach aus diesem überfüllten Gefährt aussteigen und konnten sich endlich etwas zu essen gönnen. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen und bestellte eine Suppe, von der ich wenigstens wusste, was sie enthielt. Die anderen Backpacker setzten sich zu mir und fragten mich natürlich sofort aus, wie ich denn ihren Bus gefunden hatte und warum ich unbedingt dort einsteigen musste. Ich erklärte ihnen meinen Höllentrip von Hanoi bis hierher und erfuhr, dass sogar drei Deutsche unter ihnen waren. Sie erklärten mir, dass sie zwar in Hanoi eingestiegen waren, aber dass der Bus schon von Anfang an voller Vietnamesen gewesen sei, sodass die internationalen Reisenden, die natürlich viel mehr für die Platzkarten bezahlt hatten, um ihre Sitze kämpfen mussten. Der Bus war in Hanoi noch eine Weile im Kreis gefahren, um ihn weiter aufzufüllen, und unterwegs wurden einfach ein paar Sitze hinausgeschmissen, um noch mehr Platz auf dem Boden zu schaffen. Nebenbei erfuhr, dass der Schlafbus, den ich wahrscheinlich in Hanoi zugesprochen bekommen hätte, unterwegs auf der Grenze zusammengebrochen sein musste und erst am nächsten, also diesen Morgen wieder weiterfahren konnte, weil über Nacht ja die Grenze geschlossen wird. Somit wäre ich auch nicht schneller gewesen als auf die Weise, wie ich getan hatte.

Nachdem sich alle in dem Restaurant gestärkt hatten, musste der Bus wieder der entsprechenden Reihenfolge nach befüllt werden. Dabei trampelten selbstverständlich alle über meinen Rucksack, der ja mitten im Gang lag. Fast als Letzter stieg ich dann ein und nahm wieder auf meinem „Backpack“, so nennt man nämlich diesen großen Reiserucksack, Platz. So ging es dann weiter bis zur nächsten Rast mit gleicher Einstieg-Ausstieg-Prozedur … bis wir nach 7,5 Stunden um halb acht abends in der laotischen Hauptstadt Vientiane ankamen!

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Von Vientiane nach Udon Thani (13.04.2010)

Wir Backpacker verließen eilig den Bus und suchten gemeinsam nach einem billigen Tuk-Tuk in die Innenstadt. Wir wussten nicht, wo in Vientiane uns der Bus hinausgeschmissen hatte, und so ver-suchten wir, es anhand von herumstehenden Tuk-Tuk-Fahrern zu erfragen. Ich übernahm, da ich ja schon ein bisschen Thai sprach, was vom Laotischen ungefähr so weit entfernt ist wie Bairisch vom Hochdeutschen. Wenn man die Regeln kennt, durch die sich die Sprachen unterscheiden, so kann man beide verstehen.

Wir einigten uns auf eine Fahrt von einem Dollar pro Insasse bis in die Stadt, wo wir uns dann wieder auskennen sollten. Auf dem etwa zehn Kilometer weiten Weg dorthin spürte ich zum ersten Mal das, worauf ich mich schon wochenlang gefreut und dank des furchtbaren Hanoi-Vientiane-Busses fast verpasst hätte: Songkran, das buddhistische Neujahrsfest! In Laos nannte man es Songkan, aber gefeiert wurde es genauso: Alle Menschen gehen mit Wasserkübeln und Schläuchen auf die Straße und bespritzen Vorbeifahrende und Passierende, egal ob im Auto, auf dem Motorrad oder im Tuk-Tuk! Da bereitet es den Kindern natürlich besonderen Spaß, die Ausländer einzuseifen und ihnen auf Kommando eine eiskalte Dusche zu verpassen, was angesichts der in Südostasien herrschenden Temperaturen zur heißesten Zeit des Jahres die perfekte Abwechslung schlechthin darstellt.

Als wir in der Stadt ankamen, waren wir zwar pitschnass, aber ich hatte wieder Kraft und Hoffnung getankt, tatsächlich heute noch über die Grenze und direkt nach Thailand zu kommen, mit viel Glück sogar bis nach Chiang Mai über Nacht, weil dort das größte Songkran-Fest überhaupt gefeiert wird! Ich hatte ja von Anfang an den Weg verfolgt, die Schlaufe von Bangkok über Südlaos durch Kambodscha, schließlich hinauf entlang der vietnamesischen Küste und zurück durch Nordlaos direkt nach Chiang Mai ins Songkran-Fest hinein zu nehmen. Und so sollte es auch weitergehen: Ich trennte mich von den anderen Reisenden, die ihre Zeit noch in Vientiane genießen wollten, wir tauschten kurz die E-Mail-Adressen aus, wie man das bei flüchtigen Bekanntschaften auf Backpacker-Reisen eben so macht, und wünschten einander ein schönes Leben. Sodann machte ich mich auf, einen Bus nach Nong Khai zu finden. Wo ich suchen musste, war mir sofort klar, aber am offiziellen Busbahnhof fuhr zu dieser Zeit nichts mehr nach Thailand.

Dann hieß es umplanen und Tuk-Tuk suchen: Das war angesichts meines ausländischen Aussehens und der ungeheuren Anzahl der herumstehenden Tuk-Tuks auch keine große Hürde, doch der Preis hatte es wieder einmal in sich. Ich wollte den Fahrern ja auch nicht zu viel geben, aber ich erinnerte mich daran, dass ich es schon einmal für 50 Baht (1 Euro) auf dieser Distanz in entgegen gesetzter Richtung geschafft hatte. Diesen Preis wollte ich auch wieder haben, aber das schaffte ich nicht. Ich startete wieder meine Handeltechnik und entfernte mich von den Angeboten, als könnte ich die Strecke selbst laufen. Wieder einmal bekam ich dann ein Angebot von 200 Baht (4 Euro) und ich nahm es an.

Der Fahrer versprach mir, mich bis zur Grenze, also zur Freundschaftsbrücke zwischen Laos und Thailand, zu fahren. Das konnte ich mittlerweile schon gut auf Thai erklären. Doch statt mich direkt dorthin zu bringen, lud er mich auf einer dunklen Straße ab und meinte, ich solle in ein anderes Tuk-Tuk umsteigen. Da stand ich nun, kein Stück weiter als vorher – und Zeit hatte ich auch noch verschwendet. Es war schon weit nach 20 Uhr und ich wusste nicht genau, wann die Grenze schließt. Doch nun hieß es erst mal wieder Verhandeln: Ich sollte dem ersten Fahrer die versprochenen 200 Baht geben und mich dann in das andere Tuk-Tuk setzen; aber wenn ich eins auf Reisen gelernt hatte, dann dass man niemals Geld geben sollte, bevor man die gewünschte Ware, in diesem Falle den Transport, erhalten hat. Also machte ich den herumstehenden Laoten klar, dass ich das Geld erst an der Grenze aushändigen würde, egal, wer mich bis dorthin fahren würde. Schließlich kam noch ein anderer Passagier, mit dem ich mir dann ein Tuk-Tuk teilte und der die Sache dann ebenso aufzuklären versuchte wie ich. Wir einigten uns daran, dass ich die 200 Baht tatsächlich erst an der Grenze übergebe, dafür der zweite dem ersten Fahrer aber die Hälfte schon bezahlt.

Was für ein Chaos! Aber schließlich ging es fröhlich weiter bis zur Grenze – und als Bonus durfte ich mich die ganze Zeit mit meinem Mitfahrer unterhalten. Er war Thai und so redete er Englisch und ich Thai, um uns gegenseitig die Sprache ein bisschen beizubringen. Wir stellten fest, dass wir den gleichen Weg hatten und so nahmen wir auch an der laotisch-thailändischen Grenze, wo wir zum einen den Betrag von 60 Baht für den Stempel und zum anderen noch 15 Baht für die so späte Grenzüberquerung hinblättern mussten, denselben Grenzbus nach Nong Khai und dort dasselbe Tuk-Tuk zum Busbahnhof, welches er mir spendierte. Ich erkundigte mich überall auf dem Busbahnhof, ob es in dieser Nacht noch einen Bus nach Chiang Mai gäbe, aber das schien wohl nicht der Fall zu sein. Man versicherte mir, dass es absolut keinen Direktbus von Nong Khai nach Chiang Mai gebe. Ich gab mich nach allen Strapazen und mit dem Wissen, dass ich an jenem Morgen ja sogar noch auf dem vietnamesischen Dorf Sơn Kim 1 aufgewacht war, damit zufrieden, dass ich es in dieser Nacht maximal bis Udon Thani schaffen würde und erst am darauffolgenden Tag nach Chiang Mai aufbrechen könnte. Da mein bisheriger thailändischer Begleiter namens Book auch diesen Weg einschlug, teilten wir uns wiederum einen Bus und so ging es für 60 Baht in einem luxuriösen Bus etwa anderthalb Stunden durch den thailändischen Nordosten (Isaan) und gegen 23 Uhr standen wir beide verloren mitten in Udon Thani, in einer Stadt, die wir beide nicht kannten und in der wir noch keine Übernachtungsmöglichkeit hatten.

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Udon Thani (13. – 14.04.2010)

Also fragten wir uns durch und erkundigten uns nach einem günstigen Hotel. Die nette Empfangsdame im Sritakarn-Hotel bot mir ein schlichtes Zimmer ohne Klimaanlage zum Preis von 200 Baht an – und obwohl mir das zu teuer für die entsprechende Einrichtung erschien, nahm ich es dann doch, während Book sich für ein klimatisiertes und damit viel teureres Zimmer entschied. Obgleich wir in getrennten Zimmern übernachteten, trafen wir uns an diesem Abend noch einmal bei einem gemeinsamen Bierchen beim Abendessen auf einem Festival. Ich bestellte mir gleich zwei Portionen und wie das bei Thais so ist, gaben wir uns gegenseitig das Essen aus, ohne dass sich der jeweils andere benachteiligt fühlen musste.

So unterhielten wir uns recht entspannt, ich erzählte ihm von meinem Vietnam-Trip, er mir von seiner Arbeit und ich beobachtete die hübschen Kellnerinnen bei ihrer Arbeit. Man könnte denken, dass das einzige Auswahlkriterium, um an einer Bar, in einem Restaurant oder auf einem Festival als Bedienung eingestellt zu werden, das verlockende Aussehen ist, denn meistens ist der Service so schlecht, dass er in Deutschland verboten gehören würde.

Wir gingen, als das Fest mit Live-Band auch langsam zu Ende ging und es kein Essen mehr gab. Ich war froh, dass ich ein Zimmer für diese Nacht hatte und es morgen direkt nach Chiang Mai gehen sollte. Die Telefonnummer von Book, meinem ersten richtigen Thai-Freund, hatte ich auch bekom-men! So konnte ich mich beruhigt schlafen legen, nachdenken und noch einmal reflektieren, was ich an diesem Tag alles erlebt hatte: Aufgestanden in dem vietnamesischen Dorf Sơn Kim 1, war ich etwa 25 Kilometer betend, hoffend, ausgepowert und ohne Nahrung gelaufen, getrampt und mitgenommen worden, überquert zu Fuß die laotische Grenze, überlebte im Gang eines mehr als übervollen Busses die gesamte Strecke zwischen Zentralvietnam und Nordthailand und boxte mich schließlich bis nach Udon Thani durch!

Ich musste erst einmal ausschlafen. Es war der 14. April 2009 und das Songkran-Fest war bereits in vollem Gange in ganz Thailand. Aber mich hielt eigentlich nichts in Udon Thani und so checkte ich aus dem Hotel aus. Die nette Rezeptionistin erklärte mir nach einem guten Frühstück in ihrem Hotel noch, mit welchem Songthaew ich zum Busbahnhof, wo die Busse nach Chiang Mai abfahren sollten, kommen könne, sodass ich mich schnellstens dorthin begab. Book, den ich am Tag zuvor kennen gelernt hatte, war schon sehr zeitig nach Bangkok aufgebrochen, weshalb ich nun wieder auf mich allein gestellt war.

Dass es in ganz Udon Thani keine Stadtbusse gab, hatte mich schon etwas verwundert, aber ich kam auch mit den Songthaew klar. Für jeweils 10 Baht sollte ich bis zum Nordwest-Busbahnhof und zurück kommen, was in der Tat auch klappte. Auf dem Weg dorthin bekam ich natürlich immer wieder eine ordentliche Dusche verpasst und hatte echt Spaß an dem Wasserfest. Die Linie des Songthaew führte mich auch durch einige kleinere Gassen und so durfte ich Udon Thani ganz unfreiwillig auch ein bisschen kennen lernen. Am Busbahnhof war es nicht ganz so leicht, Tickets zu kaufen. Ich fragte mich durch und versuchte, das Wort ตัว (tua, deutsch: Ticket) irgendwo zu entziffern, aber ich scheiterte. Irgendwann fand ich schließlich einen sehr, sehr alten Mann in einem Schuppen sitzen, der wohl die Tickets auszustellen schien. Ich erklärte ihm auf Thai, dass ich heute noch nach Chiang Mai wollte, woraufhin er mir einen Bus um 14 Uhr anbot. Zum einen sah ich aber darin enormen Zeitdruck, da schon Mittag war, und zum anderen würde dieser Bus mitten in der Nacht in Chiang Mai eintreffen, was für eine Unterkunftssuche immer äußerst ungeeignet ist. So bekam ich einen Bus für den späten Nachmittag, in dem auch nur noch insgesamt zwei Sitze frei gewesen waren.

Voller Stolz, alles auf Thai geregelt zu haben, nahm ich mein Ticket in Empfang, bezahlte die 526 Baht und berichtete der Dame im Hotel, dass ich es geschafft hatte. Da ich mich nach allem bei irgendwas um die 40 Grad Celsius unbedingt abkühlen und meinen Hunger stillen musste, empfahl sie mir den nahe gelegenen CentralPlaza in der Stadtmitte, den ich mir somit als Notlösung, falls ich sonst nichts anderes zum Mittag auf der Straße finden sollte, im Hinterkopf speicherte. Doch vorher wollte ich die Stadt und das immer heftiger werdende Songkran-Fest genießen.

So schlenderte ich gemütlich durch die Gassen, über die Straße und immer wieder „ganz zufällig“ an Leuten vorbei, die mit ihren Wassereimern, Schläuchen und Kübeln am Straßenrand standen und besonderen Spaß daran hatten, die vorbeifahrenden Songthaew-Passagiere durch die seitlichen Öffnungen plötzlich zu durchtränken. Teilweise wurden sogar Feuerwehren aufgefahren und es schien mir, als könnte jeder, der mit einem Wassergerät bewaffnet war, auf so einen Pick-up aufsteigen oder auch von der Straße aus mitmischen. Ich hielt mich lieber zurück und ließ mich begießen.

Als ich genug von der Stadt gesehen hatte und sich mein Magen immer heftiger meldete, begab ich mich zwischen Wasserstrahl und Schaum in den großen CentralPlaza, wo ich mir im KFC mein Mit-tagessen besorgte und mich nach einem kurzen Rundgang in der Shopping Mall auf die Toilette begab. Jeder mag sich an dieser Stelle wundern, wieso ich hier so ins Detail gehe, aber es ist notwendig, denn wenn einem Reisenden so etwas auf der Toilette passiert wie mir, dann ist es in jedem Falle erwähnenswert. Vor allem würde mich die folgende Geschichte selbst in Deutschland noch verfolgen: Da ich es nicht mag, in einem recht frequentierten stillen Örtchen die Herrentoiletten zu benutzen, suchte ich mir eine Kabine für mich, in der ich mir natürlich alle Zeit der Welt lassen konnte; und so beschäftigte ich mich nach getaner Arbeit mit meinem Portemonnaie, zählte das noch vorhandene Geld in Dollar, Riel, Kip, Đồng und Baht und legte es dann auf der Toilettenpapierhalterung ab, damit ich beide Hände frei hatte, um die Hose hochzuziehen. Fatal! Denn in dem Moment, als ich die Spülung drückte, musste ich wohl völlig vergessen haben, wo ich gerade das so kostbare Portemonnaie mit allen erdenklichen Wertgegenständen und Papieren hingelegt hatte. Und tatsächlich verließ ich die Kabine, wusch mir anständig die Hände, trocknete sie ab und tat genau einen Schritt aus der Tür zum Herrenklo. In diesem Augenblick bemerkte ich den Fehler. Der gewohnte Griff an die Hosentasche ging ins Leere; wo war mein Portemonnaie? Du hast es doch nicht wirklich auf der Toilette liegen lassen, oder!? Ich konnte es nicht glauben und düste sofort zurück zu der Kabine, die ich gerade eben noch mein eigen genannt hatte. Die Kabinentür stand offen, aber das Portemonnaie war verschwunden. Es lag nicht mehr auf der Halterung, nicht auf der Spülung, war nicht hinuntergefallen und ich hatte es auch nicht! Hatte es tatsächlich jemand entdeckt, eingesteckt, sein Geschäft vergessen und war dann verschwunden? Konnte es solche grausamen Menschen geben? Wahrscheinlich schon – und sofort brauch eine Welt zusammen. Ich informierte eine herumstehende Reinigungskraft, fragte andere Toilettengänger und bettelte, dass jemand mein in diesem Moment völlig versagendes Thai auch nur annähernd verstehen konnte, doch es half nichts. Niemand verstand. Keine konnte Englisch und mir fehlten die entscheidenden Wörter wie „Portemonnaie“, „stehlen“ oder „verlo-ren“ auf Thai. Ich war aufgeschmissen, aber aufgeben wollte ich nicht. Wieder suchte ich alle Kabinen ab, aber die Geldbörse ließ sich einfach nicht finden.

In meiner Verzweiflung raste ich im Eiltempo eine Etage tiefer zur Information und textete die beiden völlig verschreckten jungen Frauen halb auf Englisch, halb auf Thai zu, in der Hoffnung, sie würden meine Notlage erkennen. Wie erwünscht, verstanden sie auch, aber schienen in dieser Situation ebenso überfordert wie ich. Dann setzten sie, wie Thais nun mal so sind, ohne Zögern alle Hebel in Bewegung, um mir zu helfen. Durch Lautsprecher wurde angesagt, dass ein Portemonnaie auf der Herrentoilette abhanden gekommen war, verschiedene Mitarbeiter sollten die Toilette noch einmal durchsuchen und die beiden Mädels versuchten, mich zu beschwichtigen. Ich konnte nichts machen, außer immer nur zu fragen „Tham arai?“ (Was soll ich tun?). Ich hasste mich dafür, dass ich das Portemonnaie überhaupt aus der Hosentasche genommen hatte, aber vor allem war ich sauer auf die Person, die mir damit mein gesamtes Hab und Gut entwendet hatte. Abgesehen davon, dass es ein recht teures Portemonnaie und voller Geld war, fehlten zudem auch meine Kreditkarte, beide EC-Karten, mein Führerschein, mein Hausschlüssel, sämtliche Telefonnummern und Adressen (auch die von Book) sowie mein gerade erst erstandenes Busticket nach Chiang Mai. Ich hatte nun also weder Bargeld noch eine Möglichkeit, an Geld zu kommen.

In dieser Situation gab es nur einen Gedanken: Kreditkarten sperren! Aber wie sollte ich denn das bitte machen? Mein Handy war mir ja schon auf der Fahrt von Huế nach Hanoi gestohlen worden, und damit natürlich auch die Notfallnummern für die Bank. Ich konnte mir in diesem Moment also nichts mehr kaufen, niemanden anrufen und mich nicht mehr aus Udon Thani entfernen. Ich hatte ja gar nichts mehr, bis auf meine Kamera und meinen Reisepass. Immerhin! Um die Karten sperren zu können, brauchte ich also die Sperrnummer meiner beiden Banken. Dazu wiederum brauchte ich Internet und das bekam ich natürlich ohne Geld, was ich ja nicht mehr hatte. Es war ein Teufelskreis, also erflehte ich jedwede Hilfe von den beiden Informationsdamen. Eine nahm sich dann meiner an und empfahl mir ein Internetcafé ein Stockwerk weiter oben, wofür sie mir ein bisschen Geld lieh. Niemals hätte ich so eine Freundlichkeit erwartet, aber für großes Bedanken blieb mir keine Zeit, also schoss ich über die Rolltreppen zum Internetcafé und ergatterte mir einen freien Computer. Obwohl ich nur fünf Minuten daran saß, verlangten die etwas irritierten Angestellten den vollen Stundenpreis. Es war nicht teuer und so musste ich mich nicht aufregen. Die Notfallnummern fand ich so auch heraus, mir fehlte nur noch ein Handy. Ich dachte an Internettelefonie, aber mit Kopfhörer und Mikrofon konnte man nicht dienen. Also hastete ich zurück zu meiner Retterin am Informationsschalter und bat um ihr Handy. Sie erklärte mir, was ich für Auslandsgespräche wählen müsste und so ließ ich immerhin die Kreditkarte und eine EC-Karte sperren. Zum Telefonieren musste ich immer in das Treppenhaus gehen, weil natürlich draußen auf der Straße eine riesige Wasserschlacht mit Krach und Musik veranstaltet wurde – während ich drinnen verzweifelte.

Die zweite Bank konnte ich nicht aus dem Ausland erreichen und so setzte ich mich mit meiner Familie in Verbindung, wie ich denn nun weiter verfahren könnte. Nach knapp drei Minuten Gesprächszeit war die Telefonkarte auch schon leer. Ich teilte der Dame den Status ihres Handyguthabens mit und sie erbarmte sich meiner ein weiteres Mal und gab mir Geld, um es wieder aufladen zu gehen. Nach einiger Zeit fand ich auch einen geeigneten Shop dafür und so konnte ich weiter fleißig nach Deutschland telefonieren. Es hielt wieder etwa drei Minuten, doch dieses Mal hatte ich es geschafft, dass zum einen die andere Bank meine Karte gesperrt hatte und dass ich demnächst einen Rückruf von meiner Entsendeorganisation „kulturweit“ erhalten sollte. Wieder war das Guthaben alle, wieder erschlich ich mir ein bisschen Geld und wieder musste ich die Karte aufladen gehen. Das Spielchen wiederholte sich noch einmal, bis ich ihr erklärte, dass man mit TrueMove viel günstiger ins Ausland telefonieren könnte. Sie gab zu, dass sie tatsächlich eine TrueMove-Karte im Handy hatte und fortan konnte ich diese auch verwenden. Dennoch war ich nicht viel weiter: Ich wollte ja eigentlich nach Chiang Mai, was ich mir mittlerweile aus dem Kopf geschlagen hatte, weil ich sowieso keinen Spaß mehr an Songkran gehabt hätte. Also ging es nun darum, irgendwie zurück nach Bangkok zu kommen und an mein Geld auf dem Konto zu gelangen, da sich ja jegliche Bankkarten nun irgendwo in Udon Thani, nur nicht bei mir befanden!

Um an Bargeld zu kommen, bekam ich von „kulturweit“ per Telefon geraten, es doch einmal per Western Union zu versuchen. Davon hatte ich noch nie etwas gehört, aber ich wusste ja bereits, an wen ich mich bei solchen Fragen wenden konnte. So fand ich sogar einen Western-Union-Standort innerhalb der CentralPlaza-Shopping-Mall und erkundigte mich, wie ich an Geld kommen könnte. Ich benötigte meinen Reisepass und die andere Seite der Welt müsse sich online oder in einer Filiale registrieren, um mir Geld in beliebiger Höhe schicken zu können. Es würde dann direkt vor mir in der Landeswährung ausgezahlt. Tolles Prinzip, dachte ich mir, und so hielt ich Rücksprache mit meinen Eltern, ob sie das machen könnten. Da sie sich erst noch lange beraten musste, nicht wussten, wo und wie sie das machen könnten, und ich ohnehin noch meinen Reisepass auf meinem Rucksack zu holen hatte, brach ich die Aktion erst einmal an und versprach der mich beratenden Dame, dass ich später wieder kommen würde. Also lief ich zurück zum Sritakarn-Hotel, in dem ich meine Tasche mit dem Reisepass hatte stehen lassen, und verletzte mir auf dem Weg dorthin auch noch arg meinen großen Zeh an einer aus dem Boden ragenden Eisenstange, weil ich ja nur mit Flip-Flops unterwegs war. Was für ein Pech ich aber auch hatte! Einfach unglaublich …

Im Hotel fasste ich kurz meine bisherige Story auf Thai zusammen, da ich die Wörter für „Portemonnaie“ und „klauen“ bereits von der netten Informationsdame namens Ying gelernt hatte, und so empfand auch die Rezeptionistin tiefes Mitgefühl für mich und bat mir ihre Hilfe an. Sie wollte mir auch Geld leihen, aber diesmal wies ich ab. Ich hatte ja bereits eine unglaublich gütige Spenderin gefunden.

Mit meinem Reisepass bewaffnet kehrte ich zurück zu Western Union und versuchte mein Glück noch einmal. Meine Eltern hatten es zwar mittlerweile geschafft, sich Online zu registrieren, aber irgendwie klappte es mit der Transaktionsnummer nicht. Ich brach die Aktion wieder ab und lief zu meiner Helferin Ying.

Sie verstand, dass die Problematik mit Western Union einige Zeit in Anspruch nehmen würde, also zeigte sie wieder einmal ihre Güte und suchte mir indes mögliche Verbindungen nach Bangkok mit Zug und Bus heraus. So erfuhr ich, dass es an diesem Tage tatsächlich einen vom Staat gesponserten Zug von Udon Thani nach Bangkok gäbe, der aber wahrscheinlich so vollgepfropft sein würde, dass ich darin keine zehn Stunden aushalten könnte. Nach einigen Anrufen stellten Ying und ihre Mitarbeiterin fest, dass es keine freien Plätze mehr in staatlichen Bussen und Zügen gäbe. Ich gab diesen Gedanken also auch wieder auf und mir fiel etwas anderes Wichtiges ein: In Deutschland würde ich sicherlich einen Polizeibericht benötigen, falls ich dieses Missgeschick über die Versicherung abwickeln könnte.

Also bat ich abermals um ein bisschen Geld, um zur Polizei zu gehen. So überließ Ying also mir, einem dahergelaufenen Ausländer, der vorgab, nichts mehr zu haben, und kaum Thai sprach, nicht nur 1000 Baht, sondern auch ihr Handy mit dem Vertrauen, dass ich ihr irgendwann alles heil wieder zurückbringen würde. Von dieser Herzlichkeit war ich wirklich äußerst angetan; so etwas hatte ich noch nie erlebt. Mein Kopf war aber leider bei einer ernsteren Sache: Ich musste zur Polizei, noch bevor sie schloss! Ich suchte ich mir einen Tuk-Tuk-Fahrer, der mich nach einigen Verhandlungen für 60 Baht zur Polizeistation und zurück fahren sollte. Das stellte sich als sehr schwierig heraus, aber schließlich schaffte ich es. Er fuhr los und brachte mich tatsächlich zur Polizei. Sein Geld sollte er bekommen, nachdem er mich zurückgebracht hatte. Ich ging hinein und irrte in dem Revier umher. Da ich keine Ahnung hatte, wohin ich mich begeben sollte, lief ich in ein Zimmer, in dem ein paar Leute und ein Beamter saßen. Da sich keiner meiner annahm, steuerte ich auf den Polizisten zu und meinte nur kurz „Mii bpanhaa“ (Ich habe ein Problem). Er fragte, wie er helfen könne, also stammelte ich irgendetwas von Portemonnaie, klauen und kein Geld. Als nächstes stellte ich ihm die Frage, ob er denn Englisch spräche, was er mit der Gegenfrage, ob ich denn Thai spräche, beantwortete. Ich schien es tatsächlich besser zu sprechen als er Englisch, aber das half nun nichts und so bemühte ich mich, ihm mein Problem zu schildern. Aber dass ich ein offizielles Protokoll oder unterzeichnetes Dokument von der Polizei für die Versicherung haben möchte, konnte ich ihm beim besten Willen nicht in seiner Sprache erklären. Dann wandte er sich an den armen Tuk-Tuk-Fahrer, der mich doch lieber zur Touristenpolizei hätte bringen sollen!

Etwas verärgert ob meiner schlechten Sprachkenntnisse und der Unfreundlichkeit des Beamten begab ich mich also zur Touristenpolizei; dieses Mal jedoch kostenlos, da es ein offensichtlicher Fehler meines Fahrers gewesen war, mich hierher zu bringen. Ich fand es schon erstaunlich, dass es in diesem Örtchen, das nun nicht gerade als Touristenhochburg bekannt ist, eine Polizei eigens für Touristen gab. Ich betrat das kleine Zimmer, in dem sich drei Beamte befanden, von denen einer wie ein Praktikant auf mich wirkte. Den Ersten sprach ich wieder mit den gleichen Sätzen wie vorher an, aber dieses Mal bejahte er die Frage nach seinen Englischkenntnissen. Also schilderte ich ihm alles im Detail auf Englisch und sollte es anschließend auch zu Protokoll geben. Das gefiel mir schon besser, aber nicht unbedingt, dass er sich meinen Text vornahm, ihn in die thailändische Sprache übersetzte, seinen Stempel darunter knallte und mir den Wisch zurückschob. Ich fragte ihn, was ich denn in Deutschland mit dieser Handschrift auf Thai anfangen sollte. Darauf erwiderte er nur gleichgültig, dass ich doch mit diesem offiziellen Dokument, wie es gewünscht hatte, zur Botschaft gehen und es übersetzen lassen könne. Na, vielen Dank auch!

Mehr oder weniger erfolglos, aber mit einem netten Souvenir in der Hand ließ ich mich zurückchauffieren und händigte meinem Fahrer die 60 Baht aus. Das wäre als geklärt, nun brauchte ich dringend noch Geld und ein Rückfahrticket nach Bangkok, wo ich Leute kannte, die mir notfalls über die Runden helfen könnten. Ich hatte ja das Handy von Ying die ganze Zeit mitgehabt und so erfuhr ich auch, dass meine Eltern mittlerweile die korrekte Transaktionsnummer für Western Union erhalten hatten und wir die Überweisung starten könnten. Es klappte tatsächlich und ich erhielt Bargeld, das für die nächsten paar Wochen reichen sollte.

Nun war ich erleichtert, dass ich wieder Geld hatte, meine Kreditkarten gesperrt waren ich ein offizielles Schreiben der Polizei, wenn auch komplett auf Thai, in der Hand halten konnte, froh war ich aber dennoch nicht. Mein Bus nach Chiang Mai, für den ich ja das Ticket auch verloren hatte, war bereits abgefahren und nun blieb nur noch die Option, zurück nach Bangkok zu fahren. Ying und ihre Kollegin telefonierten wieder und recherchierte, während ich, dieses Mal ohne ihr Handy, zum Bahnhof lief und mir selbst ein Bild von den angeblich so vollen Zügen in ganz Thailand an den Festtagen machen wollte. Auf dem Weg dorthin kam ich neben einem riesigen Stau auch an einem roten Laster mit Rothemden vorbei, aus deren Megafonen klar und deutlich „Abhisit, ook bpai“ (Abhisit raus!) zu hören war. Damit spielten sie auf den schon seit einiger Zeit laufenden Konflikt zwischen Rot und Gelb in der thailändischen Regierung, der sich alsbald auf die gemeine Bevölkerung ausgeweitet hatte, an. Am Fahrtkartenschalter des Bahnhofs fragte ich nach einem beliebigen Zug nach Bangkok: Ausgebucht. Wie sähe es denn am morgigen Tag aus? Ausgebucht. Ich hätte gerne irgendwann einen x-beliebigen Zug innerhalb der nächsten drei Tage nach Bangkok: Ausgebucht. Verdammt, ich saß in Udon Thani fest! Auf dem Rückweg holte ich mir von meinem gerade erhaltenen Geld eine schlecht schmeckende Wurst und gleich ein neues Portemonnaie zu einem Hammerpreis. Doch ich hatte immer noch keine Lösung, wie ich zurück nach Bangkok kommen sollte.

Aber Ying wäre nicht Ying, wenn sie nicht auch für dieses Problem eine Lösung für mich gehabt hätte. Sie hatte ja den ganzen Tag mit mir mitgefiebert und keinen Ort hatte ich so oft in Udon Thani besucht wie ihren Informationsschalter! Es ergab sich nach langer Suche also die Möglichkeit, einen Privatbus, der innerhalb weniger Minuten abfahren würde, von Udon Thani nach Bangkok zu einem echt günstigen Preis von 418 Baht zu ergattern. Ich verabschiedete mich von ihr, bedankte mich tausendmal und versicherte ihr hoch und heilig, dass ich ihr die entstandenen Kosten in jedem Falle auf ihr Konto erstatten würde – ihre Kontonummer hatte ich dafür bekommen, aber natürlich hatte sie keine Garantie dafür, sie hatte lediglich Vertrauen in mich.

Ich holte meinen Rucksack aus dem Hotel, verabschiedete mich bei der Empfangsdame, die mir für den Notfall noch ihre Kontaktdaten mitgab, und beeilte mich dann zum Busbahnhof, um noch ein Ticket für den Bus nach Bangkok zu erstehen. Tatsächlich erhielt ich eines und da ich das so fein auf Thai klären konnte, fragte mich der Ticketverkäufer eher im Scherz als ernsthaft, ob ich denn Thai spräche. Ich bejahte und er war erstaunt. Dann wollte er einen draufsetzen und fragte auf Laotisch, ob ich denn diese Sprache spräche. Dieses Mal verneinte ich, aber auf Laotisch. Das verwunderte nun nicht nur ihn, sondern auch alle in diesem Raum wartenden Leute, die natürlich nicht damit gerechnet hatte, dass ich die Frage verstehen und dann sogar noch darauf antworten könnte. Wieder einmal hatte ich einen Pluspunkt dank meines Interesses an Sprachen gesammelt! Ich fragte noch freundlich, wo denn der Bus abfahren würde, aber außer, dass er gelb sei, drei große Neunen daran stünden und dass ich vor der Tür warten sollte, erfuhr ich nichts. So wartete ich …

… und wartete. Es war bereits nach geplanter Abfahrzeit und so wurde ich unruhig. Ich lief also dorthin, wo alle staatlichen Busse auch abfuhren und siehe da: Ich erblickte den gelben 999-Bus, der bereits voller Passagiere war! Ich klopfte an der Tür, zeigte ihnen mein Ticket und wurde doch noch auf einen Sitz verfrachtet. Ja, ich hatte es geschafft. Ich war auf dem Weg nach Bangkok, auf dem Weg nach Hause! Was sollte jetzt noch schief gehen?

Alle Insassen bekamen Getränke, Snacks, aber wahrscheinlich auch eine Erkältung, weil die Klimaanlage wieder auf Hochtouren lief und die Fahrt damit etwas unangenehmer machte, als sie eigentlich sein müsste. Würde man diese Klimaanlage über Nacht ausschalten, hätte man eine optimale Temperatur im Bus, alle wären glücklich und es würde nebenbei sogar noch Strom sparen! Aber leider verstehen viele Asiaten diese Logik nicht, da sie meinen, wenn man schon so modern ist und eine Klimaanlage besitzt, dann müsse man sie auch auf Teufel komm raus präsentieren. Deshalb nutzte ich jede Pause, um mich außerhalb des Busses kurz aufzuwärmen.

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Zurück in Bangkok (15.04.2010)

Gegen 5.30 Uhr kamen wir auf dem Suvarnabhumi, dem internationalen Flughafen Bangkoks, an, aber während einige in die Terminals hasteten und andere eilig zu ihren Autos liefen, bequemte ich mich gemächlich aus dem Bus, betrat behutsam den gewohnten Boden Bangkoks und suchte mir eine Bank, auf der ich noch eine Weile schlafen konnte. Warum ich das tat? Nun ja, in dem Porte-monnaie, das mir auf so unglückliche Weise in Udon Thani abhanden gekommen war, befand sich dummerweise auch mein Hausschlüssel, den ich jetzt auch nicht mehr mein Eigen nennen durfte. Ich musste also zwangsweise auf den Hausmeister vertrauen, dass er meine Tür dann mit seinem Universalschlüssel aufsperren könnte. Da dieser aber wohl noch nicht um sechs Uhr morgens auf den Beinen sein würde, entschied ich, die Zeit auf dem Flughafen totzuschlagen und mir anzuschauen, welche Busse tatsächlich in meinen Bezirk Minburi fahren.

Es gab zwar einen, an dem Minburi auf Thai stand, aber jedes Mal, wenn ich den Busfahrer fragen wollte, stieg er entweder gerade aus und verschwand sofort oder kam gerade wieder und fuhr sogleich auch ab. Also suchte ich mir irgendwann ein Taxi, zahlte aus Unwissen auch noch die zusätzlichen 50 Baht Flughafengebühr und kam gegen acht Uhr morgens zu Hause in meinem Apartment an.

Ich begab mich direkt zu meinem Zimmer, legte die schwere Last von meinem Rücken ab und suchte das Foyer nach dem Hausmeister ab. Welch Glück, dass ich ihn sofort erwischte! Ich trat wieder mit meinem Lieblingssatz an ihn heran: „Mii bpanhaa“ (Ich habe ein Problem), woraufhin er sich sofort zu mir setzte und sich meine Geschichte anhörte. Das Aufschließen der Tür ging ruck, zuck und so konnte ich endlich wieder sagen: „Ich habe es geschafft, ich bin zu Hause!“

Ich wartete eine Weile, stellte meine Wäsche an und klopfte dann sofort an der Tür des Matheleh-rers, der mir gegenüber wohnte. Ich erzählte ihm alles von A bis Z, von den tollen Wasserfällen in Laos, von Delphinen in Kambodscha, vom Motorradabenteuer in Saigon, vom verhängnisvollen 200- Đồng-Schein, vom nichtexistenten Bus ab Hanoi, von meiner Spontanunterkunft auf dem vietnamesischen Dorf, vom überfülltesten Bus aller Zeit, vom verlorenen Portemonnaie, von Ying und vom fehlenden Hausschlüssel! Als ich ihn über seine Songkran-Zeit in Bangkok ausfragte, meinte er nur, ich sollte mir diesen Spaß nicht entgehen lassen und trotz allem Unglück auf jeden Fall an diesem Abend auf die Khao San, die Partymeile Bangkoks schlechthin, fahren, um auch noch Teilhaber dieses unvergesslichen Spektakels sein zu dürfen.

So geschah es dann auch: Nach einem geruhsamen Schlaf den ganzen Tag über entschied ich mich am Abend dazu, auf die Khao San zu fahren und mich einfach mal gehen zu lassen. Ich kam an und sah auf den ersten Blick, dass das ein echter Spaß werden würde. Man muss sich Songkran in Bang-kok so vorstellen: Tausende von partywilligen Thais und Hunderte von ebenso losgelösten Touristen liefern sich auf zwei kleinen Parallelstraßen eine Wasserschlacht mit einer Mixtur aus eisgekühltem und fast zu heißem Wasser, das im Laufe des Abend dank der dazu kommenden Reinigungssalbe immer trüber wird. Man muss einfach nur mit seiner schlechtesten Kleidung mit oder entgegen dem Strom laufen und bekommt alle drei Meter eine feuchte Hand voller Kraft spendender Seife mit den Worten „Sawatdii bpii mai“ oder „Happy New Year“ (jeweils: „Frohes Neues Jahr“) ins Gesicht geklatscht, denn dies ist das buddhistische Neujahrsfest. Die Kleidung kann man danach wegschmeißen, soviel steht fest, aber die Erinnerung an diese Szenen bleibt ewig. Und das Schöne daran ist: Es wird jedes Jahr gefeiert und immer mindestens drei Tage lang. Das ist damit die längste gesetzliche Urlaubszeit in Thailand! Die meisten Familien verreisen an diesen feierlichen Tagen oder treffen sich mit ihren entfernt wohnenden Verwandten; Kinder und Jugendliche genießen dieses Fest besonders! Ich finde, gegen dieses Brauchtum ist unser westliches Silvester ein Kindergeburtstag. Leider lässt man dieses Fest in der westlichen Welt zum Jahreswechsel kaum realisieren, da jeder Wasserstrahl sofort zu Eis gefröre und alle am nächsten Tag krank im Bett lägen. Schade eigentlich!

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Eine Reise durch fünf Länder in drei Wochen über Land

18 01 2010

Vorwort

Monatelange Planung, dann wieder Pläne verwerfen, Geld sparen, zählen, umrechnen und vergleichen, das muss man gesehen haben, da sollte man lieber nicht hin, Rückflug buchen, Züge in China heraussuchen, Infos über Busse in Laos finden, mit Freunden verabreden, ein chinesisches Visum bekommen und die Zeitplanung nicht vergessen …! Habe ich das wirklich alles neben meiner Arbeit hier in Bangkok geschafft?

Drei Wochen später kann ich sagen: Ja, das habe ich! Ich bin froh, stolz, glücklich und erleichtert, dass ich fast alle geplante Städte tatsächlich gesehen, die herausgesuchten Busse in Laos bekommen, alle Arten von Zügen in China ausprobiert, eine der größten Buddha-Statuen der Welt bestiegen, auf der längsten Rolltreppe der Welt gestanden, rund 10.000 Kilometer auf dem Landweg zurückgelegt, die größte Stadt Chinas besichtigt, überhaupt das bevölkerungsreichste Land der Welt bereist, auf dem wohl schönsten Wasserfall Südostasiens über den Dschungel geschaut, das Leben am längsten Fluss Asiens beobachtet, die schrecklichste Zugfahrt meines Lebens durchgehalten, ein paar chinesische Vokabeln und Schriftzeichen aufgeschnappt, Fotos von dem größten Staudamm der Welt gemacht und einfach nur unglaubliche, unvergessliche und wahnsinnig wertvolle Eindrücke aus Laos und China mitgebracht habe.

Meine Reise begann in Bangkok, führte über Vientiane nach Luang Prabang und schließlich nach Kunming, Yichang, Shanghai, Guangzhou und Hongkong bis nach Macau, von wo aus ich wieder zurück nach Bangkok flog. Auf der gesamten Route habe ich alle denkbaren Verkehrsmittel verwendet: Taxis, einen thailändischen und mehrere chinesische Züge vom billigsten zum teuersten, zweimal ein Tuk-Tuk, ein Songthaew, einen laotischen Bus, ein Damenfahrrad, meine Füße (mehr als genug), einen chinesischen Schlafbus, ein Motorradtaxi, eine Fähre und das Flugzeug. Fehlt nur der Helikopter, aber der war mir zu teuer von Hongkong nach Macau.

Bilder gibt es hier, die Untertitel fehlen noch. Den folgenden Bericht unterteile ich nicht nach jeweiligem Datum, sondern nach der Stadt, von der ich jeweils berichte. Klickt einfach auf einen der folgenden Links, um zur gewünschten Stadt zu springen oder lest den ganzen Bericht hintereinander weg. Viel Spaß dabei!

Bangkok (Thailand)
Fahrt von Bangkok nach Nong Khai
Nong Khai
Vientiane Tag 1, Tag 2 (Laos)
Fahrt von Vientiane nach Luang Prabang
Luang Prabang Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4
Fahrt von Luang Prabang nach Kunming
Kunming Tag 1, Tag 2, Tag 3 (China)
Fahrt von Kunming nach Yichang
Yichang Tag 1, Tag 2
Fahrt von Yichang nach Shanghai
Shanghai Tag 1, Tag 2, Tag 3, Tag 4
Wuxi
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Bangkok (Freitag, den 18.12.2009)

Die große Reise begann am Freitag, dem 18. Dezember, etwa 18.30 Uhr vor meiner Wohnung in der Ramkhamhaeng 164, Bangkok. Mein Zug nach Nong Khai an die laotische Grenze sollte Punkt acht Uhr abends gehen, ein Ticket hatte ich mir bereits im Voraus besorgt. Da die Zeit wohl nicht reichen würde, um pünktlich mit einem Taxi anzukommen, befahl ich dem Taxifahrer, an die MRT-Station Phetchaburi zu fahren, von wo aus ich die Metro direkt zum Hauptbahnhof Hua Lamphong nehmen würde. Doch schon auf der Autobahn gab es dichten Verkehr, es war kaum ein Durchkommen … bis ich dem Fahrer versuchte zu erklären, dass mein Zug „soong thum“ fährt. Sogar er hatte Zweifel daran, dass wir das je schaffen würden, aber er drückte aufs Gas und raste auf der Standspur an den anderen Autos vorbei. Welch ein Glück, dass er jegliches Hupen der anderen ignorierte und sich nur um meinen Zug scherte! Endlich kamen wir 20 Minuten vor Abfahrt des Zuges an der Metrostation an, ich bezahlte auf den Baht genau (Geld wollte ich ihm auch nicht schenken), raste in die Station, kaufte mir ein Ticket und hoffte, dass die Metro die sieben Stationen schnell genug schaffen würde. Tatsächlich kam ich fünf vor acht am Bahnhof an, rannte mit meinem riesigen Backpacker-Rucksack durch den Bahnhof, stürmte auf einen Beamten zu und rief „Nong Khai“, sodass ihm nichts anderes übrig blieb, als mir den richtigen Zug zu zeigen. Ich musste noch ein ganzes Stückchen laufen, stieg schnell ein und schwupps … schloss man die Türen hinter mir und kein anderer kam mehr hinein! Puh … das ging ja gut los!

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Fahrt von Bangkok nach Nong Khai (Freitag, den 18.12.2009 – Samstag, den 19.12.2009)

Aber was war das? Ich war in einem Schlafwagen gelandet. Mein Ticket ließ das nicht zu, aber mal sehen. Dann kam der Schaffner und zeigte mir auf dem Ticket, welches mein richtiges Abteil sei. Eigentlich hatte ich dritte Klasse fahren wollen, aber man hatte mir nur eines für zweite Klasse verkauft. Somit war der „hard seat“ auch für die 14 Stunden Fahrt recht angenehm; zudem war der ganze Zug ziemlich leer, ein Luxus, den ich erst ab China schätzen lernen sollte!

Die Zeit vertrieb ich mir mit Schlafen, dem Schreiben von ca. 20 Weihnachtskarten an Freunde und Familie in Deutschland und dem Rest der Welt und der Bewunderung der thailändischen, insbesondere der Isaan-Natur. Der Zug hielt sehr oft an, teils auch unglaublich lange: manchmal 10 Minuten in einem Dörfchen, in dem kein Mensch ein- oder ausstieg.

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Nong Khai (Samstag, den 19.12.2009)

Am Samstag um etwa 10.15 Uhr kamen wir in Nong Khai an. Ich hatte von einem direkten Zubringerzug nach Thanaleng nahe Vientiane gelesen, aber von wegen! Hier gab es nichts als Tuk-Tuk-Angebote. Ich fragte einen „farang“, der in Nong Khai wohnte, wie das mit dem Zug sei, aber er meinte, den gäbe es nicht; er empfahl mir die Tuk-Tuks oder einen Fußmarsch bis zur Friendship Bridge. Ich hätte Letzteres machen sollen! Aber stattdessen setzte ich mich in so ein Gefährt zu anderen Leuten, was ziemlich eng war, und wurde zu einer Visa-Stelle gefahren. Die Schilder sahen recht offiziell aus, waren es wohl aber nicht. Man verlangte 1800 Baht und gab mir dafür einen ausgefüllten Visumsantrag und 31 US-Dollar. Damit sollte ich zur Friendship Bridge fahren, was ich dann auch tat. Dort wurde ich zunächst im Reisepass aus Thailand verabschiedet und mit einer Art Reisebus nach Laos zur Grenzkontrolle gefahren, wo ich den Antrag, meinen Reisepass und 30 Dollar abgab. Nach etwa 20 Minuten (obwohl kein anderer vor mir war!) bekam ich mein Visum. Insgesamt hatte es also 1800 Baht weniger einem Dollar gekostet, oder? Das fand ich schon recht überteuert und ich glaube, man hätte sich einiges Geld sparen können (15 Euro oder so), wenn man direkt zur Brücke gegangen wäre und den Antrag selbst ausgefüllt hätte. Schließlich warteten bereits ein paar Songthaew-Fahrer auf mich, die mich für 40 Baht (so weit konnte ich sie herunterhandeln) bis in die Innenstadt fahren wollten. Ich stieg in eines mit drei Thais und einem Laoten zusammen ein, wir unterhielten uns während der Fahrt auf Thai und Englisch, bis der Fahrer an einem Markt anhielt und mich aussteigen ließ. Er meinte, ich hätte nicht genug bezahlt, um bis in die Innenstadt zu kommen. Da ich keine Lust auf Diskussionen hatte, stieg ich aus und suchte das nächste Hotel.

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Vientiane Tag 1 (Samstag, den 19.12.2009)

Das war also Vientiane (auch Vieng Chan genannt). Das erstbeste Hotel namens „Phetmanyxay“ war nicht ganz billig (350 Baht), aber der Raum war ganz gut. Zwar war ich auch nicht in der Innenstadt, aber nachdem ich mich auf einer Karte, die ich mitgebracht hatte, orientiert hatte, merkte ich, dass Vientiane gut zu Fuß zu erkunden wäre. Aber stattdessen legte ich mich auf mein Bett, schaltete den Fernseher ein und schaute fast zwei Stunden „Horton hört ein Hu!“ auf Englisch, dann endlich bequemte ich mich in die Stadt, holte mir eine bessere Karte im Touristenzentrum und lief sofort zum Patuxai, dem Triumphbogen zur Untermalung der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahre 1949. Ich musste über die wunderbar gepflasterten Straßen, schön angelegten Beete und angenehm erfrischende und rauchfreie Luft staunen! Die Hauptstraßen von Vientiane glichen eher einem Park als einem armen Land. Danach ging es vorbei an der „National Assembly“ und dem „Unknown Soldier’s Monument“ zu dem Wahrzeichen der Stadt schlechthin: dem Pha That Luang. Diesen Stupa muss man einfach gesehen haben, alles aus Gold! Er ziert auch die Flagge Laos‘.

Ich wollte ein verspätetes Mittagessen in einem Restaurant einnehmen, aber entweder hatten sie geschlossen oder es waren keine anderen Gäste zu sehen, was für mich immer ein Indiz für ein nicht so gutes Lokal ist. Auf dem Weg zurück nach Hause hielt ich einen Tuk-Tuk-Fahrer an, der mich zum nördlichen Busbahnhof bringen sollte, damit ich dort mein Busticket nach Luang Prabang für den nächsten Tag kaufen konnte. Aber selbst nach ewigem Handeln verlangte er immer noch 25.000 Kip für die vier Kilometer! Ich entschied mich, am nächsten Morgen dahin zu laufen. So ging ich zurück in den Bezirk, in dem ich wohnte, und holte mir in einer Mall in einem Food Court etwas Ordentliches zum Essen, da ich seit Bangkok nur ein ekliges Sandwich und ein paar Chips gegessen hatte! Gekochter Reis und paniertes Hühnchen sollten es sein. Leider schmeckte das Beer Lao gar nicht gut und so begab ich mich danach direkt nach Hause und schlief ein.

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Vientiane Tag 2 (Sonntag, den 20.12.2009)

Mein zweiter Tag in Vientiane am Sonntag, dem 20. Dezember, begann früh halb 6, als mein Wecker mich aus dem Tiefschlaf holte. Aufgestanden bin ich erst um 7, ich duschte ausgiebig und packte meine Sachen. Dann lief ich die vier Kilometer zu Fuß bis zum nördlichen Busbahnhof, kam unterwegs am Mekong, am That Dam und an der Fa-Ngum-Statue vorbei und kaufte mir schließlich das Ticket nach Luang Prabang für 11 Uhr. Das verschaffte mir Zeit, um wieder nach Hause zu laufen, meinen Rucksack zu schnappen und mit einem Tuk-Tuk für wahnsinnig teure 40.000 Kip (weiter herunter konnte ich nicht handeln) wieder zum Busbahnhof zu fahren.

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Fahrt von Vientiane nach Luang Prabang (Sonntag, den 20.12.2009)

Die Fahrt ging erst 11.30 Uhr los, eine halbe Stunde später als geplant. Die restlichen Gäste waren Laoten; es war ja auch ein „local bus“, doch neben mich setzte sich ein Israeli und hinter mir saß ein Thai; sie sprachen beide ausreichend Englisch, um sich die gesamte Fahrt über mit mir zu unterhalten. Wir sprachen vor allem über Armee und Wehrersatzdienste in je unserem Heimatland. Ich erfuhr, dass Mann in Thailand als Ersatzdienst drei Jahre Wehrunterricht ohne Waffe nehmen muss, im Prinzip wie Abendschule.

Die Landschaft war atemberaubend! Ich fühlte mich wie in der Schweiz – der Bus fuhr entlang schöner Passstraßen, nahm in schwindelerregender Höhe Haarnadelkurven und auch dem Israeli neben mir war schon ganz schlecht, andere Fahrgäste waren gleich mit Tüte eingestiegen und nutzten diese auch! Ich fand die Fahrt eher angenehm. 🙂 Mein Sitznachbar stieg leider schon in Vang Vieng nach etwa vier Stunden aus, ab dann setzten sich zwei niedliche laotische Kinder neben mich. Der Bus stoppte bald für etwa eine halbe Stunde an einem Restaurant, in dem ich mir eine total billige (10.000 Kip) chinesische Nudelsuppe holte. Meine erste Erfahrung mit Stäbchen seit Jahren! Nach weiteren sieben Stunden Fahrt ohne jegliche Pause, also nachts um zehn, kamen wir endlich am Zielort an.

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Luang Prabang Tag 1 (Sonntag, den 20.12.2009)

Ich ignorierte alle bettelnden Tuk-Tuk-Fahrer und steuerte ohne Karte glücklicherweise in die richtige Richtung in die Innenstadt, vorbei an vielen Bars und Billboards. War das das stille Dörfchen mitten in Laos, von dem ich gelesen hatte? Der nächste Schlag ins Gesicht: Bei jedem Guesthouse, in dem ich nachfragte, hörte ich nur zwei verschiedene Antworten: „full“ oder „too late“. Ich bekam ein Angebot für über 25 Dollar pro Zimmer, aber das war ja überhaupt nicht so geplant! Ich traf einen Deutschen, der noch vor seinem Guesthouse saß, der meinte, ich müsste schon äußerst viel Glück haben, in dieser Nacht eine Unterkunft für unter 20 US$ zu finden. Aber das Glück war mir tatsächlich hold und sehr weit im Außenbezirk, nach einigen Kilometern mit meinem 10-Kilo-Rucksack, fragte ich höflich in einem Haus mit dem Namen „Khamvandi“ auf Thai „mii hoong mai?“ – die Antwort der vier Karten spielenden Laoten ging runter wie Öl: „mii khrap“. Ich bekam sogar ein Zimmer für nur 60.000 Kip pro Nacht, konnte aber nicht so viel auf einmal für die drei geplanten Nächte bezahlen, also meinte man zu mir: „you sleep, you pay, you sleep, you pay“. Man wollte nicht einmal meinen Namen wissen oder den Ausweis sehen, sondern gab mir gleich den Schlüssel. Die Nacht wollte ich mir mit Fernsehen versüßen, doch als ich ein bisschen in dem thailändischen Menü herumgespielte, schaltete ich versehentlich die Kindersicherung ein, sodass der Fernseher sich nicht mehr bedienen ließ. Einmal ausgemacht ging er nie wieder an! Na ja, wozu auch fernsehen?

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Luang Prabang Tag 2 (Montag, den 21.12.2009)

Der zweite Tag begann etwa um 10 Uhr mit einer Orientierung, wo ich denn am Vortag in der Dunkelheit überhaupt gelandet war. Das war tatsächlich mal ein komplett anderes Örtchen als Vientiane: Mein Guesthouse stand an einem Sandweg und überall rannten Leute herum, die nur mäßige Kleidung trugen. Beinahe hätte ich gedacht, dass ich wirklich dieses Dorf gefunden hätte, das so still und bescheiden in den Bergen Laos‘ liegen sollte … aber weit gefehlt: Bald auf der Hauptstraße angekommen, sah ich schon die ersten Touristen. Ich ging in ein Restaurant, um zu brunchen, bekam einen leckeren Fisch mit leider zu vielen Gräten, und ging danach weiter Richtung Innenstadt. Ich erspähte eine kleine Anhöhe und ging zu dem Tempel darauf. Drei Tage lang dachte ich tatsächlich, es wäre der Wat Phousi gewesen, aber in Wirklichkeit war es nichts als eine kleine Gebetshalle namens Wat That Luang (leicht zu verwechseln mit dem Nationalsymbol Laos‘ in Vientiane). Für dieses unbedeutende Bauwerk wollte man auch noch 10.000 Kip Eintritt haben! Bei meiner weiteren Reise durch die Stadt entdeckte ich einen Fahrradverleih. Der Händler empfahl mir ein 24er Damenfahrrad mit Korb für 15.000 Kip pro Tag. Das fand ich völlig in Ordnung, ein besseres Fahrrad gab es ohnehin dort nicht. Damit konnte ich gleich erst einmal zum nördlichen Busbahnhof fahren, um nach einem Ticket nach Kunming zu fragen. Dabei durchquerte ich viele Dörfer, die alle zu Luang Prabang gehörten, in denen ich von all den kleinen, niedlichen laotischen Kindern mit „sabaai dii“ begrüßt wurde. Das war jedes Mal so herzlich, wie ich es leider in China niemals wieder erleben durfte. Am Ticketschalter erfuhr ich, dass man für den Bus nach China 450.000 Kip bezahlen müsste. So viel hatte ich leider nicht mit – aber ich hatte den Preis bereits im Vorfeld geahnt. Auf die Frage nach einem ATM in der Nähe, musste man nur lachen und man verwies mich in die Innenstadt.

Wo ich schon einmal in einem Vorort war, fuhr ich auch gleich noch weiter Richtung Norden, bis es wirklich kein Dorf, kein Haus und keinen Menschen mehr gab. Immer weiter auf diesem Weg entlang würde ich irgendwann zu den Pak-Ou-Höhlen kommen, das wusste ich, aber das stand an diesem Tag nicht auf meinem Plan.

Also kehrte ich um und sah in weiter Ferne einen goldenen Tempel auf einer kleinen Anhöhe. Das ließ ich mir nicht nehmen und versuchte, mich mit meinem winzigen Fahrrad dort hinauf zu quälen. Ich stellte auf halber Strecke das Rad ab und lief an Laub kehrenden Mönchen vorbei weiter nach oben. Einer sprach mich auf Englisch an und meinte, er lebe in Amerika. Dann wollte er noch meine Lebensgeschichte wissen, bevor ich weiter zum Tempel namens Wat Phol Phao gehen konnte. Man freute sich am Eingang sehr über meine freiwillige Spende. Die Aussicht vom Balkon und vom obersten Stockwerk aus über Luang Prabang war sehr eindrucksvoll, aber ich sollte erst viel später erfahren, dass es noch einen besseren Aussichtspunkt gab. Oben traf ich ein deutsches Pärchen, die für ihre Asienreise ihren Job gekündigt hatten und mich für meine Beschäftigung in Thailand lobten. Am Ausgang wurde ich von einem Laoten angesprochen, der mir dubiose Busfahrten andrehen wollte und mich dann seinem „Schüler“ übergab, um mit ihm Englisch zu üben. Er erzählte mir einiges über die Gegend um Luang Prabang und wollte meinen Namen und mein Guesthouse wissen. Glücklicherweise vergaß er es gleich wieder, sodass ich mich ohne schlechtes Gewissen von den beiden verabschieden konnte, ohne dass sie mir etwas aufschwatzten.

Danach fuhr ich durch die ganze Stadt und weiter südlich Richtung Tat Kuang Si. Die ausgeschriebenen 25 km (vom südlichen Ortsausgang aus gemessen) waren mir für diesen Nachmittag aber eindeutig zu weit und so kehrte ich, nachdem ich auch auf dieser Seite bald keine Häuser mehr fand, um und folgte einem Wegweiser zu einem anderen Wasserfall. Diesen fand ich jedoch nie, dafür das echte laotische Leben: baden im Fluss, essen über dem Feuer und mit knatternden Motorrädern steinige Berghänge hinaufkriechen … So hatte ich mir Luang Prabang eher vorgestellt, aber nachdem ich in der Dämmerung umkehrte, um wieder in die Stadt hineinzufahren, musste ich das absolute Gegenteil erfahren: Entlang der beiden Thanon Sisavangvong und Sakkarine waren bereits einige Stände für den Nachtmarkt aufgebaut worden und massig Touristen liefen dort entlang! Ich besuchte noch schnell den Wat Sensoukharam und den viel bekannteren Wat Xieng Thong und setzte mich anschließend für eine Weile an den Mekong. Mein Fahrrad hatte ich vor einem Internetcafé abgestellt, ging danach noch eine leckere Pizza, Hamburger und Pommes frites essen (man, ich hatte vielleicht Hunger!) und was war, als ich mein Rad wiederholen wollte? Es war inmitten der Stände des Nachtmarktes eingesperrt. Noch nie hatte ich soooo viele Touristen auf einem Fleck gesehen. Jetzt verstand ich, warum alle Unterkünfte bereits voll gewesen waren! In dieser Stadt gab es wohl mehr Touristen als Einheimische … welch ein Jammer! Dann fuhr ich nach Hause, denn ich wollte nichts auf dem Markt kaufen.

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Luang Prabang Tag 3 (Dienstag, den 22.12.2009)

Obwohl ich bereits halb 7 aufwachte, kam ich nicht vor 9 aus dem Haus. Lange suchte ich nach einem guten Frühstück in der Stadt, dann noch nach der Post, um die letzten Weihnachtskarten abzuschicken, bevor ich schließlich aufbrach zu einer Sache, die Lonely Planet als „exercise junkies can also get to Tat Kuang Si by road by bicycle“ beschreibt.

Ja, tatsächlich tat ich das: Ich nahm mein kleines Damenrad und fuhr die etwa 30 km bis zum Wasserfall über Anhöhen, die selbst mit einem Mountainbike unglaublich anstrengend gewesen wären. Ich traf auf den ersten ein, zwei Kilometern kaum einen Menschen auf dem Weg. Immer wieder kam ich durch kleine Dörfer, in denen man mich freundlich mit „sabaai dii“ begrüßte. Dann erreichte ich bald einen endlos scheinenden Berg und hatte zwei Möglichkeiten: Entweder umdrehen und ein Tuk-Tuk in Form eines Songthaew nehmen (für mindestens 40.000 Kip) oder mich bis zum Gipfel hochkämpfen und die anschließende Abfahrt weiter bis zum Wasserfall genießen, um irgendwie diesen Weg am späten Nachmittag wieder zurücknehmen. Der Weg nach oben war so anstrengend gewesen, dass ich ständig überprüft hatte, ob überhaupt genug Luft auf den Reifen war, denn ich kam kaum vorwärts. Ich entschied mich – glücklicherweise – für eine Weiterfahrt, obwohl ich bereits jetzt schon schwitzte wie einst in Bangkok. Das Wetter war doch eigentlich ideal mild zum Radfahren!

