Archiv für den Monat: April 2015

Ameisen

Ich war heute tatsächlich zum ersten mal auf der Margitsziget (Margareteninsel mitten in der Donau und quasi direkt vor meiner Haustür gelegen) joggen und das wo sie doch der Inbegriff eines Naherhohlungszentrums ist. Mit Freibad, Tierpark, ausgedehnten Grünflächen, Open-Air-Bühnen, Bars, Fahrradverleih, Klosterruinen, Wasserturm, Sportzentrum und einer Tartanbahn immer am Ufer entlang, bei der es sich um DIE Joggingstrecke der Stadt handelt. Sozusagen der Bärensee Budapests. Man sieht vom Pester Ufer immer die Ameisenstraße von Läufern, die sich ihren Weg einmal um die Insel bahnt (etwa 5,3 km) und heute war ich zum ersten Mal Teil des Ameisenvolkes.

Per Anhalter durch Transsilvanien

Wie angekündigt war ich über Ostern zusammen mit Oliver -einem anderen Kulturweitfreiwilligen aus Eger- in Rumänien reisen. Entgegen aller Vorurteile über Deutsche war das eine ziemlich unorganisierte und spontane Angelegenheit, da die nächste Station meist erst ein paar Stunden vor Abfahrt klar war und wir uns den Couchsurfhost immer erst am Tag der Übernachtung gesucht haben.
Letztlich ging es dann von Budapest nach Timișoara – Sibiu – Cluj Napoka – Oradea und über Debrecen zurück nach Budapest. (→ der ist Titel vielleicht ein wenig irreführend, da nur Sibiu und Cluj in Transsilvanien/Siebenbürgen liegen, aber wir sind ja auch nicht nur getrampt …)

Timișoara

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Oradea

Um 7:00 Uhr haben wir am Donnerstagmorgen den Zug von Budapest nach Timișoara genommen, wobei unsere Fahrt auf dem Papier eine Stunde länger dauerte, aufgrund des Zeitzonenwechsels.

Ein Park in Timsoara

Ein Park in Timsoara

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Frühling in Rumänien – Im Hintergrund sieht man die Bega

In Timișoara waren wir beide erst einmal begeistert, als wir uns durch einen der vielen, malerischen Stadtparks in Richtung Zentrum bewegten. Die Natur war hier schon mindestens zwei Wochen weiter, sodass Bäume mit rosafarbenen und weißen Blüten die Wege säumten. Vereinzelt standen schmiedeeiserne Parkbänke am Rand der aufgeplatzten Betonwege, die dem Kitsch Einhalt geboten und so dem Park seinen ganz eigenen Charme verliehen. Dieser erste Eindruck lässt sich ganz gut auf das gesamte Stadtbild von Timișoaras Innenstadt anwenden: Die pittoresken Häuser (oft barock/rokoko oder Jugendstil) stehen in Kontrast zu den aufgerissenen Straßen, da die Hauptplätze sowie nahezu alle Straßen/Fußgängerzonen, die zu den Plätzen führt momentan erneurt werden. Die Stadtmitte ist also gerade offiziell eine Baustelle, nicht das das irgendwen stört; man marschiert hier einfach munter über den Kies, vorbei an aufgetürmten Pflastersteinen die man in einem halben Jahr wohl unter den Füßen hätte.
Ja, Timișoara befindet sich gerade im Ausnahmezustand, aber dieser schadet weder dem Stadtbild, das dadurch den Reiz der gepflegten Verwahrlosung, der Spannung zwischen Traditionellem und Modernisierung erhält, noch dem Nachtleben, welches wir Dank unseres Couchsurfinghosts ausführlich genießen durften.

Tipp: Wenn ihr nach Timișoara kommt, holt euch in der Touriinfo eine Use-it map, die ist wirklich Gold wert (http://www.use-it.travel/cities/detail/timisoara/)

Auch Sibiu, Cluj und Oradea, sind lohnenswerte Städte, aber Timisoara wird mir einfach immer in Erinnerung bleiben. Für weitere Informationen verweise ich an dieser Stelle auf Olivers Blog, da gibt’s auch noch ein paar Bilder: https://kulturweit.blog/goeasteger/2015/04/15/rumaenien-im-schnelldurchlauf/

Duty free shop

Der Duty Free Shop an der ungarisch-rumänischen Grenze (zehn Sekunden zuvor ist da noch ein echter Feldhase entlang gehoppelt)

Definitiv erwähnenswert war auch die Reise zurück, da wir von Oradea nach Budapest trampen wollten (bzw. erst mal Richtung Debrecen). Allerdings scheinen die Autofahrer Skrupel zu haben uns mit über die Grenze zu nehmen (wir könnten ja wer weiß was in unseren Rucksäcken schmuggeln), bis ein Mann Miteid mit uns hatte. Er hatte zuvor ungefähr da wo wir standen gehalten um (verbotener Weise) zu parken und sich mit seiner Freundin auf einen Kaffee zu treffen. Als wir nach einer Stunde immernoch/wieder da standen, hat er uns die zehn Kilometer zur Grenze vorgefahren, von wo wir dann durchs Niemandsland gestiefelt sind, vorbei an den wartenden Autos um unsere Ausweise vorzuzeigen. Hinter der Grenze wurden wir dann von drei rumänischen Jungs im BMW nach Debrecen mitgenommen, die dort einen Kumpel vom Flughafen abholen wollten. So habe ich von Debrecen auch noch ein wenig zu sehen bekommen. Weiter gings dann mit einem Ungarn, der leider kein Englisch sprach, dessen Deutschkenntnisse aber definitiv besser ausgeprägt waren als meine Ungarischkenntnisse (was allerdings auch nicht allzu viel heißt) sodass die Kommunikation hinter Eger (wo Oliver, der durchaus auf ungarisch kommunizieren kann) ausgestiegen ist, eher mit Händen und Füßen ablief.

In Budapest angekommen hatte ich dann noch kurz Zeit unter die Dusche zu springen, bevor es zum Sprachkurs ging um mich anschließend mit meinen Eltern zu treffen. Gemeinsam haben wir in den nächsten Tagen den Burghügel erklommen, das Parlament besichtigt, viel gegessen und waren in den kleinen Städten außerhalb Budapests (Gödöllő, Vác, Szentendre). Schön, dass ihr da wart ♥.

Osterferien

Ab heute habe ich Osterferien und die sollen ja nicht ungenutzt bleiben, daher werde ich morgen das Jüdische Viertel erkunden und ab morgen Abend dann mit zwei anderen Kulturweitlern über die Feiertage Richtung Rumänien reisen. Am  Ostermontag wollen wir wieder in Budapest ankommen und das ist auch gut so, denn ab Dienstag kommt meine Familie für eine Woche zu Besuch (und bringt die von meinen Mitbewohnerinnen heiß begehrte Mikrowelle und Kaffeemaschine mit). Was sie vermutlich schon ahnen: Mit ihnen habe ich vor, das klassische Touristenprogramm in Budapest durchzuziehen (also das Parlament zu besichtigen, auf den Burghügel zu klettern, vielleicht sogar zum Sissi-Schloss raus zu fahren etc), da ich alleine doch nicht so richtig die deutsche Touristin raushängen lasse, zumal ich hier lebe und arbeite.

Soviel erstmal zu den Zukunftsplänen, aber ich habe natürlich auch aus der Gegenwart zu berichten:
Heute ist wie gesagt letzter Schultag und wie es der Zufall so will eben auch erster April.
Das Wetter spielt da wunderbar mit, denn zwischen 12° und 2° Celsius, Regen, Hagel, Sturm und Sonnenschein ist heute wirklich alles dabei. Jaja, der April macht was er will. Im Lehrerkollegium wurde dann auch der ein oder andere Aprilscherz gespielt, oder auch nur vermutet, da die Kassen 2d und 3 vor der ersten Stunde ganz selbstständig und heimlich die Klassenzimmer getauscht haben, sodass die jeweiligen Klassenlehrer zuerst verdutzt feststellen mussten, dass das ja gar nicht ihre Klasse war, die sie da eben begrüßt hatten und anschließend einen Scherz des anderen Lehrers vermuteten. Außerdem munkelt man nun über die Schwangerschaft einer Kollegin, wobei eigentlich alle bis auf einen Lehrer eingeweiht waren. Aber der letzte Schultag vor Ostern hat natürlich noch mehr zu bieten, denn wie es sich gehört wurden auf dem Schulgelände Ostereier versteckt, die es sich allerdings zuvor noch zu verdienen galt. Dazu mussten die Klassen an drei Stationen nach schönster Waldheimmanier beweisen, dass sie sich genauso anstrengen, wie der zuvor Osterhase beim verstecken. So lässt sich der letzte Schultag doch auch verbringen.

Und um den zeitlichen Bogen jetzt noch etwas weiter zu spannen hier auch paar Worte zu den vergangenen Tagen:
Nachdem ich gestern Abend einen ersten Sprachkurs habe, bin ich ernüchtert (das Ungarische wird mich mit Sicherheit noch so einige Nerven kosten) und zugleich hochmotiviert,  in ein paar Wochen nicht nur meine Brötchen bestellen zu können, sondern nebeher auch noch eine kleine Unterhaltung mit der Bäckerin führen zu können. Ich halte ich euch auf dem Laufenden.
In der Metro wurde ich dann von einem alten, fast schon zahnlosen Herrn angesprochen, ob ich deutsch sei (ich hatte mich zuvor auf deutsch mit einer Mitteilnehmerin meines Sprachkurses unterhalten). Ich bejahte, woraufhin er mich auf einen Mann (Vor- und Nachname) ansprach, ob ich ihn kenne und ob er noch lebe. Ich verneinte, da ich den Namen zwar vielleicht einmal gehört hatte, aber er mir absolut nichts sagte. Daraufhin fragte er mich nach Erich Ludendorff. Wir hatten leider keine Zeit mehr richtig ins Gespräch zu kommen (ob nun über die Dolchstoßlegende oder das schöne Budapest, wer weiß), aber diese Zweite Vermutung lässt mich vermuten, dass es sich bei dem ersten Namen ebenfalls um eine historische Persönlichkeit handelt und da die Möglichkeit zu bestehen scheint, dass der Herr noch lebt tippe ich eher auf eine Größe im Nationalsozialismus. Allerdings ist es (erst?) das zweite Mal, dass ich das Gefühl habe, dass Deutsch als erstes mit Nationalsozialismus assoziiert wird (das erste Mal war die Entdeckung eines -zugegeben recht krassen- Denkmals zur Erinnerung an die Opfer der deutschen Besatzung in der Stadtmitte auf dem Freiheitsplatz) und sagt das vielleicht nicht sogar mehr über meine Vorurteile (dass ein älterer Ungar bei Deutschland zuerst an Nazis denkt) aus als über die des Mannes in der Metro ?

Bolero - Györi BalettFür Sonntagabend hatte ich schon seit anderthalb Wochen Ballettkarten Dabei handelte es sich um einen Ballettabend mit vier modernen Stücken von vier ungarischen Kompanien (Pécs, Szeged, Györ und dem Staatsballett das in Budapest beheimatet ist). Ich hatte so einige Erwartungen, da ich von einem Stück, den Komponisten kannte, vom nächsten den Choreographen, das dritte Stück (Ravels Bolero) hatte ich vor etwa einem Jahr gesehen und war sehr gespannt auf eine andere Inszenierung und das letzte war ein reines Männerstück. Es war ein wirklich schöner Ballett abend, aber ich habe auch gelernt, was ich doch am Stuttgarter Ballett habe. Musik aus der Konserve? Undenkbar.
Begleitet wurde ich recht spontan von einem Iraner, den ich beim Pup-Crawl kennengelernt habe und der sich ebenfalls für Ballett interessiert. Wir wollten danach noch kurz was trinken gehen und er hat mich gefragt ob ich Lust auf eine heiße Schokolade hätte (ich war erst ein wenig irritiert, aber wer mich kennt weiß, dass ich dem Thema Schokolade nicht sonderlich ablehnend gegenüberstehe). Wir sind also in eine bár gegangen, die auf den ersten Blick so aussah wie die meisten budapester romkocsma (also die berühmten Ruinenkneipen). Durch einen Durchgang geht es in den Innenhof, in dem dann Tische stehen und weiter in einen überdachten Bereich, mit einer Biertheke. Anstatt dann weiter in das Innenleben der bár vorzudringen, bedeutete Sam mir die Treppen neben dem Tresen runter zu steigen (die wirklich verdammt nach „staff only“ aussahen) und dann den Gang entlang zu gehen. Der Moment der dann fühlte sich an wie eine Mischung aus Alice im Wunderland und Narnia. Ich stand in einem altenglischen Kinderzimmer, zwischen Schaukelpferden und Teddybären standen kleine Tischchen mit Spitzendeckchen und Glashauben unter denen Biscuits schlummerten. Ich war in einem lebensgroßen Puppenhaus gelandet, das in einem Gewölbekeller versteckt lag. Dort habe ich ein unüberteffliche heiße Schokolade getrunken, oder besser gesagt gelöffelt (ich rede hier nämlich nicht von etwas Kakaopulver, das in warmer Milch aufgelöst wurde, sondern von einer wunderschön dekorierten, zart-bitteren Créme, die langsam auf der Zunge zergeht). Auf dem Weg zum Ausgang Richtung Realität und Ruinenpub sind wir an einer Wand voller gerahmter Stöcke vorbeigekommen und vielleicht ahnt es ja schon jemand, aber natürlich handelt es sich bei dieser pittoresken Stube um das „Café“ bei der Bilderreihe „Impressionen“ (genauer gesagt von beschriebener Wand, da sie mich so sehr an die Stocksammlungen meines kleinen Bruders auf Wanderungen erinnert haben).