Jetzt, gut einen Monat nachdem ich wieder in Buenos Aires bin, versuche ich, die Reise in Worte zu fassen. Dies wird ein relativ nüchterner Reisebericht sein, der mehr den Ablauf der Reise wiedergibt. Anekdoten werden hoffentlich bald folgen. Aber eins nach dem anderen.
Die Reise startete am 11.12. in BUENOS AIRES, allerdings zuerst als Dienstreise nach VILLA GENERAL BELGRANO. V.G. Belgrano ist ein Dörfchen, zwei Stunden südlich von Cordoba, in den Sierras de Cordoba und ein beliebtes Ausflugs- und Urlaubsziel bei Argentiniern. – Bekannt für seine schöne Natur, vor allem aber für sein “Deutsch sein”. Als Mitte des letzten Jahrhunderts das deutsche Kriegsschiff “Graf Spee” vor Montevideo sank, nahm Argentinien die Matrosen auf und gab ihnen das Stück Land in den Sierras, wo dann V. G. Belgrano gegründet wurde. Die Hauptstraße wird geziert von hunderten geschnitzten Holzschildern, die alles Erdenkliche als DEUTSCH anpreisen (Ich wusste nicht, dass “DEUTSCHES EIS”, “DEUTSCHER TEE” oder “DEUTSCHE GEWÜRZE” von Weltruf sind…). Die Haupteinnahmequelle scheinen aber Bierkrüge, T-Shirts und (Reichskriegs-) Flaggen zu sein. Man findet so ziemlich jedes Souvenir mit einem Hakenkreuz oder der Aufschrift “Deutsche Luftwaffe 1944”. Insgesamt hat V.G. Belgrano wenig dem heutigen Deutschland zu tun, es ähnelt eher einem deutschen Disneyland – mit Nazitouch. Ich gehe aber davon aus, dass kulturweit nicht deshalb V. G. Belgrano ausgewählt hat, sondern viel mehr wegen der zentralen Lage, der tollen Unterkunft und der Umgebung mit viel Natur. Gerade wir aus Buenos Aires haben das echt genossen!
Das Zwischenseminar war echt toll. Nicht nur die Trainer waren gut, auch die gesamte Stimmung unter uns Freiwilligen. Man kam mit vielen ins Gespräch, die man auf dem Vorbereitungsseminar nie gesehen oder gesprochen hatte, und ich musste nach dem Seminar über viele anders urteilen als vorher (positiv). Außerdem hatten wir die Möglichkeit uns auszutauschen und Reisen und Treffen zu planen. Das ganze Zwischenseminar wäre bestimmt ohne die tolle Unterkunft (Mischung aus Bauernhof, Hostel, Familienbetrieb und Almhütte) nur halb so gut gewesen. Viele feierten das Essen, ich präferierte mehr die Lage – ungefähr 1km vom Dorf in den Bergen, mit Pool auf der Bergkuppe, großer Asadostelle, und viel Getier inklusive Leguan.
Die Unterkunft war eine Art anthroposophischer Bauernhof, der von einer Deutschen und einem Niederländer geführt wird. Das Haus liegt außerhalb von V. G. Belgrano in den Bergen und auf der Kuppe des Berges war ein Pool mit toller Aussicht! Einen Tag machten wir einen Ausflug nach Alta Gracia. Bekannt ist der Ort vor allem durch das Kindheitshaus von Che Guevara, das kürzlich auch noch von Fidel Castro und Hugo Cháves besucht wurde. Ansonsten hat der Ort noch eine sehr schöne Jesuiten-Estancia zu bieten, die als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt wurde.
Nach einer Woche ging es dann weiter Richtung CORDOBA, wo wir nur für 48 Stunden auf der Durchreise blieben. Cordoba hat durchaus schöne Ecken und es gibt dort sehr viele Studenten, allerdings konnte ich nicht so viel mit der Stadt anfangen, da sie im Vergleich zu Buenos Aires kleinstädtisch ist, und auch nicht so schön wie beispielsweise Mendoza, aber dazu später mehr. Samstagnacht ging es dann weiter Richtung San Juan. Nach einem sportlichen Lauf von ca. 4 km mit einem 30 kg Rucksack kamen wir nach 15 Minuten durchgeschwitzt am Busbahnhof von Cordoba an. Nach dem Motto “Was kostet die Welt” haben wir drei Jungen uns die zweite Klasse “Cama” gebucht und nicht wie die Mädchen die dritte Klasse “Semicama”. Leider mussten wir feststellen, dass wir den schlechteren Service hatten, aber was tut man nicht alles für komfortables Reisen… Die Wüstendurchquerung nach San Juan war um einiges spannender als San Juan selbst. Der Bus fuhr eine Straße, die 200 km ohne Kurve durch die Wüste führt. Auf dem Weg musste ich leider einen relativ krassen LKW-Unfall sehen. 200 km ohne Kurve durch Sand scheinen für einige doch sehr ermüdend zu sein.
