Kinder! Ich befinde mich noch auf Reisen, bin momentan am Pazifik in Valparaiso in Chile und genieße die wunderbare Stadt! Bisher wirklich eines der Highlights in Südamerika für mich! Den folgenden Artikel habe ich bereits Anfang Dezember geschrieben, aber aus einem mir nicht mehr ganz nachvollziehbaren Grund habe ich ihn nicht mehr vor der Abreise aus Buenos Aires veröffentlicht (Ich glaube es lag an den noch immer fehlenden Fotos). Mir geht es top und ich werde euch hoffentlich auch in ganz naher Zukunft mit Reise Artikeln und Fotos erfreuen können. Jetzt aber erst einmal viel Spaß mit diesem nicht ganz einfach zu lesenden Artikel.
Euch wird es aufgefallen sein, in der letzten Zeit kommt nicht mehr soviel persönliches aus meinem Alltag. Ich vermisse Auto fahren. Mir kommt es so vor, als wenn alles verblasst. Als ich ankam war alles wie in einem LSD-Rausch: neu, bunt, laut, verrückt, ungreifbar. Ich vermisse es normal(e) Schuhe zu kaufen. Jetzt wird allmählich alles zur Rutine, ich habe mich eingelebt. Wenn ich in die Stadt fahre, fahre ich ohne Kamera los, auch wenn es oft spannende Motive gibt. Aber in Hamburg gehe ich ja auch nicht mit einer Kamera einkaufen, oder in eine Bar. Ich vermisse kurze Distanzen. Und ich möchte natürlich auch nicht immer und überall als Tourist auffallen, der ich auch gar nicht bin. Ich vermisse Minusgrade. Als Ausländer reicht es schon. Deshalb versuche ich mich möglichst einheimisch zu bewegen. Allerdings scheint mein Konzept bei den Porteños noch nicht so angekommen zu sein. Ich vermisse den deutschen Wein. Letzte Woche stand ich abends im halbdunkeln an einem Kiosk, und bevor ich meinen Mund aufmachen konnte, fragte er mich: “Where are you from?”… gescheitert. Ich vermisse Grünkohl. Am Samstag bestellte ich mit ein paar Freunden aus der Sprachschule (Belgier, Ire, Holländerin, Kameruner!!!) an einem Kiosk, und nachdem die Holländerin ihre Bestellung aufgegeben hatte (nachts sind die Kioske zu, man bestellt an der Tür), fragte der Verkäufer: “Seid IHR Deutsch?” Nachdem ich es für meinen Teil bestätigte, wurde der Rest des Einkaufs in gebrochenem Deutsch vollendet. Ich vermisse die Fleischpreise.Womit ich mich auch schnell verrate, ist die in Europa modische Kurier- oder Umhängetasche. Man vertraute mir an, dass sowas nur Europäer und Schwule tragen. Ich vermisse die deutsche Herzlichkeit. Zu was ich gerechnet werde, lass ich jeden selbst entscheiden.
Anderes Thema: Wettervorhersage. Kompliziertes Thema. Laut Vorhersage regnet es nun schon seit vier Tagen. Fakt ist: wir hatten 0,0mm Niederschlag. Aktuelle Temperatur anzeigen: Ja, möglich. Ich vermisse gute Bratkartoffeln. Wetter vorher sagen: Unmöglich. In meinen gut neun Wochen in Argentinien hat der Wetterbericht ausnahmslos versagt. Selbst ein Maulwurf kann vorhersagen, dass es in den nächsten drei Stunden nicht regnen wird, wenn es draußen 35°C sind und keine Wolke am Himmel ist. Und es scheint mir, das die Wetterfrösche heilig für die Argentinier sind. Ich vermisse den Herbst. Man darf die Vorhersage auf keinen Fall kritisieren, oder anzweifeln. Heute hab ich in der Schule gefragt, wo der Regen am Wochenende geblieben ist. Ich vermisse gute Clubmusik. Die Antwort: “Aber es wird heute regnen! Und ihr Deutschen könnt eh immer nur meckern…” (kurze nüchterne Angabe zum Wetter: Sonntag 35°C, 84% Luftfeuchtigkeit. Reine Fakten des Wetterdienstes.) Ich vermisse Ofenwärme.
Womit wir beim nächsten Thema wären. Viele Argentinier behaupten, dass die Deutschen viel meckern. Ich vermisse es, nicht als Ausländer aufzufallen. Das mag eventuell auch stimmen, wenn man als Gegenseite das glücklichste Volk der Erde nimmt (irgendein Südseeinselkaff). Aber nicht wenn man die Argentinier als “Gegner” hat. Ich vermisse deutsche Gastfreundschaft. Es mag sein, dass Deutsche sich ab und an kritisch äußern, aber wer tut das nicht? Die Argentinier zumindest genauso wie die Deutschen. Der Unterschied: Wir versuchen was zu ändern. Ich vermisse Eis kratzen. Die Argentinier schimpfen auf Staat und Regierung, aber verbessern tut sich nichts. Die Regierung wurde gerade erst wiedergewählt und die zahlreichen Demos haben sind weniger politisch motiviert als sportlich und stellen mehr ein großes“come together” da.
