Nun nutze ich endlich mal meine mittlerweile rar gewordenen Freistunden, um den Blog auf den neuesten Stand zu bringen, bevor das nächste Großereignis erlebt werden will: Die „Buffalo-Village“-Landschulwoche in Suphanburi von Montag bis Freitag nächster Woche. Seit meiner Rundreise durch Laos und China gibt es einiges zu berichten, denn ich habe den Blog seit fünf Wochen nicht aktualisiert! Jede Woche muss also kurz zusammengefasst werden, sonst wird es wieder ellenlang …
1. Woche (09.01. – 17.01.)
Nachdem ich von meiner Reise wieder gut in Bangkok gelandet war, bereitete ich mich wieder auf den Alltag vor: Wäsche waschen, Essen gehen, E-Mails checken und beantworten, anderen von meinen Erfahrungen und Erlebnissen berichten, schon die nächste Reiseroute planen, den Kühlschrank bis zum Rand auffüllen und natürlich erst einmal ausschlafen. Eine Besonderheit fiel mir sofort auf: Liss und Mira waren nicht mehr im Patarapak, unserem Apartment. Sie waren nämlich über die Ferien Richtung Innenstadt gezogen, würden dafür aber eine Stunde mehr Schulweg und eine höhere Miete in Kauf nehmen müssen. Philipp und der Mathelehrer, der mir schon immer gegenüber gewohnt hatte, waren geblieben. Daraus würde sich bald ein schwieriger Konflikt ergeben: Wo können wir nun Thai lernen!? Dazu später …
Ich würde in dieser Woche wohl kaum Freistunden haben, denn da ein Lehrer ausgefallen war, musste ich zahlreiche Vertretungsstunden übernehmen. Im Prinzip ist so etwas nie ein großes Highlight, da ein Lehrer der Vertretung ja gewöhnlich einen Arbeitsauftrag für die Schüler aufgibt. Am Dienstagvormittag aber, in einer Deutschvertretungsstunde der 8. Klasse, musste ich aushelfen: Die Schüler hatten den Auftrag, Satzglieder in vorgegebenen Sätzen zu bestimmen … ah, mein Lieblingsthema! Und da ich ihnen angeboten hatte, mich bei Problemen zu fragen, war ich dann auch umso froher, dass sie meine Hilfe annahmen. So konnte ich doch tatsächlich im Handumdrehen und ohne Vorarbeit Subjekt, Prädikat, Akkusativobjekte und Genitivattribute erklären und an der Tafel (ich denke, ziemlich verständlich) erläutern. Die Schüler schienen recht zufrieden mit meinen Ausführungen und konnten ihre Aufgaben so gut lösen. Am Dienstagnachmittag mussten wir die Sache mit Thai auf den Tisch bringen. Zunächst fand der Unterricht provisorisch im Büro des Hausmeisters statt, was uns aber bald nicht gefiel, da dort ein ATM stand, der bei jeder Abhebung lautstark die PIN „vorlas“ (man hörte es zumindest piepen und hätte wohl auch mitschreiben können, da jede Taste anders klang) und ebenso laut Geld abzählte. Außerdem störten die anderen sich an den herumfliegenden Mücken, die mir wiederum hier in Thailand gar nichts ausmachen. Wir würden also die Location ändern müssen, was aber ohne Einigung mit den Weggezogenen nicht ginge.
Am Donnerstagmorgen kam ich aufgrund eines wohl kaputten Motorradtaxis (der Fahrer meinte immer nur „yang“ und zeigte auf die Kette) schon etwas zu spät zu meiner eigentlichen Vertretungsstunde, ich fand allerdings keinen einzigen Schüler vor! Ich schaute in möglichen Klassen nach, scheuchte verschiedene Lehrer auf und recherchierte im Intranet, wo die Schüler wohl sein könnten. Irgendwann fiel mir dann ein: „Ist die Sekundarstufe heute nicht eislaufen?“ Also hätte ich mich ja gar nicht zur Schule beeilen müssen … Für die 3. und 4. Stunde war die so genannte „Integrationsveranstaltung“ vorgesehen, bei denen die Schüler von der 2. bis zur 6. Klasse verschiedene Posten absolvieren mussten. Ich war als „Runner“ eingeteilt und koordinierte so die Gruppen untereinander, denn es waren immer nur etwa 10-15 Minuten Zeit, um eine Aufgabe, ein Spiel oder eine Arbeit zu erledigen. Bei eventuellen Verzögerungen musste ich halt die jeweils anderen Gruppenleiter darüber informieren, sodass sie die Kinder noch beschäftigen konnten. Insgesamt hatten die Kinder viel Spaß bei den im Freien stattfindenden Übungen. Danach hätte ich eigentlich Französisch gehabt, aber da sowohl die richtige Französischlehrerin an dem Tag nicht da war und der eingesetzte Vertretungslehrer ebenfalls zum Schlittschuhlaufen war, fiel Französisch aus und ich übernahm eine Vertretung für „Ha-Le“, also „Hausaufgaben-Lernstunde“, und zwar mit der 2. und 3. Klasse. Bisher hatte ich mit dieser Altersgruppe noch nie etwas zu tun gehabt, aber es machte einfach nur Spaß, den kleinen bei den Hausaufgaben und Experimenten zu helfen. Die Betreuung der Basisstufe funktioniert an dem Tag auch nicht wie geplant (das zweite Malheur!), da ich am Donnerstag nun nicht mehr die langweilige Hofaufsicht haben und lieber mit den Kindern zum Essen gehen wollte. So hätte ich die andere Basisstufe (von Liss und Philipp) übernehmen sollen, da ich aber aufgrund der sich nicht zur Pause bequemenden Kinder aus der „Ha-Le“-Gruppe nicht früh genug kam, übernahm kurzerhand wieder Liss die eine und Mira die andere Basisstufengruppe. Auch nach der Mittagsbetreuung war wieder alles durcheinander: Eigentlich hätte ich in der 6. Stunde Mathe gehabt, mir wurde aber wieder „Ha-Le“ hineingeschoben. Also half ich wieder der 2. und 3. Klasse, die hier zusammen unterrichtet werden, bei ihren Experimenten und Spielen. Dann galt es noch einen Streit aufgrund von irgendwelchen getauschten Robotern zu schlichten und am Ende der Doppelstunde meinte ein Junge sogar zu mir „Sie sind einer der besten Lehrer, die ich je hatte.“ Das soll doch was heißen, oder? 🙂
Am Donnerstagnachmittag trafen wir uns noch einmal zu einer halbstündigen Konferenz bezüglich Thai-Unterricht, aber wieder kamen wir zu keiner wirklichen Einigung und es wurde auch mehr gestritten und argumentiert, als sinnvoll vorgeschlagen. Natürlich wollten wir nicht immer bis zu den anderen Richtung Innenstadt fahren, andererseits müssten Liss und Mira, die ja weggezogen waren, entweder immer bis zum Thai-Unterricht in der Schule bleiben und von da aus zu uns kommen oder nach Hause fahren, dann wieder zu uns und dann wieder nach Hause. Das gefiel den beiden ja auch nicht. Und der Thai-Lehrerin muss es ja auch noch passen! Im Endeffekt einigten wir uns darauf, weiterhin im Patarapak zu bleiben und uns immer ein Zimmer zu suchen (Philipps, meines, das des Mathelehrers oder das Büro des Hausmeisters, notfalls auch ein Café). Dafür verlegten wir den Donnerstagsunterricht nach vorne, sodass die Mädels nicht zu lange in der Schule bleiben müssten. Eine fast zufrieden stellende Einigung war also gefunden.
