Der Tag, an dem ich den ungekrönten König Georgiens kennenlernte

Ge-money-lari-20Lehrerausflug der Deutschlehrerinnen. Let’s fetz. Der Aufbruch verlief genau so wenig lehrerlike wie gewöhnt: 10 Uhr Treffpunkt, 11 Uhr Abfahrt. Und dann haben wir erstmal spontan entschieden, wo es hingehen soll. Unser erstes Ziel: das Ilia Chabchavadze Museum. Als ich den Schülern später von meinem Sonntag erzähle, wird mir erklärt, dass es keinen Georgier gibt, der dort noch nicht gewesen ist. Alle zukünftigen Besucher sollten sich diesen Namen also merken. (;

Ilia Chabchavadze gilt als der ungekrönte König Georgiens, der Vater des Vaterlandes, der Nationalheld schlechthin. Er wurde sogar von der Kirche heiliggesprochen und erhielt den Ehrennamen „Ilia der Rechtschaffende“. Als Jurist, Schriftsteller, Dichter und inspiriert von der modernen liberalen Bewegung in Europa, leitete er die georgische Nationalbewegung an.  Außerdem setzte er sich für die Abschaffung der Todesstrafe ein, kämpfte für die Unabhängigkeit seines Heimatlandes, gründete viele Kultur- und Bildungseinrichtungen in Georgien (z.B. die Gesellschaft zur Verbreitung der Lese- und Schreibkunde) und war zu guter Letzt ein treuer Beschützer der georgischen Sprache und Kultur von der Russifizierung. 1907 wurde Chabchavadze im Alter von 69 Jahren auf einer Reise ermordet. Es gilt heute als sicher, dass es sich dabei um ein politisches Attentat handelte.

Gewohnt hat der Gründungsvater des modernen Georgiens, der den 20-Lari-Schein ziert, jedenfalls wunderschön. Nach einem Spaziergang im umliegenden Garten ging es samt allen Deutschlehrerinnen dann noch zur Zedazeni Kirche. Eigentlich wollten wir hochlaufen, doch nach 10 Minuten kam einfach unsere Maschrutka hinter uns her, die uns die letzten Meter hoch kutschierte. Für die Lehrerin in Pumps war das wahrscheinlich auch das Beste… Oben hatte man zwar nicht den wunderbarsten Blick auf Tbilisi, aber dafür konnte man den Nebel anfassen. (;

Beim gemeinsamen Picknick im Herbstwald mit zwei Omas, die unsere Maschrutka als Mitfahrgelegenheit nutzten, ist mir nochmal klar geworden, wie unglaublich wohl und willkommen ich mich in diesem vielseitigen Kollegium fühle. Ich weiß, ich kann es nicht oft genug sagen, aber wenn der Tamada schon auf einen trinkt, kann man sich echt glücklich schätzen. (:

Vier Gipfelstürmer in Swanetien

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An alle Kastanienmenschen da draußen: Die Herbstsonne und die bunten, raschelnden Blätter lassen sich am besten im großen Kaukasus genießen – das garantiere ich euch! Da komme ich nämlich selbst gerade her. Und zwar mit ausgelüfteter Lunge, Sonnenbrand, mehr Vertrauen in Tourismustanten, der Erkenntnis, dass ich gerne in einem Petersson-und-Findus-Buch leben würde und wieder mal mit der Bestätigung, dass der Herbst meine Lieblingsjahreszeit ist. Schade nur, dass ich noch keinen Igel gesichtet habe…

Mit vier anderen kulturweit – Freiwilligen ging es für mich mit dem Nachtzug nach Zugdidi und dann weiter mit der Maschrutka nach Mestia, eine Stadt in der historischen Region Swanetien. Nachtzug und Maschrutka in den Bergen – zwei Dinge, dich ich eigentlich nicht unbedingt wiederholen müsste, aber für den fünftägigen Trip hat sich das definitiv gelohnt.

