Back to school

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2500 Erst- bis Zwölftklässler, 100 Lehrer und ein verwirrendes Schulgebäude, das – genau wie das aus drei Tischen und zehn Stühlen bestehende Lehrerzimmer – viel zu klein für den Haufen ist. Die Schüler werden deshalb in zwei Schichten unterrichtet: von 8:30 Uhr – 14:20 Uhr und von 12:45 Uhr – 18:30 Uhr. Kein Wunder warum selbst die sechsten Klassen meistens bis 1:00 Uhr wach bleiben und in der Schule am Rad drehen. Vor allem in den fünf Raumwechsel-Minuten zwischen den Stunden muss man aufpassen, dass man keinen Ohrenschaden kriegt oder umgerannt wird. Aber irgendwo verständlich, wenn es keine Pausen gibt und der Schulhof nicht betreten werden darf. Eine Deutschkollegin beschreibt die Schule als ein Gefängnis: Gitterstäbe vor den Fenstern, Menschen in Uniform, die den Gang auf und ab laufen und hier und da ein wenig Autorität versprühen, Pförtner, die die Eingangstüren abschließen und irgendeine alte Furie, die schreiend durch die Cafeteria läuft. Ich blicke in dem ganzen System nicht so wirklich durch. Es gibt noch ein paar Gestalten, die mit Holzstäben an den Durchgangstüren zwischen zwei Gebäuden sitzen, damit ja keine falschen Schüler sie passieren.

Das hört sich jetzt vielleicht alles schlimmer an, als es ist. Kontrastprogramm: Im Unterricht wird viel gesungen – natürlich mit passender Bewegung und Theater gespielt. Bei Kursen von höchstens 18 Schülern können auch viele Projekte durchgeführt werden. Das Foto zeigt eine Gruppe bei der Vorstellung ihrer Lieblingsband. Benotet werden sie übrigens von der schlechtesten Note 0 bis zur besten Note 10.

Manche Kids sind echt Zucker. Als wir Weil-Sätze geübt haben, hat eine Schülerin geschrieben: „Ich bin froh, weil Mara bei uns ist.“ –  das spiegelt im Ansatz hoffentlich wider, wie willkommen ich mich hier fühle. Von manchen Deutschschülern (dritte bis achte Klasse) werde ich sogar – falls sie nicht mit Scheuklappen an mir vorbeirauschen –  zur Begrüßung umarmt und auf die Wange geküsst – ist hier ganz normal, das machen sie auch häufig bei ihren Lehrern. Jup, bin da eigentlich andere Verhältnisse gewöhnt.

Auch im Deutschkollegium herrscht eine sehr familiäre Stimmung. Das habe ich schon an meinem ersten Tag auf der Deutschkonferenz bemerkt. Die zehn Deutschlehrerinnen sind mega hilfsbereit und herzlich. Wir haben direkt mal einen Termin für den nächsten Ausflug vereinbart , wird wohl öfters gemacht. Jackpot, Leute! (: Natürlich ist die Stimmung nicht unter allen Lehrerinnen so. Insbesondere fachübergreifend wird gerne diskutiert. Vielleicht sollten mal Gesamtkonferenzen eingeführt werden… Die Schule kommt mir manchmal vor wie ein Zirkus mit ganz viel Aufregung und Theater.

Es gibt zweieinhalb Dinge, die – naja, wie soll ich sagen – die mich ehrlich gesagt nerven. :D

1. Ein Schüler kommt nie dazu seinen Fehler selbst zu erkennen oder sich selbst zu verbessern. Noch mitten im Satz rufen fast alle anderen rein und die Lehrerinnen lassen das auch meistens so laufen.

2. Meinem kreativem Freiraum sind – dem Zeit- und Raummangel geschuldet – enorme Grenzen gesetzt. Es frustriert zugegebenermaßen schon, dass es schwer ist was eigenes zu starten, z.B. würde ich unglaublich gerne eine AG anbieten. AGs an meiner Schule? Fehlanzeige. Naja, ich versuche halt dran zu bleiben.