Die etwa ein Kilometer lange Abfahrt war so erfrischend, dass ich mich freute, mich so entschieden zu haben! Dennoch hatte ich ständig Angst vor der Rückkehr. Wie würde es wohl sein, wenn ich den ganzen Weg wieder nach oben kriechen müsste? Nach jedem Kilometer stand ein Meilenstein, der anzeigte, wie weit es noch bis zum Wasserfall sei. Das fand ich ausgesprochen hilfreich und man sollte so etwas auch auf deutschen Radwanderwegen einrichten. Auf einem Gesamtweg von mittlerweile fast 25 Kilometern seit der Innenstadt war ich nie abgestiegen, hatte nie eine Pause eingelegt und nie etwas getrunken … bis ich einen blonden Menschen vor mir ebenso angestrengt trampeln sah: Es war ein Neuseeländer, mit dem ich die letzten vier Kilometer zusammen erklomm. Die letzten paar hundert Meter musste wir dann aber tatsächlich beide schieben, da der Anstieg zu extrem war. Nach insgesamt gut 80 Minuten (ca. 12 Uhr mittags) war ich also am Wasserfall angekommen. Vor dem Eingang mussten wir unsere Räder (er hatte übrigens ein noch schlechteres als ich) abstellen, erst einmal ein Sandwich essen und dann das letzte Stück laufen. Aber der ganze Weg, jeder einzelne Meter, jeder Tritt in die Pedale hatte sich gelohnt, um DAS zu sehen: Ein 55 Meter hoher mehrstufiger Wasserfall, der sich in mehreren treppenartig angeordneten türkisblauen Gumpen ergoss. Doch damit nicht genug. Rechts neben dem Wasserfall konnte man über Naturtreppen und Wurzeln bis nach oben auf den Wasserfall klettern, sodass man direkt auf der Fallkante ankam und den wohl herrlichsten Blick über den Dschungel in ganz Laos genießen konnte. Ich hätte stundenlang dort oben in dem lauwarmen Wasser stehen können! Auf der rechten Seite konnte man über künstlich angelegte Treppen wieder bis nach unten gehen. Kurz vor Abfahrt trauten sich Travis, der Neuseeländer, den ich auf dem Rad getroffen hatte, und ich noch bis direkt an den Wasserfall heran, bevor wir uns nach einem kurzen Snack wieder auf die Räder schwangen.

Unterwegs trafen wir noch einen Vietnamesen, der an diesem Tag der dritte Verrückte gewesen war, der sich diesen Weg mit einem klapprigen Damenfahrrad, dem schlechtesten von uns dreien, aufgebrummt hatte. Erstaunlicherweise ging der gesamte Rückweg, nicht zuletzt auch wegen der unterhaltsamen Begleitung, viel rasanter als der Hinweg. Es schien auch mehr bergab zu gehen! Unterwegs trafen wir immer mal wieder laotische Jungen und Mädchen, von denen letztere uns hin und wieder auch mal „I love you“ und „What’s your name?“ hinterherrufen konnten. Auf den letzten Kilometern in die Stadt hinein verloren wir den Vietnamesen leider, wohingegen sich Travis und ich noch zum Abendessen verabredeten.

Ich fuhr noch schnell nach Hause, um zu duschen, und verirrte mich auf dem Weg in die Stadt wieder leicht, sodass ich etwas länger brauchte, als abgemacht. Travis brachte noch die Holländerin Maria und den Italiener Matteo mit, wir gingen in ein überfülltes, aber qualitativ nicht ganz so hochwertiges Restaurant und ich wurde natürlich von irgendwelchen Knoblauchzehen mit Pommes nicht satt, also gingen wir danach noch in ein anderes, ein deutsches Restaurant. Das Menü war auch auf Deutsch, so empfahl ich Maria, mal einen Radler zu probieren; interessant, dass man so etwas zwar in Italien als „bicicletta“, in den Niederlanden aber gar nicht kannte! Danach gab es nur noch zwei kleine Malheure: Zum einen war mein Fahrrad am Guesthouse der anderen drei eingesperrt worden, weshalb ich erst den Eigentümer aufwecken musste, und zum anderen kam ich in meine eigene Unterkunft nicht mehr hinein, weil es schon kurz vor zwölf war. Bevor ich es jedoch wagen konnte, über den Zaun zu klettern, half mir ein notorisch kläffender Hund, einen Angestellten des Hauses zu wecken, infolgedessen das Tor wieder geöffnet wurde und man sich bei mir für die Unannehmlichkeit entschuldigte. So ist man in Laos eben! Freundlich und reuig, auch wenn der andere eigentlich Schuld hatte.

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Luang Prabang Tag 4 (Mittwoch, den 23.12.2009)

Der Mittwochmorgen begann mit der Suche nach einem guten Frühstück. Ich entschied mich für eine unfreundliche skandinavische Backstube, die mir auch noch das falsche Sandwich für 5.000 Kip mehr brachte – aber geschmeckt hat es trotzdem! Dann fuhr ich mit meinem Rad, obgleich mir der Hintern schon vom Vortag unglaublich wehtat, zum nördlichen Busbahnhof und kaufte mir das Busticket nach Kunming. Der Ticketverkäufer wollte 500.000 Kip haben, aber ich war informiert und gab ihm nur 450.000. Als Entschuldigung bot er mir an, mich am Abend um 21.30 Uhr, eine Stunde vor geplanter Abfahrt des Busses, persönlich von meiner Unterkunft abzuholen. Deshalb musste ich schnell zurück zum Guesthouse und abklären, ob ich noch länger bleiben könnte.

Das Ganze musste ich auf Thai machen, da man in Laos, vor allem in dem Haus besser Thai als Englisch verstand. Die beiden Sprachen (Thai und Laotisch) sind sich unglaublich ähnlich, fast nur wie Dialekte, in denen jeweils die Tonhöhen und einige Wörter anders ausgesprochen werden. So konnte ich klären, dass ich bis „saam thum“ bleiben, aber nicht noch einmal schlafen möchte. Jedes andere Haus hätte mindestens den halben Preis für eine Nacht verlangt, aber dieses nicht. Vielleicht waren sie froh, dass so weit im Außenbezirk überhaupt einmal Gäste da waren!

Für heute nahm ich mir vor, in die Pak-Ou-Höhlen zu gelangen, aber es war leider schon zu spät für eine vom Reisebüro organisierte Reise. Man bot mir ein Privat-Tuk-Tuk für 220.000 Kip an, was ich dankend ablehnte! Also musste ich den Tag anderweitig nutzen; mit dem Rad hätte ich es nicht noch einmal geschafft, da sich die Höhlen etwa 30 km nördlich von Luang Prabang befanden. Zunächst besuchte ich also das Nationalmuseum, dann bestieg ich den gegenüberliegenden Phousi, auf dessen Gipfel der Wat Chom Si thronte, von dem aus man eine grandioser Sicht über ganz Luang Prabang hatte. Viele Fotografen hatten sich dort oben versammelt, um einzigartige Fotos schießen zu können. Auf der anderen Seite des Berges konnte ich wieder hinuntergehen, kam an einem liegenden Buddha, dem Wat Tham Phou Si und Buddhas Fußspur vorbei. Den Eintritt hierfür hielt ich für überteuert, denn man konnte nicht viel sehen. Vielleicht hätte ich auch einfach nur das Ticket von der anderen Seite des Berges zeigen müssen, um nicht zweimal zu bezahlen. 🙂

Unten angekommen, entdeckte ich eine interessante Bambusbrücke, die über den Nam Khan auf ein Feld führte und für die man ebenfalls Eintritt verlangte. Als ich hinüber und dann durch einen Tunnel aus Ranken ging, landete ich in einem Dorf mit Sandstraßen, einem Tempel, vielen etwas ungläubig schauenden Bewohnern und Hunderten von Motorrädern. Bald begriff ich, wo ich gelandet war: Wäre ich der Hauptstraße gefolgt, wäre ich wieder zum nördlichen Busbahnhof und zum Flughafen gekommen. Ich kehrte aber um, da ich mein Fahrrad noch am Phousi stehen hatte, und holte mir ein paar Pommes (für mehr reichte mein Bargeld nicht) in einem Restaurant am Fluss. Abermals war mein Fahrrad im Nachtmarkt versteckt, ich fand es aber und brachte es zurück zum Verleih, da ich meinen Ausweis wiederhaben wollte. Mein Abendbrot klappte leider auch nicht wie gewünscht: Statt einem „Chicken Sandwich“ bekam ich einen „Chicken Salad“ für gleich mal 10.000 Kip mehr, also holte ich mir anschließend meinen Wunsch auf dem Nachtmarkt für viel weniger Geld und ließ es mir als Proviant für meine Endlosreise nach China einpacken.

Ich lief nach Hause, packte meine Sachen und vertrieb mir die Wartezeit bis zu meinem Abhol-Service mit zwei laotischen jungen Männern, die halbwegs Thai und Englisch konnten. Tatsächlich kam der Ticketverkäufer bald mit einem Motorrad an und nahm mich mit. Die Fahrt war leider eiskalt und sie führte mich auch nicht zum Busbahnhof wie einst gedacht, sondern etwa drei Kilometer weiter hinaus aus Luang Prabang zu einem abgelegenen chinesischen Restaurant. Der Motorradfahrer meinte zu mir, ich solle hier auf den Bus aus Vientiane warten, da ich heute Nacht der Einzige sei, der aus Luang Prabang diesen Bus nehme. Die Zeit verging … man sagte mir erst etwas von einer halben Stunde, aus der aber natürlich zwei Stunden wurden! Besonders nervig fand ich die leicht angetrunkenen jungen Laoten, die in dem Lokal Billard spielten und bei jeder versenkten Kugel lauthals krakeelten. Als der Bus endlich ankam und ich fast erfroren war, wollte der Busfahrer nicht einmal mein Ticket sehen, die Tasche musste ich auch selbst in den Kofferraum tun.

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Fahrt von Luang Prabang nach Kunming (Mittwoch, den 23.12.2009 – Freitag, den 25.12.2009)

Das sollte also meine Fahrt von Laos nach China werden: Der Bus bestand aus 34 Mini-Betten, Sitze gab es nicht. Ich legte mich auf ein oberes ans Fenster, um bei Tag so viel wie möglich zu sehen. Zwar gab es Decken und Kissen, aber da der Busfahrer in der ohnehin nicht sehr warmen Nacht auch noch die Klimaanlage bei Kühlschranktemperatur laufen ließ, war die Nachtfahrt eher furchtbar als angenehm. Ich schlief kaum und wechselte das Bett, wartete auf so genannte Pinkelpausen, die man dafür auch nutzen musste, und merkte bald, dass in diesem Bus nur Chinesen waren! Das Problem dabei war, dass chinesische Männer grundsätzlich Kettenraucher sind und nicht gerne die Fenster öffnen. Meine Wahl, oben zu schlafen, war also auch nicht gerade ideal dafür. Das nächste Mal würde ich mich auf die Fünfer-Bettreihe am hinteren Ende des Busses legen.

Irgendwann (es war bereits Donnerstag, der 24.12.) stand der Bus plötzlich, weil die Straße blockiert war. Überhaupt war die laotische Straße bis zur Grenze mehr schlecht als recht, ganz und gar nicht zum Schlafen geeignet. Ich fürchtete jedes Mal, aus dem Bett geworfen zu werden, wenn ich doch mal einschliefe.

Etwa neun Uhr morgens hielt der Bus wieder einmal für längere Zeit, es war bereits hell geworden und die Leute stiegen der Reihe nach aus. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich nichts als Sand, Berge und eine kleine Bude, vor der ein paar Menschen standen. Das musste wohl die Grenze zu China sein! War das etwa Boten, die laotische Grenzstadt? Na ja, ich stieg also aus und sah, dass noch ein anderer Weißer (ein Franzose, der in Dali wohnte, wie sich später herausstellte) im Bus gewesen war. Die Grenze war leicht zu passieren, außer dass ich dem laotischen Grenzbeamten mein „ß“ im Nachnamen erklären musste. Wenn sie den Reisepass einscannen, liest der Computer meist ein „SS“, aber wenn sie ihn abschreiben müssen, dann fragen die Offiziellen fast immer nach dem seltsamen Buchstaben oder schreiben einfach ein „B“.

Der erste Eindruck, den ich von China gewinnen konnte war: groß! Das Grenzgebäude war riesig, so ein großes hatte ich noch nie gesehen. Ich fühlte mich wie auf einem kleinen Flughafen! Überall gab es Gesundheitskontrollen und Check-In-Schalter. Der Durchgang klappte gut, ich bekam meine Genehmigung zur Einreise und schon war ich in China! Der Franzose hatte größere Probleme und durfte aufgrund des schlechten Zustandes seines Ausweises erst einmal nicht einreisen. Gleich nach der Grenzkontrolle bot man mir einen Geldtausch an. Ich willigte ein, für 1000 Baht 200 Yuan zu bekommen, das war ein extrem fairer Tausch! Dann ging es weiter mit dem Bus (ohne den Franzosen) zu einem Parkplatz in Mohan, der chinesischen Grenzstadt, die ich extrem modern und sauber fand. Der Busfahrer meinte, dass die Fahrt erst um 14.30 Uhr weiterginge, das bedeutete einen Aufenthalt von unglaublich langweiligen fünf Stunden in einer Kleinstadt! Also lief ich einmal durch das ganze Nest und versuchte, mir eine SIM-Karte zu kaufen. Mit null Wörtern Chinesisch in petto und keiner Vorstellung, wie ich dem Verkäufer klarmachen sollte, was ich wollte, fasste ich mir ein Herz und ging in den Laden. Es dauerte ungefähr eine halbe Stunde, ich sollte 100 Yuan hinblättern und dann hätte es laut Verkäufer klappen müssen. Ich konnte zwar nicht nach Hause telefonieren, das verstand aber der Verkäufer nicht. Also nahm ich das Infopaket, komplett auf Chinesisch, mit und verschwand. Ich streunte noch ein bisschen durch die Stadt und bewunderte die dreisprachigen Verkehrsschilder auf Lanna, Chinesisch und Englisch.

Dann setzte ich mich vor den Bus, unterhielt mich ein bisschen mit dem Franzosen, der es endlich durch die Grenze und bis zur Bushaltestelle geschafft hatte, und experimentierte mit der SIM-Karte. Als der Bus endlich einmal geöffnet wurde, ergriff ich die Chance, mich hineinzusetzen und zu schlafen. Irgendwann wachte ich aufgrund des Treibhauseffekts im Bus auf und wollte wieder hinaus an die frische Luft; doch weit gefehlt: die Bustür war wieder verschlossen! Also musste ich allein die restlichen Stunden in dem warmen und stickigen Bus aushalten. Ich schaffte es sogar, Axel, einen kulturweit-Freiwilligen in China, dessen Wohnung ich in Guangzhou während seines Thailand-Urlaubes benutzen können würde, anzurufen. Es schienen also nur Gespräche nach China und nicht ins Ausland zu gehen. SMS hingegen konnte ich auch ins Ausland verschicken. Bald darauf wurde ich mit Info-SMS bombardiert und ich wusste gar nicht mehr, was ich machen sollte! In einer stand sogar mein momentanes Guthaben von fast 100 Yuan. Also hatte ich die Karte ja für umsonst erhalten, oder?

Ach ja, während der Pause erfuhr ich von einem Chinesen, dass wir womöglich erst fünf Uhr am nächsten Morgen in Kunming ankommen würden. Na toll, wozu hatte ich dann mein Hostel für die kommende Nacht gebucht? Und wie sollte ich um so eine Zeit vom Busbahnhof bis dahin kommen? Ich hasste diesen Busfahrer jetzt schon für die absolut lächerliche fünfstündige Mittagspause! Ach nein, es waren sechs Stunden, denn der Bus startete erst 15.30 Uhr! Fragt mich nicht, wieso, keiner wusste es!

Als es also endlich weiterging, konnte ich, solange es noch hell war, die zurecht so hochgepriesene schöne Landschaft der Yunnan-Region. Leider sah ich aber wegen der bald einsetzenden Dunkelheit nicht sehr viel davon. Die Raucher, die nun auch anfingen, den Schleim im Rachen hochzuziehen und den ganzen Schnodder auf den Boden zu spucken, regten mich immer noch furchtbar auf – und der Bus wurde wieder enorm kalt. Irgendwann gegen acht Uhr abends kamen wir in eine größere Stadt und hielten an; ich hatte tatsächlich gedacht, wir wären bereits in Kunming, aber weit gefehlt: Es stiegen noch mehr Leute ein und die Fahrt ging weiter. Mitten in der Nacht stoppten wir wieder an einem chinesischen Imbiss irgendwo in den Bergen. Ich holte mir eine Cola und eine Sprite, wollte nichts essen und fror, wie alle anderen, vor dem Bus bis auf die Knochen, da die Bustür wieder verschlossen war, bis der Busfahrer mit seinem Abendessen fertig war.

Es wurde wieder ein neuer Tag: Der 25. Dezember 2009, Weihnachten! Und welch ein Heiliger Abend das war! Vor genau einem Jahr hatte ich an diesem Datum unterm Weihnachtsbaum mit vielen Geschenken im Warmen gesessen und nun stand ich draußen vorm Bus und zitterte vor Kälte. Frohe Weihnachten!

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Kunming Tag 1 (Freitag, den 25.12.2009)

Tatsächlich erreichten wir Kunming erst früh halb 5! Die gesamte Fahrt hatte also genau 28½ Stunden (inkl. Pausen) gedauert, meinem Rücken ging es nicht mehr ganz so gut, denn die laotischen Straßen, die für maximal 20 km/h zugelassen waren, befuhr der Busfahrer teilweise mit dreifacher Geschwindigkeit, und ich war gerade unglaubliche 1000 Kilometer in einem chinesischen Schlafbus gereist! Ich konnte es kaum glauben und wollte schon jubeln – aber so richtig nach Feiern war mir nicht zumute, denn weder hatte ich eine Unterkunft noch warme Wintersachen.

Ein Motorradfahrer wollte sich wahrscheinlich in den frühen Morgenstunden etwas Kleingeld verdienen und fragte mich, wo ich denn hinwollte. Nachdem er „Hump Hostel“ nicht verstand, sagte ich, fein auswendig gelernt, „Jin Ma Fang“ und gab ihm widerwillig 10 Yuan, herunterhandeln konnte ich nicht. Nun begann die wohl eisigste Motorradfahrt meines Lebens: Etwa 10 Minuten bei gefühlten -5 °C kamen mir wie eine halbe Stunde vor! Ohne Handschuhe, Mütze, Jacke und zweite Hose war es einfach nur bitterkalt – und endlich realisierte ich, dass ich in China gelandet war! An dem gewünschten Zielort suchte ich noch zirka 30 Minuten nach dem Hostel, fragte Müllfahrer (die den Namen der Unterkunft aber selbstverständlich nicht verstanden) und fand es schließlich kurz nach fünf Uhr morgens.

Doch was war das: Alles dunkel … ein junger Mann lag da in der Lobby auf der Couch und schlief. Da ich ja endlich mal ein festes Dach über dem Kopf wollte, weckte ich ihn erbarmungslos auf und „forderte“ praktisch aufgrund meiner vorherigen Reservierung mein Zimmer. Er kramte in dem Schlüsselschrank, bis er doch tatsächlich zugab: „We’re full tonight“. Ich diskutierte, weil ich bereits im Voraus gebucht hatte und auch schon eine Anzahlung geleistet hatte, bis wir uns darauf einigten, dass ich die erste Restnacht kostenlos in der Lobby schlafen dürfte und die zweite Nacht etwas verbilligt bekam. Ich sollte auf den ersten Check-Out eines Gastes warten, dann könne ich in mein Zimmer.

Etwa acht Uhr morgens klärte sich dann, mit neuen Kollegen, die Situation auf, man bot mir einen kostenlosen Tee an und ich kam in ein Vierbettzimmer zu etwa dem halben Preis. Dort konnte ich mich endlich richtig gemütlich ausschlafen, auch wenn das Zimmer immer noch eisig war. Ebenso war die Dusche nur lauwarm. Ich verstand in dem Moment noch nicht, warum dieses Hostel bisher immer so gute Kritik bekommen hatte. Anschließend ging ich in die Stadt und probierte meine Kreditkarte bei mehreren Banken aus, bis es endlich klappte. In China akzeptierte man wohl ausländische Karten nicht gerne … Beim Überqueren einer Hauptstraße mit geschätzten hundert anderen Menschen wurde ich doch tatsächlich von einer jungen Chinesin angesprochen: „Hi, where are you from?“ Auf meine „Germany“-Antwort bekam ich eine Frage gestellt, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hätte: „Can you teach me English?“ Wie bitte? Jetzt? Hier? Ich? Ich lehnte ab, hatte ja ohnehin anderes vor, und verschwand in der Masse.

Von Travis, dem Neuseeländer, den ich in Laos getroffen hatte, hatte ich den China-Reiseführer von Lonely Planet bekommen, als ich ihm eine große Touristenkarte über Thailand, Kambodscha, Laos und Vietnam gab, da er eine ähnliche Reiseroute wie ich vorhatte, nur andersherum. Wie in jenem Buch ausgeschrieben, versuchte ich, den richtigen Bus in den Shilin-Nationalpark zu finden, es gelang mir aber nicht. Ich fragte beim angeblichen Ticketverkauf nach, aber keiner wollte mir helfen. Ich sprach ja schließlich auch noch kein Wort Chinesisch. Hier merkte ich zum ersten Mal die Blicke: Sie waren ganz anders als in Thailand, noch dazu, weil ich blond war. In dem Land, das so lange von der Außenwelt abgeschottet lebte, war man noch nicht an Ausländer gewöhnt. Teilweise fielen den Leuten die Augen aus dem Kopf, andere wandten absichtlich den Blick ab, wieder andere tuschelten oder redeten gar laut über mich … etwas Befremdlich war das anfangs schon, aber im Laufe des Aufenthaltes sollte ich das Land und die Leute ja noch besser kennen und verstehen lernen.

Den Bus zum Shilin fand ich also leider nicht, so kehrte ich zurück zum Hostel und fragte dort nach, wie ich den richtigen Bus erwischen könnte. Das Hostelpersonal rief sogar im Ticketschalter an und bestätigte, dass er heute besetzt sei! Also hatte ich einfach nicht den richtigen Schalter gefunden. Leider war es aber mittlerweile nachmittags um zwei, sodass ich meinen Aufenthalt in Kunming um einen Tag verlängern musste – anders als geplant -, um am nächsten Tag in den Steinwald aufzubrechen! Außerdem sollte ich aus Sicherheitsgründen mein Zimmer wieder wechseln, da die beiden anderen, die sich das Zimmer mit mir teilten, schon seit Tagen an einer schweren Erkältung litten.

In dem neuen Zimmer lernte ich eine Pekingerin mittleren Alters kennen, mit der ich den Nachmittag bei einem Spaziergang und einer Sightseeing-Tour in Kunming verbrachte. Das war ganz gut so, denn sie konnte ja Mandarin sprechen, sodass wir eigentlich alle Foto-Objekte schnell finden sollten. An diesem und jenem Stand nahm sie ein paar lokale Spezialitäten mit und auch ich probierte die Snacks für teilweise weniger als 1 Yuan. Während wir an der Xisi Ta und der Dongsi Ta vorbeikamen und durch eine Tempelanlage streunten, erzählte sie mir viel über Pagoden, Tempel, den Buddhismus und den Glauben. Anschließend nahmen wir einen Bus in den Norden Kunmings und wollten zwei andere auf einer Touristenkarte eingezeichnete Pagoden besichtigen. Die Suche gestaltete sich allerdings viel schwieriger als gedacht und wir brauchten trotz allem Nachfragen bei der örtlichen Bevölkerung über eine Stunde, bis wir sie versteckt in einem Hinterhof zwischen Wohnblöcken erspähten! Die Pekingerin war völlig entsetzt, wie Menschen die Geschichte nur so kaputt machen und um diese schönen Türme einfach hässliche Baracken stellen konnten. In China wird halt kein Platz frei gelassen. 😉

Auf dem Weg zum Yuantong-Tempel wurden wir plötzlich von zwei jungen Chinesen mit Sprühschnee attackiert. Ich erschrak mich dabei derart, dass meine Brille zu Boden fiel und in mehrere Teile zersprang. Na toll, das hatte mir jetzt noch gefehlt! Insgeheim hoffte ich aber, dass mir meine chinesische Begleiterin wohl bei dem Kauf eines neuen Nasenfahrrads behilflich sein würde. Aber nicht jetzt … Wir kamen bald an besagtem Tempel an, aber es war schon zu spät, der Eingang war verschlossen; selbst eine halbstündige Diskussion, in der ich natürlich die Klappe hielt, mit dem Guard brachte uns nicht weiter an die Anlage heran …

So gingen wir noch durch den Green Lake Park und wunderten uns über den erstaunlich kleinen See, der auf der Karte so groß aussah. Auf dem Rückweg schneiten wir dann glücklicherweise bei einer Optikerin herein, die erstaunlich viel Geduld mit mir bewies, obgleich ich doch einfach nur eine neue und provisorische Brille wollte, nichts Exklusives. Allerdings schienen meine Augen so einen seltsamen Dioptrienwert aufzuweisen, dass wir uns fast eine dreiviertel Stunde in dem Laden aufhielten und immer wieder neu gemessen werden musste. Auf dem Rückweg durchquerten wir die Fußgängerzone von Kunming, die bereits mit Tausenden oder Millionen von Chinesen gefüllt war. Es war Weihnachten und das wurde hier so gefeiert: Alle jungen Leute gingen auf die Straße, jeder kaufte sich für nur 10 Yuan mindestens eine Sprühschnee-Dose und ging damit auf so viele andere Menschen in der näheren Umgebung zu, wie nur möglich. Davon blieb natürlich auch ich nicht verschont und als unbewaffneter Weißer war ich natürlich DAS Zielobjekt schlechthin.

Wir schafften es jedoch noch recht sauber in ein Restaurant zu gelangen, das bekannt für seine kunmingtypischen Spezialitäten war: Guoqiao Mixian, im Englischen eher als „Across-the-bridge noodles“ (aufgrund ihrer Geschichte) bekannt. Oh je, auf was hatte ich mich da eingelassen? In die anfangs leere Ölsuppe kam Folgendes: Bambus, schwarzes Hühnchen, Blätter, Vogeleier, Pilze, Schalentiere, Tintenfisch, Kaschunüsse, rohes Schweinefleisch, gebratene Bienen und selbstverständlich die Reisnudeln als letztes. Das Ganze sollte mit Stäbchen gegessen werden und war natürlich kochend heiß. Ich glaube immer noch nicht, dass ich das alles herunterbekommen habe! Aber so war es. Dann kehrten wir zum Hostel zurück und auf meine Beschwerde hin, dass ich noch nicht satt sei, empfahl mir eine andere Chinesin noch ein zweites Restaurant; ich wagte mich tatsächlich wieder in die schneesprühende Menge und kam keine 10 Meter, schon waren meine Haare pink statt blond. Es war mir zu unangenehm, so in ein Lokal zu gehen, also kehrte ich wieder um und gönnte mir eine ordentliche, dieses Mal warme Dusche. Am Abend gab es zwar Bar, Musik und nette Leute im Hostel, aber ich war einfach zu müde, um noch feiern zu können. Ich unterhielt mich lediglich noch mit einer chinesischen Studentin aus Hainan über meinen Auslandsaufenthalt, weil sie angeblich an solchen Freiwilligendiensten zwischen Schulabschluss und Studienbeginn forschte.

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Kunming Tag 2 (Samstag, den 26.12.2009)

Am zweiten Tag musste es einfach klappen, zum Shilin zu gelangen. Ich hätte eine Menge dafür gegeben und stand bereits zeitig genug auf, frühstückte ein paar Plinse und rückversicherte mich mehrmals bei den Angestellten des Hostels, wie ich genau zum richtigen Bus käme. Ich ließ mir meine „Frage“ sogar auf Chinesisch aufschreiben, damit ich den Zettel notfalls einem Beamten hätte zeigen können. Die Zeichen für Shilin konnte ich bereits lesen, sie entsprachen auch ihrer Bedeutung. Sieht nicht wie ein Stein und wie ein Wald aus? Also ging ich wieder in Richtung Bahnhof und suchte die Gegend dort nach diesen Zeichen ab, fand aber lediglich einen Busbahnhof. Dort belästigte ich einen Polizisten mit meinem Problem, der mich freundlicherweise zu einem Bus schickte, an dem tatsächlich Shilin auf Chinesisch stand. Davor stand der Busfahrer, den ich nach dem Ticket fragen konnte. Er war so nett und führte mich sogar direkt bis zum richtigen Ticketschalter, an dem natürlich auch nur alles auf Chinesisch stand. Nie hätte ich den gefunden! Meine Fahrkarte hatte ich also, so konnte ich nun guten Gewissens zum Steinwald fahren. Der Bus fuhr, wie alle chinesischen Busse, allerdings erst los, als auch der letzte Platz gefüllt war. In meinem Falle dauerte das glücklicherweise nur eine halbe Stunde.

Schon auf dem Hinweg sah man die eindrucksvolle Natur Yunnans: Riesige Berglandschaften, Seen und selbstverständlich die bizarren Steine, die wie Skulpturen aus dem Boden ragten. Ich erspähte sogar ein paar Ausländer im Bus und dann auch im Park, aber die geringe Anzahl wunderte mich nach meinem schwierigen Ticketkauf nicht im Geringsten. Meist sprachen jene auch wenigstens ein bisschen Chinesisch. Den Eintritt bekam ich sofort ermäßigt, ohne dass man mich nach einem Studentenausweis fragte. Leider sollte das bei meinen späteren Attraktionen nicht mehr so gut klappen. Einen Parkbus oder Guide sparte ich mir auch, schließlich waren meine Füße noch jung und konnten selbst laufen. Zunächst lief ich durch ein kleines Dorf, abseits jeglicher Touristenroute, kam an einem Büffel vorbei, der mich ebenso seltsam wie die Bewohner der Siedlung anstarrte, und kehrte wieder zurück zum Steinwald, bevor ich die Orientierung ganz verlor. An einem Wegweiser stand das mich fesselnde Wort „Eternal Mushroom“, sodass ich ihm folgte … in ein extrem abgelegenes Gebiet, in dem weit und breit kein einziger chinesischer Tourist mehr zu sehen war. Den seltsamen pilzförmigen Fels, keine wirkliche Attraktion in diesem Sinne, erreichte ich nach etwa einem Kilometer über Stock und über Stein. Blöderweise musste ich denselben Weg zurückgehen, um wieder auf die Hauptroute zu gelangen. Ich mag so etwas überhaupt nicht, lieber habe ich Rundwege, nach denen man zum Ausgangspunkt zurückkehrt; ich gehe nicht gerne denselben Weg zweimal. Nun endlich kam ich in den richtigen Steinwald, kroch durch Höhlen, auf Plateaus und traf die vielen Chinesen, die mich nur wieder ungläubig anschauten, als wäre ich interessanter als die Steine ringsherum. DIE Attraktion schlechthin war die Aussichtsplattform in der Mitte des Parks; dieser Meinung waren zumindest die chinesischen Touristen und drängten sich zu Hunderten auf den winzigen Pavillon. Eine wirklich gute Aussicht konnte man von dort aus also nicht genießen. Ein kleiner Junge redete in dem Gedränge die ganze Zeit mit seiner Mutter und seiner Oma über mich; das bekam ich schon mit, auch wenn ich nichts verstand – schade eigentlich! Dann beeilte ich mich schnell wieder von der Plattform und lief noch ein bisschen in die äußeren Bezirke des Steinwaldes, kam an einem eindrucksvollen Felsen namens „Mother with Child“ vorbei und testete auch noch die Toiletten. Bereits in Kunming hatte ich gelernt, in China immer eine Rolle Toilettenpapier mitzunehmen, da dieses gewöhnlich nicht zur Verfügung gestellt wird – weder an öffentlichen Plätzen, noch im Zug und auch nicht in Hostels, selten in Hotels. Diese Aborte im Steinwald waren allerdings eine Attraktion für sich: Über die Schüssel war eine Tüte gespannt, die nach einer Weile automatisch eingezogen und gewechselt wurde, sodass der nächste Gast wieder auf einer neuen Tüte saß. 🙂

Auf dem Rückweg kam ich an einem Wegweiser für einen Baoshan (oder so ähnlich) vorbei. Die Infotafel fesselte mich: Entgegen allem Glauben sollte dies, und nicht der Aussichtspavillon, der höchste Punkt des Shilin sein! Das ließ ich mir trotz bereits schmerzender Füße und ziehenden Schultern nicht nehmen und bestiegt den Felsen. Die Infotafel hatte nicht gelogen! Von hier aus hatte man eindeutig den besten Überblick über das gesamte Areal und das Beste daran: Es waren keine Touristen weit und breit zu sehen, nur eine chinesische Familie war mit auf dem Gipfel. Das war doch ein gelungener Abschluss, bevor ich wieder nach Kunming fuhr. Beim Ticketkauf für den Rückweg kam ich einem Ausländerpärchen, von dem die Frau gutes Chinesisch sprach, zwar zuvor, gab aber mein Ticket an sie ab, weil noch genau zwei Plätze im Bus frei waren. Ich wartete geduldig auf den nächsten Bus, der im Prinzip auch nicht so viel später in Kunming eintraf. Das einzig Blöde an diesem Bus war, dass die Lehne des Sitzes vor mir gebrochen war und ständig nach hinten klappte. Bevor die anderen Leute kapiert hatten, dass man diesen Platz nicht besetzen konnte, verging auch wieder einige Zeit. Neben mich setzte sich dann noch ein ältere Frau, die unruhiger kaum hätte sein können; selbst der Busfahrer musste sie ermahnen, dass sie sich während der Fahrt hinzusetzen hatte!

