Von besoffenen Müttern auf Klassenausflügen

BeFunky Collage

Sonntagmorgen, acht Uhr dreißig. Ich beeile mich, damit ich es rechtzeitig zum Treffpunkt schaffe. Um neun Uhr ist Abfahrt. Schon fast alle Sechstklässler sind im Bus, ein paar Mütter stehen davor. Als ich mit meiner Mentorin Zeiko und ihrem Sohn Nika einsteige, erklärt sie mir, dass die Mütter gewöhnlich auf den Ausflug mitfahren. Sie selbst war noch nie dabei, weil sie das erstens nicht so gut findet, wenn die Eltern dabei sind und zweitens Lehrerin an der Schule ist und manche Eltern sie nicht leiden können – und andersrum auch. Macht nichts, uns kann ja eh keiner verstehen – so habe ich die ein oder andere Story erzählt bekommen. (:

Um neun Uhr fünfzig geht es dann endlich mit ungefähr 20 Kindern und 16 Erwachsenen los. Nach knapp drei Stunden erreichen wir das alte Dorf Gremi, das für seine Burg und seine Kathedrale bekannt ist. Es spielte eine wichtige Rolle in der mittelalterlichen Geschichte Georgiens und war nicht nur Residenz der Könige von Kachetien sondern auch ein großes Handelszentrum. Nach einem kurzen Museumsbesuch und einer Führung fahren wir weiter. Im Bus brauch man sich übrigens, wie in Autos auch, nicht anschnallen, darf  herumlaufen, tanzen, essen und trinken. (;

Vom Fenster aus sehe ich einen Bergrücken, der sich steil aus dem flachen Alasanital empor erhebt. Dort oben, völlig abgeschieden, befindet sich der  Klosterkomplex Nekresi. Hier steht die älteste erhalten gebliebene Kirche Georgiens, eine kleine Basilika aus dem vierten Jahrhundert. Ich hätte den wunderbaren Blick auf die „bekannte Wiese“ und die frische Luft gerne mit nach Tiflis genommen.

Das Programm ist übrigens noch nicht zu Ende: Beim Ilia See angekommen, spielen die Kinder Ball, leihen sich Fahrräder (ein Mädchen – wie soll es auch anders sein – stürzt dabei und schlägt sich die Lippe auf), toben herum und es wird erst einmal ordentlich aufgetischt. Hier probier das mal: Selbstgemachter Käse! Das musst du unbedingt auch kosten! Hast du das schon gegessen?! Jede Mutter hat Essen für eine ganze Fußballmannschaft dabei.  Es ist nicht so wie in Deutschland: Du bringst Obst mit, du Kartoffelsalat,  du Baguette, du Kuchen und du Nudelsalat. Wie schon erwähnt – Planung existiert hier nicht – man plant keinen Urlaub und auch keinen Klassenausflug. Selbst das Geld wird nicht im Voraus eingesammelt. Vor Ort werden die Preise abgecheckt und jede Mama gibt ein paar Lari dazu bis es eben passt.

Manchmal denke ich mir, ein bisschen mehr Lockerheit würde den Deutschen echt gut tun, aber übertreiben muss mans ja auch nicht. :D

Mich hat es schon gewundert, dass die Elfjährigen Kaffee von ihren Mamas bekommen, aber als eine Mutter eine Flasche Wodka ausgepackt hat, war ich dann doch leicht verwirrt. Eine von den vier Frauen, die mit angestoßen haben und auch die ein oder andere Zigarette geraucht haben, war am Ende total betrunken. Zeiko hat das auch zum ersten Mal erlebt – und ich bin mir auch sicher, dass das hier wahrscheinlich fast nie so abläuft. Die Klassenleiterin hat sich wirklich geschämt und meine Mentorin gefragt: „Wen soll ich denn erziehen: Die Kinder oder die Eltern!?“. Sie war echt wütend, doch gesagt hat natürlich keiner was. Jaja, der Eltern-Lehrer-Konflikt ist hier auch so ne Sache.

Die Rückfahrt hat sich dann so angehört (:

Um nochmal auf das fehlende Organisationstalent zurückzukommen: Zu Hause war ich um halb elf. Normalerweise sollte ein Ausflug nur bis fünf Uhr nachmittags dauern, aber Vorgaben werden hier eben nicht so eng genommen wie ich es gewöhnt bin.

Trotz Müdigkeit war es ein sehr interessanter, witziger und naja, eben anderer Ausflug. In einer siebten Klasse haben wir am Montag darüber diskutiert, ob die Eltern ihre Kinder bei Exkursionen begleiten sollten. Der Großteil der Klasse hat wohl kein Bock auf Selbstständigkeit. Fanden wir es früher nicht immer peinlich, wenn ausgerechnet einer unserer Eltern auf den Klassenausflug mitgefahren ist?

2 Gedanken zu „Von besoffenen Müttern auf Klassenausflügen“

  1. Ein wunderbar anderer Klassenausflug, für uns irgendwie gar nicht vorstellbar.
    Aber du hast es mit deiner eindrucksvollen Beschreibung geschafft, mir das Gefühl zu geben, als wäre ich dabei gewesen !

    In Frankreich auf dem wunderschönen „Chateau La Coste“ in der Nähe von Aix gab es auch für uns eine Begegnung mit einem Klassenausflug anderer Art.

    In der wunderbar gestalteten Mischung zwischen Weingut und Landschaftspark befinden sich Kunstobjekte z.B. von Frank O.Gehry, Andy Goldsworthy, Sean Scully, Tadao Ando, usw.
    Getroffen haben wir die Klasse an der „Mediation Bell“ von Paul Matisse, einem großen japanisch/Zen-buddhistisch anmutendem Metallgestell mit Vibrationskörper und Glockenhammer mit Seilzug. Man konnte es natürlich betätigen und eine monumentale Schwingung auslösen.

    Die Klasse, die wir trafen, saß ruhig um das Kunstwerk herum, lauschte den Erläuterungen der Lehrerin, beantwortete einige Fragen und am Ende durfte einer (!) der Schüler das Seil einmal (!) betätigen. Dann verließen die Schüler in Zweierreihen strukturiert und geordnet den Platz.

    Und dann haben Michael und ich die Landschaft mal ordentlich in Schwingung versetzt, stellvertretend für die ganze Klasse….

  2. Juhuuuuuu-es blogt wieder kulturweit!
    Ich hab mich echt weggeeimert! Vielen Dank für den Originalsound! Muss das mal meiner Kollegin vorlesen und vorspielen…….wir haben ja auch bald wieder einen Ausflug vor! :)²
    Liebe Mara, ich grüße dich aus der ganz schön verregneten Heimat!…..bis bald……wahrscheinlich aus Omachens Wohnstube!
    Martina

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