2 1/2. Die Lehrer sind hier immer topgestylt und kommen mit zehn Tonnen Make-Up, Kleid oder Bluse und schickem Schmuck in die Schule. Ich nutze da einfach mal meinen Freiwilligen-Bonus aus. :D

Zum Schluss noch eine kleine Anekdote aus dem Unterricht – das Frage-Antwort-Spiel war manchmal doch ganz lustig…

Rückfrage an eine Schülerin: „Was ist denn dein Lieblingsbuch?“. Ein Junge ruft rein: „facebook“.

Georgische Safari

Blauer Himmel, keine Wolke weit und breit. Vorbei an Obst- und Gemüsehändlern, Kühen, Schafen und Eseln fuhr ich mit Julia*, ihrem Hund Harry, Melle* und Dimitri (ein in Tiflis lebender Armenier) in dessen Auto durch Kachetien. Der Weg führte durch verstepptes, von Salzseen unterbrochenes Hügelland. Hier und da zogen Adler über den verlassenen, halbbefestigten Straßen ihre Kreise. Bei georgischer Musik, offenem Fenster und Sonnenstrahlen auf der Haut kam richtiges Roadtripfeeling auf.  An der Grenze zu Aserbaidschan lag unser Ziel: Die Höhlenklöster von Davit Gareja – der östliche Vorposten des historischen Christentums.

Ein atemberaubender Tagesausflug lag hinter uns und selbstverständlich wurden wir zum Schluss von Dimitri noch zum Essen eingeladen – das brauche ich ja gar nicht zu erwähnen.

Wisst ihr was das Schöne ist? Das hier ist erst der Anfang.

*angehende Medienpädagogin mit internationalem Profil
*kulurweit – Freiwillige

Do you remember 21st night in September?

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Unser Ausflug in die etwas außerhalb gelegene, alte Hauptstadt – das historische Mzreta – war wunderschön. Stop: Alte Hauptstadt?!

Die Überlieferung berichtet, dass der georgische König auf der Jagd einen Fasan erlegt hat, der in ein heißes Gewässer fiel und vom sprudelnden Wasser sofort gar gekocht wurde. Bei Nachforschungen hat man weitere Quellen entdeckt und so sind die Anwohner in das heutige Tiflis umgesiedelt.

Daher übrigens auch der georgische Name Tbilissi, der so viel wie „warme Quelle“  (tbili: warm) bedeutet. Das heiße Schwefelwasser, was aus der Erde sprudelt, wird seit Jahrhunderten in den Badehäusern genutzt.

Woher ich das alles weiß? Wir drei Freiwilligen waren mit zwei studierten, georgischen Historikern unterwegs, die uns nach der kostenlosen Privatführung erstmal fett zum Essen eingeladen und  in die georgische Trinktradition eingewiesen haben. Gastfreundschaft wird hier größer als groß geschrieben. Deshalb wurden wir gleich noch zu zwei weiteren Orten kutschiert:
Wir besichtigen einen verfallenen Wehrturm und eine legendäre Quelle am Fuße eines Klosters. Man soll angeblich schwanger werden, wenn man davon trinkt – noch merke ich nichts.  (;

Die Granatäpfel sind reif

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Morgens an der Schule angekommen, muss ich erstmal durchatmen, was nicht nur an der Hitze und dem hügeligen Weg liegt. Auf den ersten Metern muss man nämlich echt aufpassen, dass man nicht umgefahren wird. Das ist hier aber normal. Zebrastreifen existieren für Autofahrer nicht, Ampeln werden nicht ernst genommen und die Kombi aus beidem machts auch nicht besser. Selbst Einbahnstraßen bleiben unbemerkt. In Deutschland bremst man, hier wird gehupt. Zwei leichte Auffahrunfälle habe ich schon hinter mir. Aber keine Angst Mama, so langsam gewöhne ich mich dran. Nach fünf Minuten biege ich in eine Seitenstraße, in der es mehr Granatäpfelsträucher und Weinreben als Autos gibt.