Am Freitagabend hatte ich mich spontan entschlossen, endlich einen Schreibtisch und einen dazugehörigen Stuhl zu kaufen: Für insgesamt lächerliche 2200 Baht bekam ich beides zusammen. Den gesamten Samstag nutzte ich dann für eine Rundumreinigung meiner Wohnung, da ich den Schreibtisch nicht in den uralten Dreck stellen wollte. Ich rückte sogar Schränke und Bett ab, schaffte aber das Bad und den Balkon nicht mehr, da es bald zu Liss Richtung Innenstadt gehen sollte: Sie hatte am 4. Januar Geburtstag gehabt, also mussten wir den irgendwie nachfeiern. Das taten wir auch, und zwar in ihrem (eigentlich Miras) neuem Zuhause, zusammen mit einem Praktikanten unserer Schule und dem Mathelehrer. Jeder hatte etwas mitgebracht, hauptsächlich aber Alkohol. Und so wie es jetzt hier klingt, verlief der Abend auch: mit zahlreichen Bierflaschen, selbst gemixten Cocktails und irgendwelchen Trinkspielen, die nie enden wollten, ging der lange Abend nur noch verschwommen zu Ende. Das letzte Mal hatte ich 0.30 Uhr auf die Uhr geschaut, man sagte mir später, dass wir erst gegen drei zu Hause waren. Die Taxifahrt ist ein einziger Filmriss und ich weiß bis heute nicht, wie ich den komplizierten Weg in meine Wohnung gefunden habe: Das Taxi hatte vor unserer Soi gehalten, ich musste also noch 500 Meter geradeaus laufen und dann im richtigen Moment nach links abbiegen; nach halb 10 ist die Haustür verschlossen, also musste ich es irgendwie durch den Hinterhof geschafft haben. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich wohl am Fingerscan gestanden haben muss, bevor ich mit dem Fahrstuhl in die 6. Etage gekommen war. Am nächsten Morgen erwachte ich zumindest irgendwo in meinem Badezimmer … herrje, das war vielleicht eine Nacht. Ach ja, Philipp und Gregor, der damalige Praktikant an unserer Schule, waren zwar in demselben Taxi mit nach Hause gekommen, sollen dann aber noch in eine Bar gestolpert sein. Keiner kann sich daran erinnern, je das Taxi bezahlt zu haben. 😉
Das Telefon weckte mich: Irgendjemand sprach. Aber was? Ich verstand nur Bahnhof. Ach, es war Englisch … wer war das? Ahhh, Travis aus Neuseeland, den ich in Laos getroffen hatte und der mittlerweile in Bangkok angekommen war. Ja, wir hatten uns für diesen Sonntag verabredet. Schlaf- und alkoholtrunken schlug ich ihm Treffpunkt und Uhrzeit vor, wovon ich aber letztere selbstverständlich nicht einhalten konnte. Ich hatte immer noch einen Brummschädel und keine Lust auf irgendetwas, zwang mich aber ins Freie, um den Tag überhaupt zu nutzen. Wir trafen uns tatsächlich im MBK, dem wohl ungünstigsten Treffpunkt überhaupt, und suchten etwa eine halbe Stunde nach gutem Essen. Im Endeffekt war es etwas Japanisches, glaube ich. Wir unterhielten uns viel über Thai und Chinesisch, da er letzteres ziemlich gut sprach und ich nun auch einen gewissen Eindruck von der Sprache hatte gewinnen können und da Travis mittlerweile auch ein paar Wörter auf Thai hatte aufschnappen können. Ich glaube zumindest, dass er etwas besser in Chinesisch ist als ich in Thai, aber vielleicht wird sich das demnächst noch ändern. Danach gingen wir mehr zufällig zum „Silom Festival“, wo er sich mit neun Thais auf die Bühne traute und eine Art „Oishi Green Tea“ in schnellstmöglicher Zeit zu leeren versuchte, aber kläglich scheiterte. 🙂 Ich hatte ihm eigentlich das Besondere an Thailand um sechs Uhr abends zeigen wollen, aber aufgrund der zu lauten Musik in der Silom-Gegend fand es nicht statt: Alle Thais bleiben nämlich plötzlich auf der Stelle stehen und bleiben in diesem Zustand, bis der aus verschiedenen Lautsprechern zeitgleich tönende Königshymne zu Ende ist. Anschließend ging es noch – typisch Thai – auf den Chatuchak, wir drehten dort eine Runde und kehrten dann zum Baiyoke-Turm zurück, in dessen Umgebung wir noch etwas Lokaltypisches zu Abend aßen. Ich fand keinen Bus zurück nach Minburi, also nahm ich das Taxi und war damit schneller zu Hause als Travis, der zur selben Zeit in einen Bus zur Khao San gestiegen war. Um halb eins in meiner Wohnung angekommen, stolperte ich über den noch in der Verpackung befindlichen Schreibtisch und entschloss mich, ihn „mal schnell“ aufzubauen. Da ich keinen Akkuschrauber besaß, gestaltete sich die Arbeit als äußerst schweißtreibend, bis ich gegen halb vier endlich vor einem fertigen und zu benutzenden Tisch saß. Gute Nacht!