In Kunming angekommen, blieben noch zwei Hürden: Die erste war der Ticketkauf für meinen Zug nach Yichang. Der Bahnhof dieser fast 7-Millionen-Stadt war riesig, es gab etwa 15 Ticketschalter, an denen je 50 Leute standen. Alles war auf Chinesisch, sodass ich mich einfach irgendwo anstellte. Ohne etwas zu sagen, gab ich den handgeschriebenen Zettel vom Hostel mit meinen Abfahrtsdaten hin und die Frau im Verkauf wiederholte alles noch einmal auf Englisch. Dann bekam ich das gewünschte Ticket!

Die zweite Hürde war meine Brille: Glücklicherweise hatte ich die Rechnung vom Vortag noch und so ging die Abholung recht schnell, auch wenn dieses Mal eine andere Optikerin beschäftigt war. Ich konnte also frohen Mutes, mit Fahrkarte und neuer Brille zurück ins Hostel gehen, noch ein wenig im Internet surfen und traf doch tatsächlich noch – die Hoffnung hatte ich bereits aufgegeben – die im ganzen Hostel gesuchte mysteriöse Amy. Vorgeschichte: Travis aus Neuseeland, den ich in Laos am Wasserfall kennen gelernt hatte, hatte mir einen laotischen Schal für eine gewisse Amy im „Hump Hostel“ mitgegeben. Dort kannte man sie aber nicht, also hatte ich eine Notiz an der Rezeption hinterlassen. Ein bisschen dumm kam ich mir dabei schon vor, aber schließlich freute sie sich doch, dass ich ihr den Schal hatte überbringen können, auch wenn sie dann eher mich als ich sie fand. Viel mehr redeten wir aber nicht. Stattdessen wurde ich von ein paar Chinesen in meinem Alter zum Spiel „Wahrheit oder Pflicht“ eingeladen. Da man bei ihrer Version würfeln musste, lernte ich die Zahlen bis zwölf schnell auf Chinesisch, den Rest übersetzten sie für mich. Das Spiel machte sichtlich Spaß, es ging bis in die sehr späten Abendstunden, doch dann wurde es mir zu albern und ich ging zu Bett.

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Kunming Tag 3 (Sonntag, den 27.12.2009)

Um meinen Zug nach Yichang zu bekommen, musste ich bereits fünf Uhr morgens aufstehen. Vorm Auschecken joggte ich noch zur nächsten Bank, die meine Kreditkarte akzeptierte, kehrte zum Hostel zurück, holte meinen Rucksack und begab mich mit einem Taxi zum Bahnhof. Es dauerte eine Weile, bis der Fahrer „huo che zhan“ verstand, aber schließlich kam ich an, wo ich wollte. Die Wartehalle für den Zug war gigantisch (ca. zwei Fußballfelder) und ebenso die Menschenmenge, und das früh um sieben! Hier wurde ich bereits von mehreren Chinesen angesprochen, ich konnte aber lediglich „bu dong“ antworten. Im Laufe der nächsten Versuche lernte ich, dass man eigentlich öfter „ting bu dong“ sagte. Ich war in der Wartehalle und im Zug selbstverständlich der einzige Ausländer, denn auf dieser Strecke und noch dazu mit solch einer Zugklasse fuhr kein Tourist! Ich hatte die billigste Klasse und einen harten Sitzplatz ergattert: 100 Yuan für knapp 2000 Kilometer, nicht schlecht, oder? 😉

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Fahrt von Kunming nach Yichang (Sonntag, den 27.12.2009 – Montag, den 28.12.2009)

Als ich endlich, nach einigem Fragen, im richtigen Abteil ankam, setzte ich mich irgendwo hin. Nie hätte ich gedacht, dass jeder Platz in diesem Abteil gefüllt würde, also musste ich mich auch auf den auf meinem Ticket aufgedruckten Platz setzen. Irgendwie stand da eine 91 und man verfrachtete mich auf die 8, warum auch immer! Zunächst saß mir ein älterer Herr gegenüber, dann kam noch ein weiterer älterer Mann wahrscheinlich mit seiner Tochter und belegten die übrigen beiden Plätze in unserer Vierersitzgruppe. Da jeder Reisende mindestens zwei riesige Gepäckstücke dabei hatte, mussten die Koffer oben auf der Ablage sorgfältig sortiert werden. Als planender und großer Europäer übernahm ich diese Aufgabe auf unserer Seite und stapelte alles ordentlich zusammen. Auf Grund dessen fuhr mich im Laufe der nächsten paar Stunden ein etwas verbitterter Mann an, dass er meinetwegen nicht mehr an seinen Koffer komme! Was konnte ich denn dafür, dass so wenig Platz für das Gepäck vorgesehen war!?

Im ganzen Abteil sprach tatsächlich keiner ein Wort Englisch – und ich konnte nichts als „ting bu dong“, „bu yao“ und „xie xie“. Ich hatte aber bald auch keine Lust mehr, mit irgendjemandem zu reden, denn viele Passagiere ignorierten wissentlich das Rauch-, Müllwegwerf- und Spuckverbot. Obwohl sie unter diesen Verbotsschildern saßen, wurde eben eine Zigarette nach der anderen angezündet, die Abfälle einfach vom Tisch gekehrt oder zumindest in Richtung des Mülleimer geworfen und den überflüssigen Schleim nicht in eine Tüte oder ins Klo, sondern anderen Leuten vor die Füße gespuckt. Nahezu jeder machte das! Das mag hier vielleicht etwas rassistisch klingen, aber das sind leider Gottes meine Eindrücke aus diesem Zug – ich will so etwas nicht verschweigen. Natürlich wurde der harte Sitz irgendwann unbequem und so stand ich immer mal auf und schaute mir die Landschaft aus dem Fenster zwischen den Abteilen an – auch das war so eine typische „Spuckecke“.

Am späten Nachmittag kam dann eine lustige, aber etwas penetrante Schaffnerin und gleichzeitig Verkäuferin von Essen und Spielzeug auf mich zu, setzte sich mir gegenüber und fragte alles Mögliche auf Chinesisch. Anfangs war aus mir nichts herauszubekommen. Irgendwann hörte ich ein „nali“ sowie von einem anderen Mann „USA!“ (das war das einzige englische Wort, das mir auf der gesamten Zugfahrt je zu Ohren kam). Ich konnte stolz „de guo“ antworten und zeigte mein Ticket, damit sie auch bald wussten, wo ich hinwollte. Immer mehr interessierte Chinesen versammelten sich um mich herum, aber viel mehr konnten sie aufgrund der Sprachbarriere auch nicht erfahren. Bald kam die Nacht … oh je, hätte ich mir in Kunming doch mal Wintersachen gekauft! Lediglich ein Unterhemd, ein T-Shirt, ein Pullover, eine leichte Jacke, eine Stoffhose und ein paar Socken zierten meinen Körper. Das reichte bei Weitem nicht aus für einen Zug, der bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mit undichten Türen durch das kalte chinesische Hochland raste. Die Tür zum anderen Abteil war ohnehin eine Attraktion für sich: Kaum einer bekam sie ordentlich auf oder zu, denn sie klemmte an allen Ecken und Kanten. Und hatte man es tatsächlich mal geschafft, sie zuzumachen, so ging sie ewig nicht mehr auf. Auch wenn sie einmal ganz geöffnet war, bedurfte es schon viel Geschick und Kraft, sie wieder zu schließen. Zwischenzeitlich stand sie auch quer. Noch dazu regte es mich etwas auf, dass die ganze Nacht Essenswagen mit Marktschreierlautstärke durch alle Abteile geschoben wurden, weshalb immer wieder die Tür geöffnet werden musste. In dem Abteil war es praktisch die ganze Nacht genauso kalt wie draußen, dank des Fahrtwindes vielleicht gefühlt noch kälter.

Die letzten Stunden des 27. Dezembers waren trotz der Kälte sehr angenehm, da plötzlich eine mir schräg gegenübersitzende chinesische Studentin anfing, Zettelchen auf Englisch zu schreiben. Anfangs schien sie extrem unsicher, aber bald schrieb sie sich warm und ich verstand auch das meiste, was sie von mir wissen wollte. Diese Konversation hielt etwa zwei Stunden an, sie erfuhren von meiner Tätigkeit in Thailand, meinen China-Plänen und deutschen Bräuchen und auch ich lernte eine ganze Menge über die Denkweise der Menschen und vor allem über die Haltung zur Ein-Kind-Politik. Leider traute sie sich nicht zu sprechen. Der Schmuckverkäufer in meinem Alter neben ihr flüsterte ihr immer wieder eine Frage ins Ohr, die sie dann für mich übersetzen und aufschreiben musste. Er verstand praktisch gar kein Englisch. Mir tat es Leid, dass es für die Studentin wohl seit langer Zeit die einzige Möglichkeit war, ihr Englisch zu üben. So erging es wahrscheinlich vielen jungen Chinesen, die Englisch in der Schule lernten, aber es wohl nie anwenden können würde.

In der Nacht versuchte ich, so gut es ging zu schlafen, bis ich früh um fünf von einem sehr unfreundlichen Schaffner geweckt wurde, der mir befahl, mein Zeug zusammenzupacken und ihm zu folgen. Er schleppte mich insgesamt durch acht Abteile, durch die Küche und verfrachtete mich in die hinterste Ecke des Essenswagens. Dort sollte ich etwas essen, tat es aber nicht. Ich hatte schließlich bereits vorher mein Proviant vertilgt und selbstverständlich um diese Zeit auch keinen Hunger. Das Gute an diesem Abteil war, dass es eine Uhr gab, denn mein Handyakku hatte in der Zwischenzeit seinen Geist aufgegeben. Ich schlief ein und wurde um sieben –  wer hätte es gedacht? – wieder von diesem Schaffner geweckt, um mich abermals in ein anderes, aber ziemlich leeres Abteil zu stecken. Dort sollte ich nun schlafen. Das tat ich auch, ich hatte ja nun eine ganze Bank für mich allein. Warum der Schaffner dies getan hatte, weiß ich bis heute nicht! In dem neuen Abteil wurde ich wieder von einem älteren Mann angesprochen, aber auch er gab nach den Infos „de guo“, „Yichang“ und „ting bu dong“ auf. Das Schwierige war nun noch, dass ich keine Uhr hatte. Ich wusste, um welche Zeit der Zug planmäßig in Yichang einfahren würde, aber ohne Uhr war das nur schwer auszumachen. Immerhin konnte ich die chinesischen Zeichen für Yichang lesen, somit stieg ich auch am richtigen Bahnhof aus und winkte im Vorbeigehen noch meinen ehemaligen Sitzgenossen zu.

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Yichang Tag 1 (Montag, den 28.12.2009)

Das war also Yichang. Trotz vieler Angebote bezüglich Unterkunft direkt vor dem Bahnhof steuerte ich planlos in die Innenstadt. Zunächst lief ich in die falsche Richtung, dann fand ich mich aber schnell zurecht. So groß schien die 4-Millionen-Stadt gar nicht zu sein. Nachdem ich zweimal mit meinem riesigen Rucksack um den Stadtkern gelaufen war, entschied ich mich für ein mickriges Hotel in einem Sachenladen. Dort verstand man aber kein Englisch, nicht einmal „room“, und ich wurde mit einem „no“ verabschiedet. Im benachbarten, sehr luxuriös scheinenden Hotel, das ich mir ohnehin nicht hätte leisten können, fiel die Frau an der Rezeption, noch bevor ich überhaupt einen Ton hatte sagen können, fast in Ohnmacht und rief den Dolmetscher. Dieser hatte nichts weiter zu tun, als mir die Preisliste auszuhändigen und sogar noch einen Megarabatt von 60 % zu gewähren. Damit wäre der billigste Raum etwa 370 Yuan gewesen. Ich sah mich weiter in der Stadt um und entschied mich für das „Motel Rest“, in dem man immerhin das Wichtigste auf Englisch sagen konnte. Ein Zimmer für 168 Yuan lag zwar auch weit über meinem geplanten Budget, aber dafür war es traumhaft eingerichtet. Über die kaputte Klospülung, bei der man den Stöpsel immer manuell im Spülkasten hochheben musste, sah ich hinweg. Die Dusche war sehr geräumig, heiß und einfach nur ideal, der Fernseher war programmierbar (aber auf Chinesisch, was mich einige Zeit kostete), es gab auch die übliche Hotelausstattung inklusive: Zahnputzzeug, Kamm, Badelatschen, Telefon und was man sonst so alles nicht brauchte. 😉

Ich kaufte mir im naheliegenden Supermarkt erst einmal Proviant für den Tag und machte mich dann auf, die von Lonely Planet beschriebene Bushaltestelle zum Drei-Schluchten-Staudamm über den Jangtse zu suchen. Tatsächlich fand ich sie etwas versteckt in einem Hinterhof. Alle Busse trugen nur chinesische Schriftzeichen, nirgends konnte ich aber die Zeichen für „sanxia daba“, die ich bereits kannte, erkennen. Also ging ich zum Ticketverkauft und sagte den Namen dieses Staudamms auf Chinesisch; mein Busticket bekam ich auch. Und welcher Bus war es nun? Auch hier musste ich wieder mit Händen und Füßen agieren, bis mir jemand half. An dem Bus stand übrigens 茅坪, was, wie ich erst in Shanghai von einer chinesischen Freundin erfahren sollte, Maoping hieß und der Name einer Kleinstadt in der Nähe des Staudamms war. Von dort aus sollen angeblich auch Touristenschiffe bis an den großen Damm fahren, aber davon wusste ich nicht und so schickte ich einen Motorradtaxifahrer zum „sanxia daba“. Dieser gehorchte fleißig, aber ich vergaß, den Preis im Voraus auszuhandeln. Und der nette Herr fuhr und fuhr und fuhr … den ganzen Weg, den der Bus auf der Yichang abgewandten Seite hochgeklettert war, wieder hinunter und auf der anderen Seite des Staudamms wieder nach oben. Die Fahrt dauerte gute 20 Minuten und wieder fror ich, vor allem am Kopf, und fürchtete eine bald einsetzende Erkältung. Nachdem wir ein Dorf durchquert hatten, in dem man, den Blicken nach zu urteilen, noch nie einen Ausländer auf einem Motorradtaxi gesehen hatte, erreichten wir an einem Abhang einen kleinen Pavillon mit drei Leuten. Einer wollte sofort 50 Yuan von mir haben. Da ich dachte, man müsste hier eine Art Zoll für den Staudamm bezahlen, und ich ohnehin nichts verstand, gab ich ihm widerwillig das Geld. Dann sollte ich absteigen und ihm folgen. Mann, ich hoffte, dass der Motorradfahrer dort stehen blieb, wie sonst sollte ich wieder zurückkommen? Ich fühlte mich wie im Nirgendwo. Dann nahm der dubiose Fremde meinen Fotoapparat und befahl mir, mich mal hier hinzustellen, dann mal dort, dann wieder an diese Stelle und dann an jene, vor diesen Schriftzug, an jenen Zaun, in dieser Pose, mal mit Power, mal kerzengerade – und immer wieder schoss er Fotos von mir mit dem Staudamm im Hintergrund, den man aufgrund des Nebels leider nicht so sehr gut sehen konnte.

Anschließend zeigte er mir noch ein paar Postkarten mit schönen Bildern vom Damm, die auf Chinesisch, Englisch und Deutsch beschriftet waren und mir für insgesamt 13 Yuan ein Schnäppchen schienen, bevor ich ihm und dem Motorradfahrer, der nun zum Foto-Shooting dazugekommen war, versuchte klarzumachen, dass ich AUF oder IN den Staudamm möchte. Es schien zwar ein Weg dorthin zu führen, aber sie verstanden nicht. Also ging es die ganze Strecke mit dem Motorrad wieder zurück zu einem zweiten Aussichtspunkt, wiederum auf der anderen Seite des Staudamms. Dieser Weg war allerdings versperrt, deshalb wollte ich endlich schnellstmöglich zum Bus zurück. Meine Fotos hatte ich ja, auf dem Staudamm war ich allerdings nicht – ob das überhaupt möglich gewesen wäre, weiß ich bis heute nicht. Es scheint aber Bootsfahrten bis an den Fuß des Riesenkoloss zu geben. Blieb noch die Bezahlung: Ich hätte ich höchstens 30 Yuan geben wollen für die Fahrt, aber er ließ sich von seinen geforderten 60 Yuan einfach nicht abbringen. Da half auch eine fünfminütige Diskussion nichts. Viel hatte ich in dem Nest sowieso nicht zu sagen, also blieb mir keine Alternative, als ihm das Geld schweren Herzens zu geben. Die Busfahrt zurück nach Yichang war von extrem schlechten Straßen geprägt. Danach musste ich nur noch das Ticket nach Shanghai für den nächsten Tag im Bahnhof kaufen. Ich hatte mich vorbereitet und bereits selbst die wichtigsten Sachen in den entsprechenden Schriftzeichen aufgeschrieben: Datum, harter Sitzplan, Zugname, Zielort. So konnte ich das Zettelchen durch das Schalterfenster schieben und bekam zügig meine Fahrkarte. Mein Abendbrot holte ich mir bei McDonald’s; die Frau konnte immerhin „menu“ und „one“ sagen. Den Rest des Abends verbrachte ich vor dem chinesischen Fernseher, dessen Bedienung ich nach etwa zwei Stunden endlich verstanden hatte.

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Yichang Tag 2 (Dienstag, den 29.12.2009)

Den zweiten Tag nutzte ich für einen morgendlichen Spaziergang zum Jangtse, dem längsten Fluss Chinas und damit dem drittlängsten der Welt. Am Ufer fand ich einige einheimische Spaziergänger vor sowie vereinzelt Fischer auf ihren Booten. Wieder war es sehr nebelig, sodass man nicht weit am Ufer entlang sehen konnte und ich etwas enttäuscht den Rückweg in die Stadt antrat. Für meinen Einkauf von Proviant für die Zugfahrt nach Shanghai hatte ich mir extra einen Rucksack mitgenommen, um nicht alles tragen zu müssen, da man in China gewöhnlich keine Tüten (wie es aus Thailand gewohnt war) an der Kasse für seinen Einkauf bekam. Doch diesen leeren Rucksack musste ich aus Sicherheitsgründen am Eingang einschließen und durfte ihn erst wiederholen, nachdem ich meinen Einkauf getätigt hatte. Verstehe einer das mal! An der Kasse versuchte die Verkäuferin, noch ein bisschen Englisch mit mir zu sprechen, sie gab aber zu: „My English is not good“. Punkt 12 checkte ich aus dem Motel aus, lief zum Bahnhof und hatte noch gute zwei Stunden Luft bis zu meinem Zug. Da ungefähr 500 Menschen vor dem Bahnhof auf ihren Koffern saßen, tat ich das auch, obgleich ich mir sicher war, dass es einen Warteraum im Gebäude geben müsste. Wieder war ich als einziger Ausländer in der ganzen Stadt bald die Hauptattraktion und schon zeigten die ersten Jugendlichen mit dem Finger auf mich, andere kamen nach kurzem Zögern auf mich zu. Ich verstand wieder einmal nichts außer „nali“ (der ganze Satz wird wohl „ni cong nali lai“ gewesen sein), worauf ich mit „de guo“ antworten konnte. Mein Alter konnte ich auch mit „er shi“ angeben und „Shanghai“ als Zielort war leicht verständlich. Sogar von meiner Arbeit in „tai guo“ erfuhren sie! Dann versuchten sie sich auf Englisch, was auch gar nicht so schlecht war. Teilweise waren ihre Sätze ziemlich lustig und sie mussten ständig über sich selbst lachen. Ich erfuhr, dass die Gruppe aus der Inneren Mongolei kam und schon seit zig Jahren Englisch lernte. Gegen um eins ging ich dann mit meinem Rucksack entlang des Bahnhofsgebäudes und fand den Schriftzug 入口 für „Eingang“. Dort ging es auch zum Warteraum. Es waren nicht ganz so viele Menschen unterwegs wie aus Kunming, aber seltsamerweise quetschten sich beim Boarding alle in dasselbe Abteil wie ich. Es wurde also wieder ziemlich eng, aber mir gefiel hier sofort die Sauberkeit, die ich in dem Zug davor vermisst hatte.

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Fahrt von Yichang nach Shanghai (Dienstag, den 29.12.2009 – Mittwoch, den 30.12.2009)

Die Fahrt war recht angenehm. Ich hatte mir einen K-Zug herausgesucht (wahrscheinlich für „kuai su“), somit war auch der harte Sitzplatz angenehm weich. Die Leute gingen zum Rauchen in ein extra Abteil, der Müll wurde auf dem Tisch gesammelt, bis der Schaffner in einem großen Müllsack alles wegbrachte, und gespuckt wurde entweder in Tüten oder nur ganz vereinzelt auf den Boden. Man nervte mich nicht mit Fragen, es gab kaum seltsame Blicke, der Zug war warm, die Nacht ruhig, die Essenswagen wurden nur bis etwa 22 Uhr durch die Abteile geschoben, viele Leute hatten vor Einbruch der Dunkelheit den Zug bereits verlassen und ich konnte gut schlafen, hatte ja ab Mitternacht eine ganze Bank für mich allein. Diese Zugfahrt, die insgesamt 24 Stunden dauerte, war richtig bequem, sparte mir eine Übernachtung und für 215 Yuan unbedingt weiterzuempfehlen. Es war selbstverständlich kein ICE, sondern eher mit einem sehr guten Bummelzug in Deutschland zu vergleichen.

Am nächsten Morgen gegen 10 Uhr, also bereits am 30.12.2009, sprach mich eine zugestiegene Chinesin an, um ihr Englisch zu trainieren. Ich habe viel von der Konversation vergessen, aber so waren die letzten Stunden nicht ganz so langweilig. Sie stieg bereits in Hangzhou wieder aus, also schlief ich den Rest bis Shanghai durch.

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Shanghai Tag 1 (Mittwoch, den 30.12.2009)

Da war ich also: 14 Uhr, Shanghai Südbahnhof. Angekommen in der größten Stadt Chinas mit fast 20 Millionen gemeldeten Einwohner und einer Fläche halb so groß wie Thüringen. Zunächst musste ich mich auf dem Südbahnhof orientieren. Bevor ich die Metro fand, verging auch einige Zeit. Der Lonely-Planet-Reiseführer von 2005, den ich von Travis aus Neuseeland erhalten hatte, beinhaltete auch einen Metro-Streckenplan für Shanghai, der noch älter als das Buch selbst war. Seitdem waren aus drei Linien bereits zwölf geworden und einige Stationen hatten mittlerweile einen anderen Namen. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hinfahren sollte, da ich ja auch noch keine Unterkunft herausgesucht, dafür aber glücklicherweise ein paar Hosteladressen aufgeschrieben hatte. Ich entschied mich für den Renmin Guangchang, da er wohl das Zentrum Shanghais bildete. Dort angekommen wurde ich erst einmal von den zahlreichen Wolkenkratzern und Menschen um mich herum überrascht. Es sah genauso aus, wie ich mir Shanghai vorgestellt hatte. Doch im Moment konnte ich mich noch nicht um die Umgebung kümmern, solange ich keine Unterkunft hatte. Also begab ich mich zur ersten Adresse namens „Captain Hostel“. Dort wollte man mich aber ohne Reservierung nicht aufnehmen, also zog ich weiter. Das zweite Hostel war aufgrund von Renovierungsarbeiten geschlossen! Na, das fing ja toll an. Glücklicherweise kam ein niederländisches Pärchen vorbei, die mir verrieten, sie hätten vor ein paar Tagen die gleiche Idee gehabt und wären in ein anderes, neues Hostel geschickt worden. Dieses zeigten sie mir auch und ich fragte höflich nach einer Bleibe. Die niedliche Rezeptionistin im nämlichen „Bik Time Hostel“ verneinte erst, da das Haus erst im neuen Jahr öffnen würde, dann gab sie aber nach und überreichte mir den Zimmerschlüssel. Ich war froh, so eine Unterkunft gefunden zu haben, denn sie war nicht nur billig und zentral gelegen, sondern die Angestellten waren auch extrem freundlich und gewährten mir kostenloses Internet, einen Waschservice und einiges mehr, was ich erst noch kennen lernen sollte.

Am Abend wollte ich nur schnell etwas bei McDonald’s in der Fußgängerzone essen gehen, weil ich von der Anreise ziemlich müde war. Und dann passierte das Unheil: Auf dem Rückweg nach Hause wurde ich inmitten der Menschenmassen von einer Shangainesin auf Englisch angesprochen, woher ich denn komme, was ich hier mache, wie alt ich sei und so weiter. Ich erzählte ihr alles brav, war aber nicht sonderlich interessiert an dem Gespräch. Dann lud sie mich „in eine Bar“ ein. Ich hätte lieber schnell verschwinden sollen, aber stattdessen willigte ich ein, weil sie erstens ganz gutes Englisch sprach und zweitens gar nicht so blöd aussah. Natürlich gingen wir nicht in eine Bar, sondern in ein absolut exklusives Restaurant für das perfekte Dinner zu zweit – ich ahnte bereits Schlimmes und hätte hier abermals umkehren sollen, aber stattdessen setzte ich mich mit ihr hin und sah mir die Karte an: Letzte Chance zum Abhauen, ein Tee allein kostete schon 39 Yuan! Aber ich Blödmann bestellte diesen Tee auch noch, um nicht ganz so unhöflich im Restaurant zu erscheinen. Das Geld wäre ja nicht schlimm gewesen, aber als ich merkte, dass meine tolle Begleitung der Kellnerin einiges auf Chinesisch auflistete, wurde mir bereits das erste Mal schlecht. Nach einer Weile kam das Bestellte und ich traute meinen Augen nicht: Selbstverständlich mein gewünschter Tee, aber dazu auch eine Obstplatte, allmöglicher süßer Schnickschnack und ach herrje … zwei Gläser Rotwein! Ich ahnte das Unheil und wollte protestieren, den Wein zu trinken, aber schließlich gab ich mich geschlagen. Er schmeckte nicht einmal sehr gut, noch dazu war ich ohnehin kein Wein-Freak. Sie wünschte mir jedes Mal ein Frohes Neues Jahr, wollte immer wieder anstoßen und ich nur noch gehen. Wenigstens schmeckte das Obst gut. Doch was dann geschah, war wirklich zu viel des Guten: Quer durch das Lokal rief sie etwas auf Chinesisch, was ich natürlich nicht verstand, aber in etwa ahnte. Eine Nachbestellung also. Ich hätte aus dem Fenster springen können … aber das hätte mich auch nicht mehr retten können. Die Kellnerin kam mit unglaublichen sechs (!) Gläsern Rotwein an und mir fielen die Augen aus dem Kopf. Das reichte nun wirklich. Um nicht unhöflich zu wirken, trank ich meinen Tee noch aus und verlangte dann die Rechnung. Während die Kellnerin etwa 15 Minuten an der Rechnung saß (jede Minute tat weh), leerte das Mädel neben mir zwei weitere Rotweingläser und wirkte zunehmend angetrunkener. Dann kam die Rechnung. Ehrlich gesagt hätte ich mit höchstens 100 Yuan für diesen Abend rechnen wollen, aber dann lag da ein Zettel auf dem Tisch, an dessen Ende eine stolze 2000 thronte! Mir wurde schlagartig übel und mein Verstand sagte im Einklang mit meinem Geldbeutel: Das kannst du nicht bezahlen. Mein schönes Reisebudget! Hatte ich dafür etwa an anderen Ecken gespart? Dafür!? 299 Yuan kostete ein winziges Glas Import-Rotwein und auch die Obstplatte musste sich da mit gut 130 Yuan nicht verstecken … Nun ja, jetzt ging die Diskussion los: Die nicht angerührten Gläser stornierte ich erst einmal, das brachte uns auf eine Summe von gut 1400 Yuan. Immer noch ein stolzer Preis für einen 30-minütigen Abend für zwei Personen! Ich verlangte, dass wir die Rechnung zumindest teilen, auch wenn sie ständig behauptete, in China zahle stets der Mann. Das hätte ihr so passen können und war natürlich von Anfang an geplant. Jetzt hielt mich nichts mehr: Sie hatte mehr Rotwein als ich getrunken, warum sollte ich also noch ihren Trinkwahn finanziell unterstützen? Ich knallte erbost 600 Yuan auf den Tisch und lies sie den Rest bezahlen. Aber wie das natürlich gerade in dieser Situation passte, hatte sie nichts als einen mickrigen, zerknitterten 20-Yuan-Schein im Portemonnaie – und glücklicherweise eine Kreditkarte! Mir tat nichts Leid und ich stand auf, ließ sie mit der Kreditkarte zum Tresen gehen und verschwand durch den Fahrstuhl, hinaus in die Fußgängerzone und ab ins Hostel. Ich konnte nicht mehr klar denken und begriff noch lange nicht, was mir gerade geschehen war! So teuer habe ich noch nicht einmal in Deutschland zu Abend gegessen! Es war grauenvoll … eine fiese Abzocke aufs Äußerste. Ich weiß natürlich bis heute nicht, ob sie entweder zum Restaurant gehörte oder einfach nur eine etwas reichere Shanghainesin war, die sich von einem anscheinend noch reicheren Ausländer den Abend hatte bezahlen lassen wollen. Na, Frohes Neues Jahr also! Völlig verärgert schrieb ich am danach noch eine Rundmail über die letzten Tage und verabredete mich für den nächsten Tag mit Felix, einem anderen kulturweit-Freiwilligen, der in Shanghai gelandet war.

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Shanghai Tag 2 (Donnerstag, den 31.12.2009)

Mal sehen, ob der zweite Tag in der Metropole besser verlaufen würde. Ich hoffte es inständig. Ab 10 Uhr erkundete ich die Stadt ein wenig und machte mich zu Fuß auf, den Jin Mao Dasha, einem der höchsten Wolkenkratzer der Welt, auf der anderen Seite des Huangpu zu besichtigen. Auf dem Weg dahin wurde ich wieder von jemandem angesprochen. Es war ein 19-jähriger Chinese aus Hangzhou, der in Shanghai irgendwie völlig die Orientierung verloren hatte und nach einer Unterkunft suchte. Ich war mir nicht sicher, ob ich dieses Mal Richtiges tat, aber ich empfahl ihm mein Hostel, wir liefen zusammen dahin und er kam auch noch in meinem Zimmer, dass ich mir bereits mit einem Koreaner teilte, unter. Danach liefen wir beide auf die andere Seite des Flusses, wo die richtig hohen Gebäude, eins am anderen, standen. Neben dem Jin Mao Tower stand das um 40 Meter höhere Shanghai World Financial Center, dessen Form an einen Flaschenöffner erinnerte. Andere Gebäude ähnelten UFOs, wieder andere waren komplett aus Glas. Auch der Oriental Pearl Tower hatte eine sehr markante architektonische Form. Weil ich mit Felix verabredet war, schickte ich meinen bisherigen Begleiter nach Hause, musste ihm aber den Weg zum Hostel auf seiner Karte aufmalen. Haha, ich war gerade mal einen Tag in Shanghai gewesen und musste schon einem Chinesen die Wege erklären!