Wie schon eben erwähnt, SAN JUAN ist keine Reise wert. Nicht mal einen Tankstopp. Es würde schon damit anfangen, dass es sich als sehr schwierig gestalten wird eine Tankstelle zu finden. Und wenn man eine findet, wird sie wahrscheinlich geschlossen sein. Ich rate also allen Argentinienbesuchern, San Juan zu meiden. Die fünf oder sechs Stunden, die wir dort Aufenthalt hatten, waren mehr als genug. Nach so viel Lästerei wollt ihr sicherlich auch wissen, was so schlimm an San Juan ist: NICHTS! Es gibt einfach nichts in San Juan. Weder Menschen noch Autos, noch Läden, nicht mal die sonst obligatorischen Straßenhunde. Bis auf einen Indio, den ich auf Grund seiner Vorfahren “Indianer” taufte und der nicht anwesende Autos in Parkplätze einweisen wollte, und zwei Jungs von der Stadtreinigung, die mit einem Tanker und einem Springbrunnen einen ganzen Park unter Wasser setzen wollten, war niemand in der “Stadt” zu sehen. Wahrscheinlich arbeiten alle sonntags – immerhin ist San Juan die “Stadt der Arbeiter”. Ein Banner des örtlichen Lionsclubs verabschiedete uns nach Valle Fertil.
VALLE FERTIL: Nach vier Stunden Busfahrt kamen wir im schönen Valle Fertil an. Valle Fertil an sich ist zwar spannender als Valle Fertil, aber hat auch nichts wirklich Spannendes zu bieten. Es wird einzig von Touristen besucht, die dann von hier in das 70 km entfernte Valle de la Luna aufbrechen. Es gibt also ein paar Hostels und Hotels und ein paar Empanada-Läden. Da die nächste Stadt vier Stunden weg ist, kann man sich vorstellen, wie spannend das Leben gerade für die jüngeren Einwohner sein muss. In unserem Hostel wurden wir von “Gringo” begrüßt (Gringo heißt so viel wie anderssprachiger Ausländer – normalerweise aus Europa oder den USA). Gringo war um die 60 Jahre alt und als wir in fragten, warum er Gringo hieße erklärte er uns: Sein Großvater kam mit seinem Vater aus Europa nach Argentinien… Nach seiner Definition wären dann sicherlich 50% der Argentinier Gringos. Klarer wurde es als “Indio” der andere Mitarbeiter des Hostels kam. Indio war, wie der Name schon vermuten lässt indigener Abstammung und um die 30. Indio war vorher als Tanzlehrer in Düsseldorf tätig und so lief die ganze Zeit im Hostel Patrice, Casper, Marteria und andere deutsche Musik. Am nächsten Morgen ging es dann sehr zeitig (8:00 Uhr wurde angepeilt, bis wirklich alle im Bus saßen, ging es schon eher auf viertel vor 9 zu), los ins Valle de la Luna.