2. Woche (18.01. – 24.01.)
Auch von dieser Woche berichte ich nur die nennenswerten Szenen und nicht jeden Tag im Detail:
In der dritten Stunde am Dienstag begann ich, die Nachmittagskurslisten fertig zu schreiben. Dazu eine kurze Anmerkung: Ich hatte Handball als montäglichen Nachmittagskurs angeboten, es gab allerdings nur drei Anmeldungen (immerhin, von nur knapp 100 Schülern, die hatten abstimmen können! ;-)). Damit ein Kurs zustande kommen würde, brauchte man aber mindestens sieben Teilnehmer. Miras Kurse stießen dagegen auf große Nachfrage und sie hat sich nun mit zwei oder drei Nachmittagsaktivitäten herumzuschlagen. Nach der 4. Stunde verabschiedete ich noch den Lehrer der 4. Klasse, in der ich nun regelmäßig und recht häufig eingesetzt bin, denn er würde kurz danach mit drei ausgewählten Kindern der 4. Klasse nach München zu „1, 2 oder 3“ fliegen, um dort gegen Österreich und Deutschland anzutreten. Meine Arbeit beendete ich an dem Tag, nachdem ich die Listen für die Nachmittagskurse fertig gestellt hatte und schlief dann zu Hause bis zum Thaiunterricht.
Was wohl am Mittwochvormittag los war, weiß ich nicht, aber während der Pausenaufsicht kamen immer mehr der kleinen Thai-Mädchen (ja, zur Hälfte sind sie eigentlich auch Schweizer oder Deutsche) und setzten sich auf meinen Schoß. Mittlerweile bin ich, da ich in jeder Pause auf dem Spielplatz bin, schon eine Art Vertrauens- und Zufluchtsperson für die Kinder geworden. Ich genieße diese Anerkennung schon, habe aber gleichzeitig ein bisschen Angst vor dem Abschied in weniger als einem halben Jahr. In DaF der 4. Klasse durfte ich einen Text, bei dem die Schüler gewisse Laute einsetzen sollten, diktieren und anschließend eine Geschichte vorlesen, die sie dann schriftlich zu rekapitulieren hatten. Den Nachmittag verbrachte ich wieder mit Travis in der Innenstadt; wir schauten uns eine Muay-Thai-Show an und entschlossen uns dann, Bangkok bei Nacht vom Baiyoke-Turm aus mit einem gemütlichen Drink zu bestaunen. Tatsächlich fand ich gegen 22 Uhr noch meine heißgeliebte 113, die mich für nur 8 Baht bis fast vor die Haustür brachte.
Irgendwie fand ich, dass ich am Donnerstag überhaupt nichts in der Schule zu tun hatte, also beschäftigte ich mich mehr mit dem Heraussuchen von Billigflügen für meine Sommerreisen. Die Mittagsbetreuung mit der nun anderen Basisstufe klappte wunderbar, die Kinder (die ich ja vorher auch schon ziemlich gut kannte) fanden auch schnell Vertrauen zu mir. An diesem Nachmittag sollte Thai bei mir im Zimmer stattfinden, was meinem neuen Schreibtisch zuzuschreiben war. Anschließend wurde mir auf Drängen von Liss und dem Mathelehrer noch eine neue Frisur für 150 Baht verpasst, mit der ich mich dann am nächsten Tag vor der Schule zu verantworten hatte. 🙂
Der Freitagvormittag war hauptsächlich von der Anwesenheit des Buchautors Nic Dunlops und des Schweizer Botschafters für Laos, Myanmar und Kambodscha geprägt. Nic Dunlop war angeblich mit 19 Jahren nach Kambodscha gereist und hatte versucht, die Hintergrunde der Roten Khmer zu verstehen. Er ist dank des Aufspürens des Toul-Sleng-Leiters Kaing Guek Eav, besser als Comrade Duch bekannt, mitverantwortlich für den momentan stattfindenden Gerichtsprozess, in dem Duch aussagen muss. Da ich ja bereits selbst im S-21, auf den „Killing Fields“ und überhaupt in Phnom Penh gewesen war, ließ ich mir die dreistündige Veranstaltung natürlich nicht entgehen. Nach dem Mittagessen übernahm ich je eine Hälfte der Klasse 6 (nach 20 Minuten Wechsel), um mit ihnen die Zahlen bis 100 auf Französisch zu wiederholen. Die Klasse ist übrigens eine der eher anstrengenden an der Schule, aber mittlerweile habe ich einen recht guten Zugang zu den Schülern. Nach dieser Stunde hieß es Beeilung: Sofort nach Hause, Sachen packen für das Sukhothai-Wochenende, worauf ich mich mit Travis geeinigt hatte und den Bus nach Bangna nehmen, wo ich zum Abschluss der Woche noch Deutschunterricht geben musste. Leider verschlief ich wieder den Transfer zum zweiten Bus in Südrichtung, sodass ich mir dachte, es wäre günstiger, sofort auszusteigen und gleich in ein Taxi zu wechseln. Aber der Fahrer, der sich wohl nicht so recht mit Bangna auskannte, bestand darauf, über die Autobahn zu fahren, und zwar erst einmal weit in den Norden, um dann (nachdem ich mich vergewisserte, ob er denn wisse, wohin er führe) die Autobahnauffahrt in den Süden zu nehmen. Natürlich musste man hier wieder Maut bezahlen, die Strecke war ewig und das Taxameter stieg unaufhörlich. Mir wurde schon schlecht und ich ärgerte mich über den Fahrer. Dann nahm er auf der „Bangna Trat“, dem wohl kompliziertesten Straßensystem Bangkoks, auch noch einen U-Turn zu zeitig, was bedeutete, dass er zunächst wieder fünf Kilometer in die falsche Richtung fahren musste, bevor er den nächsten U-Turn in entgegengesetzter Richtung nehmen konnte. Insgesamt zahlte ich für diesen Super-Service 220 Baht plus Maut, das war mehr, als hätte ich direkt ein Taxi von mir zu Hause genommen. Von der Familie, deren Kindern ich ja bekanntlich besseres Deutsch beibringe, bekam ich sogar ein tolles Weihnachtsgeschenk, ich redete mit der chinesischen Mutter noch ein bisschen über ihr Heimatland und musste mich dann per Bus und Skytrain bis in den Norden zur „Northern Bus Station“ vorkämpfen, wo Travis schon auf mich wartete und von wo aus wir den Nachtbus nach Sukhothai nehmen wollten. Im Bus wurden sogar Decken verteilt, was angesichts der wie immer zu kalt gestellten Klimaanlage auch vonnöten war.
