China-Philipp: Sein Blog

V Blut – Heute fällt nicht nur der Regen

Moin Moin! Der Grund für diesen reißerisch-makaberen Titel ist ein kleines Unglück, dass mir gerade wiederfahren ist. Heute war ganz normal, bis auf zwei Dinge: Eine Verfügung vom GI und ein blutiges Abenteuer. Um euch noch weiter auf die Folter zu spannen Um die Chronoligie der Ereignisse beizubehalten, stelle ich dieses kleine Malleur hinten an und erzähle der Reihe nach. An alle mit schwachen Nerven: Ich habe euch gewarnt. Hiermit.

Es begab sich aber zum selben Tage, an dem ich gerade von meinen lakonischen Wohnverhältnissen schrieb, das ich den Lehrer Ting am Nachmittage in seinem Unterricht unterstützte. Die Kursteilnehmer kannte ich alle schon, denn sie waren auch schon von Roland in meinem Beisein unterrichtet worden. Wir machten gerade sogenannte Wortschatzübungen, als Helene hereinkam und mir eröffnete, dass ich doch auf Verfügung des GI auf Kosten meiner Einsatzstelle nach Beijing fahren könne. Ein freudiges Jauchzen entfuhr mir und ich machte mich mit Helene an die Organisation meiner Reise (d.h. soviel wie: Helene hat organisiert und ich habe gesagt, ob mir das passt). Freudig schrieb ich noch schnell eine Mail an meinen Bruder, der in Beijing für dieses Semester studiert, und ging dann in den Unterricht zurück.

ACHTUNG! DRAMATISCHES PRÄSENS! Es ist genau so wie jeden Nachmittag um vier Uhr. Ich gehe aus dem wohltemperierten Büro auf den Gang. Durch die Türfenster sehe ich die fleißigen Studenten ihre Deutschlektionen durchgehen und ein glückliches Lächeln umspielt meine Lippen. Der plötzliche Anflug von Kälte außerhalb des Büros lässt mich erschaudern. Ich ziehe die Nase leicht hoch, weil sie trotz meines starken Imunsystems ein kleines Bisschen läuft. Ich betrete den Unterrichtsraum, in dem Ting den Studenten gerade die deutsche Sprache näher bringt. Im Lehrbuch geht es gerade um Volkshochschulen. In diesem Kontext stellen Ting und ich die Anmeldestelle in einer solchen Institution dar. Der Reihe nach kommen die Pseudo-Kursanwerter an meinen fiktiven Schalter und melden sich für verschiedene Kurse an, die ich auch noch freundlich und gespielt interessiert hinterfrage, bevor ich ihnen „auf Wiedersehen“ sage und in bester deutschen Behördenmanniere „Nächster!“ brülle. Dafür ernte ich von allen heiteres Lachen und lache mit. Ting fragt mich sogar scherzhaft, ob ich meine Tage hätte. In Gedanken liege ich lachend auf dem Boden. Ein Tag, wie er schöner nicht sein könnte. Ich schniefe kurz, doch ich bin glücklich hier zu sein. Mit dem kleinen Rollenspiel endet der Unterricht und ich gehe mit Ting essen.

Als wir das Gebäude verlassen, regnet es einigermaßen stark. Aber mich als Hamburger Jung kratzt das nicht sonderlich. Nachdem wir über die breite Shanghai Lu (Lu = Straße) gegangen sind, gehen wir noch kurz weiter und öffnen die Tür zum Restaurant. Noch einmal muss ich schniefen und betrete das Etablissment. Ting bestellt für uns beide die Spezialität des Hauses und lädt mich sogar ein. Ich bedanke mich überschwänglich und setze mich mit ihm an einen Tisch. Das Essen kommt auch schon nach einer Minute. Es ist Bratreis mit Hackfleisch, Tomaten, Tofu und Gemüse. Obendrauf liegt ein einfaches Spiegelei. Gierig greife ich zu den Stäbchen, wünsche Ting einen guten Appetit und fange an zu essen. Es ist köstlich. Die unerwartete Schärfe lässt meine Nase kribbeln. Mitten im Satz spüre ich, wie mir etwas aus der Nase läuft. Ich kann es nicht aufhalten, versuche es dennoch verzweifelt. Ich greife zu den Papierservietten auf dem Tisch, doch da sieht mich mein Gegenüber schon entgeistert an. Das Entsetzen steht ihm aufs Gesicht geschrieben, während er nur ein Wort sagt: „Blut.“

Blut. Wo? Wie? Dann die Erkenntnis. Mein Blut. Ich drücke mir das Papiertuch auf die Nase. Ich sage Ting das alles in Ordnung ist und beruhige ihn. Scherzhaft sagt er: „Du hast ja doch deine Tage.“ „Sehr witzig“, sage ich ihm, aber die Zeit drängt. In diesem Restaurant gibt es kein Bad, also muss ich in meine Wohnung, die glücklicherweise direkt auf der anderen Straßenseite liegt. Die Serviette immernoch ins Gesicht gepresst, laufe ich hinaus in den Regen, auf die Straße. Blut vermischt sich mit Regenwasser und läuft meinen linken Arm herunter, während ich verzweifelt versuche mir einen sicheren Weg zwischen den langsam fahrenden Autos auf der breiten Straße zu bahnen. Mein Herz pumpt wie wild, als mir ein PKW fast über den Fuß fährt. Die Hälfte der Strecke ist geschafft. Ich gehe weiter und ein riesiger Bus rast auf mich zu. Mit einem großen Satz bringe ich mich in Sicherheit auf den Bürgersteig und laufe zum Treppenhaus. Ganz oben angekommen, versuche ich, vor meiner Tür stehend, den Schlüssel mit einer Hand aus meinem Portemonnaie zu friemeln, während ich mit der anderen weiterhin den schon blutgetränkten Batzen auf mein Nasenloch presse. Endlich habe ich es geschafft. Ich stürze ins Haus. Ohne mir die Schuhe auszuziehen laufe ich ins Bad und merke: „Scheißeade! Kein Klopapier.“ Ich reiße mir die Jacke vom Leib und suche verzweifelt in meinen Taschen nach Taschentüchern. Immernoch mit einer Hand, werde ich endlich fündig. Ein Glück! Die Rettung! DRAMATISCHES PRÄSENS ENDE!

Nach etwa zwanzig Minuten war es mir endlich gelungen, die Blutung zu stillen und das Haus wieder zu verlassen. Ting hat mir freundlicherweise das Essen einpacken lassen und ins Sprachlernzentrum gebracht. Ich esse in dem Wissen, dass ich morgen nach Beijing fahre. Ich lebe noch. Vorerst.

Die mobile Version verlassen
Zur Werkzeugleiste springen