Das VALLE DE LA LUNA ist nur ein Teil des Nationalparks ISCHIGUALASTO. Da aber wahrscheinlich kaum einer weiß, wie man Ischigualasto richtig ausspricht oder was es heißt, werde ich einfach inkorrekterweise Valle de la Luna schreiben. Zum Valle de la Luna muss man sein eigenes Auto mitbringen, oder wenn dies nicht vorhanden ist, einen Fahrer mit Auto mieten. Dann geht es los auf staubigen Pisten. Zu Beginn hatte ich das Gefühl, irgendwo in einem Italowestern zu sein. Dann kam allerdings das erste Guanaco und selbst mir wurde klar, dass wir wirklich in Argentinien waren. Was das Valle de la Luna aber wirklich ausmacht, sind die Felsformationen und die verschiedenen Farbtöne im Boden. Die verschiedenen Farbtöne sind über Millionen von Jahren entstanden. Durch äußere Einflüsse verfärbte sich die Erde schichtweise. Inzwischen ist das komplette Farbspektrum zu sehen, da durch die Erosion teilweise Erde weggespült wird und so die einzelnen Schichten sichtbar werden. Als ich vorher Fotos vom Park sah, konnten diese mich nicht wirklich begeistern, aber wenn man erst einmal direkt davor steht, kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. 10 km weiter sieht aber schon wieder alles komplett anders aus. Man gelangt in eine echte Sandwüste, wo es gar keine Pflanzen mehr gibt. Doch dann, 5 km weiter dachte ich, ich würde vor dem Grand Canyon stehen. Die Felsen sind rostrot und türmen sich hunderte Meter direkt vor einem auf. Aber was wirklich am spektakulärsten ist und den Park einzigartig macht, sind die Felsformationen. Es ist kaum möglich, diese mit Worten zu beschreiben. Am meisten sagen sicherlich noch die Fotos aus, aber wie gesagt, all das „live“ zu sehen ist viel extremer und spektakulärer!
Da wir dachten, eine weitere Hostel-Nacht würde sich nicht lohnen, wenn der Bus nach MENDOZA schon um 04:00Uhr abfährt, streunten wir Jungs durch die Stadt, während die Mädchen sich noch ein paar Stunden Schlaf gönnten. Nachdem wir dreimal beim Busterminal in Valle Fertil waren, musst wir leider feststellen, dass es nicht mehr genügend Tickets für uns alle gab. Wir teilten uns auf und die andere Gruppe kam erst später am nächsten Tag nach.
Mendoza ist echt eine schöne Stadt! Sie besticht durch viel Grün, ist nicht überfüllt aber durchaus lebhaft. Außerdem hat man ein tolles Andenpanorama und es gibt einen riesigen Park. In Mendoza kann man viel unternehmen, aber die wirklichen Highlights liegen außerhalb der Stadt. Rafting in den Anden, Reiten und Klettern im Hochgebirge, Weintouren in den Weinfeldern und natürlich der Aconagua, mit 6962m der höchste Berg außerhalb des Himalayas. Mendoza wurde 1861 komplett von einem Erdbeben zerstört. Leider gibt es deshalb keine Gebäude aus der Kolonialzeit. Bei dem Erdbeben starben ca. 6000 Menschen, damals ein Drittel der Bevölkerung. Als die Stadt neu aufgebaut wurde, achtete man darauf, dass die Gebäude nicht zu hoch errichtet wurden, und dass es viele Plätze gibt, auf die sich die Menschen im Falle eines Erdbebens flüchten können. Deshalb sieht die Innenstadt von Mendoza heute wie die fünf Punkte eines Würfels aus. In der Mitte gibt es die große “Plaza Independencia” und an jeder Ecke eine weitere kleinere Plaza. Mendoza ist eine Oasenstadt. Das Umland ist eine karge Trockensteppe und Mendoza wird komplett künstlich bewässert. In Mendoza regnet es im ganzen Jahr lediglich 222 mm, zum Vergleich: 773mm in Hamburg. Ein kompliziertes Kanalsystem speist die Stadt und die umliegenden Weinfelder mit dem Wasser der Anden. Die Weinfelder stellte ich mir romantischer oder europäischer vor. In meinem Kopf ging ich von Weinberge am Fuße der Anden aus.
Aber falsch gedacht: Es sind echte Felder in der Ebene, und die meisten Weingüter liegen in einem Industriegebiet. Bei der Weintour fährt man hauptsächlich auf einer Landstraße zwischen LKWs. Allerdings gibt es auch echt schöne Weingüter und Alleen. Während der Weintour waren Sophie und ich uns sicher, dass wir einen „Promi“ mit von der Partie hätten.
Wir wussten/wissen nicht genau was er ist, aber wir ordnen ihn in die Sparte Surfer / Snowboarder / Skater ein. Auf Nachfrage versicherte er uns, dass er nur ein ganz normaler Kanadier sei. Aber wer würde das im Urlaub auch nicht sagen, und leider sind wir beide nicht so die Insider, dass wir seinen Namen kannten. Wer weiß, wer weiß? Am Freitag vor Weihnachten machten wir uns dann auf in unser “Weihnachtshaus”. Mit dem Taxi ging es ins ca. 20 km entfernte LUJAN.