Wir kamen früh gegen halb fünf in Sukhothai an, nahmen etwas schlaftrunken ein herumstehendes Tuk-Tuk und ließen uns in das von Travis vorgeschlagene „Sila Resort“ fahren, weil er dort angeblich einen Kumpel kannte. Nachdem wir eingecheckt hatten, schliefen wir noch gemütlich in unserem geräumigen Zimmer bis um neun, bevor wir beim Frühstück auf Travis‘ Kumpel Mark und einen Ladyboy namens „Mister X“ trafen. Letzterer war der berühmt-berüchtigte Angestellte des Hauses überhaupt, nahezu jeder hatte etwas im Gästebuch über ihn verewigt und bald sollten wir auch merken, warum … Bis dahin hatte ich nur erfahren, dass er neben Thai und Englisch auch Deutsch, Japanisch, Laotisch, Spanisch und sonst welche Sprachen beherrschte! Dann nahmen wir, Travis und ich, uns ein kostenloses Mountainbike vom Resort und begaben uns zum so genannten historischen Park von Sukhothai, in dem sich die ganzen alten Khmer-Tempel befanden. Nach kurzem Nachfragen bei älteren Passanten auf Thai fanden wir den richtigen Weg, der aber zunehmend langweiliger wurde und im Vergleich zu der Fahrradtour zum Kuang-Si-Wasserfall absolut öde war. Zudem war es extrem warm an dem Tag, den Sattel fand ich viel zu hart und die Straße verlief schnurstracks geradeaus. Die Ankunft nach gut 25 Minuten schweißtreibenden Trampelns war auch nicht viel erfreulicher: Das Ticket für Ausländer kostete 100 Baht, das für Thais nur 20 Baht, also erhoffte ich mir mit meinen Thai-Kenntnissen Handlungsspielraum … Aber die Kassiererinnen blieben hartnäckig und fanden es gar nicht so witzig, dass ich ein bisschen Thai konnte – ganz anders die gute Frau, die uns frische Getränke verkaufte und die darüber staunte, dass ich so etwas wie „ich hätte gerne eine Dose Cola“ sagen konnte.
Wie auch immer … der Park war, nachdem wir beide schon in Angkor und Ayutthaya gewesen waren, leider ziemlich enttäuschend. Wir waren schwer zu beeindrucken und es gab auch nichts außer eben ein paar Khmer-Tempelruinen, Buddha-Statuen und verfallenen Mauern. Man konnte nirgends hochklettern, sodass man auch keinen Überblick über die ohnehin nicht allzu große Anlage erhaschen konnte. Wir fragten uns beide ständig, warum die Reiseführer diese Stätte immer der in Ayutthaya vorziehen; diese Meinung konnten wir einfach nicht bestätigen. Dann gingen wir Mittagessen, ich probierte das von Travis vorgeschlagene „pad sii iu gai“, sprach es aber falsch aus, da ich keine gehabt hatte, was es sein sollte. Schließlich verstand die Bedienung, sie schrieb es mir sogar auf und erklärte mir, was es sei. Irgendwie schmeckte es mir aber überhaupt nicht. Dann kam die Bedienung wieder an unseren Tisch und bald stellte sich heraus, dass sie unglaublich gut Englisch sprach. Sie erklärte Travis, wie man am besten sein Visum an der nahegelegenen burmesischen Grenze verlängern konnte und war auch sonst sehr unterhaltsam, sodass wir kaum wieder gehen wollten. Anschließend radelten wir noch zu einer weiter entfernt gelegenen Tempelstätte, für die wir an der einen Seite noch einmal 100 Baht hätten hinblättern müssen, dafür auf der gegenüberliegenden Seite kostenlos hineinkamen. Wieder einmal war die Anlage ziemlich enttäuschend und wir nutzten sie nur zum Verschnaufen, bevor wir uns auf den Rückweg ins Resort in der Neustadt (Sukhothai ist in die Altstadt mit Tempeln und Neustadt mit Wohnhäusern unterteilt) machten.
Auf dem Rückweg mixten wir uns im BigC ein paar seltsame Erfrischungsgetränke zurecht und begaben uns danach zum Busbahnhof, damit ich meine Rückfahrkarte nach Bangkok für den nächsten Tag kaufen konnte – Travis wollte noch einen Tag länger bleiben. Die Fahrkarte bekam ich aber nicht, stattdessen fing uns eine Frau ab, die wirres Zeug auf Thai redete, bis ich begriff, dass sie eigentlich nur versuchte zu scherzen. Sie konnte praktisch kein Englisch, also musste ich nebenbei auch noch ein bisschen Dolmetscher für Travis spielen, was sich als nicht so leicht herausstellte. Ständig wollte sie meinen eben gekauften Donut haben, so lernte ich immerhin, wie das Ding auf Thai heißt. Jedenfalls versprach sie mir, dass ich mein Busticket auch am nächsten Tag noch kaufen könnte.