Mit der U-Bahn fuhr ich zur verabredeten Station, traf dort bald Felix, wir holten uns an einem Stand etwas typisch Chinesisches und vertilgten dies in seiner Wohnung. Ich war erstaunt, wie gut er schon mit seinem Mitbewohner Chinesisch reden konnte; ich wünschte, mein Thai wäre bereits so gut gewesen, aber er hatte ja Vorlauf, da er vor kulturweit schon einmal drei Monate in China gewesen war. Wir tauschten uns über unsere bisherigen Erfahrungen bei einem Spaziergang durch den Century Park, der mit viel Grün und einem See als Platz der Entspannung galt, aus, bevor wir – bereits am späten Nachmittag – uns für einen Museumsbesuch entschieden. Natürlich wollte ich das so hochgelobte Shanghai Museum, das von außen wie ein Kochtopf aussah, auch von innen bewundern, allerdings war nach 16 Uhr kein Einlass mehr. Wir waren 16.07 Uhr angekommen. So fuhren wir zurück zum Pudong-Gebiet, verabschiedeten uns und wollten uns am Abend wiedertreffen. Ich lief noch ein bisschen zwischen den in der Dunkelheit mittlerweile sehr imposant beleuchteten Wolkenkratzern umher, bevor ich mich zurück zum Hostel begab.

Mit dem Koreaner und dem Chinesen ging ich zu Abend essen. Der Chinese bestellte für uns (wir konnten es ja nicht lesen), aß aber selbst nichts. Meine Nudelsuppe schmeckte eigentlich auch ganz gut. Auf der Nanjing Donglu, der Einkaufsmeile in Shanghai überhaupt, waren in der Zwischenzeit bereits so viele Menschen zusammengekommen, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ich ein paar Stunden sollte ja Silvester gefeiert werden. Es war kaum ein Durchkommen und die Polizei musste den Verkehr regeln, um wenigstens ein paar Autos durchzulassen. Ich wartete vergeblich auf eine Meldung von Felix, mit dem ich noch hatte ausgehen wollen, und erreichen konnte ich ihn auch nicht mehr. Es war bereits 23 Uhr, nur noch eine Stunde bis zum neuen Jahr. Bevor ich wieder hinausging, entschied ich mich noch, kurz zu duschen. Leider war das Wasser etwa eine Viertelstunde lang eiskalt, sodass ich, als es endlich warm wurde, diesen heißen Erguss richtig genoss – und zwar ein wenig zu lange! Als ich mich gerade anziehen wollte, gab es draußen einen furchtbaren Knall, gefolgt von weiteren kleineren Explosionen. Es war Mitternacht, Neujahr, der 1.1.2010! Und wo war ich!?

Schnell zog ich mir die Jacke, die Felix mir geborgt hatte, über, raste durch das Hostel auf die Straße und stürmte zur Nanjing Donglu. Bis ich ankam, verging trotz Sprint bei 0 °C eine weitere Viertelstunde, sodass das Feuerwerk auch schon vorbei war! Ich wurde nur noch von Millionen von Menschen, von denen sich eine Hälfte von Ost nach West, die andere Hälfte in die entgegensetzte Richtung drängte, empfangen. Es war bitterkalt, alles schon vorbei und einfach nur wahnsinnig überlaufen. „Sinni kualoq!“ Auf dem Rückweg wollte ich mir noch schnell etwas bei McDonald’s holen, aber oh Wunder, diese Idee hatten auch geschätzte 1000 andere Menschen. Das Restaurant hatte maximal 100 Sitzplätze und so stand der Rest. Es dauerte schon eine Weile, bis man seine Bestellung bekam. Anschließend kehrte ich zum Hostel zurück und war eigentlich hundemüde. Aber das Hostelpersonal spielte irgendein seltsames Spiel vor dem Gebäude; sie fragten mich, ob ich mitmachen wollte, und ich willigte ein. Das Wichtigste übersetzten sie mir, aber viel musste man nicht reden: Bei dem Spiel ging es darum, nachdem man mit verbundenen Augen um die eigene Achse gedreht worden war und die anderen ringsumher springenden mit einem kurzen „stop!“ oder „ting!“ zum Momentstillstand gebracht hatte, sich in irgendeine Richtung vorzutasten, einen anderen dabei zu berühren und ihn anhand seiner Hand zu erkennen. Da ich deren Namen selbstverständlich nicht kannte, musste ich, wenn ich an der Reihe war, nur „boy“ oder „girl“ erraten. Den Namen des Spiels habe ich nie erfahren, aber es war ganz lustig. Etwa gegen zwei Uhr ging ich dann endlich ins Bett.

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Shanghai Tag 3 (Freitag, den 01.01.2010)

Da ich mich für diesen Tag bereits um 10 Uhr mit einer langjährigen Freundin namens Xu Zai, die ich in dem Sprachforum wordreference kennen gelernt hatte, im westlichen Außenbezirk treffen wollte, stand ich sehr zeitig auf. Sie hatte ihre Zwillingsschwester Xu San dabei, was gleich zu einer lehrreichen Unterhaltung bezüglich chinesischer Namensvergabe führte. Nachdem wir uns einen morgendlichen frsch gepressten, warmen Saft geleistet hatten, fuhren wir in die Innenstadt, um etwas Richtiges zum Mittag zu essen. Ich bestellte mir malaysischen Reis und die beiden Schwestern bezahlten. Wir sprachen viel über westliche, vor allem deutsche Essgewohnheit und sie konnten nicht glauben, dass man bei uns nahezu nie in ein Restaurant geht, dass man des Öfteren auch mal alleine zu Hause isst, dass Restaurants bei uns im Vergleich so extrem teuer sind, dass man nicht jeden Tag dorthin gehen kann, und dass ich mir zum Frühstück immer ein Toastbrot schmierte, denn diese Erfindung kannten sie nicht – weder das Brot selbst noch das Gerät dazu. Dann begaben wir uns auf meinen Wunsch hin zum Jin Mao Tower, da ich nicht glauben konnte, dass sie noch nie dort oben gewesen waren, wenn Xu San bereits seit einiger Zeit in Shanghai lebte. Xu Zai hatte hier nur ein Bewerbungsgespräch. Bereits vor dem Wolkenkratzer wurden wir von verschiedenen Fremdenführern angesprochen, die uns alle ermäßigte Angebote für eine Besteigung des Jin Mao Tower oder auch des um 71 Meter höheren World Financial Trade Center nebenan anboten. Wir nahmen nach vielen Diskussionen und Nachfragen das Angebot an, 200 Yuan für alle drei zusammen zu bezahlen, um auf den Jin Mao Tower zu gelangen. Von dort oben hätte man eigentlich auch eine sehr schöne Sicht über ganz Shanghai haben können, aber es war an diesem Tag leider etwas diesig, sodass man kaum weiter als 20 Kilometer sehen konnte. Oben holte uns der Guide wieder ein, der uns die Tickets gegeben hatte; ich bezahlte 90, die anderen beiden teilten sich den Rest, da sie mich ja schon zum Essen eingeladen hatten. So waren wir wieder quitt.

An der U-Bahn-Station verabschiedeten wir uns, weil sie zu einem Meeting mussten. An diesem Tag, weil fast alle Chinesen frei hatten, waren die Metro-Stationen übervoll und ich brauchte zehn Minuten am Ticketautomaten, bevor ich an die Reihe kam. Den Rest des Tages wollte ich im Museum verbringen, aber wieder war ich erst kurz nach 16 Uhr dort, sprich kein Einlass. Ich war allerdings ohnehin sehr kaputt vom vielen Laufen in den letzten Tagen, kehrte also zurück zum Hostel und schlief bis nachts um elf. Dann klärte ich noch schnell mit Moritz, einem weiteren kulturweit-Freiwilligen in der Nähe, wann und wo wir uns am nächsten Tag in Wuxi treffen sollten, bevor ich mich wieder aufs Ohr haute.

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Shanghai Tag 4 (Samstag, den 02.01.2010)

Ich stand bereits 6 Uhr auf, um einen frühen Zug nach Wuxi zu bekommen. Unsanft verabschiedete ich mich von meinen Zimmergenossen, duschte, packte meine Sachen zusammen, checkte aus, nahm die Metro zum Hauptbahnhof und wollte mir das Ticket für meinen vorher herausgesuchten Zug am Fahrkartenautomaten kaufen. Leider war der Zug schon voll, so musste ich einen viel teureren, aber doppelt so schnellen und mindestens zehnmal komfortableren Express nehmen. Es gab auf dem Bahnhof acht riesige Wartehallen, jede davon etwa ein Fußballfeld groß und je vier Gleise bedienend.

Ich hatte mir keinen Sitzplatz reserviert, also musste ich in dem einem deutschen ICE ähnlichen Zug eine Stunde lang stehen. Solche Züge sind mit einem großen „D“ gekennzeichnet.

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Wuxi (Samstag, den 02.01.2010)

Dank dieser schnellen Verbindung kam ich noch vor vereinbarter Zeit (10 Uhr) in Wuxi an, wartete ein paar Minuten auf Moritz, einem kulturweit-Freiwilligen, mit dem ich mich am Vorabend verabredet hatte, und dann schafften wir gemeinsam meinen Rucksack zum Kofferaufbewahrungsort. Ich war froh, dass er nahezu fließend Chinesisch sprach, so lief vieles um einiges schneller und reibungsloser. Das war ja auch kein Wunder, seine Eltern kamen beide aus China. Ich kaufte gleich ein Ticket für den Rückweg nach Shanghai für 15.01 Uhr und von dort aus nach Xiamen, meinem nächsten geplanten Ziel, für 18.14 Uhr. Zeit genug, um in Shanghai sogar vom Haupt- zum Südbahnhof zu wechseln. Wir hatten also gerade einmal fünf Stunden in Wuxi. Was ich dort machen wollte, wusste ich nicht, also ließ ich mich beraten. Auf der Straße wurden wir von mehreren Pauschalreiseverkäufern zu einem Trip zu einem Tempel an einer Bergkante am See geraten, aber das lehnten wir ab und machten uns selbst auf den Weg. Auf halber Strecke stiegen wir am Lihu-Park aus, konnten beim Spaziergehen über unsere bisherigen Erlebnisse reden und den Blick auf einen Arm des riesigen Taihu-Sees werfen. Mit dem Riesenrad im Park wollten wir nicht fahren, es wäre bei der schlechten Sicht bloß Geld- und vor allem Zeitverschwendung gewesen. Also fuhren wir zu besagtem Tempel, aber erstens kostete es über 100 Yuan Eintritt und zweitens wäre von dort aus ein Bus (wenn voll!) gestartet, der womöglich zu lange gebraucht hätte, sodass ich um meinen Zug hätte fürchten müssen.

Also liefen wir gemütlich um einen Teil des Sees herum, nahmen dann einen Bus in die Innenstadt, aßen lokaltypisch zum Mittag, Moritz empfahl mir noch einen „Bubble Juice“ und dann wurde es plötzlich enorm knapp: Ich hatte noch genau 15 Minuten (15.01 Uhr) bis zur Abfahrt des Zuges. Bis zum Bahnhof waren es nur vier Kilometer, das sollte ein Taxi schaffen. Wir stiegen in eines ein, doch schon bald erstickte es im Nachmittagsverkehr. Staus, rote Ampeln, querstehende Autos und viele Menschen machten das Durchkommen zum Bahnhof nahezu unmöglich. 14.58 Uhr hielt das Taxi vor dem Eingang des Bahnhofs, ich musste noch meine Tasche abholen, durch den Sicherheits-Check gehen, die richtige Wartehalle finden und … ach, es war ohnehin zu spät, der Zug stand nicht einmal mehr an der Abfahrtsliste, die Bahnhofsuhr zeigte bereits 15.06 Uhr! Verdammter Mist … was nun?

Ich rief Moritz an, wir fanden uns wieder und nun hieß es planen und improvisieren. Das verfallene Ticket konnten wir nicht mehr retten, aber ich musste den Zug um 18.14 Uhr in Shanghai bekommen, denn dieses Ticket war sehr wertvoll. Moritz rief einen Kumpel an, der die Busverbindungen zu Hause am Computer checkte und wir taten das Gleiche am nahegelegenen Busbahnhof, denn Züge nach Shanghai gab es bis um sechs nicht mehr. Und tatsächlich gab es einen Bus, der 16.10 Uhr in Wuxi losfuhr, aber erst nach zwei Stunden in Shanghai am Südbahnhof (Ort wie gewünscht, Zeit zu knapp) ankäme. Darauf konnte man sich nicht verlassen, aber das Busticket kaufte ich trotzdem als Sicherheit. Wir suchten auf der Straße nach weiteren Möglichkeiten. Es gab tatsächlich Leute, die mir Fahrten direkt bis nach Xiamen für über 300 Yuan anboten, aber das war mir viel zu schwammig. Wir versuchten noch, das verfallene Ticket irgendwie zurückzugeben, aber da war nichts zu machen. Ein netter Chinese sprach uns an und versuchte zu helfen. Er suchte nach einem Taxi, das auch außerhalb der Stadt fahren durfte, aber der einzige Fahrer, den wir finden konnten, verlangte ganze 600 Yuan für die Fahrt nach Shanghai. Es schien aussichtslos!

Ich musste umplanen: Das Ticket von Shanghai nach Xiamen wieder mit 20 %-iger Gebühr verkaufen, den Bus nach Shanghai nehmen und sobald wie möglich dort einen Zug nach Guangzhou, meinem eigentlich übernächsten Zielort, zu ergattern. Xiamen wäre damit gestorben. So geschah es dann auch und ich fuhr mit dem Bus nach Shanghai.

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Shanghai immer noch Tag 4 (Samstag, den 02.01.2010)

Der Bus kam tatsächlich punktgenau zwei Stunden nach Abfahrt in Shanghai an: 18.10 Uhr. So hätte ich meinen Zug um 18.14 Uhr nie erwischen können! Ich suchte den Ticketschalter und konnte die Fahrkarte nach Guangzhou mittlerweile allein auf Chinesisch, ohne ein englisches Wort, bestellen. „Yingzuo“ und „qu Guangzhou“ waren nicht so schwierig. Blöderweise meinte ich zum Ticketverkäufer „mingtian“ statt „yintian“, also bekam ich eine Fahrkarte für früh um vier. Ich fragte noch „jidian dao“ und der Mann zeigte in typisch chinesischen Handzeichen eine Sechs. Der Zug gefiel mir eigentlich überhaupt nicht: Abfahrt mitten in der Nacht, 26 Stunden Fahrt und eine Ankunft zu einer Zeit, wenn das Büro des DAAD, wo ich den Schlüssel von Axel, einem kulturweit-Freiwilligen, der mir während seines Kambodscha-Thailand-Urlaubs freundlicherweise seine Wohnung überlassen hatte, noch längst nicht besetzt war.

Trotzdem kehrte ich voller Stolz (ich hatte ja alles auf Chinesisch geregelt) zum Hostel in Shanghai zurück und fragte freundlich, ob ich meinen Rucksack noch einmal für die paar Stunden dort deponieren könnte. Natürlich durfte ich. Dann nahm sich eine nette Kollegin meiner an und untersuchte mein eben gekauftes Ticket, nachdem ich ihr die Wuxi-Story erzählt hatte. Sie recherchierte im Internet nach einer besseren Möglichkeit, um nach Guangzhou zu kommen, und fand tatsächlich einen Zug, der die Strecke in 16 Stunden von 18 bis 10 Uhr für nahezu den gleichen Preis schaffte. Daraus ergaben sich zwei Vorteile: Noch einmal einen Tag in Shanghai genießen und zu einer humanen Zeit in Guangzhou ankommen. Sie schrieb mir auf einen Zettel auf Chinesisch, dass ich gerne das vorhandene Ticket durch das neue ersetzen lassen würde. Keiner im Hostel hatte damit gerechnet, dass ich das ohne entstehende Unkosten hinbekommen würde. Sie empfahlen mir noch einen Bus, mit dem ich günstiger und schneller als mit der Metro zum Bahnhof kam, und so stellte ich mich an den Schalter, gab Ticket und Schriebs ab und hoffte, dass ich nicht viel draufzahlen müsste. Zunächst wurde ich an einen anderen Schalter geschickt, man versuchte dort, den Text zu entziffern, und auf dem Display erschien ein wahnsinniger Preis von 5 Yuan, nach dessen Zahlung ich das gewünschte Ticket erhielt. Wahnsinn, ich hatte also nichts extra bezahlen müssen! Endlich hatte ich mal wieder Glück nach allem Pech … voller Freude kehrte ich ins Hostel zurück, erzählte die Geschichte, die man mir kaum abnahm, und zum Dank blieb ich natürlich noch eine Nacht.

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Shanghai Tag 5 (Sonntag, den 03.01.2010)

Endlich konnte ich mal geruhsam bis 11 Uhr ausschlafen, Sachen packen und gegen Mittag auschecken. Meinen Rucksack ließ ich noch im Hostel stehen, um die Stadt bis zu meiner Abfahrt nach Guangzhou unsicher zu machen.

Anstatt es abermals im Museum zu versuchen, entschied ich mich gleich für die Urban Planning Exhibition Hall. Mich sollte dort laut Beschreibung die für die Zukunft geplante Stadtgröße Shanghais als Modell erwarten sowie viele Infos zur bald stattfindenden Expo. Den Studentenpreis konnte ich leider nicht aushandeln, aber die 30 Yuan Eintritt waren es trotzdem wert: Auf vier Etagen durfte ich atemberaubende Modelle der Stadt in naher Zukunft und der Expo bestaunen, interessante Bildvergleiche von heute zu vor 100 oder noch mehr Jahren anschauen und eine ganze Menge über die Geschichte und Infrastruktur der Riesenstadt erfahren. Alles Interaktive war leider nur auf Chinesisch. Insgesamt hielt ich mich gute zwei Stunden in der Ausstellung auf. Da ich erst gegen 16.30 Uhr noch einmal mit Xu Zai verabredet war und es gerade einmal 14 Uhr geschlagen hatte, dachte ich, es sei noch ausreichend Zeit, um mehr von der Stadt zu sehen. So fuhr ich also zum Jing’an-Tempel, dessen 30-Yuan-Eintritt mir leicht überteuert schien, und anschließend weiter in den Außenbezirk zum Longhua-Tempel, den ich allerdings nicht fand.

Es war dank meines Suchens bereits 16.20 Uhr und so würde ich wohl nicht zeitig genug zum vereinbarten Treffpunkt kommen können. Darüber hinaus musste ich erst noch meinen Rucksack im Hostel abholen. Insgesamt dauerte es bis 17.30 Uhr, bevor ich am Hauptbahnhof, wo wir uns treffen wollten, ankam. Glücklicherweise hatte ich ihr bereits per SMS mitgeteilt, dass es später werden würde. In dem Menschengewirr am Bahnhof fanden wir uns nicht mehr und da mein Zug schon gegen halb sieben abfahren sollte, ging ich bald durch die Sicherheitsschleuse, durch die man nur mit gültigem Ticket kam, und begab mich in den Warteraum. Dieser war mehr als überfüllt: Alle Plätze waren besetzt und gut 200 wartende Passagiere mussten stehen. Ich setzte mich auf den Boden und schon nach etwa 10 Minuten war Einlass.

Die Waggons waren wieder, wie es sich für einen T-Zug gehörte, auf Top-Niveau. Von meiner 6er-Sitzgruppe war selbstverständlich alles besetzt, trotzdem war die Fahrt recht entspannend. Auch in der Nacht konnte ich sehr gut schlafen. Der Zug hielt nur zweimal auf der Fahrt von Shanghai nach Guangzhou, gleich nach Abfahrt in Jinhua und laut Fahrplan noch einmal mitten in der Nacht in Zhuzhou. Ich lernte noch die Zahlen auf Kantonesisch, wobei mir auffiel, dass sie ein Mischmasch aus Mandarin und Thai waren, sodass mich mein linguistisches Fieber packte und ich gleich alle Zahlen im Thai, Mandarin, Kantonesischen, Vietnamesischen, Khmer, Laotischen, Burmesischen und Malaiischen in einer Tabelle gegenüberstellte. Dadurch verging die Zeit im Zug wie im Fluge und bald war ich auch schon angekommen.

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Guangzhou Tag 1 (Montag, den 04.01.2010)

Gegen 10.30 Uhr fuhr der Zug in den Ostbahnhof von Guangzhou ein. Ich suchte nach einer Metro-Verbindung, mit der Axels Beschreibung zu seiner Wohnung, die ich während seines Thailand-Urlaubs freundlicherweise hatte nutzen dürfen, begann, fand sie aber nicht. Also lief ich weiter Richtung Osten, was eigentlich blödsinnig schien, mich aber glücklicherweise bald zu einem Hinweisschild nach einer Metrostation führte. Ich sollte zur Station Sun Yat-Sen University fahren, die sich, wie ich nach langem Suchen endlich herausgefunden hatte, auf Linie 2 befand. Ich war auf der Linie 3, einmal umsteigen also, oder?

Bereits beim ersten Ansehen des Metroplans war mir eine Ungereimtheit aufgefallen: Die Linie 3 war zweigeteilt. Hier könnt ihr euch selbst ein Bild davon machen. Ich fuhr also zunächst bis zur Tiyu Xilu, dem Knotenpunkt, an dem sich die Linie 3 teilte und wartete, was passierte: Ein paar Leute stiegen aus und einige, die wohl auch das erste Mal in Guangzhou waren, blieben im Zug. Die Metro fuhr denselben Weg wieder zurück. So war ich also abermals am Ostbahnhof, der Endstation dieser Linie. Ich wartete, was die anderen Verwunderten taten; sie blieben im Zug und warteten ebenso. Also fuhr die Metro wieder zur Tiyu-Xilu-Station, an der ich dieses Mal ausstieg. Auf der gegenüberliegenden Seite konnte ich dann erkennen, dass man in die zweite Linie 3 einsteigen musste, was ich dann auch tat. Nach dem Umstieg am Transferpunkt Kecun verlief dann alles normal.

Die Wegbeschreibung von Axel führte mich zunächst zum DAAD-Büro auf dem Gelände der Sun-Yat-sen-Universität, wo ich den Wohnungsschlüssel für meine vorrübergehende Unterkunft abholen konnte. Die beiden chinesischen Kolleginnen sprachen Deutsch auf Muttersprachlerniveau und gaben mir den Schlüssel. Die Wohnung konnte ich zunächst nicht finden, da das McDonald’s, anhand dessen sich Axels Wegbeschreibung orientiert hatte, hinter einem Gerüst versteckt war. Also kehrte ich zurück zum DAAD-Büro, ließ mir den Weg zum McDonald’s erklären und fand so auch schnell zur Wohnung. Den Rucksack hatte ich im Büro gelassen, also musste ich den Weg noch einmal gehen, um ihn wieder abzuholen.

Ich ruhte mich kurz aus, wusch meine Wäsche, nachdem ich die Anleitung zur Waschmaschine gefunden hatte und probierte den Fernseher aus. Mit Letzterem kam ich leider nicht klar.

Den Nachmittag verbrachte ich im Yuexiu-Park, in dem man gut spazieren gehen konnte und über den man vom Zhenhai Tower aus einen guten Blick erhaschen konnte. Auf dem Rückweg kam ich an der Statue und der Gedenkhalle von Dr. Sun Yat-sen vorbei und wollte mich noch zum Guangxiao-Tempel begeben, aber erstens war die Dunkelheit bereits eingekehrt und zweitens fand ich ihn nicht auf Anhieb. Danach versuchte ich, am Hauptbahnhof ein Zugticket nach Hongkong zu bekommen, fand aber weder einen Hinweis noch einen Schalter dafür. Ich traute mich auch nicht zu fragen (warum auch immer) und fuhr zurück nach Hause. Am Abend probierte ich endlich mal die ständig im Zug verkaufte chinesische Form der Suppenterrine und stellte fest, dass sie richtig gut schmeckte. Ich beschäftigte mich noch ein bisschen mit Axels Fernseher und bekam ihn immerhin als Radio zum Laufen.

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Guangzhou Tag 2 (Dienstag, den 05.01.2010)

Dieser Tag war absolut unspektakulär: Ich wachte erst gegen Mittag auf, holte mir zwei Suppenterrinen im 7-Eleven, aß sie gemütlich in der Wohnung und kehrte dann ins Land der Träume zurück. Der Grund war wohl einerseits Erschöpfung, andererseits aber auch das Nieselwetter, bei dem weder Sehenswürdigkeiten noch Parks oder sonstige Touristenanlaufpunkte Spaß machten. Nachdem ich in den frühen Abendstunden endlich aufwachte, fiel mir ein, dass ich ja noch gar keine Unterkunft für Hongkong am nächsten Tag herausgesucht hatte, also machte ich mich im nasskalten Regenwetter auf, um ein Internet-Café zu suchen. Der Lonely-Planet-China-Reiseführer listet solche gewöhnlich für jede Stadt auf; diese sind aber nicht immer verlässlich oder haben bereits dichtgemacht.

Ich fuhr mit der Metro zu einer Station in der Nähe des beschriebenen Internet-Cafés, musste aber noch eine ganze Weile durch eine dunkle Gasse, in die sich gewöhnlich Blondschöpfe auch nicht verirren, laufen, weil ich die entsprechende Hauptstraße nicht gefunden hatte, und suchte dann noch eine gute halbe Stunde nach dem Gebäude. Im Prinzip war der Internetraum ein riesiger Cyber-Treffpunkt für die Zocker, die wohl zu Hause keinen Rechner hatten. Ich bekam mein Passwort (nun ja, auf Chinesisch) und ließ mir erklären, wie ich denn nun ins Internet käme. Dann klappte auch alles sehr gut, ich fand erstaunlich viele Hostels in Hongkong und zahlte am Ende nur 3 Yuan für die eine Stunde online.

Anschließend wollte ich im Hauptbahnhof mein Zugticket für die Hongkong-Fahrt kaufen, man verwies mich aber auf Nachfrage auf „Guangzhou Dong“. Allerdings traute ich mich nicht mehr bis dorthin, da ich fürchtete, die Metro würde auf dem Weg dahin bereits schließen; es war immerhin schon gegen halb zwölf nachts. Ein Taxi vom Bahnhof bis in die Innenstadt wäre wahrscheinlich extrem teuer gewesen und die Buslinien kannte ich nicht. Bis in die späten nächtlichen Stunden arbeitete ich weiter an meiner Sprachenvergleichstabelle, die ich ja auf der Fahrt von Shanghai nach Guangzhou bereits angefangen hatte, und schlief nur noch drei Stunden …

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Guangzhou Tag 3 (Mittwoch, den 06.01.2009)

… denn ich musste noch die Wohnung aufräumen und sie, so gut es ging, sauber machen, meinen Rucksack packen, den Schlüssel zurück zum DAAD-Büro bringen, zum Ostbahnhof fahren und dort den richtigen Ticketschalter finden, bevor mein Zug in das vierte Land auf meiner Reise ging. Aber dank der hilfreichen Informationen an den Metroschildern („Kowloon Tickets“) kam ich schnell in einen Extra-Etage für Züge nach Hongkong. Nur an einem einzigen Schild konnte man übrigens tatsächlich „Hongkong“ lesen, ansonsten stand nur „Kowloon“, „Hung Hom“ oder gar „广九“ (kurz für „广“) an den Hinweisschildern, sodass man sich schon ein wenig mit der Sprache beschäftigen musste, um in dem Land zurechtzukommen. Am Schalter kaufte ich also ein, wie ich finde, extrem teures Ticket für einen Durchgangszug, d.h. wie bei einem Flug fand die Ausreise aus China bereits vor dem Boarding und die Einreise in Hongkong erst im Zielbahnhof statt. Somit musste der Zug nicht auf der Grenze halten, wie es normalerweise der Fall wäre.

Dieses Mal hatte ich bei dem T-Zug, also ähnlich einem deutschen ICE, sogar einen Sitzplatz und schlief die meiste Zeit der etwa anderthalbstündigen Fahrt.

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Hongkong Tag 1 (Mittwoch, den 06.01.2009)

Jaaaa, das vierte Land auf meiner Reise! Hongkong: Eine ehemalige britische Kolonie und Metropole aus hohen Glasgebäuden, massig Beton und zu vielen Autos, die mit den 200 naturbelassenen, idyllischen und dünn besiedelten vorgelagerten Inseln kontrastiert. Ich war also angekommen in dem kleinen bisschen Europa in Asien, das ich vor allem auch an den Preisen merken sollte.

Da sich der Hung-Hom-Bahnhof im Stadtzentrum Kowloons befand und ich mir die meisten Hostels für den Bezirk Tsim Sha Tsui herausgesucht hatte, entschied ich, sie zu Fuß und ohne Öffentliche Verkehrsmittel aufzufinden. Ich lief intuitiv immer am Wasser entlang, genoss die schöne Skyline auf der anderen Seite des Victoria-Hafens und fand nach einiger Zeit auch die Nathan Road. Als ich all die Billboards, Hotels, Juweliere, Uhrenläden und Ausländer sah, erinnerte es mich zunächst an die Shanghaier Nanjing Donglu, aber es war viel krasser. Da ich mit dem großen Rucksack nicht gerade so aussah, als hätte ich bereits eine Unterkunft, war ich natürlich gefundenes Fressen für die ganzen Inder, die vor den Einkaufspassagen standen und ihre tollen Hotels, Hostels und Guesthouses anpriesen. Nachdem ich die ersten drei abgewiesen hatte, legte ich es auf einen Versuch an: Ein Inder nervte mich so derart und verfolgte mich ganze 100 Meter, sodass ich schließlich nachgab und ihm nach seinem billigsten Zimmer fragte: 150 Hongkong-Dollar bot er mir an. Das wies ich gleich ab. Er meinte, ich sollte mir erst einmal den Raum anschauen, was ich auch widerwillig tat, da ich mir Verhandlungsspielraum ausrechnete. Mein Ziel waren eigentlich 50 HK$.

So schleppte er mich zu einem Aufzug, an dem man ewig anstehen musste. Dann fuhren wir bis in den 15. Stock, den höchsten! Oben angekommen erwartete mich nicht etwa ein langer Flur, sondern direkt ein Gefängnis: Eine vergittertes Tor aus Stahl, dahinter ein weiterer Inder mit Türsteherfigur sowie ein enger Gang mit kleinen Türen rechts und links. Ich wollte schon umkehren, hier wäre ich auch für 50 HK$ nicht geblieben, denn ich fürchtete um mein Leben. Er lobte seine tolle Unterkunft, für die 150 HK$ hätte ich sogar (!) eine Dusche auf einer Größe von einem Quadratmeter im Zimmer gehabt. Für 100 Dollar hätte er mir ein Zimmer mit externem Bad gegeben, aber unter 90 für ein Dorm (wenn ich es richtig verstanden hatte, mit ihm zusammen!) ging er nicht und meinte ständig, ich würde in der ganzen Straße nichts unter 100 HK$ finden. Na, das wollten wir doch erst einmal sehen und so ging ich. Ehrlich gesagt, hatte ich ziemliche Angst vor dem Gehen, da der Inder erst mit seinem Chef telefonierte, dann noch einen anderen angeblichen Bewohner des Hostels aus seinem Zimmer holte und ihm nach seiner Bezahlung fragte (der meinte etwas von 350 Dollar) und anschließend notorisch auf mich einredete. Ob ich hier wieder heil herauskäme? Ich versprach ihm, dass ich zurückkehren würde, falls ich nichts Günstigeres fände. Selbst in den Fahrstuhl begleitete er mich noch; ich fühlte mich erstaunlich bedrängt, aber bald war ich erlöst.

