Fazit

21 06 2010

So schnell ging meine Zeit hier vorbei. Gute neun Monate sind vorüber. Ich habe viel gelernt, viel erlebt, viele tolle Menschen kennen gelernt, viel erfahren, viel getan und nichts bereut. Wenn ich die Zeit noch einmal zurückdrehen könnte, würde ich nahezu nichts anders machen, außer vielleicht noch mehr Thai lernen.

Thai:

Es reicht für eine einfache Unterhaltung: Ich kann dem Taxifahrer den Weg, meine Herkunft, meine Tätigkeit hier und mein soziales Netzwerk erklären, die Wohnung habe ich auf Thai auflösen können und wenn ich etwas wissen will, kann ich fragen und erfahre meist auch die gewünschte Antwort. Ich kann problemlos bis ins Unendliche zählen, die meisten Wörter richtig lesen, nur wenige richtig schreiben, was dem Stand eines Drittklässlers in Thailand entspricht. Mit Mühe kriege ich noch einen Wortwitz auf Thai hin und kann mich an besonders schwierige Wörter erinnern, mit denen ich oft die Thai-Kinder herausfordern konnte. Mit den Tönen habe ich keine großen Probleme mehr, vor allem weil ich die Tonregeln der Schrift in etwa beherrsche, oft könnte ich aber aus einem gesprochenen Satz nicht die richtigen Töne heraushören. Ich habe gemerkt, dass ich mit meinen Thaikenntnissen, vor allem dank der Fähigkeit zu lesen und zu schreiben, sehr gut bei Thais angesehen bin und auch von den Thai-Kindern und Kollegen in der Schule bewundert wurde. Jedem würde ich also empfehlen, unbedingt so viel wie möglich zu lernen; es kann auf jeden Fall nicht schaden.

Kultur:

Davon habe ich nahezu gar nichts mitbekommen. Das ist auch schwer, wenn man nicht in einem thailändischen Haushalt lebt. Natürlich habe ich etwas über bestimmte Feste, Bräuche und Kleidungen erfahren, ich kann erahnen, welche Funktion Mönche haben, und ich kann mehr über die thailändische Kultur erzählen als viele Menschen, die jahrelang hier waren oder es noch sind. Aber im Großen und Ganzen lebte ich nur in einer „deutschen Blase“, wie man das so schön nennt.

Soziales Netzwerk:

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe die ganze Zeit über keine Thai-Freunde gehabt, was den Abschied hier sicher auch leichter macht. Die Schüler unserer Schule zähle ich nicht zu „Freunden“, da ich nie etwas mit ihnen gemacht habe oder zu Geburtstagen gegangen bin. Auch die Kollegen waren einfach nur supernette Kollegen, keine so genannten Freunde. Ich habe viele tolle Menschen auf der Straße kennen gelernt: Meinen Vermieter und seine Familie, Restaurantbesitzer, Motorradtaxifahrer usw., aber da ich von den meisten nicht einmal den Namen kenne, sind das niemals Freunde gewesen. Auf Reisen habe ich besonders viele Backpacker aus den verschiedensten Nationen kennen gelernt, aber zu den meisten habe ich keinen wirklichen Kontakt mehr. Im Deutschcamp im Khao-Yai-Nationalpark, auf dem Vorbereitungsseminar bei Berlin, auf dem Zwischenseminar in Kuala Lumpur und bei sonstigen Events konnte ich interessante Menschen treffen, aber auch da hat sich schnell alles verlaufen. Die mir wichtigsten Menschen hier in Thailand waren meine Kollegen und vor allem die jüngeren Schüler an der DsSB.

Schule:

Mich macht es schon sehr traurig, dass ich am Freitag (18. Juni 2010) meinen letzten Arbeitstag hatte. Ich weiß, dass ich vermutlich einige Arbeitskollegen und insbesondere Schüler niemals wiedersehen werde, denn bevor ich einmal wieder nach Thailand komme, sind sie sicher schon in ein anderen Land gezogen und jegliche Spur ist verloren. Ich werde die Kinder aus der Basisstufe, mit denen ich fast vom ersten Tag an und manchmal auch mehrmals täglich zu tun hatte, sehr vermissen, auch wenn sie nicht immer leicht waren. Die mir ans Herz gewachsene 4. Klasse wird mir auch sehr fehlen, weil ich ja nicht nur fast jeden Tag im Unterricht bei ihnen war, sondern auch mit auf Klassenfahrt. Einige meiner Nachmittagsbetreuungsschüler und die 6. Klasse als mit Abstand wohl die schwierigste der ganzen Schule werden mich auch noch lange begleiten. Von all diesen Kindern konnte ich mich in der letzten Woche mit Gummibärchen, Eis und Bildern verabschieden. Das von Basisstufe zusammengestellte Bilder- und Wünschebuch sowie das Jahrbuch, das ich ja komplett Korrektur gelesen hatte, werden die Erinnerung an diese schöne Zeit hier lange aufrechterhalten und ich kann es kaum erwarten, einmal wieder hierher zu fahren.

Leben:

Der Wecker klingelt: 5.30 Uhr! Welcher Idiot hat denn den so eingestellt? Wütend stelle ich ihn aus. Der nächste Wecker klingelt: 5.40 Uhr! Ich haue drauf und weiß instinktiv, dass er sich in fünf Minuten wieder melden wird. Der Handywecker klingelt: 5.50 Uhr! Ich hinke aus dem Bett und stelle das notorisch nervende Handy schlaftrunken aus. Nun sollte ich wach sein, aber ich bin es nicht. Ich lege mich wieder ins Bett und schlafe ein. Zwar klingelt alle fünf Minuten dieser eine Wecker, aber binnen neun Monaten hat mein Arm gelernt, auch im Schlaf automatisch auf die „Snooze“-Taste zu hämmern.