Wieder im Resort angekommen, entschieden wir, uns noch ein bisschen mit Alkohol für den Abend einzudecken, also schwangen wir uns wieder auf die Räder – klar, kein Problem, abends mal schnell zwei Kilometer in die Stadt zu fahren, oder? Weit gefehlt! Schon beim Verlassen des Resorts wurden wir von vielen kleinen Hunden angegriffen, die es wohl wirklich auf uns abgesehen hatten! Denen entkamen wir zwar, aber dann blieb da noch der Rückweg … bewaffnet mit Hochprozentigem kehrten wir also zurück durch die Seitengasse irgendwo an einem Fluss entlang Richtung Resort. Problem dabei: Um in das Resort zu kommen, mussten wir scharf links abbiegen, und zwar genau an der Stelle, wo die Hunde auf uns warteten. Die Idee war also, als sie abermals anfingen, uns anzugreifen, einfach so schnell es ging mit dem Rad vorbeizurasend, um die Hunde von der Stelle wegzulocken. Das schien anfangs auch zu funktionieren, aber bald bemerkten wir den großen Fehler … etwa 100 Meter weiter wartete ein riesiger, schwarzer, noch viel aggressiverer Hund auf uns, der vor allem, der vor mir fuhr, bis hinunter zur Hauptstraße verfolgte. Dabei fiel uns auf, dass der Hund lediglich gejoggt war, während wir mit unseren Rädern kein Stück schneller hätten fahren können. Glücklicherweise hatten die Hunde Angst vor Motorengeräuschen, sodass sie an der Hauptstraße anhielten und uns nicht mehr zurückließen. Na toll, was nun!? Unsere einzige Chance war, ein Auto anzuhalten und den Fahrer zu bitten, uns bis ins Resort zu fahren. Wie der Zufall es so wollte, kam natürlich gerade weder ein Tuk-Tuk noch ein passendes Auto, womit wir auch die Räder wieder zurückbekommen konnten. Also warteten wir gute 15 Minuten und schmiedeten andere Pläne, wie wir noch hineinkommen könnten, bis endlich ein freundliches Pärchen mit einem Pick-up ankam und in ebendenselben Weg abbog. Unsere Chance! Mit dem Auto war es tatsächlich kein Problem mehr, aber das Herz steckte mir immer noch tief in der Hose … was für ein Schock!
Mit dem Alkohol präsentierten wir uns dann „Mister X“, der uns selbstverständlich in sein Zimmer einlud. Nach allem, was ich schon von dem gehört hatte, war ich mir zwar nicht ganz so sicher, ob wir wirklich darauf eingehen sollten, aber schließlich konnte ja nichts passieren, solange wir uns nicht allzu sehr betränken. Neben unserem gekauften Sang Som holte „X“ noch einen Lao-Lao von irgendwoher und ich ahnte, dass dies ein langer Abend werden würde … Das Seltsame an diesem Typen war aber, dass er nicht nur alle möglichen Sprachen beherrschte, sondern auch noch Deutschland und Neuseeland, wo Travis herkam, bedeutend besser kannte als wir selbst. Das Kurioseste war doch tatsächlich, als ich ihm verriet, wo ich herkam: „Aus dem Osten von Deutschland“ – „und woher?“ – „Ja, aus einem Dorf in der Nähe von Berlin“ – „aus Brandenburg?“ – „ja, aber schon fast aus Sachsen, es ist eher in der Nähe von Dresden“ – „dann vielleicht aus Großenhain oder Riesa?“ – Da war ich dann doch baff! Wir konnte ein Thai solche Städte kennen? Schließlich hatte er aber zwei Jahre in Deutschland gelebt, seine Reisen durch Europa angeblich dank eines 100.000 Euro-Gewinns in einem deutschen Casino finanziert und einen deutschen Kerl geheiratet und sich dann wieder von ihm getrennt – er zeigte mir sogar das Scheidungsurteil! Auch den Neuseeländer beeindruckte „X“ mit unglaublichen Stories aus Neuseeland. Dazu kam noch, dass wir zwar alle immer etwas vom Alkohol nachnahmen, wir beiden Reisenden aber eigentlich schon nicht mehr konnten und auch früh aufstehen wollten. Und bevor noch etwas Seltsames passieren würde, begaben wir uns dann doch lieber ins Bett, in dem ich trotz allem noch recht früh am nächsten Morgen erwachte. Auf dem Busbahnhof kaufte ich mir dann ein Rückfahrticket nach Bangkok, musste aber aufgrund von Verspätung noch fast eine Stunde auf den Bus warten. In einem kleinen Shop traf ich „Mister X“ schon wieder, der unbedingt meine Telefonnummer hatte bekommen wollen. Travis hatte ihm geschickterweise gesagt, dass er das übernehmen konnte, was er dann aber „aus Versehen“ am Tag seiner Abreise vergaß. Schließlich sei „Mister X“ jedes Wochenende in Bangkok, um dort Party zu machen … Da bekam ich dann doch schon etwas Angst, dass er mich nicht auch einmal auf eine seiner tollen Partys einlädt. Die Busfahrt war ganz angenehm und so kam ich gegen Mitternacht in meiner Wohnung an.
3. Woche (25.01. – 31.01.)
Diese Woche sollte meinen bisherigen Stundenplan, der immer noch ziemlich viele Freistunden enthielt, schlagartig auffüllen. Nach dem Motto „wer Arbeit hat, her damit!“ schrieb ich eine E-Mail an das gesamte Lehrerkollegium und offerierte allen meine Hilfe in vielen Fächern, für die ich mich qualifiziert fühlte. Prompt kam die erste Antwort: DaF in der 2. und 3. Klasse erwünscht. Dann kam noch ein Lehrer: „Du suchst Arbeit? Die habe ich für dich“, bald kam die nächste E-Mail mit DaF-Angeboten, Französisch-Vorschlägen und auch nebenschulischen Tätigkeiten: Kaffeerechnung, Sportgeräteinventarisierung, Aufräumen der Bibliothek, Aktualisierung der Linksammlung zu Studienmöglichkeiten nach der Schule u.v.m. Wie gesagt, schlagartig war Arbeit da, die ich gebraucht hatte. Nun wurde ich, sagen wir es mal vorsichtig, wirklich ernst genommen und mittlerweile schätzen die meisten Lehrer auch die Anwesenheit der vier kulturweit-Leute ungemein. Denn wir tun alles, wozu die Lehrkräfte keine Zeit und eigentlich auch keine Lust haben, was aber einfach getan werden muss. Und da ich es nicht mag, still und arbeitslos in der Ecke zu hocken, nehme ich jede Arbeit gerne an!