Zurück auf der Straße bekam ich gleich das nächste Angebot, wieder von einem Inder. Ich wollte es eigentlich mit der Mirador-Mansion, in der sich viele Hostels befinden sollten, versuchen, aber ohne angesprochen zu werden. Da auch der zweite Inder so aufdringlich war, freute ich mich fast, dass ein Chinese ihn „ablöste“ und mich in die Mirador-Mansion in sein „USA Hostel“ führte. Dieses hatte ich mir sogar als mögliche Alternative herausgesucht, also folgte ich dem „Tout“ (dafür gibt es leider noch kein gutes deutsches Wort). Auch er fuhr in das fast höchste Stockwerk, Nr. 13. Dort angekommen, versuchte er gleich, meine Daten, Anzahl der Nächte usw. aufzunehmen, bevor ich überhaupt etwas sagen konnte. Aber ich wollte noch verhandeln. Sein Angebot war zunächst 120 Dollar, mir auch zu teuer. Ich verlangte nach einem Dormitory, aber die waren angeblich bereits ausgebucht, ich hatte ja keine Reservierung. Was sollte ich machen? So handelte ich eben das Einzelzimmer herunter, auf leider nur 100 HK$. Da ich schon keine Lust mehr auf Wohnungssuche hatte, mein Rucksack immer schwerer wurde und ich den Tag in Hongkong noch für andere Sachen nutzen wollte, willigte ich halt ein, mit dem Fehler, mir nicht das Zimmer zeigen zu lassen! Hongkong-Dollar hatte ich auch noch nicht, also musste ich mit Kreditkarte bezahlen, worauf sie eine Service-Gebühr von sechs weiteren Dollar erhoben. Was für ein Schwindel, all das hier!

Nächste Enttäuschung: Mein Zimmer. Darin befand sich fast nichts. Na gut, ein Eisengestell und darauf lag eine uralte Matte. Ein mickriges und nicht sehr schön anzuschauendes Kissen präsentierte sich mir auch noch stolz. Die kleine klapprige Kommode musste ich erst noch zu einem Nachttisch umfunktionieren. Welch Glück, dass wenigstens ein Ventilator an der Decke hing, wenn es schon keine Fenster gab, denn der Raum roch extrem muffig. Das hatte ich also für 100 Dollar bekommen – und dann auch noch gleich für zwei Nächte!? Was für eine Verschwendung! Schwamm drüber, ich wollte hier ohnehin nur nächtigen und nicht wohnen. Am Tage konnte ich mich ja draußen aufhalten.

Das machte ich dann auch gleich und lief zur nur 20 Meter entfernten Metrostation. Ich erschrak, als ich mir die Preise, um innerhalb von zwei Stopps zur nächsten Insel zu gelangen, ansah: 8,50 HK$ allein für diesen Weg. Das war fast so teuer wie eine Fahrt durch die ganze Stadt mit der Shanghaier Metro mit gerade einmal 9 Yuan! Trotzdem gönnte ich mir die Fahrt, um nach Hong Kong Island zu kommen, wo ich mir als erste Sehenswürdigkeit die längste Rolltreppe der Welt vorgenommen hatte. Diese fand ich auch bald und stellte mich darauf, wie einige andere auch, die sie wohl eher als Transportmittel denn als Attraktion nutzen.

Jedoch wurde ich schon beim ersten Anblick enttäuscht: Ich hatte in meinem Reiseführer nur von „the world’s longest escalator“ gelesen, daraus ging aber nicht hervor, ob es eine Rolltreppe oder ein Rollband wäre. Es war Letzteres und damit nicht sehr spektakulär. Nach ein paar Metern wurde ich das zweite Mal enttäuscht, denn das Band endete und ein neues führte nach oben. Ich dachte hoffnungsvoll, ab jetzt würde es durchgehen, aber wieder kam eine Unterbrechung. Teilweise musste man auch Stufen selbst laufen. Ich realisierte also, dass dies wohl das längste Rolltreppensystem gewesen sein musste, nicht aber die längste Rolltreppe in einem Stück. Dennoch dauerte die Fahrt auf dem 800 Meter langen Transportsystem gute 20 Minuten und man gelangte in ein Wohnviertel aus riesigen, schmalen Hochhäusern. Auf der Anhöhe orientierte ich mich zunächst, wunderte mich über dieses plötzlich so bergige Hongkong als Kontrast zur sonst flachen Innenstadt, aus deren Oberfläche hunderte Meter hohe Wolkenkratzer ragten.

Ich fand ein Hinweisschild auf eine Peak Tram, das mich sehr interessierte. Also folgte ich ihm und es ging wieder den ganzen Berg herunter und an einem Zoo vorbei, bis ich schließlich an der Drahtseilbahn, die die Passagiere für 30 HK$ bis auf den Gipfel des Victoria Peak und zurück brachte, ankam und mir ein Ticket kaufte. Bereits während der Bergfahrt hatte man ein herrliche Sicht über die gigantische Stadt, die nur noch vom Blick aus den Fenstern des Peak Tower getoppt werden konnte. Leider war es an diesem Tag extrem neblig, sodass man nicht allzu weit schauen konnte. Aber es hatte sich gelohnt, zumal bald die Dunkelheit einkehren sollte. Vorher versuchte ich noch, bis zur höchsten Stelle des Peak Tower zu gelangen, aber vor der letzten Rolltreppe standen zwei Damen, die mich zurückwiesen, da ich dafür kein Ticket hatte. Noch einmal 25 Dollar hätte ich bezahlen sollen, was mir dann doch etwas zu viel erschien bei so diesigem Wetter. Also was sollte es, so ging ich halt ins Burger King, da mir erstens die anderen Restaurants viel zu teuer waren und ich zweitens dort mit meinem Tram-Ticket etwas ermäßigt kaufen konnte, bis es richtig dunkel wurde. Die Sicht auf die Hongkonger Lichter bei Nacht war schon eindrucksvoll, aber ich bereute in diesem Moment, dass ich in Deutschland vor meinem Aufenthalt in Thailand nur so eine billige Kamera gekauft hatte, denn jeder Versuch, die Aussicht auf Bild festzuhalten, scheiterte; teilweise sah man nur schwarz, manchmal war es sehr hell, verzerrt und verschwommen, sodass kein gescheites Foto zustande kam. Entschuldigt bitte! Das war wohl der Hauptgrund, warum ich bald wieder vom Berg verschwand und die Bahn nach unten nahm. So ein Foto hätte ich gern selbst geschossen.

Unten angekommen und immer noch auf Hong Kong Island befindlich, probierte ich, intuitiv, d.h. ohne Karte, zum Wasser zu laufen. Doch irgendwie schaffte ich es nicht und merkte nach einer Weile, dass ich die ganze Zeit über parallel zum Ufer gelaufen war. Ich spazierte entlang einer schön angelegten Promenade, ruhte mich auf einer Bank aus, genoss die Sicht auf die andere Seite und begab mich dann, dank herumstehender Hinweisschilder, zum Macau-Fährticketverkauf. Der Kauf des Tickets für neun Uhr morgens in zwei Tagen klappte reibungslos und ich konnte geruhsam nach Hause fahren. Doch als ich an der Metrostation in meinem Bezirk nach dem richtigen Ausgang suchte, fand ich auch den Hinweis auf eine Avenue of Stars. Fälschlicherweise verstand ich den Begriff „stars“ hier in seinem eigentlichen Sinne als „Sterne“, was mein Interesse natürlich sofort weckte. Ich kam also auf einer Promenade im Hongkonger Stadtteil Kowloon gegenüber Hong Kong Island an und entdeckte die wohl schönste Skyline bei Nacht, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Zunächst dachte ich, mit „stars“ seien die Lichter an den Hochhäusern gegenüber gemeint, bis ich begriff, dass ich mich auf einer Art Walk of Fame befand, auf der sich verschiedene Künstler der Filmindustrie mit Handabdrücken im Boden verewigt hatten. Ich genoss die Sicht über den Victoria-Hafen, ging anschließend zum „Star Ferry Terminal“, um mir Infos für meine geplante Hafenkreuzfahrt am nächsten Tag zu holen und meine letzten übrigen Renminbi Yuan umzutauschen, und schaffte es doch tatsächlich, wunderschöne Fotos mit meiner Kamera von der nächtlichen Skyline zu schießen! Ich ging zurück zum Hostel und „freute“ mich schon auf mein komfortables Bett. Nicht einmal eine funktionierende Steckdose hatte ich, so gab ich mein Handy an die Rezeption zum Aufladen. Problem dabei: Für den nächsten Morgen würde ich mir keinen Wecker stellen können und dank fehlender Fenster würde ich auch kein Zeitgefühl haben! Um ein zu spätes Aufstehen zu vermeiden, ließ ich während der Nacht das Licht brennen, um dadurch immer mal wieder kurz aufzuwachen und vor der Tür nachzusehen, ob schon jemand unterwegs war.

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Hongkong Tag 2 (Donnerstag, den 07.01.2010)

Das erste Mal wachte ich wahrscheinlich gegen vier Uhr morgens auf, es war noch keiner an der Rezeption, aber immerhin brannte auch im Flur Licht. Ich schlief wieder ein und beim zweiten Aufwachen konnte ich bereits mein Handy abholen und es zeigte acht Uhr an. Welch ideale Zeit, um den Tag in Hongkong zu nutzen! Also entschied ich mich für eine Fährfahrt von Hong Kong Island nach Lantau, der wohl billigsten Möglichkeit, auf diese Insel zu gelangen, und begab mich per typischer Stadtstraßenbahn (City Tram) zum Pier. Ein Standardticket kostete tatsächlich nur 13 HK$, die Metro dahin wäre mit 23,50 HK$ fast doppelt so teuer, aber selbstverständlich auch doppelt so schnell, jedoch nicht einmal halb so interessant gewesen. Ich musste nur ein paar Minuten auf die Fähre warten, da ich zu einer günstigen Zeit angekommen war. Sie fuhr schön entlang der beiden Skylines von Hongkong durch den Victoria-Hafen und ich hatte mir einen Fensterplatz gesichert. Die Scheiben sowie auch das Wetter ließen allerdings keine schönen Fotos zu und an Deck konnte man auch nicht gehen.

Nach etwa einer Stunde kamen wir in Mui Wo auf Lantau an, doch da es hier nicht viel außer Unmengen an Fahrrädern zu sehen gab, nahm ich gleich den Bus Nr. 2 nach Ngong Ping, dessen Preis angeblich 13,50 HK$ betrug, aber der Fahrer sich nicht um die Bezahlung beim Einstieg scherte. Auch während der Fahrt, die über Pässe und an Berghängen vorbei führte, wie ich sie schon aus Laos kannte, kam keiner, um das Geld einzusammeln. Als wir ankamen, wollte ich dem Fahrer endlich das Geld in die Hand drücken, aber er schickte mich heraus und meinte nur „no pay“. Interessant!

Das Erste, was ich mir in Ngong Ping ansah, war der kostenfreie Po-Lin-Tempel des Zenbuddhismus, der wieder mit einer großen silbernen Buddha-Statue, reicher Verzierung und viel Glanz auf den Besucher wartete. Viel mehr gab es hier aber auch nicht zu sehen, also ging ich zu DER Attraktion auf Lantau überhaupt: der Tian-Tan-Buddha-Statue, die weit oben auf einem Berg saß, leicht im Nebel verschwand und nur über 268 Stufen zu erreichen war. Mit 34 Metern zählt sie zu den größten Buddha-Statuen der Welt und ich fand, sie sah sehr elegant aus, vor allem die erhobene Hand war so beeindruckend. Nachdem ich mich ein bisschen auf der Statue und umher umgesehen hatte, begab ich mich zurück in Richtung Bushaltestelle, kam dabei aber an dem „Ngong Ping Village“ vorbei, das ich mir noch eine Weile ansah. Da ich bisher noch nichts zum Mittag gegessen und den Fehler gemacht hatte, mir nichts als Proviant mitzunehmen, musste ich wohl oder übel in einem der teuren Restaurants auf dem Berg speisen. Ich wählte lange und eigentlich auch gewissenhaft aus, da alle Lokale ihr Menü bereits draußen ausgestellt hatten, was für chinesische und überhaupt südostasiatische Gaststätten nicht sehr typisch war. Als ich endlich eines auserkoren hatte, gönnte ich mir das billigste Essen: Gegrilltes Schweinfleisch mit Reis, dazu einen Orangensaft. Doch weder war das Schweinefleisch gegrillt (zumindest nicht für meinen Geschmack), noch bekam ich den erwarteten stinknormalen Orangensaft, sondern einen frisch gepressten mit Fruchtfleisch. Igitt! Aber was sollte es, ich hatte ihn ja bereits getrunken, ohne gleich zu reklamieren. Das einzig Gute an dem Teller war der Reis im Schälchen. Dann veranschlagte man noch eine obligatorische Servicegebühr von 10% statt Trinkgeld, was mich insgesamt auf rund 80 HK$ brachte! Was für eine Abzocke – und auf dem Berg gab es natürlich keinen ATM, sodass ich um meine Rückfahrt fürchten musste.

Bis Tung Chung, von wo aus ich die Metro zurück nach Hause hätte nehmen können, fuhr zwar eine Seilbahn, aber die war mir viel zu teuer und Geld hatte ich ja auch keines mehr. Also lief ich zum Busbahnhof, zählte meine Münzen und fuhr mit einem anderen Bus noch bis Tai O, wovon ich auch im Reiseführer gelesen hatte. Die Fahrtkosten lagen mit 8,50 HK$ gerade noch in meinem Budget, hoffte aber wieder, dass ich kostenlos fahren dürfte, warum auch immer. Dem war zwar nicht so, aber dafür lohnte sich der Ausflug auch. Tai O kann ich als krassen Gegensatz zu der Hongkonger Innenstadt nur wärmstens empfehlen. Ein 300 Jahre altes Dorf, in dem die Menschen leben, wie in deutschen Dörfern vor 400 Jahren: Ein Kanal trennt das Nest in zwei Teile, die Hütten stehen auf Pfählen im Wasser, jedes Bauwerk besteht aus Holz oder höchstens primitivem Stein oder Beton und überhaupt gibt es fast nur Menschen über 40 Jahre dort. Leider zeigen sich auch hier die Kettenraucher nicht gerade von der besten Seite und mittlerweile ist das beschauliche Dörfchen zu einer Touristenattraktion geworden, weshalb die Wegweiser auch oft auf Englisch erscheinen, aber insgesamt war es eine gelungene Abwechslung nach verstopften Straßen, roten Ampel, Shopping-Malls und einem Hochhaus neben dem anderen. Das einzig Westliche, was ich in diesem Moment wirklich äußerst nützlich fand, war der ATM am Ortseingang. Ich lief einmal durch das komplette Dorf, schlenderte über einen typischen Markt, auf dem vorwiegend Meerestiere lebend verkauft wurden, kam am Yeung-Hau-Tempel aus dem Jahre 1699, den man nur über eine Mole erreichen konnte, an, machte dort kehrt und lief den ganzen Weg zurück. Ein langer, künstlicher Damm führte in ein anderes Dorf, aber meine Füße wollten nicht mehr und so nahm ich den Bus nach Tung Chung, von wo aus ich gleich in die Metrostation lief und mir ewig einen Zielort suchte, da ich natürlich noch nicht nach Hause wollte; es war ja erst halb fünf.

Ich wählte das sich ebenfalls auf Lantau befindliche Disneyland aus, um wenigstens einmal die extra dafür gebaute Disneyland Resort Line auszuprobieren und ärgerte mich jetzt schon über den Preis von 10,50 HK$. Um wieder von dort wegzukommen, würde ich bis Kowloon auch noch 23,50 HK$ bezahlen müssen. Aber ich fand die Fahrt auf der Tung Chung Line am Meer entlang sowie auch die extra für die Kleinen schön gestaltete Disneyland Resort Line sehr eindrucksvoll. Leider setzte bald ein leichter Nieselregen ein, der sich immer weiter verstärkte, sodass ein Besuch im Disneyland natürlich undenkbar war. Der Preis von gut 350 Dollar war zwar für europäische Verhältnisse vollkommen in Ordnung, aber nicht für einen Backpacker durch Asien. Ich sah mich also nur um, lauschte der angenehmen Musik, lief zum Pier und hoffte auf ein Boot, aber dort gab es weder Informationen zu Preisen und Abfahrtszeiten noch einen einzigen Menschen, den man hätte fragen können. Also musste ich den ganzen Weg bis nach Hong Kong Island mit der teuren Metro fahren, denn dort gab es mehr zu entdecken als in meinem Bezirk. Ich nahm wieder die Tram, denn damit konnte man am billigsten parallel zum Ufer des Victoria-Hafens über die ganze Insel fahren. Zunächst nahm ich eine in Richtung Westen, kaufte mir dort sehr gutes Brot und ein paar Stückchen Kuchen für den nächsten Tag und fuhr dann mit einer anderen immer weiter in den östlichen Teil der Insel. Allerdings war bald nichts mehr mit Osten, denn die Bahn bog plötzlich nach Süden ab und ich gelangte in ein Wohnviertel. Bis ich meinen Standpunkt auf der Karte orten konnte, verging einige Zeit. Dann entschied ich, den ganzen Weg zurückzulaufen, mich in die Metro nach Hause zu begeben und im Hostel nach Internet zu fragen. Da ich keinen Laptop mithatte, brauchte ich selbstverständlich außer Internet auch noch einen Computer, den sie mir erst nach einer kleinen Verhandlung zur Verfügung stellten. Dafür bekam ich eine Viertelstunde gratis Internet, um Unterkünfte für Macau herauszusuchen.

Das reichte mir allerdings nicht und so ging ich noch einmal hinaus auf die Nathan Road und lief sie bis zum nördlichen Ende (auf etwa 600 Hausnummern), fand aber kein einziges Internet-Café. Also ersparte ich mir den langen Rückweg und nahm die U-Bahn, die direkt unter der Straße entlang führte. Da ich im 13. Stock der Mirador Mansion untergekommen war, konnte ich gut alle Fenster im Innenhof sehen und erspähte sogar eine Aufschrift „Cyber Café“ drei Stockwerke unter mir. So hatte ich doch noch mein Internet für eine halbe Stunde nutzen können, musste aber feststellen, dass Macaus Zentrum an Backpacker-Unterkünften kaum etwas zu bieten hatte. An diesem Abend packte ich noch meine Sachen, duschte und stellte den Wecker auf 6.30 Uhr, da meine Fähre um neun auf der anderen Insel gehen sollte.

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Hongkong Tag 3 (Freitag, den 08.01.2010)

Wie gewünscht, klingelte mein Wecker halb sieben und ich wachte davon auf. Super! Da konnte mir ja nichts mehr passieren. Aber irgendwie wollte ich noch zehn Minuten liegen bleiben und schlief – aus Versehen – wieder ein. Dann war da kein Wecker mehr, der mir helfen konnte, die Fähre um neun zu kriegen. Nur noch meine innere Uhr …

… die mich glücklicherweise gerade noch rechtzeitig um 8.20 Uhr weckte. Die Fähre würde 9.00 Uhr auf der anderen Insel fahren und ich hatte keine Lust, sie zu verpassen! Also schnappte ich meinen zum Glück schon gepackten Rucksack, zog mich rasant an, war froh, dass ich bereits am Abend zuvor geduscht hatte, checkte in Windeseile aus dem Hostel aus und stürmte zur Metro-Station. Der Ticketschalter akzeptierte keine Scheine und ich hatte keine Münzen! Also musste ich noch in einem Laden nebenan meinen Hunderter wechseln gehen. Auf dem U-Bahn-Plan sah ich, dass ich sogar noch einmal die Linie wechseln müsste, um sofort zum Pier zu gelangen. Die Zeit verging plötzlich wie im Fluge, dann musste ich an der letzten Station der Metro auch noch den richtigen Ausgang und dann den Weg zur Fähre finden, was aber kein großes Problem mehr war, da ich ja bereits vor zwei Tagen dort das Ticket für den TurboJet gekauft hatte.

Die letzte Hürde stellte nur noch die Ausreise aus Hongkong dar – und dann war ich auch schon im Warteraum zum Boarding. Das alles hatte ich tatsächlich bis 8.50 Uhr, also in genau einer halben Stunde, geschafft. Eingeplant hatte ich zwei Stunden für diesen Weg! Nun also auf nach Macau, in das fünfte Land und dem letzten Ziel auf meiner Reise, von wo aus bereits am nächsten Tag mein finaler Flug nach Bangkok gehen sollte.

Beim Einstieg in die Fähre, wurde mir schnell mein Sitzplatz gezeigt und ich stopfte den Rucksack in den Gepäckraum über mir. Während der Fahrt beschäftigte ich mich mit meinem China-Reiseführer, der auch Macau enthielt, da ich mit einer Dauer von fünf Stunden gerechnet hatte. Tatsächlich war die Fahrt aber schon nach gut einer Stunde zu Ende und ich vermisste plötzlich meinen Reisepass. Er war weder im Handgepäck noch lag er auf dem Boden oder auf dem Sitz. Ich suchte wie verrückt und mir wurde heiß und kalt gleichzeitig, der Angstschweiß lief mir von der Stirn. Hatte ich den Pass, das wichtigste Dokument überhaupt, etwa beim Boarding verloren? Aber nein, ich hatte ihn doch in der Hand gehabt, doch wo war er danach hingekommen? Er musste auf dem Schiff sein! Ich überlegte mir, wie ich die Crew am geschicktesten informieren könnte, da ich selbstverständlich ohne Pass nicht nach Macau kommen würde – und auch nach Hongkong zurück wäre unmöglich. Ich war zwischen zwei Grenzen eingesperrt, im Südchinesischen Meer! Die ersten Leute standen bereits und mir war immer noch schlecht. Letzte Chance, wo der Pass sein könnte: Im Gepäckraum, in den ich meinen großen Rucksack getan hatte. Also öffnete ich voller Hoffnung die Klappe und sah … nur meinen grünen Rucksack dort liegen. Jetzt war jegliche Hoffnung gestorben, ich nahm meinen Rucksack aus dem Fach und wollte gerade zu einem der Crewmitglieder gehen, als ich doch tatsächlich den Reisepass etwas zerknautscht in der Ecke des Gepäckraums entdeckte! Mann, da fielen mir aber tausend Steine vom Herzen und meine Körpertemperatur normalisierte sich schlagartig. Nun konnte ich gelassen aussteigen und in ein Land gehen, das eigentlich noch zu China gehörte, aber bereits weitgehend autonom agieren durfte.

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Macau Tag 1 (Freitag, den 08.01.2010)

Die Einreise nach Macau verlief, dank meines wiedergefundenen Reisepasses, recht reibungslos, allerdings stand ich nun etwas orientierungslos am Pierausgang, da es erstens in Macau keine Metro oder sonstige S-Bahn-Systeme gibt und ich zweitens keinen öffentlichen Stadtbus entdecken konnte, der am Pier hielt. Willkommen in der ehemaligen portugiesischen Kolonie, in der noch heute „Ost trifft West“ wie in kaum einem anderen Land sichtbar wird! Ich lief einmal quer über den Busbahnhof, fand aber eben keinen Linienbus, sondern nur Reisebusse. Dann versuchte ich, einen nach „Center“ zu fragen, der war aber nur ein Reisebegleiter und sprach kein Englisch. Ich probierte es auf Portugiesisch („centro“), da Macau ja einst eine portugiesische Kolonie war und alle Straßenschilder Kantonesisch und Portugiesisch konnten. Das kapierte er aber auch nicht, mit Sicherheit sprach ich es auch falsch aus. Leider wusste ich nicht, wie es auf Mandarin, geschweige denn auf Kantonesisch hieß, also holte der immerhin freundliche Mann eine englischsprachige Kollegin, die mir empfahl, sich einfach in einen kostenlosen Shuttle-Bus zu einem Nobelhotel in der Innenstadt zu setzen und sich bei Ankunft schnell zu entfernen.

Das tat ich dann auch, fuhr zum „Grand Emperor“ und war bereits auf der Hinfahrt vom „Grand Lisboa“, dem Hotel in Macau überhaupt, ergriffen. Es fühlte sich schon wie Stadtzentrum an, aber seltsamerweise konnte ich den Straßennamen „Avenida de Almeida Ribeiro“ nicht finden. So lief ich zunächst gefühlsmäßig Richtung Osten und entlang der „Rua do Campo“, bis ich merkte, dass hier nur Wohnungen und kleine Geschäfte standen, sodass ich wieder umkehren musste. Macau sah sehr schön aus, sparte weder an Hochhäusern noch an Casinos und bot den Spaziergängern mal hier, mal da eine Bank und einen netten Blick über See und Meer. So lief ich weiter mit meinem schweren Rucksack durch die Straßen von Macau, studierte eine Ewigkeit meine Stadtkarte und kam schließlich in der erwünschten Straße an. Diese durchlief ich einmal bis zum Nordende, musste aber mit Bedauern feststellen, dass es kein einziges Guesthouse oder Hotel dort gab. In den kleineren Parallelstraßen wurde ich dann fündig. Im ersten Hotel versuchte ich lange herunterzuhandeln, mir gelang es aber nicht, ein schäbiges Zimmer für weniger als 100 Patacas zu kriegen. Ich zog beleidigt weiter und suchte mir ein weiteres. Das Angebot lautete 350 Patacas und keine Verhandlung! Wo war ich denn hier gelandet!? Letzte Möglichkeit in diesem Bezirk, sonst würde ich weiterziehen, in eine andere Gegend Macaus: Das „San Va Hotel“, das ich mir auch im Internet herausgesucht hatte, hatte auch nur hässliche Zimmer für 100 Patacas im Angebot, abermals ohne Verhandlungsbasis. Ich willigte halt ein, immerhin hatte ich hier Bettwäsche, einen Nachttisch, einen Spiegel und ein Waschbecken. Man fühlte sich aber eher wie in einem Schrank, da die Wände zwischen den Zimmern nur aus einem dünnen Brett bestanden, das nur an den Seiten festgemacht war, sodass man hätte darüber klettern oder darunter durchkriegen können.

Nachdem ich mich schnell eingerichtet hatte, zog ich gleich wieder los in die Stadt, die ich ja dank meines Irrlaufs bereits etwas kennen gelernt hatte. Zunächst orientierte ich mich auf dem „Largo do Senado“, wo ich zum bereits auf viele Touristen stieß, holte mir zwei chinesische Arten von Waffeln, von denen mir die Hälfte von einer auch gleich herunterfiel, und folgte den Schildern zur „Igreja de São Domingos“, angeblich einer der schönsten Kirchen Macaus, konnte sie aber nicht finden (später sollte ich erfahren, dass ich bereits mehrere Male daran vorbeigelaufen war) und ging stattdessen in Richtung „Ruínas de São Paulo“, was sehr interessant klang. Dort kam ich auch bald an und wurde von den zahlreichen Touristen überrascht. Es war tatsächlich eine gelungene Attraktion, die alten, aber rekonstruierten Überreste der einst größten Kirche Asiens aus dem frühen 17. Jahrhundert zu betrachten und auch zu besteigen. Sehr gut fand ich auch die Möglichkeit, mal in eine Krypta zu gehen, da ich so etwas bisher nur theoretisch aus dem Kunstunterricht kannte.

Danach folgte ich den benachbarten Stufen zur „Fortaleza do Monte“ und abermals staunte ich über die vielen Touristen. Es ging hinauf in – wie der Name schon sagte – ein ehemaliges Fort, das nun natürlich nur noch als Besucherattraktion gilt. Von dort aus hatte man einen wunderbaren Blick über die ganze Halbinsel Macau, vor allem auf den Inneren Hafen und das „Grand Lisboa“, und in weiter Ferne sah ich auch einen Leuchtturm, der noch höher stand. Auf der Burg befand sich auch ein Museum, dazu fehlte mir allerdings die Zeit.

Zum Mittag wollte ich gerne thailändisch essen gehen, da ich in meinem Reiseführer eine Empfehlung dafür gefunden hatte und sich das Restaurant in nicht allzu großer Distanz von mir befinden sollte. So spazierte ich bis direkt zur Adresse und war plötzlich in einem thailändischen Viertel Macaus gelandet. Ich fühlte mich bereits wie zu Hause; überall stand etwas auf Thai, ich konnte es lesen (im Gegensatz zu den chinesischen Schriftzeichen) und an den Fenstern waren Gerichte wie „khaao phat gai“ oder „phat thai“ abgebildet. Jedoch hatte keines der hiesigen Restaurants geöffnet, ehrlich gesagt wirkte alles auch sehr verlassen und verfallen, als hätte es hier schon Ewigkeiten kein Thai-Essen mehr gegeben. So kehrte ich wohl oder übel zurück und kam gleich an einem McDonald’s vorbei, sodass ich mir den weiteren Weg sparte und dort etwas zu mir nahm. Anschließend ging ich wieder durch das Thai-Viertel, entlang der „Rua Ferreira do Amaral“ und bis zur „Colina da Guia“, von wo aus ich mir die Seilbahn bis zum Gipfel mit zwei Macanesen teilte. Nach etwa 500 Metern Wanderung erreichte ich auch die „Fortaleza da Guia“ mit dem sich in Restauration befindlichen Leuchtturm. Von dort aus hatte man einen noch besseren Blick über Macau und eben auch auf das vor ein zwei Stunden erst besuchte Bergfort. Unter dem Leuchtturm befand sich noch ein winziges Museum, das die Geschichte der Anlage erklärte, viel mehr gab es aber hier oben aber nicht zu sehen, sodass ich schon nach einer guten Stunde wieder unten ankam und mich sofort der nächsten Attraktion widmete, dem Macau-Tower.

Für 100 Patacas fuhr ich ganz allein bis nach oben und ärgerte mich zunächst ein bisschen über das nicht allzu erfreuliche Wetter, das die Sichtweite behinderte. Aber bald sollten sich die Wetterverhältnisse ändern und es wurde Nacht. Nacheinander fingen die Gebäude gute 200 Meter unter mir an, ihre Wände eine schöner als die andere zu beleuchten. Im Las Vegas Asiens zeigten die teuersten Hotels und Casinos blinkende, glitzernde und unglaublich beeindruckende Lichteffekte, Videos und Werbung an ihren Glaswänden. Dabei übertraf natürlich das „Grand Lisboa“ alle anderen mit einer Lichtshow aus aufblühenden Pflanzen sowie animierter und dreidimensionaler Poker-Werbung auf der unteren gigantischen Glaskugel. Nahezu jedes Casino hatte seine eigenen Effekte und in Lichtern drehende Dächer. Und auch die drei Brücken nach Taipa standen den Gebäuden in nichts nach, denn sie waren ebenfalls über die gesamte Strecke beleuchtet und hatte schon bei Tageslicht wunderschön ausgesehen. Ich genoss die schöne Sicht, da der Turm an dem Tag kaum besucht war, und entschied mich dann, noch eine Etage höher zu fahren. Dort erwartete mich der Skywalk, den ich mir aber nicht leisten konnte. Andere Möglichkeiten, die einem sofort angeboten wurde, waren der höchste Bungee-Jump der Welt, ein Mast Climb zum höchsten Punkt Macaus und der SkyJump. Ich schaute zu, wie sich ein paar Leute den Skywalk trauten, was ich selbstverständlich auch gemacht hätte, wenn mir das Geld nicht zu schade gewesen wäre. Da fällt mir ein: Hatte ich nicht irgendwo in Shanghai gute 600 Yuan in den Sand gesetzt? Die wären hier eindeutig besser angelegt gewesen. 😉

Nachdem ich mich sattgesehen hatte, ging es wieder herunter und in Richtung der „Ponte de Sai Van“, die bei Nacht natürlich unheimlich sehenswert war. Um meinen Weg abzurunden, ging ich über die „Avenida Dr. Sun Yat-Sen“, die unter der „Ponte Governador Nobre de Carvalho“, einer Brücke mit einer buckelartigen Erhebung in der Mitte, hindurchführte und einen einmaligen Blick auf die macanesische Skyline mit dem „Grand Lisboa“ im Mittelpunkt, das einen Drachenkopf darstellen sollte, ermöglichte. Als ich auf dem Rückweg zufällig am „Wynn Macau“ vorbeikam, wurde ich von der plötzlich einsetzenden Wasser- und Lightshow im sonst so ruhigen Pool vor dem Gebäude überrascht. Es war ein wahres Spektakel, das etwa drei Minuten anhielt und viele Touristen anzog. Danach ging ich nach Hause und da meine Füße schon wehtaten, hielt ich es für angebrachter, dort auch bis zum nächsten Morgen, meinem letzten Tag, zu verweilen.