Das mit dem Durchatmen klappt aber ehrlich gesagt nicht so ganz, denn 2500 Schüler tummeln sich im Gebäude, es ist ungeheuer laut und chaotisch. Die Stundenpläne werden manuell erstellt, weshalb es manchmal dazu kommt, dass einige Klassen keinen Raum haben oder die Klassenzimmer zu klein für die Gruppen sind. Meine super herzlichen Kolleginnen sagen, dass es die ersten Wochen immer so zu geht. Die Vorfreude auf einen festen Stundenplan und geregelten Schulalltag ist nicht nur bei mir groß.

Was ich momentan in der Schule mache? Ich gehe mit verschiedenen Lehrerinnen in unterschiedliche Deutschklassen (3. – 8. Klasse), stelle Fragen an die Schüler und beantworte ihre. Das ewige Frage-Antwort-Spiel nervt mich schon ein bisschen, weil mir in jeder Klasse die gleichen Fragen gestellt werden… Gerade sitze ich in einem Café und bereite eine Präsentation mit Fotos über meine Heimat, meine Hobbies und meine Familie für die unheimlich neugierigen Schüler vor.

Die drei DVDs (Wilde Kerle, Bibi Blocksberg, Emil und die Detektive) und die Lindt-Schokolade kamen übrigens top an. Ciao-Kakao! (;

Big city life

Jetzt weiß ich, warum mir Andro davon abegraten hat, in Tiflis Fahrrad zu fahren. Schon auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt fragte ich mich, ob es hier denn keine Verkehrsregeln gibt – es hält sich jedenfalls keiner dran. Hupen gehört dazu wie das Weintrinken. Apropos: direkt gestern waren wir – vier Mädels – bei einer Weinprobe. Mein Favorit: Tvishi-Weißwein. Diekt hinterher gabs dann noch den georgischen Tresterbrand „Tschatscha“ (56%) – brennt ganz schön und sie sind alles andere als sparsam beim Einschenken! :D Vorher waren wir übrigens in einem traditionellen Schwefelbad, welches wir für eine Stunde gemietet hatten. Schlaucht ganz schön, aber ein Erlebnis für sich. Im Winter werde ich das sicher wiederholen.

Ja, das Wetter gerade: Viel zu heiß, wenn man frisch aus Deutschland eingeflogen kommt. Ich schwitz mir hier Momentan echt einen ab bei an die 30 Grad… Deshalb habe ich mir direkt mal meinen Lieblingsplatz am Fenster geschaffen.

Zu meiner Unterkunft kann man sagen, dass mal eine Grundreinigung nötig wäre, was u.a. vielleicht daran liegt, dass es in Georgien unüblich ist die Schuhe in der Wohnung auszuziehen. Ansonsten ist mein Zimmer echt schön und Andro spricht super gut Englisch. Direkt am ersten Tag kamen Freunde von ihm zu Besuch. Dabei hat er gleich man den Bierkrug eingeweiht, den ich ihm mitgebracht habe. Er hat sich mega darüber gefreut. Bis spät in die Nacht haben wir uns über alles mögliche unterhalten – dank dem Kaffee, den er für mich gemacht hat, habe ich durchgehalten, yay.

Folgende Erkenntnisse bis jetzt:
Es wird viel geraucht – Alles ist mega günstig; ein Taxi kostet z.B. höchstens 5 Lari, umgerechnet unter 2 Euro – Wer hier abnehmen will, kann gleich einpacken.

In diesem Sinne: Haut rein!

Wir feiern Abschiedsparty

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So Leute, nun ist es so weit: it’s time to say goodbye. Danke für die nette Abschiedsparty – es war nicht nur echt schön, sondern auch super lecker. Alleine Elkes legendärer Schokoauflauf lässt einen gleich zweimal überlegen, ob man nicht doch lieber hier bleiben soll. Der Rest hat natürlich auch super gekocht! (; Selbstverständlich werde ich euch aber viel mehr vermissen als eure Kochkünste, was echt nicht daran liegt, dass das georgische Essen so gut sein soll.

