Grüßt euch, Freunde. Heute möchte ich euch von meiner bissher unbekanten zweiten Identität berichten. Direkt nach dem Zwischenseminar, am 30. April, fuhren Julian und ich nämlich gemeinsam nach Shanghai. Die Fahrt lief einwandfrei. Ganze Zugfahrt haben wir uns Photos und Videos der letzten fünf Tage angeguckt. Dann endlich kamen wir am Hotel an und konnten mit unserm verbliebenen Baren gerade noch das Hotel bezahlen. Allerdings wurde ich kurzerhand in Phutsch umgetauft. Was ich höchst amüsant fand. Aber ich wollte nicht so spießig sein und den fast überforderten Rezeptionisten alles nochmal machen lassen. Als wir unser Zeug und ich obendrein meine Identität abgeladen hatten, machten wir uns auf den Weg, um einen Geldautomaten zu suchen. Schon zu Beginn war es uns ein wenig seltsam vorgekommen, dass so wenige Leute auf den Straßen waren, doch als wir dann über die Nanjingxilu (die Nanjinglu ist eine Einkaufstraße in Shanghai mit H&M, American Eagle, American Apparel, GAP und vielen vielen weitern bekannten Läden) liefen und nur zwei Menschen begegneten wunderten wir uns doch schon.
Weil wir sehr hungrig waren gingen wir alsbald in ein Restaurant namens „Bro’s Wasabi“, also einen Japaner, was sich im Nachhinein als eine sehr gute Entscheidung entpuppte, denn dort war das Essen sehr gut und verhältnismäßig günstig. Außerdem hatte ich mit meinen minimalen Japanischkenntnissen schon gleich einen Stein bei den Bedienungen im Brett. Julian und ich beschlossen dort noch öfter hinzugehen, was wir auch in den nächsten Tagen taten. Als Abendprogramm liefen wir fast die gesamte Nanjinglu ab und dann wieder zurück ins Hotel.
Unser Touristenprogramm habe ich größtenteils vergessen, weil die meißten Empfelungen im Lonely Planet einfach langweilig waren. Das beste Beispiel dafür war wohl das „Shanghai Post Museum“. Außerdem waren die Orte im Reiseführer so schlecht verzeichnet, dass wir die meißten Dinge erst ca. zwei Stunden suchten und dann doch wo anders hin gingen, was wir dann auch wieder suchen mussten. Die Taxifahrer waren sowieso keine Hilfe. Ich hatte das Gefühl, dass die die Stadt selber nicht kennten. Aber vielleicht hatten die auch einfach keine Lust uns herumzufahren, immerhin sind wir Ausländer. Womit wir auch schon beim nächsten Punkt wären: Man kann sagen was man will, die meißten Shanghainesen sind wirklich unfreundlich, das sagen schon die übrigen Chinesen, aber in Shanghai ist es wirklich passiert, dass wir als „Scheiß Außländer“ bezeichnet wurden. Auf der anderen Seite war es auch mal ganz schön, dass ich nicht mehr an jeder Ecke angestarrt, photogrphiert oder sogar verfolgt wurde. Letztendlich bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass ich nicht so gerne in Shanghai leben würde, jedenfalls nicht im „Westlichen“ Teil der Stadt.
Es folgt eine nicht-chronologische Abhandlung unserer Erlebnisse in Shanghai:
Toll waren die Treffen mit Freunden. So war zum Beispiel ein Schüler von Julian aus Xi’an in Shanghai. Sein Name war Leo. Wir trafen uns nach einem sehr interessanten Besuch im Foreign Bookstore am People’s Square und verbrachten den Nachmittag gemeinsam in den Yu-Gärten, die voller Touristen sind und überhaupt keinen kulturellen Wert mehr zu haben scheinen, und am Bund, wo sich eine Menge Leute herumtrieben und zu meiner Freude auch viele Meinüs, die zu meinem Wohlgefallen auch immer gerne Photos von mir, dem blonden Shuaige, haben wollten. Dann gingen wir in das oben bereits erwähnte grandiose Postmuseum. An den übrigen Tagen trafen wir uns noch mit Fritzi, Sarah und Michelle, die eigentlich mit uns zum Friseur gehen wollte, denn ich dachte mir, dass ich eine weibliche Aufsicht gebrauchen könnte. Und das stimmt auch, denn, da Michelle leider nie Zeit für uns hatte, musste ich mir meine Mähne in Nanjing verhunzen lassen, aber dazu später mehr. Recht interessant war übrigens das Propaganda-Art Museum. Auch wenn es eher eine Posterausstellung war mit ganz schönen Motiven. Leider durften wir keine Photos machen, aber ich habe gehört, dass ein Schlingel, den ich hier nicht anprangern möchte, trotzdem welche gemacht hat.
Am vorletzten Abend gingen wir auf den Jinmao-Tower und gaben uns gediegen luxuriös und dekadent. In unsere feinsten Gewänder gehüllt betraten wir den Turm. (Für alle die sich fragen, welcher das ist: Es ist der neben dem Flaschenöffner. Außerdem kommen noch Photos.) Dann mussten wir die richtigen Fahrstühle finden. Garnicht so einfach, wenn man bedenkt, dass man vier mal umsteigen muss. Egal. Nachdem wir dann oben unseren feinen Getränke geschlürft und die Aussicht genossen hatten gingen wir in eine Schwulenbar. Moment. Haben wir was verpasst? Ne, nicht wirklich. Sarah hat ein paar Freunde angerufen und wir sind zu ihnen gefahren. In eine Schwulenbar eben. Da musste ich dann immer den Interessenten erklären, dass ich eigentlich hetero bin. „Ja, nee. Ich bin nur wegen der Musik hier.“ oder „Ich habe einen Freund in Deutschland.“ oder „Eigentlich wollte meine Freundin hier nur was trinken und wir sind einfach hier reingegangen.“ etc. Ein bisschen wie in „Harry Potter und ein Stein“ („Ich bin nicht schwul. Ich mochte die Musik vom Film.“) hach ja. Das war lustig. Davon mal abgesehen, war die Musik viel zu laut um sich zu unterhalten und so gingen Juli und ich bald auf unser Zimmer. Apropos Juli. Wie man schon auf unserem Bild aus Hangzhou geseh hat, stehen wir beide uns sehr nahe, was sich auch an dem Punkt bezahlt gemacht hat, als wir in einem Cafe saßen, aber nur um zu sitzen, weil alles so teuer war. Die Beienungen wollten uns jedenfalls was andrehen, also habe ich eine Kugel Eis bestellt und ihnen gesagt, sie sollen mir doch bitte zwei Löffel geben. Dann haben Julian und ich uns natürlich total hetero und brüderlich das Eis geteilt. Keine Sorge liebe Mama von Julian, ich habe gut auf ihren Sohn achtgegeben.
Am letzten Abend gönnten wir uns nochmal unglaublich gute Maki mit Lachs bei Bro’s Wasabi (ist übrigens an der Kreuzung Xikanglu-Beijingxilu, wenn ich mich nicht irre) danach trafen wir uns mit Sarah und Fritz in einem Tanzlokal namens „dada“ dort verbrachten wir einen schonen Abend, trafen interessante Leute und tranken ein wenig. Dann ging es nach Hause und am nächsten Morgen packten wir gemeinsam unsere Sachen. Ich verabschiedete mich von Julian kurz vor Mittag und checkte kurz darauf aus und schlug die restliche Zeit in der Hotellobby tot. Ein kleiner Junge hat auch mit mir geredet, war sehr süß mit einem Dreijährigen zu sprechen. Dann fuhr ich zurück nach Nanjing. Dort angekommen, ging ich zurück in meine Wohnung und dachte über die vergangenen Tage nach.