Mitten in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch bekam ich starke Magenkrämpfe und mir wurde richtig schlecht, der Kopf dröhnte und ich konnte nicht mehr klar denken. Ich saß noch bis um eins am Computer und checkte die Flüge meiner Eltern, die im Sommer herkommen werden, bis ich mich umdrehte und eine riesige schwarze Pfütze um meinen Kühlschrank entdeckte. Meine gerade erst gekaufte und in den Kühlschrank gelegte Cola war ausgelaufen! Oh nein, alles klebte und die Ameisen hatten das Fest schon eröffnet! Also wischte ich mit meinem restlichen Klopapier (Küchentücher sind hier eine Rarität) den Boden auf und musste gegen drei sogar noch einmal ins 7-Eleven rennen, um eine neue Packung Klopapier zu kaufen. Etwas, was wahrscheinlich in Deutschland undenkbar wäre! 🙂 Unter Kopf- und Magenschmerzen wischte ich nun also die Cola auf, begab mich endlich ins Bett und meldete mich früh per E-Mail krank. Sofort schob ich meine Krankheit auf den am Vorabend gegessenen Fisch: Es war der letzte in dem Billigrestaurant, in dem es sonst eigentlich gut schmeckte, gewesen und er hatte auch schon nicht mehr so frisch ausgesehen. Bäh!
Am Donnerstag und Freitag schleppte ich mich zwar wieder in die Schule, trotzdem hatte ich an beiden Tagen durchweg noch alles Mögliche: Kopfschmerzen, Durchfall, Magenscherzen, Schwindelgefühle und teils sogar ein bisschen erhöhte Temperatur – was aber in Bangkok keine absolute Seltenheit ist. Neben meinen üblichen Fächern kümmerte ich mich vor allem um die Ausarbeitung des Schulprofils auf Englisch, glich es mehrmals mit dem Direktor ab und musste noch irgendwoher Bilder suchen. Weiterhin bin ich in letzter Zeit immer wieder mit Korrekturen für das Jahrbuch beschäftigt, sodass ich tatsächlich kaum noch Freistunden habe. Die letzte Stunde in der Woche, Französisch in der 6. Klasse, übernahm ich dieses Mal fast allein: Ich sollte die Zahlen bis Hundert auf Französisch diktieren, die Schüler mussten sie als Zahl schreiben; der zweite Teil des Testes war leicht für mich, da ich die Zahlen lediglich auf Deutsch sagen musste, die Schüler sie aber als Wort auf Französisch aufzuschreiben hatten. Die Lehrerin ließ mich diesen Test allein schreiben, weil sie wegmusste.
Zwar gab ich auch noch den Deutschunterricht in Bangna wie fast jede Woche, aber da ich mich nicht so gut fühlte, fiel das Wochenende danach völlig ins Wasser. Eigentlich hatte ich zum Benefiz-Fußballspiel der „Hoffenheim Supporters Bangkok“ an unserer Schule kommen wollen, konnte mich aber am Samstagmorgen nicht dazu aufrappeln, mir ging es einfach immer noch zu schlecht. Der Körper normalisierte sich erst wieder am späten Sonntag.
4. Woche (01.02. – 07.02.)
Der Februar begann mit einer neuen Stunde: DaF in der 9. Klasse für eben Schülerinnen, denen es in Deutsch etwas schwerer fällt. Es gestaltete sich für mich aber auch nicht sehr leicht, Zugang zu ihnen zu finden, denn mit 15/16 Jahren hat man natürlich ganz andere Dinge als Schule im Kopf. In Deutsch wurde gerade die Novelle „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ von einem Schweizer behandelt, bei der ich natürlich viele Begriffe erklären musste. Teilweise erstaunte es mich schon, dass Begriffe wie Furche, müßig, mäßig, Äcker, brach und Knecht schlichtweg nicht bekannt waren – interessanterweise wussten selbst die Deutschen manchmal nichts mit diesen Wörtern anzufangen! Sie waren halt in einer Metropole weit entfernt von dem Land, in dem man eigentlich Deutsch spricht, aufgewachsen – und das nahmen die Deutschlehrerin und ich als Startpunkt für ein Experiment in der 12. Klasse, die ja bald auf eigene Faust in Deutschland überleben wollen: Wir würden in naher Zukunft ein Quiz über das Leben in Deutschland machen und sehen, ob sie tatsächlich eine Vorstellung von dem Leben in unserem Land haben.
Am Mittwochmorgen hatte ich nun zum ersten Mal DaF mit der 3. Klasse: Im Prinzip musste ich der kleinen Vierergruppe, die wir dank meiner Unterstützung von der 2. Klasse separieren konnten, nur bei der Ausarbeitung einer fiktiven Einladung helfen, vor allem der bisher nur thai- und englischsprachigen Schülerin, die im letzten Semester neu an die Schule gekommen war. Am nächsten Tag sollte sie dann Privatförderung von mir bekommen. Die Arme, sie wird neben mir auch noch von Mira und einer Sonderpädagogin der Schule auf Deutsch getrimmt, damit sie endlich anfängt zu sprechen. Wichtige Erklärungen müssen bisher auf Englisch (oder, wer kann, auf Thai) erfolgen, wenn man sich Zeit nimmt, geht es auch auf Deutsch. Dazu nutze ich das von Mira aus der Bibliothek ausgeliehene Bilderbuch und arbeite mich dadurch.
Ansonsten beschäftigte ich mich in der Woche vorrangig mit Korrekturen für das Jahrbuch und der Übersetzung von Elternbriefen ins Englische. Am Freitag in der 3. Stunde half ich wieder in der 9. Klasse aus. Dieses Mal sollte es nicht um DaF, sondern um die korrekte Gestaltung einer Praktikumsmappe gehen, da diese Klasse in den folgenden zwei Wochen in Betrieben in Bangkok und Umgebung eingesetzt sein würden. Nach anfänglichen Problemen mit dem Beamer und leichten Ungereimtheiten mit meinem Microsoft Word klappte die Umsetzung unserer Idee doch ziemlich gut: Es ging im Prinzip darum, den Schülern zu zeigen, wie sie alle Kriterien, die später in der Matura-Arbeit verlangt würden, korrekt in einem Textverarbeitungsprogramm einstellen können. Das Ganze wollen wir nach ihrem Praktikum erweitern, aber die erste Stunde diesbezüglich war schon einmal sehr erfolgreich.