Irgendwann wache ich schweißgebadet auf, weil ich ein Ostfenster habe und die Sonne gerade mit angenehm kühlen 35 °C aufgeht. Ich schaue auf die Uhr: 7.00 Uhr! Oh verdammt, in 30 Minuten muss ich in der Schule sein! Wie eine Rakete renne ich wie wild durch meine 28 m², schiebe zwei Toasts in den Toaster, stelle mich unter die Dusche und kann es gar nicht erwarten, endlich sauber zu sein. Auf das Toastbrot wird schnell eine Scheibe Bologna-Wurst geklatscht und bei morgendlicher Thai-Musik aus dem Fernseher hinuntergeschlungen. Schnell Zähne geputzt und feines Hemd angezogen. Verdammt: Es lag die ganze Nacht zerknittert auf dem Boden. Schnell ein neues suchen … im Schrank liegt noch ein von der Wäscherei unten im Haus gebügeltes Hemd, was für ein Glück. Hose an, Gürtel drum, los geht’s. Ah nein, der Laptop! Auch den muss ich noch einpacken, aber dann geht es endlich ‚raus. Es ist schon 7.15 Uhr. Ich will die Tür schließen und merke, dass ich den Schlüssel vergeben habe. Also, wieder ‚rein, Schlüssel holen, Tür zu, abschließen, … verdammt, Sportzeug vergessen! Also, das muss ich jetzt auch noch schnell in meiner Unordnung zusammensuchen. Geschafft, nun aber los. Die Schuhe werden nicht zugebunden, das hebe ich mir für die Wartezeit am Fahrstuhl auf, denn der muss meist erst bis in den sechsten Stock fahren, um mich dort abzuholen. Im Fahrstuhl gibt es einen Spiegel, sehr praktisch, so kann ich mich noch zurecht machen. Unten angekommen, wartet noch der Fingerscanner auf mich, der mich manchmal ein bisschen ärgern will und meinen Finger absichtlich nicht erkennt, wenn ich schon in Eile bin.

Jetzt gilt es nur noch, per Zufall einen schnellen Motorradtaxifahrer, der mir gerade entgegen kommt, zu erwischen oder mich so schnell wie möglich bis zum Motorradtaxistand zu begeben. Mittlerweile wissen sie ja, dass sie mit mir schnell fahren können, anfangs waren sie noch sehr vorsichtig mit mir. Nun geht es in Rekordzeit durch den Perfect Place, sodass ich 7.25 Uhr am Gate 8 bei der RIS ankomme. Weiter darf der Motorradfahrer nicht, hier muss ich absteigen und 30 Baht möglichst passend bezahlen. Die restlichen 500 Meter muss ich laufen, was heißt, dass ich frühestens Punkt 7.30 Uhr in der Schule bin. Im Lehrerzimmer erscheine ich gewöhnlich zu spät, dann muss ich auch noch in die jeweilige Klasse, aber keinen stört es: Ich bin ja nicht angestellt. 😉

Diesen Rhythmus werde ich vermissen, aber ich bin auch froh, dass ich erst einmal wieder ausschlafen kann. Ich werde auch den Bus 113 vermissen, mit dem ich immer bis in die Stadt kam und der ein sicheres Zeichen dafür war, dass ich stets zurück nach Hause finden würde. Zu gut kenne ich schon die Speisekarten der Restaurants in unserer Soi, als dass ich je das leckere und vor allem unglaublich preisgünstige Thai-Essen vergessen könnte. Wenn ich jetzt aus Bangkok gehe, weiß ich, dass ich immer wieder nach Hause kommen könnte, egal, wo man mich aussetzt. Das könnte sicher auch ganz preisgünstig klappen, da ich oft nicht mal mehr auf Taxis angewiesen bin. Ich freue mich darauf, irgendwann den Airport-Link und die Skytrain-Erweiterungen in vollem Umfang nutzen zu können, sollte ich einmal wiederkommen.

Besonders stolz bin ich auf meine Reisen in diverse thailändische Städte und andere Länder, ohne die ich die so angenehme, unkomplizierte und liebenswürdige Thai-Art wahrscheinlich niemals hätte zu schätzen lernen können. Ich möchte keine meiner bisherigen Erfahrungen missen.

Dank:

Ich bin natürlich vor allem „kulturweit“ dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe, ein Land für fast ein ganzes Jahr in vollem Umfang kennen zu lernen und in einem Unternehmen arbeiten zu können, dass vor netten Menschen, liebenswürdigen Kindern und toller Atmosphäre nur so strotzt. Ich bin auch dankbar, dass ich wie auch die anderen drei Freiwilligen so herzlich aufgenommen und integriert wurden und vor allem, dass uns so viel selbst überlassen und zugetraut wurde. Ich durfte teilweise selbst unterrichten, ohne jemals studiert zu haben, konnte aus bestimmten Gründen auch mal einen Tag frei bekommen, hatte immer die Möglichkeit, zu jemandem zu gehen, und ich hatte immer das Gefühl, ein Teil der Schule zu sein. Ich durfte bei einer riesigen Musical-Vorführung Lichtassistent sein, auf eine Klassenfahrt mitkommen, internationale Schüler im Deutschcamp betreuen, mit Kindern lachen, spielen und lernen, mit Gleichaltrigen feiern, arbeiten und in den Urlaub fahren, mit Erwachsenen reden, streiten und ausgehen … was will man mehr?








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