Am letzten Montag war Projekttag des deutschsprachigen Klassenzuges. Jede Klassenstufe beschäftigte sich an diesem Tag mit einem Thema der ungarndeutschen Volkskunde. Die 12. Klasse hatte das Thema „ungarndeutsche Literatur“, in der 11. Klasse wurden Teile der ungarndeutschen Geschichte besprochen, die 10. Klasse beschäftigte sich mit Musik und Tanz der Ungarndeutschen und die 9. Klasse unternahm einen Ausflug in ein ungarndeutsches Dorf. Wie ihr euch, aufgrund des Titels, bereits denken könnt, habe ich an dem Ausflug teilgenommen und bin zusammen mit der 9. Klasse und noch zwei weiteren Lehrerinnen nach Liptód gefahren, ein von Pécs 40km entferntes Zweihundertseelendorf.
Das Wetter war herrlich: Blauer Himmel, Sonnenschein, laues Lüftchen – ideal für einen Ausflug. Nach einer etwa dreiviertelstündigen Fahrt kamen wir in Liptód an und wurden von einem der Dorfbewohner in Empfang genommen. Er führte uns den kurzen Weg die Hauptstraße entlang bis zu einem weißverputzten Bungalow mit großem Garten (Wiese). Mir fiel sofort auf, dass die Ziegelsteine, mit denen gepflastert und gebaut worden war, alle offenbar aus Manufakturen stammten, denn sie besaßen unterschiedliche Prägungen, Buchstabenfolgen, Initialen, Logos. Auch viele andere Dinge, Holzbalken, waren unverkennbar in Handarbeit gefertigt worden. Gefiel mir gut.
Die Klasse (20-25 SchülerInnen) wurde in zwei Gruppen geteilt. Die eine Gruppe blieb beim Haus, die andere Gruppe, welcher ich mich anschloss, machte sich auf einen Rundgang durchs Dorf. Es ist an einem (recht steilen) Hügel gelegen, auf welchem sich der Dorffriedhof befindet, die Grabsteine kann man schon aus der Ferne sehen. Ein kleiner Bach fließt parallel zur Hauptstraße. Alles war sehr friedlich, nur Hundebellen, hier und da, zerrüttelte die Ruhe. Wir besichtigten ein ungarndeutsches „Museumshaus“, eingerichtet, wie es vor ein paar hundert Jahren üblich war.
Dann gingen wir zurück zum Haus und die Gruppen wechselten. In der Küche waren zwei ältere Frauen mit der Zubereitung des Mittagessens beschäftigt. Dort packten wir (mehr oder weniger) mit an. Ein Hefeteig wurde zubereitet, geknetet, in Stücke geteilt, zu Kugeln geformt, auf einen Tisch unter ein Tuch, zum Ruhen gelegt. Nach einer Weile wurde der Teig weiter bearbeitet, die einzelnen Stücke auseinander in die Länge gezogen, mit Fett bestrichen und Semmelbröseln bestreut. Längs zusammengerollt und schließlich zu einem hübschen Knoten geformt in eine Pfanne gelegt. Mit Wasser aufgegossen, auf den Herd gestellt, gegart.
Bis zum Essen war noch einige Zeit und diese wurde für einen weiteren Spaziergang genutzt. Wir besichtigten die Dorfkirche und erfuhren teils auf Deutsch, teils auf Ungarisch einiges über die Geschichte des Dorfes. In der Kirche wurde in Form von wunderschönen Holzreliefbildern die Geschichte der Kreuzigung Jesu erzählt, mit Untertiteln in deutscher Sprache. Anschließend bestiegen wir noch den Friedhofshügel und besichtigten danach eine Kunstausstellung. Dazu muss ich sagen, dass ich eine Ausstellung der Art, wie wir sie dort besucht haben, in diesem Dorf nicht vermutet hätte! Es gab viele Skulpturen – aus Holz und Metall, die Köpfe meist Tierschädel. Sie wirkten auf mich etwas abschreckend, erschreckend. Außerdem beherbergte die Ausstellung noch weitere zeitgenössische Kunstwerke (Gemälde, Figuren, …).
Schließlich gab es Mittagessen. Die fertigen „Hefeknödli“ und dazu eine Bohnen-Suppe, in der zu meinem Missfallen auch kleine Fleischstückchen waren. Ja, als Vegetarierin hat man es nicht immer leicht… Ich habe mich dann damit abgefunden, die besagten Stückchen einfach zu entfernen und trotzdem von der Suppe zu essen.
Um kurz vor halb drei kamen wir wieder in Pécs an. Pünktlich zur Probe der Theatergruppe war ich also wieder zurück. Dazu vielleicht ein andermalmehr.
Auch noch zum Thema „Ausflug“, ein kurzer Nachtrag: Vor anderthalb Wochen, an einem Samstagvormittag, wurde ich zusammen mit einigen anderen DeutschlehrerInnen aus Pécs nach Siklós (südlichste Stadt Ungarns) gefahren. Dort fand im Gebäude einer Grundschule ein ungarndeutscher Rezitierwettbewerb für SchülerInnen von der 5. bis zur 8. Klasse statt. Für die Juroren (zu denen auch ich gehörte) gab es Speis und Trank, vor, nach und zwischen den einzelnen Programmpunkten.
Die Schüler waren nach ihrer Klassenstufe in Gruppen eingeteilt. Ich war mit zwei anderen Lehrerinnen in der Jury für die Sechstklässler. Es traten 12 SchülerInnen gegeneinander an. Jeder trug entweder ein Gedicht oder eine Geschichte auswendig vor. Mir hat es Spaß gemacht zu zu hören. Einige Kinder waren wirklich sehr gut und haben ihre Worte mit Gestik und Mimik untermalt. Andere haben eher „aufgesagt“. Aber allgemein eine wirklich große Leistung in einer Fremdsprache auswendig einen Text (und die waren nicht kurz!) vorzutragen. Als Jury mussten wir dann natürlich Punkte vergeben (aber nicht öffentlich) und die fünf besten Kanditaten sind „eine Runde weiter“ gekommen und durften sich einer weiteren Jury stellen. Am Ende gab es eine kleine Ehrung für die SchülerInnen, die sich für den Landesrezitationswettbewerb in Budapest qualifiziert haben und sie trugen noch einmal ihre Texte vor. Neben den Alterskategorien gab es auch noch die Kategorie „Mundart“; die SchülerInnen, die in dieser Kategorie angetreten sind, haben sogar Trachten getragen und dann etwas in ungarndeutschem Dialekt vorgetragen. War irgendwie ulkig.