Bald danach fuhr ich mit dem Klassenlehrer der 4. Klasse und der Thai-Lehrerin, die mit auf die Klassenfahrt in anderthalb Wochen kommen würde, nach Suphanburi in das so genannte „Buffalo Village“, um uns das Gelände, die Örtlichkeiten und die Leute schon einmal anzusehen, bevor wir mit der ganzen 4. Klasse dort antanzen würden. Die Autofahrt dauerte gute zwei Stunden, gleich nach der Ankunft aßen wir gemütlich im nahegelegenen Restaurant. Die beiden Lehrer staunten über meine Riesenportion, die mich noch nicht einmal satt machte. Das Gelände war beeindruckend, die Reisfelder riesig und schön grün, die Häuschen sehr komfortabel (ich würde ein eigenes bekommen!) und die Angestellten sehr organisiert und zuvorkommend. Die Rückfahrt dauerte gute drei Stunden, da der Verkehr in Bangkok gegen Abend immer sehr dicht wird. Dank der am Steuer sitzenden Thai-Lehrerin, die auch verständliches Deutsch spricht, wurden uns viele Fragen zum Verkehrssystem in Thailand authentisch beantwortet. Der Unterricht in Bangna musste selbstverständlich ausfallen.
Am Samstagmittag traf ich mich wieder mit Travis, der nun sein letztes Wochenende in Bangkok verbrachte und anschließend wieder nach Hause fliegen wollte. Wir entschlossen uns nach einiger Zeit, in den Lumphini-Park zu gehen, um dort die Flora und Fauna zu bestaunen. Eine willkommene Abwechslung auch für mich, denn ich war bisher erst einmal dort gewesen. Wir kamen an Scientology-Werbern vorbei, durchquerten den Park entlang des Sees, bestaunten zunächst die Fische und Schildkröten im Wasser und entdeckten dann einen Waran, etwa anderthalb Meter lang, der sich am Ufer sonnte. Wir setzten uns daneben und warteten … warteten … warteten. Ein thailändischer Junge versuchte, ihn aufzuscheuchen, scheiterte aber. Wir warteten weiter … und plötzlich bewegte sich der kleine Dinosaurier tatsächlich – in unsere Richtung! Langsam wurde es unheimlich und wir standen auf, liefen langsam rückwärts, und das Tier folgte uns. Aus sicherer Entfernung schaltete ich dann meine Kamera an und filmte. Das Tier verschwand zur Hälfte in einem Loch, setzte eine ordentliche Wurst dorthin und marschierte dann ins Wasser. Wir dachten erst, das Spektakel wäre schon vorbei, aber es begann erst: Ein paar Meter weiter hatte ein Thai mit Unmengen an Brot Unmengen an Vögeln angelockt, auf die der Waran es abgesehen hatte. Natürlich würde er keine Vogel schnappen können, dazu war er viel zu langsam. Aber da gab es ja auch noch Fische … und Schildkröten! Eine dieser armen Schildkröten war wohl zu unvorsichtig und schon fand sie sich im Maul des Warans wieder. Mann, das hatte ich auch noch nie gesehen! Die Schildkröte war dumm: Sie zog ihre Gliedmaßen nicht ein, weder Kopf noch Schwanz und auch nicht die Beine … so konnte der Waran sie leicht verletzen. Aber der Waran war auch irgendwie dumm: Er tat es nicht. Und ließ die Schildkröte sogar noch entkommen, nicht zuletzt auch wegen der Jubelrufe der umstehenden Thais. Da ich beide Aktionen gefilmt habe, werde ich sie demnächst bei Youtube hochladen. Den Abend verbrachten Travis und ich noch in der Sukhumvit, einem bekannten Barviertel in Bangkok, nachdem wir gute zwei Stunden irgendwo in der Lumphini-Gegend herumgelaufen waren, von denen ich immer nur alle zwei Kilometer eine Straße kannte, um Essen zu suchen. Das bekamen wir dann tatsächlich auch unglaublich billig in einer Nebenstraße der Sukhumvit.
Dann streunten wir noch durch die Nana-Gegend und landeten schließlich in einer deutschen Bierbar, in der die Bundesliga lief und ich versuchte, sie Travis zu erklären. Ich fand danach zwar einen Bus bis zur Ramkhamhaeng, aber keinen Anschlussbus. Stattdessen wartete ich mitten in der Nacht noch eine gute Stunde auf meine 113, bis ich mich entschied, doch ein Taxi zu nehmen.
5. Woche (08.02. – 14.02.)
In der letzten Woche passierte nichts Außergewöhnliches. Folgendes hätte ich auch schon einige Wochen vorher sagen können: Ich habe nun jeden Dienstag und Donnerstag je eine „Tutoring“-Stunde und am Mittwoch sogar eine Doppelstunde „Tutoring“, in der/denen ich eigentlich nichts weiter zu tun habe, als auf ein bis vier Kinder aufzupassen, die nicht wirklich wissen, was sie machen sollen, weil ihre Nachmittagskurse so spät oder ungünstig anfangen. Zudem ist nun auch wieder „Thai for teachers“ am Montagnachmittag und da ging es die letzten beiden Male so richtig in die Vollen: Uhrzeit, Wochentage und Monatsnamen! Ich bin froh, dass ich die ersten beiden Sachen nun ziemlich gut beherrsche, aber mit den Monaten wird es noch dauern. Kurze Beispiele zu den drei Themen:
Die Uhrzeit in Thailand wird, neben der viel zu formellen und ungebräuchlichen 24-Stunden-Anzeige, in je sechs Stunden unterteilt. Das heißt, man sagt zum Beispiel „drei Uhr nachts“, sechs Stunden später ist es „neun Uhr morgens“, sechs Stunden später „drei Uhr nachmittags“ und wieder sechs Stunden später „drei Uhr abends“. Am Kuriosesten ist 17.00 Uhr, denn man kann sowohl „fünf Uhr nachmittags“ als auch „fünf Uhr abends“ sagen, je nachdem, ob es noch warm oder schon kalt draußen ist. 🙂
Die Wochentage haben nichts mit unseren gemeinsam und fangen mit Sonntag an. Man muss halt sieben neue Wörter lernen: „wan aathit“, „wan dschan“, „wan angkhaan“, „wan phut“, „wan pharühat“, „wan suk“ und „wan sao“.