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Macau Tag 2 (Samstag, den 09.01.2010)

Nachdem ich meine Sachen zusammengepackt hatte, wollte ich mich vor meinem geplanten großen Fußmarsch zum Flughafen auf der anderen Insel für meinen Rückflug noch mit lokalem Essen stärken, musste aber feststellen, dass ich in einem christlichen und nicht mehr buddhistischen Staat gelandet war: Alle Geschäfte und Restaurants hatten am Sonntag geschlossen! Nun ja, so lief ich also wohl oder übel wieder zum McDonald’s, obwohl ich doch zum Abschluss extra noch etwas Lokaltypisches hatte essen wollen.

Dann ging es auf zum finalen Marathon: Ein Fußmarsch vom Zentrum der Halbinsel Macau über die „Ponte Governador Nobre de Carvalho“ bis nach Taipa zum Flughafen, selbstverständlich mit meinem Gepäck: einem neun Kilogramm schweren Rucksack auf dem Rücken und einem kleineren vorn über den Bauch. Bis zum Abflug waren es noch gute drei Stunden. Ich freute mich auf die Wanderung, da das Wetter nahezu ideal war: Etwa 15 °C und kein Nebel, sodass ich meinen Weg immer gut im Blick hatte. Den ersten Rückschlag erlitt ich bereits nach etwa einem Kilometer, als ich an der tollen Brücke ankam: Sie sei für Fußgänger verboten, obgleich es doch einen Fußweg gab. Ich sah allerdings einen Läufer, der die Brücke als Sportstrecke verwendete, sodass ich bei der Überquerung auch nichts fürchtete. Die Überführung verlief zunächst über den Nam-Van-See und anschließend über die Meeresenge zwischen dem nördlichen und südlichen Teil Macaus, wo sie in der Mitte bis auf 36 Meter anstieg, sodass man, wenn man sich umdrehte, einen herrlichen Blick über die gesamte Skyline Macaus hatte. Am Ufer sah ich ein Polizeiauto, das gerade in dem Moment, als ich es erblickt hatte, losfuhr. Nun befürchtete ich schon, angehalten zu werden und noch einmal kurz vor Ende meiner Reise ordentlich blechen zu müssen. Aber zum Glück kamen sie nie zu mir. Nach dem Höhepunkt der Brücke, den man nach etwa einem Kilometer erreichte, lagen noch gute anderthalb Kilometer bis zur Taipa-Insel vor mir. Dort angekommen, ruhte ich mich zum ersten Mal kurz auf und musste nun nur noch bis zum Flughafen, der ja ausgeschildert war, gelangen. Bisher hatte ich höchstens 40 Minuten gebraucht, also war mir der Flug schon so gut wie sicher. Die restlichen vier Kilometer waren dann auch kein Problem mehr, lediglich der Check-In verwirrte mich etwas: Angeblich sei bei meinem bereits gebuchten Flug für 435 Patacas kein Gepäck eingeplant, sodass ich eben alles mit in den Passagierraum mitnehmen musste. Das fand ich im Endeffekt auch vorteilhaft, weil ich so das Notwendigste nicht erst in den kleinen Rucksack hatte packen müssen. Beim Security-Check sollte ich auch noch all meine Getränke leeren, bevor ich endlich in den Warteraum und schließlich ins Flugzeug konnte.

Da ich die Zeitverschiebung bei der Buchung nicht bedacht hatte, dauerte der Flug zwei, nicht wie angenommen nur eine Stunde, weshalb ich mir auch trotz anhaltendem Hunger nichts zum Essen bestellte.

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Zurück in Bangkok (Samstag, den 09.01.2010)

Landung. Keine Zwischenfälle. Ich war zurück, zu Hause, in Bangkok, in Thailand. Ich war so froh, vor allem, dass ich mich endlich wieder verständigen konnte, nach allen Strapazen von wegen „ting bu dong“ in China. Natürlich würde ich immer noch oft „mai khao dschai“ sagen müssen, aber dennoch würde ich meistens bekommen, was ich wollte. Wie ein Thai wollte ich ganz leger einen Stadtbus bis zu meinem Bezirk nehmen, konnte aber keinen finden. Ich fragte in einer Bude, die Shuttle-Busfahrten in die Innenstadt anboten, nach einem Bus zur „Thanon Ramkhamhaeng“. Aber was war das? Sie verstanden mich nicht! War mein Thai etwa in den letzten drei Wochen so schlecht geworden, dass sie wirklich nicht verstanden, oder waren das Einzige, was sie kannten, die Namen großer Hotels in Bangkok? Ich vermutete natürlich Letzteres, und Ersteres sollte auch bald widerlegt werden.

So nahm ich mir ein Taxi und unterhielt mich die ganze Fahrt mit dem Taxifahrer auf Thai. Ich konnte ihm sagen, dass ich eigentlich aus Deutschland, gerade aber aus China komme, dass ich an der „Ruamrudee“ ein Lehrerpraktikum mache und dass meine Familie noch zu Hause sei. Wir unterhielten uns über deutschen Fußball und tatsächlich fiel nur ganz selten ein englisches Wort. Als ich wieder in meiner Soi war und den Rucksack ins Zimmer schmeißen konnte, war ich froher denn je, ein festes Dach über dem Kopf zu haben. Ich war wieder zu Hause!

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Rundreise durch Kambodscha

24 10 2009

Das war er also: Mein erster Ausflug durch die wichtigsten Städte und Plätze eines außereuropäischen Landes – nur ich und mein Rucksack mit dem Nötigsten für knapp eine Woche Kambodscha. Viel hatte ich mir vorgenommen und ich muss sagen: Ich habe alles gesehen und geschafft, was ich wollte: Eine Zugfahrt von Bangkok bis zur kambodschanischen Grenze, die berühmten, Jahrhunderte alten Khmer-Tempel von Angkor, eine Bootstour durch den Tonlé Sap bis nach Phnom Penh, die noch an vielen Stellen von dem Khmer-Rouge-Regime vor 30 Jahren erzählt, den Strand von Sihanoukville ganz im Süden und eine Bustour entlang der Küste bis zurück nach Bangkok. Doch bevor ich diese Reise überhaupt antreten konnte, gab es noch drei wichtige Dinge zu regeln: Meinen sportgeprägten Donnerstag, die Einigung mit Mira, ob wir zusammen nach Kambodscha fahren sollten, und die letzten Hotelreservierungen …

Der Donnerstag vor einer Woche begann mit zwei Sportstunden der 10. Klasse, der ich als Vertretungslehrer ein paar Sachen zum Thema Handball beibringen sollte. Klar, als langjähriger Handballer sollte das für mich kein Problem sein, doch irgendwie hatte ich schon ein seltsames Gefühl, ob der Sport vor allem bei den Mädchen ankommen würde. Doch schließlich hatte ich ein gutes Trainingsprogramm mit Aufwärmung, Einwerfen und Täuschungsvarianten zusammengestellt, sodass am Ende über eine halbe Stunde für das Spiel, anhand dessen ich viele Regeln und Spielzüge erklären konnte, übrig blieb. Sogar die Mädchen spielten mit und manche Jungen zeigten echtes Potenzial! Nach einer mir gegönnten Freistunde hieß es Fußball mit den Basisstufenjungen. Auch hier gab es wieder ein paar, die wirklich etwas drauf hatten und andere, denen Fußball verständlicherweise wohl keinen Spaß machte. Nach der Pausenaufsicht durfte ich wieder ran: Handball mit der 11. und 12. Klasse. Ich baute ein paar neue Elemente ein, die ich bei der 10. Klasse weggelassen hatte, sodass am Ende weniger Zeit für das Spiel blieb. Trotz allem schien in diesen Klassen die Begeisterung noch höher, was mich echt stolz machte. Nun stand eigentlich nur noch die Präsentation in Deutsch an, doch die konnte ich ausfallen lassen, weil in der Stunde noch ein Test geschrieben werden sollte. Aus diesem Grund ging ich eher nach Hause, legte mich schlafen und wachte erst wieder zum DVD-Abend anlässlich der Verabschiedung einer Praktikantin der DsSB auf. Wir schauten „Die Welle“, einen Film, den ich sowieso schon immer mal hatte sehen wollen.

Der Freitag war der Planung meiner Kambodscha-Reise gewidmet: Die erste Stunde schlief ich aus, dann kam ich viel zu spät zur zweiten, weil ich noch etwas wegen der Französisch-Nachhilfe geklärt hatte. Doch da in Mathematik ohnehin nur ein Film zum Abschluss vor den Ferien geschaut wurde, musste ich dieses Mal nicht assistieren … eine Stunde mehr für meine Kambodscha-Vorbereitung! Ich reservierte also einen Platz in Phnom Penh im Dara-Reang-Sey-Hotel und bekam ein Sonderangebot für dieselbe Hotelkette in Siem Reap. Das nahm ich dann auch gleich an, beließ es aber auch bei diesen beiden Reservierungen; für Sihanoukville würde mir schon etwas vor Ort einfallen. Für die ZfA mussten wir an dem Tag noch eine Tätigkeitsbeschreibung abliefern, ansonsten verlief der Schultag bis zur 7. Stunde, bei mir also Französisch-Konversation mit der größten Klasse der DsSB, recht ruhig. Selbstverständlich freuten sich die Schüler auf die Ferien und konnten sich kaum konzentrieren. Als es dann endlich klingelte, freute auch ich mich auf meine bevorstehende Reise … und so richtig hatte ich mich mit Mira noch nicht geeinigt, ob wir nun zusammen, getrennt oder ob sie überhaupt nach Kambodscha reisen würde. Noch dazu bevorzugte sie es ohnehin, auf einem Dorf ohne Strom und Wasser zu leben, während ich herumkommen wollte. Ich wollte auch lieber auf dem Bangkoker Hauptbahnhof von Freitag zu Samstag übernachten, sie mitten in der Nacht mit dem Taxi dorthin fahren, weil unser Zug bis zur Grenze um 5.55 Uhr abfahren sollte … Bis zum frühen Abend war ich dann doch in Bangna, wo ich das erste Mal mit den beiden Kindern eine Stunde Deutsch lernte, bekam etwas zum Abendbrot, kaufte mir noch einen teuren, aber sehr guten Reiserucksack und machte mir mit Micha, dem fünften „kulturweit“-Freiwilligen in Thailand, aus, ihn in der Nacht zu besuchen, da er nahe dem Hua Lamphong, wohnte. Als Mira das mitbekam, entschloss sie sich auch dazu, die Nacht bei Micha durchzumachen und von dort aus früh zeitig mit mir zum Bahnhof zu fahren.

Alles, was jetzt folgt, kann auch als Reisetagebuch und Tipp für andere Kambodscha-Backpacker genutzt werden. Vielleicht werde ich auszugsweise hiervon auch etwas auf anderen Websites veröffentlichen. Viele Eindrücke sind subjektiv und sollen in keinster Weise eine Gesellschaft, ein Land oder gewisse Leute verletzen; scheint dies dennoch der Fall, so bitte ich meine Leser, mich darauf hinzuweisen, ich werde es umgehend löschen.

Mira und ich kamen überpünktlich halb 6 morgens auf dem Hua Lamphong an, von wo aus ein Dritte-Klasse-Zug für 58 Baht ab 5.55 Uhr bis Aranyaprathet fahren sollte. Die Fahrt dauerte sechs Stunden, die Sitze waren aus Holz und es gab keine Klimaanlage, nur offene Fenster. Mein Sitz brach während der Fahrt zusammen, ständig wurde Essen und Trinken für etwa 20 Baht das Stück angeboten und man saß recht eng; manche Leute bekamen nur Stehplätze. In Aranyaprathet angekommen, lernten wir einen Jura-Studenten und eine Medizin-Studentin aus Deutschland kennen, mit denen wir uns zunächst per Tuk-Tuk für insgesamt 100 Baht zum angeblichen Visa-Ausstellungsort in der Grenzstadt Poipet begaben. Die „Behörden“ schienen mit meinem e-Visa, das ich für 25 US$ online erworben hatte, nicht sehr glücklich. Dafür mussten Mira 1300 Baht und die anderen beiden 1500 Baht hinlegen. Normalerweise braucht man dafür Visabilder, und obwohl Mira sie vergessen hatte, lief alles recht reibungslos. Alle hatten nun ihr Visum und wir konnten aus Thailand ausreisen. Nach weiteren Kontrollen und ersten Eindrücken von Kambodscha reisten wir ein – ich muss sagen, obgleich das e-Visa noch nicht so bekannt ist, bin ich damit wohl am günstigsten und schnellsten gefahren. Ich hob zügig ein paar Dollar an einem ATM-Automaten ab und dann hatten sich die anderen schon in einen Shuttle-Bus zu dubiosen Taxiständen nach Siem Reap begeben. An dem Visa-Ausstellungsort in Poipet wurden wir noch vor Shuttle-Bussen u.Ä. gewarnt, nur damit wir ein Taxi von „denen“ nähmen. Schließlich stiegen wir dann in ein so genanntes „share taxi“ nach Siem Reap, für das jeder von uns 12 US$ zahlte. Dort angekommen, wurden wir in Tuk-Tuks verladen, die uns zu einem Hinterhof-Guesthouse für absolut niedrige Preise brachten. Wir stiegen aus und liefen zurück zu einem zentraleren Platz. Dort trennten sich Mira, ich und die anderen beiden; ich suchte mir einen Tuk-Tuk-Fahrer namens Pealy, der mich zu meinem Dara-Reang-Sey-Angkor-Hotel bringen konnte. Diesen Fahrer „mietete“ ich mir dann auch für die nächsten zwei Tage, wir machten eine Zeit für die Besichtigung Angkors aus und verabschiedeten uns. Beim Einchecken im Hotel gab es ein paar Schwierigkeiten, obwohl doch mein Name mit Reservierungsbestätigung auf dem Rezeptionsschalter lag; anschließend war der Empfang sehr herzlich, man bot mir ein Getränk an und zeigte mir den Raum. Wow! In so einer Luxus-Suite hatte ich noch nie vorher residiert: Es gab einfach alles, was man brauchte und nicht brauchte: ein großes Bett, eine Klimaanlage, einen Fernseher, einen Schrank, eine Dusche, eine Badewanne, ein Waschbecken aus Granit, täglichen Waschservice, eine tolle Lichtanlage vom Bett aus, Frühstück, Pick-up-Service und einen Swimming-Pool mit Unterwasserbeleuchtung. Mein Sonderangebot lautete 20 US$ pro Nacht, eigentlich kostete es 66 US$. Der Blick aus dem Fenster sei einmal unerwähnt, aber das ließ sich verschmerzen. Am Abend ließ ich mir ein Tuk-Tuk rufen, das mich für 2 US$ zum Angkor Mondial Restaurant mit Khmer-Show und Buffet und wieder zurück brachte, und bald darauf schlief ich in dem schönen Zimmer ein.

Der Sonntagmorgen begann mit der Reservierung meines Bootstickets nach Phnom Penh für den folgenden Tag. Entgegen meinem Erwarten musste ich ganze 36 US$ im Voraus bezahlen! Damit waren meine ersten 100 Dollar schon fast alle und ich hatte noch nichts Besonderes gesehen. Der Rest sollte dann für die Angkor-Tour draufgehen. Meinem Tuk-Tuk-Fahrer musste ich auch noch fünf Dollar für den Sprit leihen, weil er angeblich in der frühmorgendlichen Eile sein Portemonnaie vergessen habe. Die Straße zu den Tempeln war erstaunlich gut ausgebaut, ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Dennoch schien mir der Ausflug nahezu gesundheitsgefährdend: Man fuhr durch die staubige und stinkende Stadt und saß im Tuk-Tuk praktisch direkt hinter dem Auspuff des Mopeds, an dem der Wagen hing. Nach einer langen Fahrt durch den Wald, während derer ich schon zahlreiche Touristen erblicken konnte, erreichten wir endlich einen See, von dessen Ufer aus man schon einen ersten Eindruck vom Angkor Wat kriegen konnte. Doch zunächst fuhren wir daran vorbei und hielten am Angkor Thom, der größten Tempelanlage insgesamt, die weitere Tempel in sich beherbergt. Ich kaufte mir auf Zurufen eine Art Reiseführer namens „Ancient Angkor“ für ganze 8 US$! Im Laufe meines Trips durch die Anlage sank der Preis von Angebot zu Angebot, bis man mir das Buch am Ende meiner Tour für nur einen (!) Dollar verkaufen wollte. Spätestens hier am Angkor Thom lernte man, wie arm viele Leute in dem Land wirklich sind und schon bald konnte man sich vor Bettlern und extrem zähen Verkäufern nicht mehr retten. Wie dem auch sei, am Bayon, einem der mächtigsten Bauten der Welt, angekommen, setzte mich Pealy ab und ging in ein Restaurant. Ich sollte mir in der Zeit die gesamte Angkor-Thom-Anlage ansehen. Vom Bayon aus ging ich zu dem sich in Restauration befindlichen Bapuon und dann ein Stückchen abseits durch eine Tempelruine zumPhimeanakas, auf den man teils auf einer schmalen Holztreppe, teils auf uralten, gefährlich steilen Steintreppen hochklettern konnte, um die schöne Aussicht über den dichten Dschungel zu genießen. Danach lief ich ohne Plan – obwohl ich ihn ja gekauft hatte, nur nicht hineinschaute – zur so genannten Elefantenterrasse und waghalsig über eine sehr morsche Brücke zu den zwölf wahrscheinlich religiös nutzlosen Suor-Prat-Türmen.

Dann suchte ich meinen Fahrer wieder (glücklicherweise hatte er mir die Nummer des Restaurants genannt) und er fuhr mich zu einem Tempel namens Ta Prohm, in dem auch der Film Tomb Raider gedreht worden war. Als ich nach einem längeren Marsch durch den Dschungel endlich ankam, merkte ich schnell, warum dieser Ort als Drehort auserkoren worden war: Es wirkte einfach unheimlich, gespenstisch und gleichzeitig aber auch sehr geheimnisvoll, wie die riesigen Würgefeigen mit ihren Wurzeln praktisch aus den Ruinen herauswuchsen. Ich stiefelte durch teilweise eingefallene Gemäuer, vorbei an riesigen Spinnenweben und von Weitem sichtbare Ameisenstraßen, bis ich am anderen Ende wieder herauskam. Auf der anderen Seite sollte mein Fahrer mich eigentlich wieder in Empfang nehmen, doch der ließ sich nicht blicken. Ich lief auf dem Markt, der mit bettelnden und handelnden Kindern übersät war, auf und ab, fand ihn aber nicht. Dann entfernte ich mich vom Markt, hätte aber nicht so leicht ohne Fahrer weiterkommen können, da der nächste Tempel gut zwei Kilometer entfernt war. Kurz vor der Verzweiflung half mir dann ein Junge, der erstaunlich viel auf Deutsch sagen konnte, meinen Fahrer zu finden. Ich hätte ihm sogar ein paar Riel (das ist die Landeswährung) gegeben, aber er wollte mir ständig seine kambodschanischen Flöten andrehen, die ich einfach nicht brauchte. Schließlich fanden wir zusammen dann Pealy, der mich zum letzten Tempel vor Angkor Wat brachte: Banteay Kdei. Hier traf ich gleich am Anfang auf die nervigsten Händler überhaupt, denen ich allen versprechen musste, dass ich ihre Bücher, Flöten, Armbänder, Ketten und sonstigen Waren auf dem Rückweg kaufen werde. Klar, das kann man schnell versprechen, aber mein Fahrer wartete ja auf dieser Seite des Tempels wieder auf mich – keinen Ausweg also, um die Händler zu umgehen. Ich traf auch auf ein paar Kinder, mit denen man sich auf Englisch und Deutsch gut unterhalten konnte. Sie verrieten mir ihre Namen und erklärten mir, dass sie am nächsten Tag wieder in die Schule müssten. Tipp meinerseits also: Lieber wochentags um die Vormittagszeit die Angkor-Anlagen besichtigen, umso weniger bettelnde Kinder muss man ertragen! Auf meinem Rückweg vom Banteay Kdei Richtung gegenüberliegendem Srah Srang, einem schon seit zehn Jahrhunderten existierenden See mit Plateau, traf ich wieder auf ein kleines Mädchen, das mir einfach so einen Armreif schenkte und dem ich dafür versprach, dass ich mir „ihren“ Laden ansehen werde, wenn ich zurück vom See komme. Ich hielt mein Versprechen und sah mir all ihre T-Shirts an. Dann verlangte ich ein blaues in der Größe M, auf dem wenigstens irgendetwas vom Angkor Wat stünde. Das gab es natürlich nicht, aber irgendwoher besorgte sie – das Mädchen war höchstens 12 Jahre alt! – mir dann doch eines, und ich gab ihr die versprochenen 3 US$. Ach Mensch … wie kann man diesen armen Menschen nur helfen? Das muss ein furchtbares Leben sein …

Bevor es zum Angkor Wat gehen sollte, wollte ich mich noch einmal in einem Restaurant stärken und kramte dazu meine letzten Dollar heraus – Riel hatte bis dahin kaum welche. Das Wirtshaus, an das mich Pealy brachte, schien von außen her nicht sehr vertrauenswürdig, aber es war innen sehr geräumig, sauber und das Essen schmeckte.

Schließlich fuhr mich Pealy zum Angkor Wat. Auf dem Weg dahin traf ich zufälligerweise Mira, die mir mit dem Fahrrad und einem Jungen entgegenkam. Dann redeten wir ungefähr gefühlte 30 Sekunden miteinander, bis ich wieder ins Tuk-Tuk und sie auf ihr Rad stieg. Das nächste Mal sollte ich sie erst wieder in einer Woche in der Schule sehen. 😉 Im Angkor Wat hielt ich mich dann gute zweieinhalb Stunden auf. Schon auf der Brücke, noch vor dem eigentlichen Eingang zum Tempel, wurde ich von einem, wie sich später herausstellte, Studenten empfangen, der mir einfach so ein paar geschichtliche und religiöse Erzählungen näherbrachte und mich herumführte, wo sonst kein Tourist entlang geht. Nach nicht einmal einer halben Stunde beendete er die Führung und verlangte Geld dafür. Mehr als zwei Dollar, die er bitter annahm, wollte ich ihm nicht geben; so viel hat er mir nun auch wieder nicht gezeigt. Das Nationalsymbol Kambodschas erklärt auf zahlreichen Steinreliefs an den Wänden diverse religiöse Riten, Kämpfe und Gottestaten. Nachdem ich mir alles im Tempel angesehen hatte, wanderte ich abseits jeglicher touristischer Route nördlich vom Angkor Wat in Richtung einer im Wald verborgenen Ruine. Der Weg dahin war schon etwas gruselig: Links und rechts standen seltsame Bäume im Morast, vor mir kroch ein 30 Zentimeter langer und 4 Zentimeter dicker roter Tausendfüßler über den Weg, an den Bäumen hingen und auf dem Boden krabbelten große blaue Spinnen, die ich zuvor noch nie gesehen hatte, und ständig verfolgten mich irgendwelche Moskitos. An der Ruine angekommen, fand ich leider nur einen einheimischen Fischer an einem mir unbekannten See vor. Der Weg zurück zur Zivilisation erschien mir ebenso gruselig, aber dennoch schaffte ich es, sodass ich noch zum Phnom Bakheng als letztem Tempel fahren konnte. Dieses Bauwerk kann man erst nach einer anstrengenden Bergbesteigung oder einem teuren Ritt auf einem Elefanten besichtigen, doch dafür hat man vom Gipfel des sich eigentlich in Restauration befindlichen Tempels aus eine wunderbare Aussicht über die Vegetation des Umlandes. Für den Rückweg nahm ich die Elefanten-Route, da ich es hasse, zweimal denselben Weg zu laufen. Dafür musste ich halt des Öfteren entgegenkommenden Elefanten ausweichen, kam aber trotzdem sicher unten an. Da nun auch mein Geld aufgrund von Almosen, Essen und Trinken alle wurde, musste ich zurück in die Stadt, am besten gleich nach Hause, um in den Pool zu springen. Das tat ich dann auch – und da es mittlerweile dunkel wurde und das Becken beleuchtet war, machte es umso mehr Spaß. Im Hotel holte ich mein bestelltes Bootsticket für den nächsten Tag ab und ließ mich von Pealy zu einem Handy-Shop für eine SIM-Karte zum Preis von 6 Dollar und anschließend zu einem sehr tollen Restaurant bringen. An dieser Stelle verriet er mir, dass er einen Kumpel, ebenfalls einen Tuk-Tuk-Fahrer, in Phnom Penh habe. Dieser könnte mich auch von der Bootsanlegestelle abholen und zwei Tage lang als mein persönlicher Fahrer fungieren. Ich ließ mir seine Handynummer geben, wir riefen ihn an und er willigte ein. Dann ging es zurück ins Hotel und ich gab meinem Fahrer wie versprochen 28 US$ für die drei Tage (20 Dollar für die Angkor-Tour und der Rest für alle übrigen Fahrten durch die Stadt).

Am Montagmorgen musste ich schon um sechs Uhr auschecken, da mein Boot um sieben ablegen sollte. Pealy hatte gemeint, er bräuchte etwa 40 Minuten mit dem Tuk-Tuk bis zur Anlegestelle. Hastig packte ich mein gesamtes Zeug in den Rucksack und zog los. Ich musste noch zu einem ATM, brauchte noch etwas zu trinken UND merkte nach fünf Minuten Fahrt, dass ich mein Handy-Ladekabel vergessen hatte! Wir kehrten noch einmal um und nun wurde es höchste Eisenbahn, dass ich zum Pier kam, um mein teures Ticket nicht verfallen zu lassen. Doch dieses Gefühl der Eile verging schnell, als wir durch das wohl ärmste Viertel von Siem Reap fuhren: Die Straßen waren überschwemmte, sandige Huckelpisten, die Kleider der Leute hingen irgendwo auf Zäunen oder einfachsten Leinen zum Trocknen, die Häuser waren aus einfachen Brettern auf Pfählen ins Wasser gebaut und die weiterführende Schule („Secondary School“ genannt) ähnelte eher einem Stall … teilweise mussten die Kleinen schon schwere Kübel schleppen und andere spielten in den Pfützen. Manche Häuser standen so weit im Wasser, dass sie nur per Boot erreichbar waren. Doch Letzteres sollte ich auf meiner Fahrt durch den Tonlé-Sap-See noch zu Genüge sehen. An der Bootsanlegestelle angekommen, drückte ich Pealy noch einen Dollar in die Hand, weil er mich ja noch einmal zurückfahren musste, dann stieg ich ins Boot, welches pünktlich um 7 Uhr ablegte. Übrigens: Alle Angebote VOR dem Boot, die sich auf Essen und Trinken beziehen, kann man getrost ignorieren. Das kann man auch alles an Bord kaufen, und sowieso sollte man sich für solche mehrstündigen Reisen durch Kambodscha immer etwas Proviant einstecken. 😉

Die Bootsfahrt durch den Tonlé Sap war zunächst sehr interessant, da man so einen guten Blick auf das schwimmende Dorf („Floating Village“), deren Bewohner sich während der Regenzeit nur mit Booten fortbewegen können, erhaschen konnte, wurde dann aber zunehmend eintöniger. Da unser Speedboat nur zu etwa einem Viertel besetzt war, konnte ich mich über drei Sitze gut schlafen legen. Im viel billigeren Bus von Siem Reap nach Phnom Penh wäre das natürlich nicht so schön gewesen. Schon bevor der Mekong in den Tonlé Sap mündet, konnte man die ersten kleinen Fischerhütten von Phnom Penh sehen, doch dann dauerte es immer noch eine gute Stunde, bis das Boot anlegte. Insgesamt sind wir etwa fünfeinhalb Stunden gefahren – das war schneller als geplant, weshalb auch mein Tuk-Tuk-Fahrer Sam noch nicht da war. Schon bevor man überhaupt aussteigen konnte, stürmten zahlreiche Tuk-Tuk-Fahrer ins Boot hinein und boten Fahrten zu allen möglichen Guesthouses an. Ich stieg unbeirrt aus, rief Sam an und er brachte mich schnell zu meinem Hotel. Dort fragte er gleich, wann er mich wieder abholen könnte und wohin ich möchte. So schnell war ich doch gar nicht! Ich wollte erst mal im Zimmer ankommen und mich akklimatisieren, bevor ich mir eine Sehenswürdigkeit nach der anderen zu Gemüte führte. Doch Sam wollte eine genaue Zeit und die Dinge, die ich unbedingt sehen möchte, wissen … Schon von außen wirkte das Hotel eher wie ein billiges Hostel; ich war halt noch von Siem Reap verwöhnt. Der Check-In war wieder schwierig und völlig chaotisch, doch schließlich bekam ich mein Zimmer für 15 US$ die Nacht. Nach dem ersten Eindruck von meinem moderaten Raum mit TV, großem Bett, hässlicher Klimaanlage, durchschnittlichem Bad und furchtbarem Blick aus dem Fenster in einen Hinterhof brachte mich Sam zu einem Restaurant. Dort lernte ich ganz unfreiwillig ein paar Bettler, die ich im Laufe meines Aufenthaltes in Phnom Penh noch mehrmals an anderen Stellen wiedertreffen sollte, kennen, aber auch den kanadischen Reiseleiter Johnny, der neben Deutsch und Englisch noch fünf andere Sprachen beherrschte. Für den Nachmittag verabredeten wir uns noch einmal, sodass ich schon wusste, wo ich zu Abend essen würde. Anschließend wollte Sam mich zu den „Killing Fields“, die an die Zeit der Roten Khmer erinnerten, führen, doch es setzte Regen ein, sodass er seinen Plan änderte und mich zum „Royal Palace“ fuhr. Dieses königliche Imperium war wirklich atemberaubend! Wie konnten in einem solch armen Land solch riesige und prunkvolle Prachtbauten stehen?! Anschließend ging es immer noch im Regen zum „National Museum of Cambodia“, in dem man viel über die alte Khmer-Kultur erfahren konnte. Mich interessierten jedoch viel mehr die Inschriften auf Alt-Khmer und Sanskrit in uralten, aber den heutigen sehr ähnlichen Khmer-Schriftzeichen. Danach ließ ich mich wieder ins Restaurant fahren, redete noch ein bisschen mit Johnny über Reisen und Sprachen, danach mit einer Kambodschanerin namens Linda, die erst vor Kurzem einen Deutschen geheiratet hat, aber aufgrund ihrer Herkunft kein Visum für Deutschland bekommt, und kam dann endlich nach Hause.