Den ersten Tag waren wir damit beschäftigt das Städtchen zu erkunden, Walnüsse zu sammeln, auf einen der jahrtausend-alten Wehrtürme zu klettern und unser Zimmer im Gästehaus zu beziehen. Und es ging zur kleinen Touristeninfo, um ein paar Wanderkarten zu besorgen. Eigentlich tendiert meine Wanderbegeisterung ja gegen null, doch in einer verkehrsreichen, staubigen, lauten Großstadt wohnend, kann ich da mal ein Auge zudrücken. Außerdem habe ich gemerkt, wie schön ich den Familienwanderurlaub eigentlich fand. Den anderen Freiwilligen habe ich von den Buttermilch- und Kaminwurzmomente im Landl, von der Klemmbachklamm, den Pausen auf der Alm, dem Wanderstöckeschnitzen mit Mama, dem vertrauten Geruch und dem Dielenknarren im Stammferienhaus vorgeschwärmt. Kind zu sein; das hat schon was. (;

Nachdem wir am nächsten Morgen unser Proviant gepackt hatten, machten wir uns auf zum Gipfelkreuz. Die Tagestour ist bei Melle und mir auch unter „Abenteuertag inklusive Rutschpartien und Angstschweiß“ abgespeichert. Kleiner Tipp – das hat was mit folgenden Worten der Frau im Touribüro zu tun: „Nur den einen eingezeichneten Weg gehen, den anderen findet ihr nicht.“

Der Hinweg ging vorbei an Ebereschen, Haselnüssen, Tannen, Hagebutten, Pferden und Kühen, aber war im Vergleich zum Rückweg relativ unspektakulär. Oben trafen wir Dodo – eine reisende Ärztin aus China, die wir von der Maschrutka-Fahrt kannten, wieder und ließen uns zum Picknick nieder. Mit Keksbauch läufts sich doch viel besser. (:
Melle und ich dachten uns dann natürlich: Den selben Weg zurück? Laaaaaaaaaangweilig. Voller Enthusiasmus trennten wir uns von den anderen zwei, die wir leider nicht für ein bisschen Abwechslung begeistern konnten. Als ob wir den Weg nicht finden würden…  Hier ist doch direkt schonmal ein Wegweiser und ein gut ausgetretener Trampelpfad.

Nach 100 Metern: Rechts oder links? Naja, so lange der Weg noch weiter geht, werden wir schon irgendwo rauskommen. 50 Meter später: Wo ist der Weg geblieben? Nach weiteren 50 Metern: Wie denn umdrehen? Es ist viel zu steil, wir kommen nicht mehr hoch. Der Boden meinte nämlich nicht zum ersten Mal sich in eine Rutsche verwandeln zu müssen. Problem: Wir befinden uns gerade auf 2360 m Höhe. Tja, doof nur, dass wir auf 1400 müssen. Aber das Problem ist ja nicht das Problem, sondern der Umgang damit – also: Immer schön an Bäumen und Ästen festklammern.

Noch nie waren wir so froh einen Kuhfladen entdeckt zu haben. Wenn Kühe hier schon wieder hin finden…

Wie angenehm, dass wir am darauffolgenden Tag in Ushguli, dem höchsten Dorf Europas, nur spazieren waren und uns am Fluss sonnten. Einzig und alleine eine gerade noch verhinderte Messerstecherei störte kurz die Idylle. Es ist nichts passiert, deshalb lasse ich das einfach mal so stehen. Wir begegneten einem Pfarrer aus Deutschland, der in Tiflis in einem orthodoxen Kloster gewohnt hat. Seine Tochter hat vor ein paar Jahren auch ein FSJ in Georgien gemacht.

Karl, den Finne mit Motorrad, der gerade kein Bock mehr auf sein Land hat und bis nach Indien fahren will, trafen wir auf dem Weg zum Chalaadi-Gletscher. Mit ihm, Melle, ihrem Bruder und dessen Kumpel, die aus Deutschland hier her getrampt sind, treffe ich mich gleich zum Doppelkopfspielen in einer Bar.

Läuft bei mir. Im wahrsten Sinne des Wortes. (;

Was nicht passt, wird passend gemacht

Meinem Mitbewohner Andro von meinen Umzugsplänen zu erzählen, habe ich erst gar nicht übers Herz gebracht. Warum überhaupt ausziehen? Der Kühlschrank funktioniert einwandfrei, mein Zimmer hat richtige Türen, das Waschbecken hat kein Loch, es ist sauber, die Decken sind verputzt, es gibt eine Heizung, der Wasserhahn läuft nie länger als vier Tage, weil er einfach nicht mehr zugedreht werden kann….nicht.

Naja, das Umweltbewusstsein tendiert hier eh gegen null. Mülltrennung gibt es nicht, auch nicht in der Theorie. Egal ob Papier, Glasflaschen, Biomüll, Glühbirnen, Plastik oder Batterien – alles kommt in den selben Container. Und für jeden Mist kriegt man Plastiktüten, selbst wenn man sich im Supermarkt eine Flasche Wasser kauft. Immerhin soll es mittlerweile wohl verboten seinen Abfall auf den Boden zu werfen und es soll Organisationen geben, die in den Wald gehen und Müll einsammeln…

Andro war jedenfalls echt ein netter Kerl, auch wenn er oft nächtlichen, nicht ganz so leisen Besuch von seinen Bierbuddies bekam – über den Bierkrug hat die Nachteule sich übrigens total gefreut. Ich bin zwar froh raus zu sein, aber trotzdem werde ich was in guter Erinnerung behalten: Die Couchsurfer aus der Türkei, aus Rumänien und aus Deutschland, die sich mit Straßenmusik ihr Reisegeld verdienen, die Bäckerei um die Ecke, von der ein unwiderstehlicher Duft ausströmt und die Fensterfront in meinem Zimmer.

Es hieß also wieder mal Koffer packen.

Jetzt wohne ich in einer zentralen 4er-WG mit Mädels aus Kroatien, Polen und dem Iran, die super Englisch sprechen und übrigens alle um die zehn Jahre älter sind als ich. Achso, und da gibt es noch einen ganz verschmusten, verfressenen, jungen Kater ohne Namen. Die zweistöckige Wohnung ist hübsch und konnte mich mit ihrem Holzdielen-Charme, funktionierenden Kühlschrank, kleinen Balkon und gemütlichen Wohnzimmer direkt für sich gewinnen. Der Weg zur Schule ist jetzt zwar länger, aber dafür habe ich dann Zeit zum Abschalten und kann fast alle guten Spots fußläufig erreichen. (:

Auf dem Klingelschild steht übrigens „cool people“  – da fühle ich mich doch gleich richtig. :D

Der Tag, an dem ich ein freies Klassenzimmer fand

Endlich habe ich meinen – mehr oder weniger – festen Stundenplan. Von vierter bis achter Klasse ist alles vertreten: laut, süß, unmotiviert, begeistert, nervig, still, motiviert. Es wird viel gesungen, Theater gespielt, gelesen und präsentiert. Die Themen schwanken momentan von Kleidung in den jüngeren Klassen über Haustiere hin zu Umwelt und Europäischer Union bis zu Musik in den älteren Jahrgängen.

In diesem Rahmen habe ich, natürlich mit Lisas Unterstützung, meine erste Unterrichtsstunde zu Cros Lied „Bye Bye“ durchgeführt – und zwar erfolgreich, yay. Das Mysterium um die Pandamaske, deutsche Charts, ein von mir erstelltes Arbeitsblatt inklusive Songtext mit Lücken und dazugehöriger Liedprobe; könnte einer achten Klasse doch gefallen, dachte ich mir. Hat es auch. (: Jetzt gehe ich mit dieser Unterrichtseinheit in jede Achte. Jap, ich bin schon ein bisschen stolz. (;

Abgesehen davon wäre ein bisschen Abwechslung vom Unterricht auf längere Frist aber schon nicht schlecht. Statt assistieren halt etwas Eigenes. Darum freue ich mich echt, wenn das Ding mit der AG was wird. Mit Julias Hilfe habe ich dieses fancy Plakat erstellt:

P1060310Und ich musste schon eine zweite Liste zum Eintragen aufhängen – von wegen keine Zeit. Okay, die Kinder haben echt kaum Zeit. Der Grund dafür sind vielleicht nicht mal die Hobbies oder das Rumhängen vorm Computer oder Fernsehen. Nö. Die meisten Schüler haben einfach noch Privatunterricht, nicht unbedingt weil sie in einem Fach schwach sind. Nachhilfe ist hier eher so was wie ein Statussymbol. Und checkt das erstmal aus: Als ich in die siebten und achten Klassen gegangen bin und Werbung gemacht habe, habe ich in ganz große Auge geschaut: Keine Hausaufgaben? Freiwillig? Kostenlos? Keine Grammatik? Das kennt man hier nicht.

Als meine Mentorin zur Schulleiterin gegangen ist, kam leider nur: Es gibt keine Räume, Samstags ginge. Genau, sicherlich – wenn man das mal ganz selbstlos aus den Augen der Schüler sieht. :D Nein, mal im Ernst – da würde echt keiner kommen (viele sind an diesem Tag mit der Englisch-, Mathe- oder Musikschule beschäftigt). Auch ich nicht, zugegebenermaßen. Doch glücklicherweise habe ich heute ein freies Zimmer in der passenden Schulstunde entdeckt. Hoffentlich kann es dann nächste Woche endlich losgehen…

Das „Wort der Woche“ läuft dafür leider noch nicht so gut und lebt momentan noch von meinen Wörtern. :D Naja, das wird. Vielleicht kann ich meine zukünftigen AG-Schüler ja motivieren. (;

P1060313Hier noch was zum Schmunzeln:

„Warum fehlen denn so viele?“ frage ich. Die Schüler entgegnen: „Heute ist der internationale Tag des Schuleschwäntzens.“ „Aha…“, ich runztel die Stirn – innerliches whaaaaaaaat?! –  und sage „Habe ich ja noch nie gehört.“  „Stand aber so auf facebook.“ Okay, so weit ist es schon. „Da bin ich mal auf die Entschuldigungszettel gespannt…“. In Georgien besteht übrigens keine Schulpflicht. Vielleicht fehlen deshalb Kinder auch manchmal zwei, drei Wochen und sind einfach mal im Urlaub, in der Türkei, der Ukraine oder in Spanien.

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Zwischen Weinreben, Trinksprüchen und toten Ziegen

Fotos gibt es hier zu sehen. Der Speicherplatz ist voll… :D

Einer der schönsten Festtage in Georgien ist die traditionelle Traubenernte im Herbst.  Wein und Georgien, das sind ja sowieso zwei unzertrennliche Worte. Das Land gilt als die Wiege des Weins und selbst die Mutter Georgiens, im Volksmund „Kartvlis Deda“, die stolz über Tiflis trohnt, hält in der rechten Hand ein Schwert gegen Feinde und in der linken eine Schale voll Wein zur Begrüßung von Freunden.

Ein Sprichwort besagt, dass guten Wein nur Menschen herstellen können, die in ihn verliebt sind oder einen guten Charakter haben. Das hat sich auf meiner Reise ins Sonnenland Kachetien, dem Zentrum des Weinbaus – dort, wo die größten Weingärten Georgiens liegen und jeder Bauer ein Winzer ist – allemal bestätigt.