Es geht Schlag auf Schlag: Alibigesellschaft. Meine Zuständige Zfa Fachberaterin (Zentralstelle für das Auslandsschulwesen) beschrieb es sehr passend als Alibigesellschaft. Ich vermisse mein Zimmer/Bett. Die Argentinier haben für alles immer eine Entschuldigung. Und letztendlich sind sie an nichts Schuld. Sei es die wirtschaftliche- und politische Lage des Landes (die bösen USA…), das chronische zu spät kommen, oder die nicht gemachten Hausaufgaben (wobei ich das durchgehen lasse – Eigenerfahrung!). Ich vermisse den deutschen Pessimismus. Auf Dauer kann es vielleicht nervig werden, aber ich leide nicht drunter, und kann drüber schmunzeln, da ich mich schon vorher über die Ausreden freue.
Zack, nächstes Thema: Essen und trinken. Warum gibt es in einer Panaderia (Bäckerei; Pan = Brot) kein Brot, sondern nur Kekse und Süßgebäck? Ich vermisse Kulturvielfalt. Warum muss alles soooo süß sein? Warum können die Argentinier ziemlich gutes Bier brauen? Und warum trinken sie dann Quilmes??? Ich vermisse deutsche Braten/Würstchen.Warum ist Bier fast genauso teuer wie Wasser? Warum ist Wasser teuer? Warum ist der Wein so gut? Wo liegt der Unterschied zwischen Champagner und Champañer? Warum trinken die Argentinier Altöl (Fernet-Cola)? Ich vermisse Diskussionen mit Freunden/Familie. Warum ist die Gewürzgurke nicht beliebter?
Letztes Thema: Abgelutscht, aber es lässt mir keine Ruhe. DER VERKEHR. Auch nach über 9 Wochen verstehe ich nicht, wie man auf den Straßen Buenos Aires überlebt. Die Autos fahren anarchisch. Ich vermisse Sicherheit. Die Busse fahren noch anarchischer, eher schon monarchisch, wenn nicht diktatorisch. Was für den Hund die Flöhe sind, sind die Taxis für den Verkehr. Sie sind überall und eigentlich stören sie nur den Verkehr. Ich vermisse den ersten Schnee. Ich habe in meiner Zeit hier zwar mehr Unfälle gesehen, als in Deutschland in der selben Zeit, allerdings fahren hier jeden Tag auch so viele Autos durch die Stadt wie in Hamburg in einem Monat. Und verglichen damit, und dem Fahrstil wundert es mich, wie wenig passiert. Ich vermisse deutsche ÖPNV Preise. Die Fahrer haben aber auch ein deutlich besseres Raumgefühl , zumindest glauben sie es. Auf Autobahnen, beim Parken oder an der Ampel wird so dicht aufgefahren, dass wirklich keine Handbreit mehr platz findet. Ich vermisse sinnlose nächtliche Touren mit dem Auto (Was soll ich bloß an meinem Geburtstag machen???). Dass ab und an mal eine Schürze abfällt kann/muss man wohl als kollateral Schaden verbuchen. Die eigentlichen Helden des Straßenverkehrs sind aber die Busfahrgäste. Ich vermisse Autobahnen. Viele Busfahrer scheinen das Gefühl zu haben, im nächsten Jahr Vettel die Weltmeisterschaft abjagen zu müssen. Und das Training wird ernst genommen!
Der aufmerksame Leser bemerkt, dass ich mehr vermisse. Deshalb möchte ich Samy Deluxe zitieren: “Ich bin einer von den, der dir nicht dankt wenn’s ihm gut geht, und dich ruft wenn’s ihm schlecht geht.” Ich vermisse deutsche Spießigkeit. Bitte denkt nicht, dass es mir schlecht geht, aber man vermisst eher das, was man nicht hat, anstatt zu schätzen was man hat. Und in Deutschland werde ich dann die Kehrseite erleben. Ich vermisse deutsche Zuverlässigkeit.
¡Hola! queridoLeo
nachdem ich gestern abend Rotwein (Merlot-Refosco aus dem Veneto!) trinkend mit einem Freund verbracht habe, der mir von seinen Reisen nach Argentinien erzählt hat, hab ich mir mal wieder Deinen Blog hier angeschaut und mit großem Interesse und Vergnügen Deinen Reisebericht gelesen. Deine lebendigen, teilweise lakonischen und humorvollen Beobachtungen lassen mich immer wieder mal schmunzeln..!
Ich vermute mal, dass Du inzwischen von Eva, Pina und Uli heimgesucht wirst und ich bedaure sehr, dass ich nicht mitkommen konnte!
Euch allen viele liebe Grüße aus dem warmen Münchner Vorfrühling! Die Krokusse und Schneeglöckchen blühen, die Forsythien bekommen dicke Knospen und ich lese meine Süddeutsche morgens schon draußen auf dem Balkon oder im Straßencafé!
Servus, Martin
Lieber Leo,
lese immer gerne etwas von Dir und sehe deine Fotos an.
Zur morgigen Vollendung des 2. Lebensjahrzehnts (um es mal vornehm auszudrücken) wünsche ich Dir alles Gute! Hab weiterhin eine schöne Zeit am anderen Ende der Welt, auch demnächst mit der Familie. (Ich werde mich einen Teil der Tage mit Lotti vergnügen.) Neulich am späten Montagabend war es ja beinahe so, als säßest Du mit am Mozze-Tisch – ich kann über solche „Wunder der Technik“ immer noch staunen.
Liebe Grüße, auch von den anderen Beckers,
Julia
Lieber Leo,
der Winter, der Schnee der warme Ofen fallen in dieser Saison aus!. Stattdessen gibt es „Hamburger Waschküche“ bei +5°C
Vielleicht tröstet Dich das.
Liebe Grüße (wir vermissen: DICH)
das hier nenn ich mal nen ziemlich gelungen artikel.