Für den Dienstag war ausgemacht, dass Sam mich halb 11 morgens vom Hotel abholte. Doch schon um 9 Uhr rief er an, dass ich lieber halb 10 mit ihm kommen sollte, weil wir einen weiten Weg zu den „Killing Fields“ vor uns hätten. Unten in der „Hotel-Lobby“, die eigentlich nur eine Mini-Rezeption und ein kleines Restaurant war, empfing mich mein Fahrer schon, doch ich bestellte ein deftiges Frühstück, sodass wir doch erst 10.30 Uhr losfuhren. Zum Choeung Ek, also den bei Touristen bekannten „Killing Fields“, dauerte es mit dem Tuk-Tuk eine gute halbe Stunde; wir fuhren durch Ghettos, schwierige Straßen und teils verwilderte Prärie. Aber schließlich kamen wir an und ich wusste nicht so recht, was mich erwarten würde. Ich hatte es mir wie ein KZ vorgestellt, aber es ähnelte eher einem Massengrab, auf dem es außer ausgestellten Schädeln, Texten und Bildern kaum noch etwas zu sehen gab, das an die Gräueltaten erinnerte. Ich fand es eher enttäuschend für so eine lange Tour, zwei Dollar Eintritt, die sengende Hitze und wieder zahlreiche bettelnde Kinder vor dem Eingang. Einem Kind habe ich 1000 រៀល (Riel, ca. 20 Cent) in die Hand gedrückt, schon kamen zehn weitere. Noch immer habe ich ihre Stimmen im Kopf: Ständig wiederholten sie „two thousand riel“, aber ich blieb kalt und stieg ins Tuk-Tuk, mit dem es nun zur Post gehen sollte, einem prächtigen Gebäude, das eher einem Rathaus ähnelte. Die Tour dahin führte mich durch wahrlich schöne Ecken von Phnom Penh, die ungelogen mit allen westlichen Parkanlagen mithalten könnten! Ich fuhr anschließend wieder in ein neues Restaurant. Nach einem Nickerchen unterzog ich mich rein aus Interesse einer Khmer-Massage, die ich insgesamt als viel schmerzfreier und gleichzeitig wirkungsvoller als eine Thai-Massage empfand. Nebenan gab es ein Restaurant für mein Abendessen, das sehr lustig ausfiel. Zunächst gab es zahlreiche Kellner, die sich mir alle vorstellten und die mir alle die Hand gaben. Mit dem einen, Laa, stieß ich immer wieder auf ein Bierchen an, man empfahl mir einen Fisch aus dem Mekong und ein kleines Mädchen namens Sobhamai arbeitete dort auch. Ständig wurde von irgendwoher mein Name gerufen, Laa wollte ständig anstoßen und Sobhamai brachte mir irgendwelche Früchte, mit denen sie mich dann fütterte. Das war schon ein seltsamer Laden, aber die Aussicht über die Flusspromenade war grandios. Zum Abschied umarmte mich das kleine Mädchen sogar und – das fand ich schockierend – verlangte noch ein paar Dollar extra von mir. Irgendwie bekam ich es hin, ihr nichts zu geben, aber ich fragte mich ernsthaft, ob sie das bei jedem so machte und ob sie wirklich dort für Geld arbeitete. Es gab im Übrigen noch mehr Kinder, die in dem Restaurant schufteten! Nach Hause konnte dann ich laufen; den Weg zu meinem Hotel kannte ich mittlerweile.

Der Mittwoch war mein Abreisetag aus Phnom Penh. Sam hatte mir bereits ein Busticket nach Sihanoukville für 6 Dollar besorgt, sodass ich ab 9.45 Uhr meinen Bus kriegen sollte. Frühestens um 9 wollte ich vom Hotel losfahren, doch schon um 8 rief Sam wieder an (?!). Beim Frühstück halb 9 stand er schon abfahrbereit vor der Tür. Er wollte halt nie zu spät kommen … Demzufolge waren wir auch überpünktlich an der Bushaltestelle; blieb nur noch eine Sache: Wie viel würde Sam für die drei Tage bekommen? Ich dachte, gebe ich ihm großzügig 30 Dollar, weil er ja alles für mich getan hatte, aber das gefiel ihm nicht. Er meinte, schon für die „Killing Fields“ würden andere 20 Dollar verlangen; er wollte also insgesamt 50 US$ von mir! Ich fand das echt unverschämt, aber dafür habe ich ja alles gesehen, was ich wollte. Man muss halt einsehen, dass Phnom Penh verhältnismäßig teuer ist.

Die Busfahrt nach Sihanoukville, Kâmpóng Saôm in der Landessprache, fand ich sehr angenehm; der Bus war ausreichend klimatisiert, ich saß am Fenster, die Straße war wunderbar ausgebaut und neben mir saß ein recht stiller Kambodschaner. Das Einzige, was mich störte, war der nervige Fernseher, auf dem irgendwelche uralten Schinken mit Superkriegern liefen. Es gab chinesische und englische Untertitel, so verstand ich wenigstens, wann die Kambodschaner im Bus lachten, verstand aber ihren Humor nicht wirklich. Ach ja, auf der Fahrt rief natürlich auch Sam wieder an und fragte, wie es mir ginge … ich glaube, er würde mich immer noch anrufen, wenn ich nicht wieder meine thailändische SIM-Karte nutzen würde!

In Sihanoukville angekommen kaufte ich mir ein Ticket nach Koh Kong, von wo aus ich wieder nach Thailand kommen wollte. Zahlreiche Motorradfahrer boten mir für wenige tausend Riel Fahrten zu besonders günstigen Hotels an, aber ich machte mich lieber selbst auf die Suche nach einem Guesthouse. Das erste, halbwegs gut aussehende nahm ich auch gleich: Für 11 US$ die Nacht bekam ich ein Zimmer im Erdgeschoss mit Klimaanlage, Fernseher, großem Bett und einem Fenster mit Blick in den Durchgang zum Hinterhof. Ich musste feststellen, dass es im Bad kein Licht und kein Klopapier gab, die Dusche mitten im Raum hing, es schon lange nicht mehr sauber gemacht wurde, das Abwasserrohr des Waschbeckens undicht war und dass auf dem „Schrank“, was eher einem Steinregal ähnelte, wohl noch nie geputzt wurde. Nun ja, ich hatte ja das billigste Zimmer bestellt und wollte ohnehin nur für eine Nacht bleiben. Ich packte meine Badesachen ein und begab mich für einen Dollar per Motorrad zum Ochheuteal-Strand. Das Wasser war wirklich sehr sauber, der Sand fein, die Liegen akzeptabel und das Wetter hervorragend! Leider gab es wieder zahlreiche Bettler und Händler, teils ziemlich zähe, aber das musste man verschmerzen.

Ich blieb bis zum Sonnenuntergang, lief dann, soweit ich mich erinnern konnte, den Weg zurück zu meiner Unterkunft und wurde den Rest für umgerechnet 50 Cent mit dem Motorrad gefahren. Ohne Abendessen schlief ich ein … das war also mein letzter Tag in Kambodscha, denn schon am nächsten Morgen sollte es, entsprechend meinem Plan, zurück nach Thailand gehen.

Da ich vergessen hatte, wann mein Bus nach Koh Kong fahren sollte, stand ich viel zu zeitig auf, hatte dafür dann aber genug Zeit, irgendwo zu frühstücken. Beim Auschecken fragte ich nach einem guten Restaurant, doch diese Empfehlung kann ich leider nicht weitergeben. Es gab keine Speisekarte, man verstand kein Englisch, statt „fried rice“ (gebratenem Reis) bekam ich trockenen und an dem Hühnchen war außer Knochen und Haut nichts dran. Schade eigentlich … Bis zum Busbahnhof konnte ich laufen, war danach aber total verschwitzt. Es war nicht sehr eindeutig, welcher Bus der richtige war, aber irgendwie kam ich dann doch hinein. Da mein Reisepass, meine Notfall-Baht und mein Proviant in meinem Riesen-Rucksack waren, nahm ich ihn mit nach oben, anstatt ihn in den Kofferraum zu tun … welch Fehler! Denn schon bald saß ein riesiger in Kambodscha lebender Finne neben mir, die Klimaanlage im Bus funktionierte nicht richtig und die Sitze waren schon ohne Rucksack zu eng, um mehrere Stunden darin auszuhalten. 8.15 Uhr ging es dann los und es wurde zur unbequemsten Busfahrt, die ich je erlebt habe. Ich sehnte mich nach einer Pause, die es nach zwei Stunden endlich gab. Trotz erstaunlich gut ausgebauter Straße waren wir gerade einmal 100 Kilometer gekommen. Rast wurde auf einem Dorf mit kleinem Restaurant gemacht, wo man sich eine kurze Erfrischung und eine Kleinigkeit zum Essen kaufen konnte. Meine Cola-Dose kostete umgerechnet etwa 30 Cent. Auf dem restlichen Weg nach Koh Kong stoppten wir immer mal wieder auf unerklärliche Weise für 10 Sekunden, dann ging es weiter. Die Straße zwang den Bus auch manchmal, Schritttempo zu fahren und nach weiteren zwei Stunden kamen wir in Koh Kong an einem guten Restaurant an. Hier ließ ich meine Fahrkarte für sieben weitere Dollar nach Trat verlängern, wo ich eventuell die Nacht verbringen würde. Ich setzte mich in dem Restaurant zu drei Sachsen, deren Ziel für diese Nacht Pattaya (!) war. Weder mit ihnen, noch mit sonst irgendwelchen Leuten habe ich mich großartig unterhalten. Mit dem Finnen neben mir klärten wir nur kurz, wer wir sind und was wir auf dieser Reise machten, und mit einer Kalifornierin, die in Bangkok Englischlehrerin ist, wechselte ich das eine oder andere Wort.

In der Grenzstadt Had Lek angekommen, wurden wir aus dem Bus geschmissen, unser Gepäck mit einem Wagen herübergefahren und in Richtung Visa-Schalter geschickt. Nach zwei langwierigen und schweißtreibenden Kontrollen waren wir in Thailand … unser Gepäck auch … aber der Bus nicht. Stattdessen standen die Koffer, Rucksäcke und Taschen an irgendeinem Laden, vor dem Minibusse parkten. Ein paar Kambodschaner verlangten Geld dafür, dass sie die Wagen mit den Koffern herübergefahren hatten, also gab ich ihnen 700 Riel (10 Cent), das musste reichen! Dann fragten irgendwelche Leute, wer nach Trat, wer nach Bangkok, wer nach Pattaya und wer nach Ko Samet wollte. Wir wurden entsprechend auf die Shuttle-Busse aufgeteilt, das Gepäck in den Kofferraum und zwischen die Sitze gepfercht und los ging die Fahrt. Nach 10 Minuten wurden wir in einen anderen dieser dubiosen Busse verladen, der nicht einmal vollgetankt war, bis wir schließlich eine recht angenehme Fahrt bis nach Trat hatten. Um 15.15 Uhr dort angekommen, suchte ich nach einem Ticketschalter für einen Bus nach Bangkok und sah, dass gerade um 15.30 Uhr der letzte losfahren würde. Wenn ich jetzt noch ein Ticket hierfür ergattern würde, würde ich ihn nehmen und müsste nicht in Trat oder auf Ko Chang übernachten, dachte ich mir. Gesagt, getan: Das Ticket für umgerechnet 3,50 Euro ins 360 Kilometer entfernte Bangkok war mir sicher, ich saß im Bus und kam kurz nach um neun abends in Bangkok an. Schnell noch ein bisschen Geld an der BTS-Station für die Waschmaschine gewechselt und los ging es nach Hause mit dem Taxi. Endlich wieder da!

Am Freitagmorgen kümmerte ich mich um meine E-Mails, schrieb ein bisschen an diesem Bericht, ging essen und fuhr mit dem Bus zu einer von mir auserkorenen Post, die aber freitags leider nur bis 13.00 Uhr aufhatte. So kaufte ich mir noch ein paar Utensilien in einer Mall und fuhr wieder nach Hause. Am Ende des Tages ging ich mit Liss und Philipp essen; sie hatten ihre Ferien mit ein paar Angestellten der DsSB auf Ko Tao und in Krabi verbracht, sodass wir uns alle viel zu erzählen hatte. Mira steckte immer noch in Kambodscha und will erst morgen, also am Sonntag zurückfliegen. Die Freitagnacht widmete ich dem Scheuern meiner Wohnung, reparierte und säuberte meinen tropfenden Kühlschrank und verstopfte irgendwie mit zu viel Klopapier die Toilette. Oh je …

Den heutigen Tag habe ich bisher ausschließlich zu Hause verbracht: Ich habe meine Präsentation in Deutsch vorbereitet, die Wohnung aufgeräumt, diesen Bericht geschrieben, versucht, meine Toilette zu retten, und ansonsten nichts Produktives getan. Jetzt muss ich den Hausmeister suchen, und danach ein Restaurant …

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Eindrücke, die ich gewonnen habe:

  • Das Erste, was mir als besonders hübsch auffiel, war das grüne Ampelmännchen. Die ganze Zeit über läuft es und je weniger Zeit dem Fußgänger bleibt, um noch bei Grün über die Straße zu gehen, desto schneller läuft das Männchen, bis es zum Schluss rennt. Sehr sinnvoll finde ich auch, wie ebenso in Thailand üblich, aber in keinem europäischen Land, in dem ich bisher war, die Zeitanzeige für Autofahrer und Fußgänger, wie lange noch Rot bzw. Grün ist.
  • Wenn keine Ampeln vorhanden sind, gibt es keine Kreuzungsordnung. Jede Straße ist gleichrangig, auch die, an denen ein STOP-Schild (darauf ist nur ឈប់ [tschup] zu lesen) steht. Selbst wenn es ein STOP-Schild gibt, wird also nicht angehalten, sondern nur flüchtig nach links und rechts geschaut und gegebenenfalls gewartet, wenn ein Stärkeres Auto kommt. Es gilt stets das Recht des Stärkeren.
  • Es herrscht Rechtsverkehr, aber es gibt zahlreiche importierte Autos, die das Lenkrad auf der rechten Seite haben, und es gibt natürlich auch Autos, die ein der Fahrtrichtung entsprechendes Lenkrad haben.
  • Überholt wird wie in Thailand links und rechts. Dabei wird auf Landstraßen immer gehupt; in Städten hupt man eher an Kreuzungen. Auch Fahrräder und fahrende Händler werden durch die Hupe vor einem Überholmanöver gewarnt.
  • Die Straßennamen sind für Ungeübte schwer zu finden. Auf Stadtplänen sind viele Straßen gar nicht benannt. Trotz allem sind sie aber nach einem gewissen Schema nummeriert, sodass man schon sagen kann, dass es eine recht gute Infrastruktur gibt.
  • Die Touristenstraßen haben teilweise europäischen Charakter, die Nebenstraßen sind größtenteils holprige Sandwege, die in der Regenzeit häufig überschwemmt sind. Es gibt Wege, die nur mit Motorrädern passierbar sind, und es gibt Straßen, die besser als viele westliche Autobahnen sind.
  • In den großen Städten gibt es mehr Motorräder als jegliche andere Fortbewegungsmittel. Viele Privatleute bieten sich mit ihren Krafträdern als Taxifahrer an und nehmen dafür ein paar Dollar. Überhaupt habe ich noch nie in meinem Leben so viele Motorräder auf einem Haufen gesehen!
  • Und wo keine Motorräder fuhren, da gab es Tuk-Tuks. Aber eine Fahrt im Tuk-Tuk ist auch nicht gerade gesund, vor allem, weil man direkt hinter dem Auspuff des Mopeds sitzt.
  • Das Reisen durch das Land und in die Nachbarländer wird einem auch sonst sehr leicht gemacht: Überall werden Bus- und Bootstouren sowie Flüge zu den nächstgrößeren Städten im In- und Ausland angeboten.
  • Das gesamte Land ist leider sehr dreckig und vermüllt. Es gibt wunderschöne Ecken in Phnom Penh, Sihanoukville und Siem Reap, aber die Müllberge, in denen nackte Menschen sitzen, überwiegen und bleiben im Gedächtnis. Der Strand von Sihanoukville ist absolut sauber, aber schon zehn Meter dahinter stapelt sich der Müll. Auch in den Dörfern auf dem Land, durch die ich gekommen bin, ist der Boden extrem staubig und vermüllt.
  • Trotzdem ist die Vegetation in ganz Kambodscha unglaublich schön! Man hat an vielen Stellen wunderbare Aussichten über die Wälder, den Dschungel und weite Grünflächen mit Kokospalmen.
  • Alle Läden und Händler akzeptieren und bevorzugen US-Dollar. Wechselgeld gibt es meist nur in Kambodschanischen Riel (1 រៀល entspricht etwa 4200 US$, man rechnet beim Bezahlen der Einfachheit halber aber immer einfach mal 4000). Es gibt im ganzen Land keine Cent-Münzen. Alles, was kleiner als ein Dollar ist, muss in Riel bezahlt werden. Oft werden sogar Thai-Baht und im Notfall auch Euro akzeptiert. Den Wechselkurs vom Euro kennen die Händler aber nicht.
  • Die Bankautomaten, also ATMs, geben nur in Dollar heraus – in 20ern und 50ern. Das ist zum Bezahlen besonders unpraktisch, da die meisten Händler, Restaurants und Fahrer so viel Geld auf einmal nicht wechseln können. Besser wäre, wenn die Automaten 10-Dollar-Scheine und hohe Riel-Scheine ausgäben.
  • Es gibt in allen Großstädten erstaunlich wenig Shops. Ich war es von Bangkok gewohnt, sich nur umdrehen zu müssen, um einen 7 Eleven, Tesco Lotus oder Family Mart zu sehen. Dafür überwiegen kleine Händler und Restaurants an den Straßenrändern. Wer Wasser oder Cola will, kann auch zu einem T-Shirt-Verkäufer gehen; überall stehen diese Getränkekühler herum, an denen man sich für 2000 bis 4000 Riel (30 bis 60 Eurocent) etwas kaufen kann.
  • Die Luft ist total staubig, dreckig, stickig und gesundheitsgefährdend. Das geht extrem auf die Schleimhaut. Ständig husten die Leute. Viele Kambodschaner ziehen den Schleim aus dem Hals hoch und spucken richtig auffällig auf die Straße, an den Strand, anderen vor die Füße etc. Wo es ausdrücklich verboten ist zu spucken, wird in eine Tüte gerotzt.
  • Die Sätze, die ich am häufigsten hören musste, waren „Where are you from?“ (Woher kommen Sie?), „Where’re you going?“ (Wohin gehen Sie?) und dann natürlich, wenn ich ihnen verraten habe, dass ich aus Deutschland komme „Wie heißen Sie?“ und „Wie alt sind Sie?“
  • Die Sprachkenntnisse aller Menschen in Kambodscha sind verhältnismäßig gut ausgeprägt. Ich war überrascht! Man kommt problemlos mit Englisch weiter, viele können wahrscheinlich noch Französisch, manche Straßen werden auch als „Rue“ bezeichnet. Die Händler können die wichtigsten Sätze zum Überleben in vielen Sprachen der Touristen, teils sogar besser als Schüler, die eine Sprache schon fünf Jahre lernen! Ein handelndes Mädchen erklärte mir, dass sie ihr Deutsch „hier“, also zwischen den Tempeln, Touristen und Marktständen, gelernt habe – und sie konnte sogar „Wollen Sie dieses T-Shirt kaufen? Eins für drei, zwei für fünf Dollar“ in fast akzentfreiem Deutsch sagen!
  • Die Bettler und Händler sind auf die Dauer aber wirklich sehr nervig. Sogar in Restaurants, Hoteleingängen, Bussen, Booten und Sehenswürdigkeiten wird gebettelt, was das Zeug hält. Viel schlimmer ist aber, dass es meist kleine Kinder oder verstümmelte Menschen ohne Arme, Beine, Augen, Zähne etc. sind, die betteln gehen müssen.
  • Insgesamt habe ich gemerkt, dass die Menschen in Kambodscha unglaublich nett und hilfsbereit sind, auch wenn sie meist bitterarm und noch immer traumatisiert sind

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Tipps für Reisende:

Wer auch in einer Woche von Bangkok aus durch Kambodscha reisen will, dem gebe ich hier ein paar Tipps, Daten und Fakten, die zu beachten sind. Dann dürfte alles ohne Probleme ablaufen. 🙂

Vor dem Ausflug sollten folgende Dinge vorhanden sein:

  • Ein e-Visum für 25 US$ (rund 17 Euro). Das geht ganz leicht online, erspart viel Ärger an der Grenze und ist günstiger als die meisten Anbieter in den Grenzstädten. Man kann es ausdrucken und mit Büroklammern im Reisepass befestigen.
  • Selbstverständlich auch ein gültiger Reisepass, zur Sicherheit auch Passbilder, werden aber weder bei einer Einreise nach Kambodscha, noch bei der Rückreise in ein Land, für welches man ein Visum hat, verlangt.
  • Genug Proviant für lange Fahrten zwischen den Städten.
  • Ein bisschen Geld, bestenfalls in Baht oder Dollar. Man kommt aber notfalls auch ohne aus und kann nach der Grenze abheben.
  • Eine SIM-Karte, die auch im Ausland funktioniert. Man kann sich für 6 US$ auch eine vom kambodschanischen Anbieter „metfone“ kaufen, um recht günstig innerhalb Kambodschas, aber auch nach Übersee telefonieren zu können.
  • Ein paar Englisch-, Französisch oder bestenfalls Khmerkenntnisse, denn mit Deutsch allein kommt man in Kambodscha nicht sehr weit.
  • Einen Plan, was machen und sehen will.

Die Fahrt kann jeden Tag um 5.55 Uhr im Hua Lamphong in Bangkok beginnen. Es fährt auch später noch ein Zug, aber dann kommt man nicht mehr am selben Tag über die Grenze. Das Ticket für den Zug kostet 58 Baht (ca. 1,10 Euro) und kann jederzeit kurz vor Abfahrt im Bahnhof geholt werden. Der Zug ist 3. Klasse, d.h. Holzbänke, die eventuell auch zusammenbrechen können, offene Fenster und natürlich keine Klimaanlage. Trotzdem ist die Fahrt recht angenehm, es gibt ständig kostenpflichtige Verpflegung und man sieht viel thailändische Landschaft. Ankunft in Aranyaprathet ist etwa halb 12 mittags.

Von Aranyaprathet nach Poipet, der Grenzstadt, ist ein Tuk-Tuk ganz praktisch. 50 Baht pro Gefährt sind ein fairer Preis; es passen bis zu drei Leute mit Gepäck in ein Tuk-Tuk. Man wird unter Garantie zu einer Visa-Stelle gebracht, die völlig überteuert ist. Einfach sagen, dass man weiterfahren will und schon ein Visum hat.

Am Grenzübergang in Poipet sollte man darauf achten, dass die bettelnden Kinder, die neben den Touristen herlaufen, einem nicht in die Tasche greifen, um zu klauen. Wichtig ist auch, dass man alle Dokumente bekommt und sorgfältig im Reisepass aufbewahrt, zumindest bis sie von irgendwelchen Behörden wieder herausgenommen werden; dazu gehören Visum, Stempel mit richtigem Datum, Ein- und Ausreisezettel für Kambodscha vollständig ausgefüllt und unterschrieben und ein gelbes Gesundheitszertifikat, das man am zweiten Grenzposten bekommt. Letzteres wird bis zur Ausreise aufbewahrt.

Von Poipet nach Siem Reap fahren „share taxis“, das man sich zu viert teilt, für 12 US$ pro Person. Als Alleinreisender sucht man sich besser drei Mitfahrer, sonst ist es zu teuer. Zu diesen Taxiständen fahren kostenlose Shuttle-Busse, man kann aber auch laufen. Es gibt alternativ auch Busse nach Siem Reap oder Sisophon, dem nächsten Ort, von wo aus die Taxis billiger sind.

In Siem Reap angekommen, sofort aus dem Taxi steigen – bezahlt hat man ja schon im Voraus – und entweder zum gebuchten Hotel laufen oder sich ein Guesthouse suchen. Ohne Klimaanlage kosten die meisten unter 10 Dollar, für eine AirCon zahlt man schon mal bis zu 5 Dollar mehr. Bloß nicht in Tuk-Tuks steigen, die einem Schwindelangebote mit billigsten Unterkünften machen wollen, das kostet am Ende nur extra. Hat man aber den Namen oder die Adresse eines gebuchten Hotels, so kann man sich getrost auf die meisten Fahrer verlassen, die einen für ein, zwei Dollar dorthin fahren.

Für die Zeit in Siem Reap kann man sich einen dauerhaften Fahrer oder jeden Tag einen neuen suchen, aber immer vorher den Preis ausmachen! 20 US$ zum Angkor Wat inklusive kleiner Rundreise durch die Tempel für einen Tag sind in Ordnung. Der Eintritt kostet noch einmal 20 Dollar. Man sollte sich aber immer ausmachen, wo der Fahrer wieder wartet, bevor es zum nächsten Tempel geht, oder sich die Handynummer geben lassen.

Die Angkor-Stätte lässt sich am besten entweder mit einem persönlichen Fahrer oder per Fahrrad erkunden. Man kann auch immer einen anderen Fahrer von Tempel zu Tempel nehmen, Angebote gibt es genug, empfiehlt sich aber nicht. Einen Plan für das Gebiet gibt es am Anfang für horrende Preise von bis zu 8 US$, bis zum Ende der Reise hin wird er immer billiger, teilweise kostet das Buch „Ancient Angkor“ dann nur noch einen Dollar.

Was man unbedingt sehen muss: Angkor Wat (das Nationalsymbol), Ta Prohm (Drehort für Tomb Raider), Bakheng (wunderbare Aussicht vom Berg aus) und Bayon (beeindruckende Gänge und pompöses Erscheinen). Wer bettelnde und handelnde Kinder meiden will, geht wochentags am Vormittag; da sind diejenigen, die es sich leisten können, in der Schule. Überhaupt sollte man wenig kaufen, sonst ist das Geld schnell alle und es kommen immer mehr Händler auf einen zu, wenn sie sehen, dass man kauft.

Vor allem im Angkor Wat bzw. davor sollte man scheinbar kostenlose Führer, die einem dieses und jenes anfangen zu erklären, ablehnen, denn am Ende verlangen sie für wenig Gezeigtes viel Geld. Natürlich kann man auch nichts geben, aber das ist unhöflicher, als sie gleich von Anfang an zu meiden.

Von Siem Reap nach Phnom Penh gibt es zwei Möglichkeiten: Per Speedboat oder Bus. Das Boot fährt ab 7 Uhr morgens bis ca. halb eins mittags durch den Tonlé Sap bis in den Mekong, vorbei am „Floating Village“ (Schwimmenden Dorf). Der Bus braucht ähnlich lange und die Straße ist gut ausgebaut. Wer schlafen will, nimmt das Boot für 36 US$, denn hier kann man sich über drei Sitze hinlegen, wenn es nicht zu voll ist, und auch an Deck laufen. Der Bus kostet nur etwa 10 Dollar, kann auf die Dauer aber sehr unbequem werden, da man nicht aufstehen kann.

Wer ein Hotel in Phnom Penh gebucht hat, kann den Pick-up-Service von der Bootsanlegestelle aus nutzen, muss aber im Voraus beantragt werden. Dann wartet jemand mit einem Namensschild am Ankunftsort. Hat man keine Unterkunft, so sucht man sie sich lieber zu Fuß; man kommt direkt an der Flusspromenade an, wo schon zahlreiche Gästehäuser stehen.

Auch in Phnom Penh kann man sich wieder für einen vorher festgelegten Preis einen Tuk-Tuk-Fahrer „mieten“. Ich musste für drei Tage 50 Dollar bezahlen, hätte es aber sicher billiger haben können, hätte ich vorher gefragt. Die Fahrer sind alle sehr nett und erklären bei Bedarf auch gewisse Stätten. Für Alleinreisende ohne Fahrer bieten sich Motorräder an, die einen günstig von A nach B bringen.

Interessante Orte in Phnom Penh sind der „Royal Palace“ (1-2 Stunden Aufenthalt), das „National Museum of Cambodia“ (60-90 Minuten Aufenthalt, je nach Interesse) und Toul Sleng (2-4 Stunden Aufenthalt, täglich um 15 Uhr Video). Was man sich eindeutig sparen kann, ist „Choeung Ek“ (Killing Fields), denn erstens ist die Anreise furchtbar weit und teuer (17 km südlich von Phnom Penh) und zweitens sieht man nichts Besonderes außer Infotafeln, verwachsene Massengräber und ein Video (um die Mittagszeit kein Film). Der Eintritt kostet auch noch zwei Dollar. Je nach Interesse können die Märkte (vor allem Psah Thmei und …) eine Attraktion oder langweilig sein. Man kann halt billig kaufen, aber sie ähneln den Märkten in Bangkok.

Worauf man sich in Phnom Penh einstellen muss, ist, dass die westlich geprägten Restaurants, Tuk-Tuk-Fahrer und Sehenswürdigkeiten extrem viel Geld für so ein armes Land verlangen! Kleine traditionelle Khmer-Restaurants und Motorradfahrer spart Geld.

Meine Empfehlung: Sich unbedingt mal einer Khmer-Massage unterziehen und die Restaurants am Mekong besuchen, deren Essen wirklich erste Sahne war. Es ist auch immer interessant, den Kontakt zu Kambodschanern, die nicht betteln, zu suchen; dadurch erfährt man viel Neues über das Land.

Von Phnom Penh nach Sihanoukville fahren zahlreiche Busse, für die man an vielen Orten in Phnom Penh Tickets kaufen kann. Meiner hat 6 US$ gekostet und fuhr 9.45 Uhr nahe der Post los. Der Bus entsprach westlichem Niveau und nach 5,5 Stunden kamen wir an.

In Sihanoukville kann man sich wieder ohne Probleme ein Guesthouse suchen; am Busbahnhof angekommen, kann man den Berg, über den man mit dem Bus gekommen ist, wieder hochlaufen, wo es zahlreiche Unterkünfte gibt. Ich habe ein unterdurchschnittliches Zimmer mit Klimaanlage für 11 Dollar bekommen.

Man empfahl mir, der Ochheuteal-Strand sei für Ausländer der Beste. Auch wenn ich an den anderen Stränden nicht war, kann ich insofern die Empfehlung weitergeben, als dass das Meer und der Sand sehr sauber waren. Eine Liege aus Holz kostete einen Dollar, es gab viele günstige Restaurants in Wassernähe, aber dahinter – also etwa 50 Meter vom Strand entfernt – liegen Müllberge, die auch so riechen. Am Strand selbst muss man sich wieder auf tausende Essens-, Armreif-, Halsketten-, Massage- und Pediküre-Angebote einstellen; meist reicht kein einfaches „no“, sondern erst muss man versprochen, dass man es vielleicht später will. Auch hier ist die Angabe von Herkunft, Name und Alter fast ein Muss!

Von Sihanoukville gibt es ab 8.15 Uhr einen Bus, wenn man noch am selben Tag Bangkok erreichen will. Von hier aus gibt es auch noch spätere Busse nach Koh Kong (alle 10 US$). Die Fahrt nach Koh Kong war unglaublich anstrengend: enge Sitze, kaputte Klimaanlage und eine Pause nach zwei Stunden auf einem Dorf. In Koh Kong angekommen, kann man entweder aussteigen, weiterfahren (wenn man ein Ticket für „Thai border“ hat) oder sein Ticket für 7 Dollar umschreiben lassen, sodass man bis zur thailändischen Grenze kommt.

Die Grenze erreicht man gegen um eins, muss aussteigen und sollte darauf achten, alle Sachen aus dem Bus mitzunehmen, denn nach der Grenze wird man in Minibusse verladen. Je nachdem, welches Ticket man gekauft hatte, kann man nach Trat, Ko Samet, Pattaya oder Bangkok weiterfahren. Das Gepäck wird mit einem Wagen über die Grenze, wofür die Leute noch Geld verlangen (freiwillig).

Ich nahm den Bus nach Trat, kam dort um 15.15 Uhr an und bekam für 188 Baht (ca. 3,50 Euro) ein Ticket nach Bangkok für einen sehr guten Reisebus ab 15.30 Uhr, den letzten von Trat nach Bangkok an diesem Tag. Wir kamen über Chantaburi (16.45 Uhr) und Rayong (17.45 Uhr) schließlich entlang der Bangna Trad Road und der Sukhumvit an der BTS-Station Ekkamai in Bangkok um 21.15 Uhr an. Von hier aus kann man natürlich mit dem Taxi oder der BTS zurück zur Unterkunft in Bangkok.








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