Meine Kollegin Nino hat Lisa*, ihren Besuch* und mich zur Weinernte aufs Dorf ihrer Eltern eingeladen. Nachbarn, entfernte Verwandte, Kollegen, Ninos Eltern, ihr Bruder Girogi, seine Frau Kathrin aus Deutschland und ihre gemeinsamen sechs Kinder* versammelten sich bei blauem Himmel zwischen den Reben zur Traubenernte. Mit der Maschine würde der Wein ja an Lebendigkeit verlieren und er ist nicht nur Teil der georgischen Seele, sondern praktisch die Visitenkarte einer Familie, so wird mir erklärt.

Fix und fertig von der Arbeit, sind wir zum Hof gefahren. Dort haben wir die Trauben mit einer Walzmühle ausgepresst. Der Saft wird zusammen mit der Maische in Amphoren aus Ton geleitet, den so genannten „Kvevri“. Ich durfte die georgische Methode der Weinherstellung*, die seit 2013 übrigens zum UNESCO Weltkulturerbe zählt, hautnah miterleben und sogar selbst mal das Holzrad betätigen. Nebenbei wurde noch eine Ziege geschächtet; das war gar nicht so ohne… Bilder für Mutige gibt es hier zu sehen: Schächtung einer Ziege in Kachetien.

Über der Feuerstelle wurde aus dem Fleisch eine Suppe mit Koriander und Chili gekocht. „Davon was essen? Ähm, vielleicht mal probieren…“ –  Eigentlich hätte ich ja nicht mal das gemacht, wäre da nicht diese wunderbar gastfreundliche Familie gewesen. Nicht, weil ich die Ziege noch lebendig gesehen habe – das war natürlich kein Ding fürn King. (; Nee, mal ehrlich der Moment des Tötens war schon heftig, aber es ging ziemlich schnell, dass ich in der eben noch so süßen Ziege ein Stück Fleisch gesehen habe, das nur noch tot dahängt. Einfach weil ich mir den Geschmack sehr streng vorgestellt habe. Aber Gefallentun lohnt sich halt manchmal. Die Suppe war eins der besten Gerichte, die ich bis jetzt hier gegessen habe ; und das soll in Georgien schonmal was heißen! Definitiv auch was für mein Schwesterherz – gar nicht zäh, intensive Brühe und das Wichtigste: ganz viel Fett. (:

Die Tafel war natürlich noch mit viel mehr gedeckt – am bedeutendsten natürlich der Wein und georgischer „Federweißer“ – nur nicht weiß, sonder rot. Und schon ging es los mit der Trinkspruchtradition:

Der sogenannte „Tamada“ übernimmt mit meisterhaftem Wortaufgebot die Aufgabe der Tischführung. Sich verloren oder fehl am Platz füheln? Nope, jeder wird integriert. Stehend und mit erhobenem Glas spricht er im Laufe des Abends – oder besser gesagt: am laufenden Band –  verschiedene Segenswünsche auf Gastgeber, Verstorbene, Eltern, Kinder, Gäste, Freunde, den Frieden und, und, und. Im Anschluss daran erhebt meistens jeder Anwesende nacheinander sein Glas, um eigenen Worte zu diesem Thema zu finden – das ist gar nicht so einfach. Noch schwieriger: immer wieder sein Glas leeren, ohne dabei betrunken zu werden. Vor jedem georgischen Prost werden die Gläser nämlich aufs neue gefüllt. Will man nicht trinken, lässt man sich trotzdem einschenken und nippt eben nur symbolisch ein Schlückchen. Frauen haben es da allemal leichter!

Die Georgier verstehen Wein übrigens nicht als Alkohol: Der georgische Tisch ist eine Art Fortsetzung der kirchlichen Liturgie – was nicht in den Segenskanon der Kirche gehört, wird hier ausgesprochen. Das traditionelle Kreuz der georgisch-orthodoxen Kirche stellt, by the way, verbundene Weinreben dar. Auch die Schöpfungssage ist zum Schmunzeln: Es heißt, dass die Georgier zu spät kamen, als Gott das Land unter den Völkern verteilte. Erfreut darüber war er nicht gerade, doch als das kleine Völkchen erklärte, es habe bis zum Morgengrauen mit gutem Wein gefeiert, um dabei Gott zu preisen, wurde ihnen verziehen. Und mehr als das: Gott fand Gefallen an ihrem Charme und an ihrer Fröhlichkeit und schenkte ihnen den Flecken Erde, den er eigentlich für sich selbst reserviert hatte, sprich das schönste Land.

Unterm Strich: Ein ritueller Sonntag mit bodenständiger, traditioneller Küche, ganz nah am Volk und in einer wunderbaren Familie, frei nach dem Motto „Der Gast ist ein Geschenk Gottes“.

Definitiv mein neuer Lieblingstag!

*Lehrerin aus Deutschland, die an der 1. Experimentalschule über das ZfA eingesetzt ist
*Drei Lehrer, die Lisa aus ihrer Studienzeit kennt und in Köln und Umgebung unterrichten
*Sprechen alle fließend Deutsch und Georgisch, da sie vor zwei Jahren von Stuttgart nach Tiflis gezogen sind – naja, sofern sie schon sprechen können; beim Anblick der Zwillinge musste ich oft an Leonie und Maximilian denken (:
*Daneben gibt es noch das jüdische und europäische Verfahren

Von besoffenen Müttern auf Klassenausflügen

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Sonntagmorgen, acht Uhr dreißig. Ich beeile mich, damit ich es rechtzeitig zum Treffpunkt schaffe. Um neun Uhr ist Abfahrt. Schon fast alle Sechstklässler sind im Bus, ein paar Mütter stehen davor. Als ich mit meiner Mentorin Zeiko und ihrem Sohn Nika einsteige, erklärt sie mir, dass die Mütter gewöhnlich auf den Ausflug mitfahren. Sie selbst war noch nie dabei, weil sie das erstens nicht so gut findet, wenn die Eltern dabei sind und zweitens Lehrerin an der Schule ist und manche Eltern sie nicht leiden können – und andersrum auch. Macht nichts, uns kann ja eh keiner verstehen – so habe ich die ein oder andere Story erzählt bekommen. (:

Um neun Uhr fünfzig geht es dann endlich mit ungefähr 20 Kindern und 16 Erwachsenen los. Nach knapp drei Stunden erreichen wir das alte Dorf Gremi, das für seine Burg und seine Kathedrale bekannt ist. Es spielte eine wichtige Rolle in der mittelalterlichen Geschichte Georgiens und war nicht nur Residenz der Könige von Kachetien sondern auch ein großes Handelszentrum. Nach einem kurzen Museumsbesuch und einer Führung fahren wir weiter. Im Bus brauch man sich übrigens, wie in Autos auch, nicht anschnallen, darf  herumlaufen, tanzen, essen und trinken. (;

Vom Fenster aus sehe ich einen Bergrücken, der sich steil aus dem flachen Alasanital empor erhebt. Dort oben, völlig abgeschieden, befindet sich der  Klosterkomplex Nekresi. Hier steht die älteste erhalten gebliebene Kirche Georgiens, eine kleine Basilika aus dem vierten Jahrhundert. Ich hätte den wunderbaren Blick auf die „bekannte Wiese“ und die frische Luft gerne mit nach Tiflis genommen.

Das Programm ist übrigens noch nicht zu Ende: Beim Ilia See angekommen, spielen die Kinder Ball, leihen sich Fahrräder (ein Mädchen – wie soll es auch anders sein – stürzt dabei und schlägt sich die Lippe auf), toben herum und es wird erst einmal ordentlich aufgetischt. Hier probier das mal: Selbstgemachter Käse! Das musst du unbedingt auch kosten! Hast du das schon gegessen?! Jede Mutter hat Essen für eine ganze Fußballmannschaft dabei.  Es ist nicht so wie in Deutschland: Du bringst Obst mit, du Kartoffelsalat,  du Baguette, du Kuchen und du Nudelsalat. Wie schon erwähnt – Planung existiert hier nicht – man plant keinen Urlaub und auch keinen Klassenausflug. Selbst das Geld wird nicht im Voraus eingesammelt. Vor Ort werden die Preise abgecheckt und jede Mama gibt ein paar Lari dazu bis es eben passt.

Manchmal denke ich mir, ein bisschen mehr Lockerheit würde den Deutschen echt gut tun, aber übertreiben muss mans ja auch nicht. :D

Mich hat es schon gewundert, dass die Elfjährigen Kaffee von ihren Mamas bekommen, aber als eine Mutter eine Flasche Wodka ausgepackt hat, war ich dann doch leicht verwirrt. Eine von den vier Frauen, die mit angestoßen haben und auch die ein oder andere Zigarette geraucht haben, war am Ende total betrunken. Zeiko hat das auch zum ersten Mal erlebt – und ich bin mir auch sicher, dass das hier wahrscheinlich fast nie so abläuft. Die Klassenleiterin hat sich wirklich geschämt und meine Mentorin gefragt: „Wen soll ich denn erziehen: Die Kinder oder die Eltern!?“. Sie war echt wütend, doch gesagt hat natürlich keiner was. Jaja, der Eltern-Lehrer-Konflikt ist hier auch so ne Sache.

Die Rückfahrt hat sich dann so angehört (:

Um nochmal auf das fehlende Organisationstalent zurückzukommen: Zu Hause war ich um halb elf. Normalerweise sollte ein Ausflug nur bis fünf Uhr nachmittags dauern, aber Vorgaben werden hier eben nicht so eng genommen wie ich es gewöhnt bin.

Trotz Müdigkeit war es ein sehr interessanter, witziger und naja, eben anderer Ausflug. In einer siebten Klasse haben wir am Montag darüber diskutiert, ob die Eltern ihre Kinder bei Exkursionen begleiten sollten. Der Großteil der Klasse hat wohl kein Bock auf Selbstständigkeit. Fanden wir es früher nicht immer peinlich, wenn ausgerechnet einer unserer Eltern auf den Klassenausflug mitgefahren ist?

Marmeladenglasmomente

Fotos gibt es hier zu sehen. Der Speicherplatz ist voll… :D

Trampen mit zwei Schatzgräbern war zwar nicht unser Plan, aber wenn ich eins schon gelernt habe: Spontanität ist hier kein „nice-to-have-Ding“, sondern eher so ein „must-have“. (; Lohnt sich ja auch!

Es ist ja nicht mehr als genug, dass wir die Chance bekommen bei der Suche nach Münzen aus Augustus Zeiten dabei zu sein, nope. Die Jeep-Fahrer kommen direkt mit gefühlt zweitausend Ideen um die Ecke, was man sich vorher alles noch so anschauen könnte. Wir wurden erstmal zu Stalins Geburtshaus nach Gori kutschiert und anschließend haben wir die Festungs- und Höhlenstadt Uplisziche besichtigt – der Eintritt wurde uns natürlich bezahlt.

Über steinige Wege sind wir dann in die Prärie gefahren – im Umkreis von 10 km kein Mensch weit und breit, würde ich mal so behaupten. Als wir Mädels nach zwei Münzfunden die Umgebung erkunden wollten, wurde uns angeboten die Waffe zum Schutz gegen Wölfe und Schäferhunde mitzunehmen. Ähmm, nee du, lass mal.

Der Moment der Reue folgte sogleich: Mit den für uns gepflückten und mit dem Stein geknackten Mandeln haben wir uns am Fluss niedergelassen und Sonne getankt. Nach den neugierigen Kühen trotte dann aber auch noch eine Ziegenherde an und in der Ferne hörten wir Hunde bellen. Nichts wie weg hier!

Wie üblich wurden wir zur Krönung noch zum Essen eingeladen. Irgendwie ist das mit dem ständigen Einladen echt gewöhnungsbedürftig…

Ein Tag mit Dauerschleifepotenzial!