Jetzt mal Hand aufs Herz: Ich hab euch unglaublich lieb und Angst davor, dass das mit dem Heimweh doch nicht so leicht wird wie sonst.

„How lucky I am to have something that makes saying goodbye so hard.” – Winnie the Pooh

I’m getting ready

P1060056jjEnormer Schlafmangel. Doch da liegt es vor mir, das Ding mit dem Packen. Folgender Satz aus unserer Seminarzeitung „Freisprung“ ist mir trotz völliger Übermüdung im Gedächtnis geblieben: Die beste Art etwas zu tun, ist es zu tun. So habe ich dann eben auch mal meinen Koffer gepackt.

Was nimmt man so alles mit für ein Jahr? Wenn mein Blick über die Haufen auf dem Boden schweift, sind da zehn Tonnen Klamotten für alle Wetterlagen und Anlässe. Okay, ehrlich gesagt liegt das gesamte Innenleben meines Kleiderschranks verteilt im Zimmer herum. Wenigstens kann man bei 12 Monaten Reise keine falschen Entscheidungen treffen, ich werde einfach alles in den Koffer reinfetzen: Wanderschuhe, Top, Jogginghose, Sportschuhe, Badesachen, Winterjacke and so on.

Was normalerweise nicht auf der Packliste steht? Laptop, Fotos für die Wand, die Reiseapotheke, die ich von meiner Tante bekommen habe, und ein Bierkrug (mein zukünftiger Mitbewohner schrieb einmal „I love beer, so if you’ll break a glass or burn a cattle – you can easily coax me with beer“ – damit lag das Mitbringsel aus Deutschland ja wohl auf der Hand). Am Ende doch viel mehr als gedacht. Das ist jetzt ein bisschen peinlich…, aber bitte drückt die Daumen, dass die Leute hinter dem Schalter um fünf Uhr morgens genauso verschlafen sind wie ich und nicht ganz so genau auf die Kofferwaage schauen.

Verzweifelt muss ich über der Unordnung feststellen, dass unser Kaffeevollautomat – so hart es auch ist – nicht mehr in den Koffer passt. Traurig, aber wahr. Folgende Dinge werden schweren Herzens wohl leider auch hierbleiben müssen: Vespa, Schallplattenspieler, Bett, und meine Liebsten!

Für heute grüßt euch, Käpt‘n Chaos!

Hammerfettbombekrass

BeFunky Collage (2)BÄM. Das war das Vorbereitungsseminar oder auch: meine ersten zehn Arbeitstage. Am Brandenburger Werbellinsee traf ich auf 238 weitere Freiwillige. Darunter befand sich übrigens auch die erste „incoming-group“ mit neun Freiwilligen aus der Ukraine, zwei Freiwilligen aus der Republik Moldau und einer Freiwilligen aus Belarus. Ein riesiger Haufen voller spannender Leute. Ich fand das Seminar einfach mega und ehrlich gesagt: mir fällt es richtig schwer diese intensive Zeit in Worte zu fassen. Wir diskutierten, kritisierten, sprachen über Transkulturalität, weiße Privilegien, Postkolonialismus, Rassismus, beschäftigten uns mit nachhaltiger Entwicklung, reflektierten, führten Projekte durch, aßen Kekse, führten lehrreiche Gespräche, lachten, tanzten, teilten spannende Gedanken, spazierten im Wald, starteten nächtliche Schwimmaktionen, wärmten uns am Lagerfeuer. Perspektiven gewechselt? Check. Horizont erweitert? Check. Schon jetzt freue ich mich riesig auf das Nachbereitungsseminar.

Ein Herz für Amelie, funky Jan, Lisa und Adrian!