Mein letzter Artikel endete damit, dass ich mich noch nicht entscheiden konnte, ob ich am letzten Montag (2.11.) zum Loy Krathong in die Schule gehen sollte, wollte oder meinem Gewissen zufolge müsste … und tatsächlich entschied ich mich gegen 10 Uhr morgens nach einer recht geruhsamen Nacht, mich mit meinen Krücken in die Schule zu begeben. Wie, das wusste ich noch nicht genau. Jedenfalls machte ich mich soweit fertig, übte ein paar Schritte und Treppen im Apartment mit den Dingern und suchte mir ein Taxi. Der Weg zur Schule war somit gesichert. Vom Gate der Schule bis zum Innenhof musste ich mich dann wieder auf Krücken vorwärts schieben – und das bei über 30° C! Ich fühlte mich furchtbar hilflos: Die Brille rutschte mir von der Nase, weil ich so sehr schwitzte – die Hose rutschte mir von der Taille, weil ich meinen Gürtel verschlampert hatte – und die Krücken rutschten mir unter den Achseln weg, weil die Geräte hier einfach furchtbar blöd konstruiert sind. Aber schließlich wurde ich herzlich von den Lehrern begrüßt, mir wurde extreme Aufmerksamkeit geschenkt, weil keiner damit gerechnet hatte, dass ich es mit den Teilen bis zur Schule schaffen würde und weil einen Tag zuvor eine Rundmail an alle Lehrer gegangen war, dass ich für mindestens eine Woche ausfallen würde, und auch die Kinder erkundigten sich nach meinem Befinden.
Aber zurück zum eigentlich Grund meines Erscheinens in der Schule: Es war Loy Krathong! Das ist das zweitgrößte traditionelle Fest in Thailand nach Songkran. Loy Krathong ist das so genannte Lichterfest und fällt auf den ersten Vollmond des 12. Monats im Mondkalender, was typischerweise Anfang November ist. Dabei bedeutet „loy“ „schwimmend“ und ein „krathong“ ist ein kleines Floß, das man sich aus einem Stück Stamm des Bananenbaums, einigen Bananenblättern und reicher Verzierung mit Blümchen bastelt. Oben drauf steckt man eine Kerze und zwei Räucherstäbchen. Je nach Belieben fügt man noch Fingernägel und/oder Haare hinzu, um die körperlichen Leiden davonschwimmen zu lassen. Wer möchte, kann auch ein paar Baht-Münzen hineintun, um sich Reichtum zu erbeten. Am Abend wird es dann in einen Khlong, oder vorzugsweise in den großen Chao Phraya gelassen. Normalerweise lässt man es immer mit einem Partner zusammen losfahren, sodass prophezeit wird, ob man zusammenbleibt oder sich trennen wird, je nach Fahrt der beiden Krathongs. Na ja, da mir sowohl aber der Partner als auch die Lust, mit Krücken in die Innenstadt zu laufen, fehlte, hatte ich anfangs kein großes Interesse an so einem Ding. Dann aber sah ich bei der Ausstellung die vielen schönen Boote der Kinder und unterhielt mich ein wenig mit den beiden Thai-Lehrerinnen unserer Schule darüber. Sie überredeten mich schließlich dazu, auch so einen Krathong zu basteln, obwohl ich eine furchtbare Niete in Sachen Kunst bin. Ich fand sogar Gefallen daran, steckte auch noch Liss damit an und am Ende hatten wir beide richtig schöne Krathongs. Vor allem tat es mir aber gut, mit den Lehrern zu reden und überhaupt in der Schule zu sein, da ich mich zu Hause nur gelangweilt hätte! Tja, und natürlich hätte ich die Kinder, die ich mittlerweile richtig lieb gewonnen habe, echt vermisst, obgleich ich an dem Tag nicht viele gesehen habe, da ich eigentlich nur über die Mittagspause an der DsSB war.
Der Abend war selbstverständlich langweilig, da ich meinen Krathong nicht fahren lassen konnte. Aber ich wusste mir zu helfen, flutete meine Dusche, zündete das Schiffchen an und ließ es in der Dusche Kreise drehen. Vielleicht war ich ein Spinner, aber irgendwie gefiel es mir. 🙂 Die anderen verbrachten ihren Abend am Chao Phraya, meinten aber, dass weniger los gewesen war als erwartet.
Den Dienstag und Mittwoch (3.11. & 4.11.) kann ich zusammenfassen: Ich habe beide Tage wie vom Arzt verordnet im Bett verbracht, war aber abends mal wieder aus, um mit den anderen Pizza zu essen.
