Kaum war ich zurück in Georgien hat mich Zeiko, meine Mentorin, für den ersten Januar zu sich nach Hause eingeladen. Insgeheim hatten Melle und ich sowieso auf eine Einladung von Einheimischen gewartet, um das georgische Fest der Feste mitzuerleben. Neujahr ist hier wie unser Weihnachten: Für viele die schönste Familienfeier des Jahres. Deshalb war ich von der Einladung echt gerührt. Nach einer wunderbaren Silvesternacht über den Dächern Tbilissis, einem kurzen Besuch auf dem Freiheitsplatz, wo Konzerte stattfinden, einer Hausparty, Barbesuchen und neuen Bekanntschaften hat Melle also bei mir übernachtet. Am Morgen sind wir gemeinsam zum Neujahrsmal aufgebrochen.
Abgesehen von der überladenen Tafel mit den feinsten Leckereien, der wunderbaren Gastfreundschaft und Alkohol, auf den man am diesen Tag hätte herzlich verzichten können, haben wir einige typische Traditionen kennengelernt. So zum Beispiel, dass fester Bestandteil des Neujahrsfestes „Gosinaki“ (eine Süßigkeit aus Honig und Walnüssen) und „Tschutschchela“ sind und die Kinder Geschenke vom Schneemann bekommen.
Am ersten Januar besucht der sogenannte „Meklvle“ die Familie, um alles Gute und ein erfolgreiches Jahr zu wünschen. Er kann Familienmitgleid, Freund oder Freundin der Familie sein und bringt Süßigkeiten und Bonbons als Symbol für Fruchtbarkeit und Glück. Meistens hat er auch „Chichilaki“, den georgischen Weihnachtsbaum, der dan Bart des heiligen Antonius darstellt und Sinnbild für ein gutes neues Jahr ist, dabei.

Die für uns bedeutendste Neuigkeit war, dass der zweite Januar symbolisch für das neue Jahr steht. Dieser prägende Tag heißt in der georgischen Tradition „Bedoba“, das bedeutet „Schicksalstag“.
Mit diesem Wissen reißt mich mein Wecker am zweiten Januar aus dem Schlaf. Am liebsten wäre ich liegen geblieben, doch Melle und ich wollen eine frühe Maschrutka nach Jerewan erwischen. Urlaub steht an. Melle hat verschlafen, na toll, die nächsten 363 Tage stehen gelassen werden – darauf kann ich echt verzichten. :D
Im Café um die Ecke versuche ich mit einem leckeren Frühstück diesen Rückschlag wieder wett zu machen. So zumindest mein Plan. Statt meinem Lieblings-Banane-Walnuss-Joguhrt gibts dann laute Partymusik, gut gelauntes Personal und ungewöhnlicherweise keinen anderen Gast weit und breit. Wie soll ich das jetzt deuten? Ich bekomme nicht das, was ich will, dafür aber gute Musik, oder was?! (;
Melle hat mich dann irgendwann abgeholt und wir sind zu der von der Touristeninfo-Frau auf dem Stadtplan markierten Stelle gelaufen. Dummerweise fällt uns jetzt erst auf, dass sie nur den Stadtbezirk, in dem sich der Busbahnhof befinden soll, eingekreist hat. Na vielen Dank auch. In diesem Moment verabschiede ich mich vom Aberglauben. Ist glaub‘ ich besser so.
Wir irren ein bisschen umher, bis wir einen Mann nach dem Weg fragen. Er nimmt uns netterweise direkt dort hin mit. Die Maschrutka fährt, wie eigentlich schon von uns erwartet, eine Stunde später ab als angekündigt. Das ist mir jedoch egal, so lange ich dieses Jahr viel reise. :D
Sonst gibt es vom Weg nicht so viel zu berichten außer, dass die Grenzbeamten mit uns scherzen und wir vom rauchenden Hintermann fast erstickt werden. Im verschneiten, kalten Jerewan angekommen, hebe ich erstmal 20000 Dram ab. Ich werde dieses Jahr reich, Leute! Übersehen wir einfach mal die Tatsache, dass sich das mehr anhört als 40 Euro.
Wenig später kommen wir bei Tobi und Lisa (zwei kulturweit-Freiwillige, die in Jerewan zusammen wohnen) an, duschen heiß, kochen gemütlich, starten in die Nacht und entdecken unseren neuen Lieblings-DJ.
Jetzt könnt ihr selbst entscheiden, ob ihr daran glaubt oder nicht. :D Ich weiß jedenfalls: Egal, was dieses Jahr passiert, es wird vor allem eins – schlaflos. Und voll mit coolen Leuten. (: