China-Philipp: Sein Blog

XIII Topmodell

Der Donnerstag, meine Lieben, war einer dieser Tage, auf den ich mich sehr freute, denn an diesem würde ich – nun schon zum zweiten Male – den Filmabend betreuen. Auf dem Programm stand „Das weiße Band“ von Michael Haneke. Zugegebenermaßen nicht unbedingt der am einfachsten zu verfolgende Film, vorallem für Deutschschüler. Aber neben dem wieder anwesenden deutschen Paar, waren auch drei Schüler, die ich schon im Kurs von Roland und Ting kennengelernt hatte, die ganze Zeit über anwesend. Als der Film zu Ende war, sprachen die drei, wie aus einem Munde: „Philipp, wir verstehen diesen Film nicht.“ Da musste ich ein wenig lachen und setzte mich mit ihnen zusammen, um die Handlung noch einmal verständlich für sie zusammenzufügen.

Während wir so im Gespräch waren, klopfte es plötzlich an der Tür und eine der Lehrerinnen erschien. „Philipp“, fragte sie „kannst du mir einen Gefallen tun?“, den Kopf halb durch die Tür gestreckt. „Natürlich“, gab ich selbstlos und menschenfreundlich, wie ich nun einmal bin, zurück. Erfreut gab sie mir mit einem Kiechern zurück: „Eine meiner Schülerinnen findet dich so hübsch, sie möchte gerne ein Foto von dir machen.“

ACHTUNG: DRAMATISCHES PRÄSENS! Das wurde aber auch Zeit, sage ich im Stillen zu mir selbst und begebe mich auf dir Türe zu, um meine Pflicht zu erfüllen, die mir dieser Freiwilligendienst auferlegt hat. Die Vermitllung deutscher Kultur ist mir sehr wichtig, wichtiger als mein eigenes Leben. Also gehe ich ohne innezuhalten weiter, in dem Wissen, dass ich, sollte es nun zu Ende gehen, das Richtige getan habe und ohne Reue mit einem Lächel im Gesicht von euch, von meinen oh so treuen Begleitern, gehen kann. Unerschüttert erreiche ich die Tür. Hinter ihr befindet sich mein Schicksal, mein Weg, meine Bestimmung, meine Mission. Während ich durch das kleine Fenster spähe und die Meute an jungen Frauen sehe, ergreife ich fest entschlossen mit meiner Linken den Türknauf. Ja, sollte dies tatsächlich das Ende sein, dann würde es ein gutes Ende. Angespornt durch diese Erkenntnis erfahre ich den gewaltigsten Adrenalinschub, den je ein Mann erfahren hat, umklammere den Türknauf noch fester und beginne ihn zu drehen. Mit einem hässlichen Quietschen fügt sich dieser meiner Kraft und ich ziehe die Tür zu mir herran, trete mit meinem linken Fuß aus dem Weg, damit ich ihn nicht selbst durch die unglaubliche Kraft in meinem Arm zerschmettere, denn obwohl ich so mächtig bin, bin ich nicht dumm. Hybris hat schon so manchen Titanen zu Fall gebracht, aber mich wird dieses Schicksal nicht ereilen, nein, mich nicht.

So stehe ich dort also, parallel zur Tür, die linke Hand immernoch mit den Fingerspitzen am Türknauf, mit gesenktem Blick, so dass mein Gesicht im Schatten meines wallenden, güldenen Haupthaares nicht mehr zu erkennen ist. Ich atme schwer. Das herrliche Geräusch von Männlichkeit, die über Metall reibt, zerreißt die Stille, die sich unter den Anwesenden aufgetan hat, während meine heißen Fingerspitzen langsam vom Knauf gleiten, der nun an den Stellen, an denen ich ihn ergriff, hellorange glüht. Mit einem leisen Zischen tropft ein Bisschen flüssiges Metall auf den Fußboden und erhärtet dort langsam in der Form eines Pinguins. Immer noch schwer atmend blicke ich auf meine linke Handfläche, die schwarz und verkohlt ist. Um den Schmerz zu unterdrücken, balle ich sie zur Faust. Ein kleines, rotes Rinnsal läuft zwischen meinen Fingern hindurch und tropft zu Boden. Der Schmerz zehrt an meiner Überzeugung, während ich weiterhin mit gesenktem Blick dort stehe, die kalte Frühlingsluft einsauge und wieder zu Sinnen komme. Mein muskulöser Brustkorb hebt und senkt sich nun immer weniger und mein Herzschlag beruhigt sich, der Blutfluss aus meiner Handfläche ebbt ab. Ich hebe langsam den Blick, packe mit meiner Rechten den Türrahmen und trete auf die Türschwelle.

Ich erhebe den Kopf soweit, dass alle meinen entschlossenen Blick sehen können. So verharre ich nur wenige Millisekunden, die sich anfühlen, wie eine ganze Lebensspanne, in denen ich weltbewegende Erkenntnisse gewinne. Schließlich öffne ich den Mund, eine Windböe zerzaust mein Haar und lässt mein offenes Hemd, dass meinen braungebrannten, adonisgleichen Oberkörper nicht mehr verhüllen konnte, im Wind flattern und ich sage mit basslastiger und im Gebäude wiederhallender Stimme: „Hi, wer ist die erste?“

An den Rest erinnere ich mich nurnoch bruchstückhaft. Die kichernden jungen Frauen, die vielen verschiedenen Handykameras und das wilde Gebrabbel vermischt mit meinem charismatischem Lachen. Als alles vorbei war, ging ich vom Schlachtfeld. Ich hatte gesiegt. DRAMATISCHES PRÄSENS ENDE!

Am nächsten Morgen stand ich mit schmerzenden Gliedern um sechs Uhr auf, damit ich um sieben im SLZ sein könnte, um in Deutschland pünktlich um null Uhr Geburtstagsgrüße übermitteln zu können. Als das getan war, war ich so müde, dass ich doch noch einmal nach Hause ging, um ein bisschen zu schlafen.

Ansonsten bis heute, Sonntag, keine besonderen Vorkommnisse. Heute ist das Wetter wieder schön geworden. Ich denke, das werde ich noch ausnutzen, denn morgen mache ich mit Helene und Helmut einen kleinen Ausflug.

In Zuneigung,
Euer euch heiß und innig liebender Philipp

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