Die Monatsnamen erinnern auch an nichts, was einem bekannt vorkommen könnte; noch dazu sind sie extrem lang. Hier die zwölf Monatsnamen: „mak ga ra khom“, „gum phaa phan“, „mii naa khom“, „mee saa jon“, „phrüd sa phaa khom“, „mi thu naa jon“, „ga ra ga daa khom“, „sing haa khom“, „gan jaa khom“, „tu laa khom“, „phrüd sa dschi gaa jon“ und schließlich „than waa khom“. Na, wer findet heraus, wann man „khom“ und wann „jon“ verwendet? Ein Vorteil, der in unseren Monatsnamen fehlt …
Zurück zur Schule: Die Mittagsbetreuung hat sich nun wieder geändert. Ich gehe weiterhin mit „meine“ eigentlichen Basisstufe essen, Mira hat am Dienstag und Donnerstag den Kindergarten und Philipp geht am Donnerstag mit „seiner“ Basisstufe.
Am Mittwoch gab es in der Doppelstunde Sport mit der Basisstufe einen Verletzungsfall, weshalb ich – gutmütig wie ich bin – die junge Schülerin nicht nur in die Klinik gebracht habe, sondern auch noch über eine Stunde (!) auf ihre Mutter, die irgendwo vom Shopping kommen musste, um ihre Tochter abzuholen. Vielleicht war ich vorbelastet, zum einen wegen meines eigenen umgeknickten Knöchels vor einigen Monaten, zum anderen auch, weil ich die Schülerin so sympathisch fand, aber die Mutter war wirklich … wie soll ich sagen? … sehr gewöhnungsbedürftig. Wir mussten, zunächst auf mein Drängen, dann auf Drängen einer anderen Lehrerin unserer Schule, insgesamt viermal anrufen, bevor sich die Mutter in die Schulklinik bequemte. Mehr als ein kleines „sorry“ wollte ihr nicht über die Lippen. Mit scharfen Worten befahl ich ihr noch „töö tong pai roong phejabaan“ (sie muss ins Krankenhaus), was sie zum Glück dann auch tat. Ich war schon erstaunt, dass die Schülerin am nächsten Tag nicht nur wieder in der Schule war, sondern mir auch vom Fahrradfahren am Nachmittag zuvor, d.h. direkt nach dem Krankenhausaufenthalt, am Folgetag erzählte! Natürlich, ihre Knochen sind noch jung, aber was ich auch schon von ihr erfahren hatte, war, dass sie wohl nicht zu Hause bleiben dürfe und dass der Arzt dies aber eigentlich verordnet hatte. Nun ja, es ist ja nicht meine Tochter, aber Leid tat sie mir schon.
Am Freitag präsentierte ich der 12. Klasse, die ja bald im Kollektiv nach Europa gehen wollen, um dort zu studieren oder beim Bund eingezogen zu werden, den ultimativen „Deutschlandtest“, den ich selbst ein paar Tage zuvor ausgearbeitet hatte. Anfangs schienen sie nicht sehr begeistert darüber, aber je weiter sie sich vorarbeiteten, desto mehr realisierten sie, was ich mit dem Test eigentlich bezwecken wollte. Es handelte sich um Fragen, von denen jeder Deutsche den Großteil mühelos beantworten sollte, um in der Gesellschaft problemlos klarzukommen. Selbstverständlich kann keiner alles wissen, aber es ging auch um Preisvorstellung bezüglich Brötchenkauf, Benzinpreisen und Wohnmiete. Das alles ist ja in Thailand höchstens ein fünftel so teuer wie in Deutschland. Die Ergebnisse werde ich den Schülern erst nach ihrer Projektwoche mitteilen. Da ich vergessen hatte, dass die Schüler in Französisch diese Woche wieder einen Test schreiben sollten, blieb ich aus Versehen bis zur 7. Stunde, bevor ich eben realisierte, dass ich da gar nicht gebraucht werde. Dafür unterhielt ich mich in meiner freigewordenen Stunde mit den drei neuen Praktikanten, die nun bereits ein paar Wochen hier gewesen sind und bald wieder zurück in die Schweiz müssen, wie ihnen das Leben und die Arbeit in Bangkok bisher gefallen hat. Am Abend fuhr ich wieder nach Bangna, um den beiden diesmal sehr aufgeweckten und lernwilligen Jungen ein bisschen mehr Deutsch beizubringen, und zeigte dem Vater meiner Schüler meine Reisefotos aus Laos und China.
Das einzig Erwähnenswerte an diesem Wochenende war der Samstagabend, an dem mich der Mathelehrer kurzerhand überredete, mit ihm und seiner „Begleitung“ in die Khao San, wo auch Philipp, Mira und ihr Couchsurfer, Liss mit ihrer Mutter und Schwester, ein kolumbianischer Freund des Mathelehrers sowie ein Freund eines ehemaligen Praktikanten der DsSB bereits waren. Also trafen wir uns dort alle, gingen in diese und jene Bar, schließlich noch in eine Disko, um zufälligerweise die 12er aus der Schule zu treffen, bevor wir gegen zwei in ein Taxi gequetscht wieder nach Hause fuhren. Es war ein spaßiger und abwechslungsreicher Abend, der aber nicht jede Woche sein muss. Den heutigen Tag verbrachte ich eher in der Innenstadt und kaufte noch die letzten wichtigen Sachen für die Klassenfahrt ab morgen ein.
Der nächste Bericht folgt dann wahrscheinlich gleich nach der Klassenfahrt, wenn ich aus Suphanburi vom „Buffalo Village“ zurückgekommen bin.
Schön, dass Sie wieder da sind, Herr Krauße. ^^