Konichiwa meine lieben Freunde. Der Samstag war recht lame. Ich bin ungefähr drei Stunden mit meiner Mentorin Helene durch verschiedenste Wohnungen getourt, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass ich wohl doch gerne ein Klo haben möchte, dass nicht unterm Duschkopf ist, überhaupt wäre ein Klo, dass kein Eigenleben zu führen scheint, nicht schlecht. Abgesehen davon war da noch eine echt verdammt schöne Wohnung, die aber viel zu teuer war, natürlich. Aber angeguckt haben wir sie trotzdem, weil alle chinesischen Wohnungsvermittler der Meinung sind, dass ich alles kaufen kann, wann und wo ich will. Schön wärs. Hinzu kam auchnoch, dass mir einer einen Becher mit kochendem Wasser gab, der ein Loch hatte. also habe ich mir erstmal schön die Hände verbrüht, heute ist es aber schon nicht mehr zu spüren.
Nachdem ich mit meinen Eltern über Skype die Finanzen geklärt habe, entschied ich mich für eine Wohnung um die Ecke von meinem Arbeitsplatz. Unangenehm ist nur, dass man so viel im Vorraus zahlen muss. Ich bin gerade mal drei Tage hier und habe schon fünfhundertausendmillionenmilliardenbillionen Yuan ausgeben müssen, was etwa der 3. Ableitung von 300 000 x³ – 45 245 y² -777839 z + 500 Lira entspricht, glaube ich. Aber wenigstens habe ich jetzt bis März meine feste Bleibe bezahlt. Ganz praktisch ist, dass ich mit der Vermieterin zusammenwohne. Ihr Name ist Hanan, sie spricht sogar ein bisschen Englisch. Ich schätze sie so auf Ende zwanzig. Sie gab mir schonmal die Schlüssel, damit ich die Haustür und, ich nenne es mal Verandatür, öffnen kann.
Im folgenden möchte ich beschreiben, was daraufhin geschah: Die schöne, hölzerne Haustür war kein Problem für mich, da ich im Umgang mit Schlüsseln und Türen durchaus bewandert bin. Souverän ließ ich den Schlüssel im Schloss kreisen und als Bestätigung meiner meisterhaften Handhabung ließ sich die Tür nach einem leisen Klacken problemlos öffnen und auch schließen. Von jugendlichem Übermut gepackt schritt ich zur äußeren Tür, um mir auch diese Untertan zu machen und meinem imaginären Königreich einzuverleiben. Noch voll der Erregung, die mir der Adrenalinschub, nach der erfolgreichen Unterwerfung der zu verschließenden Schwenkwand, verpasst hatte, steckte ich den anderen Schlüssel ins Schloss. Stille. Ich klemmte den Schlüssel zwischen meinen Daumen und Zeigefinger und versuchte ihn zu drehen. Er bewegte sich kein Stück. Ich versuchte es wieder. Nichts. Drehte ich überhaupt in die richtige Richtung? Selbstzweifel überkamen mich. Mein Griff um den Schlüssel lockerte sich. Sollte das das Ende meiner ach so wundervollen Legislaturperiode sein. Hilfesuchend und fragend drehte ich mich zu Helene um, die mir bedeutete, es weiter zu versuchen. Von neuer Zuversicht entflammt griff ich meinen kleinen Widersacher wieder fester und drehete ihn mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte. Zufrieden merkte ich, wie er nachgab und sich langsam drehte. Plötzlich erfüllte ein grausames Knacken die Luft. Ich sah herab auf meine Hand und merkte, dass ich mit meiner übermenschlichen Kraft den Schlüssel abgebrochen, ja sogar abgerissen hatte. Das hatte ich nicht gewollt. War ich ein Tyrann geworden, hatte ich mich an der Macht überfressen? In dieser Sekunde beschloss ich meiner selbsternannten Herrschaft ein Ende zu setzen, denn zu groß war meine Macht, als dass ich sie hätte gefahrlos einsetzen können. Entgeistert und schockiert richtete ich das Wort an die Anwesenden: „Zhe shi shenme yaoshi?“ (=Was ist das für ein Schlüssel?) Doch die lachten nur und jetzt lässt Hanan einen neuen machen, glaube ich. Bis dahin muss ich jedenfalls durchs Fenster greifen, um die Tür von innen zu öffnen. Ich bin mal gespannt, wie das wird…
Jetzt herrscht in meiner Brieftasche jedenfalls gähnende Leere und ich fühle mich trotz des schönen Wetters schlecht. Morgen geht Helene mit mir zur Polizeistation, um meinen neuen Wohnsitz zu melden. Und dann kann ich hoffentlich anfangen zu arbeiten. Viele Lehrer habe ich gestern und heute kennengelernt. Die sind alle unglaublich freundlich, aber ich habe die Befürchtung, dass niemand mich bei meiner Aufgabe leiten wird oder kann. Naja. Wir werden sehen. In meiner Tasche tummeln sich karge 59 Yuan und 5 Mao. Das sind etwa fünf Euro. Aber in den nächsten Tagen werde ich alles erledigt haben und dann kommt lange nichts mehr. Wie sagt man so schön: Aller Anfang ist schwer. Ich hoffe Xavier Naidoo hat Unrecht und es bleibt auch beim Anfang!
Ich verabschiede mich für diesen Bericht mit einem freundlichen Saionara!
Hi mein lieber Philipp,
ich wusste gar nicht, wie gut Du schreiben kannst. Es macht Spaß zu lesen, Du Ironese.
Liebe Grüße aus der Heimat
Michael
Hallo,
es freut mich sehr, dass meine Art zu berichten gefällt!
Ich hoffe ihr seid wohlauf.
Alles Gute in die Heimat
Philipp
Das ist mal ein gut geschriebener Artikel, vielen Dank. Muss man erstmal verarbeiten. Generell finde ich den Blog leicht zu verstehen und bequem zu lesen.