Der Donnerstag sollte mein letzter Tag mit Krücken sein, da ein erneuter Krankenhausbesuch anstand. Ich begab mich also per Taxi zum Samitivej Srinakarin, während in der Schule der deutsche Botschafter von der DDR und der Mauer erzählte. Beim Anmelden im Krankenhaus gab es einen großen Schock: Ich nannte den Namen des Arztes (wahrscheinlich auch nicht korrekt ausgesprochen) und die Empfangsdame versuchte mir zu erklären, dass der heute keinen Dienst habe und dass mein Termin wohl gestern gewesen sei! Das konnte doch nicht sein! Schnell kramte ich meinen Terminzettel heraus, auf dem glücklicherweise auch der Name des Arztes stand: Schnell wurde der Frau klar, dass ich Vor- und Nachnamen verwechselt hatte! Das ist in Thailand üblich, denn ich werde auch ständig als „Mr. Daniel“ (übrigens ein schwieriger Name für Thais) bezeichnet. Beim Doktor angekommen, wurden mir der Verband und die Schiene abgenommen und ich sollte schon mal „die ersten Schritte“ machen. Natürlich war ich während der letzten Tage bereits hin und wieder gelaufen und so gab ich vor, noch leicht humpeln zu müssen, was im Übrigen auch funktionierte! Der Arzt nahm mir tatsächlich ab, dass ich mich wohl die ganze Woche über im Bett aufgehalten haben musste. Er sagte mir aber zu, dass ich am kommenden Tag schon wieder versuchen könnte, in die Schule zu gehen, aber selbstverständlich nur mit Bandage. Diese sollte mir dann auch von zwei armen Krankenschwestern, die sich vergebens bemühten, angelegt werden. Erst nach Lesen der Beschreibung und Verwenden einer viel größeren Bandage, gelang es den beiden Mädels. Und nachdem ich mit dem Rollstuhl bis zum Taxi und mit diesem nach Hause gekommen war, stieg ich mit den Krücken auf der Schulter aus und lief, als wäre nichts gewesen, in mein Zimmer! Seltsam, wie schnell das ging – aber, ehrlich gesagt, merke ich den Schmerz immer noch.
Am folgenden Tag, Freitag (6.11.), ging ich wie versprochen wieder in die Schule. Und wirklich alle Lehrer waren extrem erstaunt, dass ich wieder so gut gehen konnte, nachdem sie mich noch am Montag mit diesen hässlichen Krücken gesehen hatten. Meine Pflichtstunden waren eigentlich nur Mathe, wobei ich dieses Mal kaum etwas zu tun hatte, und die Pausenbetreuung. So konnte ich mal wieder mit den Kindern reden, die sich wunderten, warum ich eigentlich die ganze Woche nicht da war. Natürlich hatten sie erfahren, dass mein Fuß kaputt gewesen war, aber das verstehen sie in dem Alter noch nicht, wenn es ihnen noch nicht selbst passiert ist. Im Laufe des Tages erfuhr ich, dass am Montag eine ECDL-Prüfung, für deren Übung ich immer mal wieder Freistunden geopfert hatte, in der Schule stattfinden sollte. Also ließ ich mich dafür eintragen, mir alles erklären und kam so mit dem Lateinlehrer, der das mit organisierte, ins Gespräch – wir redeten über Latein, Thai, Notebooks und … ach, das weiß er selbst, er liest ja meinen Blog, und dem Rest meiner Leser ist es auch egal. :-p
Am Abend sollte Martinsumzug in der Schule für alle Kinder bis zur 2. Klasse mit Eltern stattfinden. Dafür brauchte man natürlich eine Laterne, die ich mir dann auch teils von den Basisstufenkindern basteln ließ und teils selbst fertig stellte. Warum der St. Martin hier nicht am 11.11. gefeiert wird? Hm, eigentlich wird in Thailand so etwas gar nicht gefeiert, aber als Schweizer Schule gehört es zur Tradition und musste aufgrund der kommenden Projektwoche vorverlegt werden, damit die Kinder nicht unter der Woche abends so spät noch „wandern“ müssen. Auch war es an einem Freitagabend für viele Eltern leichter, anwesend zu sein. Der Abend begann etwa 5 Uhr mit einem leckeren Buffet, das von den Eltern organisiert wurde, und wir vier Freiwilligen plus Gregor, ein Praktikant im Kindergarten der DsSB, ließen uns diesen Festschmaus natürlich nicht entgehen, bevor es zum eigentlichen Laternenumzug gehen sollte. Für meine Basisstufengruppe musste ich noch schnell ein paar Kerzen in ihren Laternen festkleben und dann wurde die Martinsgeschichte vom Pfarrer vorgetragen. Der Weg führte uns durch eine benachbarte Siedlung, in der uns die Thais verwundert ansehen, da wir alle 200 Meter stehen blieben und irgendwelche deutschen Martins- und Laternenlieder trällerten, die ich vorher noch nie gehört hatte. Während des Umzugs wurden wir immer wieder von den thailändischen Eltern gefragt, wofür man bei St. Martin eine Laterne braucht. Weiß es vielleicht einer von euch? Ich wusste es nicht – und Philipp auch nicht … Wie auch immer, alles in allem fand ich die kleine Wanderung sehr angenehm und es war mal etwas anderes. Liss und Mira konnten übrigens nicht teilnehmen, weil sie zeitgleich beim Salsa in der Innenstadt waren. Dazu mehr auf Miras Blog. 😉
Nach dem Umzug hatten wir noch Gelegenheit, mit ein paar Eltern zu reden, die ich ausnahmslos als erstaunlich nett und offen kennen lernte. Schließlich half ich noch beim Aufräumen mit, spielte noch ein wenig mit den Kindern, deren Eltern sich festgequatscht hatten, und lief dann fast den ganzen Weg durch den Perfect Place zurück, da nahezu alle mir bekannten Leute mit dem Fahrrad statt dem Auto gekommen waren, also keine Mitfahrgelegenheit. Auf halber Strecke nahm mich dann ein Motorrad-Taxi mit und lieferte mich an der Sportsbar, ab, wo ich mir mit Philipp und Gregor ein paar Drinks gönnte. Danach ging es noch in eine Thai-Bar, wir bestellten irgendeinen Litschi-Cocktail in einem Glaskrug, bekamen Liebeserklärungen von den Mädels im Umkreis, Philipp wurde als Harry Potter bezeichnet und dann zogen wir gegen 12 nach Hause. Übrigens: Das habe ich alles mit meinem Fuß einen Tag nach offizieller Entlassung vom Arzt durchgemacht – und hat funktioniert.
Für den Samstag (7.11.) hatte ich mir einen riesigen Einkaufs- und To-Do-Zettel zusammengestellt, wovon ich aber nichts erfüllte, da ich es bevorzugte, zu Hause im Bett zu bleiben und für die ECDL-Prüfung zu trainieren. Der heutige Tag (8.11.) sollte wenigstens etwas erlebnisreicher werden, also suchte ich mir am frühen Morgen mögliche Routen für meinen geplanten Indien-Trip über Land für die dreiwöchigen Weihnachtsferien heraus – und musste feststellen, dass die einzige Route ohne Flugzeug durch Tibet führen würde; auf dem Rückweg wollte ich fliegen, sodass meine Reise in Neu-Delhi enden sollte. Mal sehen, ob ich das wirklich alles so packe. Myanmar und Bhutan muss ich auslassen, da kann man nur mit dem Flugzeug hinein – oder über Land mit monatelangem Papierkrieg. Für die Reise musste ich aber wenigstens einmal alle Botschaften vorher besucht haben, also machte ich mich auf, die laotische zu erspähen, da ich zwangsweise durch Laos musste. Sie war laut Karte nicht weit von meiner Wohnung entfernt, es stellte sich jedoch heraus, dass ich noch gut vier Kilometer von der Bushaltestelle, an der ich ausstieg, laufen musste – und dabei merkte ich, dass Flip-Flops und Bandage sich nicht vertragen, sodass ich mir den ohnehin schon verletzten Fuß auch noch wund lief. Als ich die Botschaft verschlossen vorfand (der Erfolg war aber schon das Auffinden!), nahm ich mir noch die Zeit, um ein wenig durch das touristisch kaum erschlossene Gebiet zu wandern, und danach ein Taxi zurück zur Hauptstraße.
Von dort aus sollte meine zweite Mission starten: Mit dem Bus nach Bangna, um Geld zu sparen, wenn ich zu den beiden Jungen fahre, denen ich Deutsch beibringe. Das mit den Buslinien ist gar nicht so leicht, denn davon gibt es in ganz Bangkok schätzungsweise 200. Man muss gut kombinieren und Karten lesen können, um die günstigsten zum Ziel zu finden. Schließlich kam ich aber mit meinem herausgesuchten Bus nach etwa zwei Stunden in Bangna an und traf dort zufälligerweise auch die gesamte Familie, bei denen ich ja schon öfter war. Wir verabredeten uns wieder für Mittwoch und dann trat ich auch den Heimweg per Bus an. Tja, den ersten Bus bekam auch gleich, doch das Umsteigen in den zweiten klappte einfach nicht, weil ich auf gut drei bis vier Kilometern weder eine Bushaltestelle (!), noch einen für mich geeigneten Bus fand. Nach einem ewigen und schweißtreibenden Fußmarsch ergatterte ich dann aber endlich einen und konnte mich nur schwer und unter Fußschmerzen nach Hause schleppen … tja, und jetzt muss ich noch für die ECDL-Prüfung lernen!