Das WEIHNACHTSHAUS waren genau genommen zwei Häuser mit einem schönen Pool und riesigem Garten. Da die Vermieter Architekten sind, bewohnten wir recht moderne und kreativ gebaute Häuser. Die Hauptbeschäftigung bestand aus: am Pool liegen, Kochen, Essen, Rumhängen, Skypen, Haare schneiden :), und natürlich den köstlichen Wein der Region verkosten! Im Weihnachtshaus kamen dann auch noch Julian und Soni hinzu. Julian ist ein Schulfreund von Fanny und er lernte Soni im Flugzeug kennen. Insgesamt waren es drei schöne lustige zum Teil feucht-fröhliche Tage und Nächte. Und Weihnachten bei 30°C, ohne Familie und Kirche war auch mal ein Erlebnis. Spontan wie Philipp, Soni und ich reisen, entschieden wir uns dann am Tag der Abreise (nicht ganz unspontan) auch mit den anderen nach Santiago zufahren. Nach einer weiteren Nacht in Mendoza ging es dann über die Anden nach Santiago de Chile.
Die ÜBERFAHRT nach Santiago ist schon spektakulär. Erst einmal jagt der Bus auf gute 3000 m Höhe bis zur Wasserscheide, wo sich die Argentinisch-Chilenische Grenze befindet. Wer, wie ich, bei „Hochgebirge“ an Alpen denkt, wird in den Anden etwas komplett anderes sehen. Es gibt keine Eisenbahn-Miniaturlandschaft, keine Tannen und kleine verschlafenen Dörfer. Es gibt vor allem eins: Schutt und Gestein! Alles ist grau bis rot und ohne Vegetation! Oben an der Grenze gibt es in Richtung Chile eine ziemlich penible Kontrolle, vor allem gegen Lebensmittel. Dann kommt eine echt einmalige Abfahrt. Von 3000 m fährt man ca. 1000 Höhenmeter runter Richtung Pazifik. Das Besondere: Man sieht die Straße komplett mit 50 Haarnadelkurven ohne eine einzige Leitplanke. Und es ist nicht so, dass die Busfahrer verängstig diese 50 Kurven runter schleichen. Es wird Gas gegeben; wo es auch nur möglich ist, in Kurven überholt, LKWs werden gescheucht und man kann das Gefühl haben, dass sie jedes Mal versuchen einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufzustellen.
Mit dreiachsigen Doppeldeckerbussen wird am Limit gefahren, 10 cm vor dem Abgrund. Aber die Fahrer kennen ja ihr Busse… Danach wird es weniger spektakulär und bald erreicht man auch schon die ersten Ausläufer von Santiago.
SANTIAGO DE CHILE begrüßt einen mit einem höchst unspektakulären Busbahnhof, und wenn man diesen mit Buenos Aires vergleicht, fragt man sich zunächst, in welchem „Kaff“ man gelandet ist – Ja, es ist wirklich Santiago. Sobald man jedoch die Unterwelt betritt und die U-Bahnen sieht, wird einem klar, Santiago ist kein Kaff und schon gar nicht arm. Die U-Bahnen sind hochmodern und können es mit locker mit den deutschen aufnehmen! Insgesamt macht Santiago einen sehr europäischen Eindruck. Es wird sehr auf Sauberkeit und Modernität geachtet. Das hat Santiago aber auch leider bitter nötig! Ständig sieht man überall den gelben Smog. In dem Talkessel bleibt einfach alles hängen. Santiago hat laut Aussage der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit die schlechteste Luftqualität der Welt! Und regelmäßig wird Santiago deshalb zur Stadt mit der geringsten Lebensqualität aus Gesundheitsaspekten gewählt. Im Sommer ist die Ozonbelastung das größte Problem, im Winter der Feinstaub. Im Winter soll es regelmäßigen Smogalarm geben, dann dürfen private Fahrzeuge nicht mehr fahren und Fabriken müssen ihre Arbeit einstellen.
Jedes Jahr erkranken zahlreiche Menschen an Atemwegserkrankungen. Was mir als zweites aufgefallen ist: Im Gegensatz zu Buenos Aires sind die Menschen dunkler. Wie unserer Stadtführer behauptete haben 80% der Chilenen Mapuchenblut in ihren Adern. Der “Nachteil”: Als blonder Riese wird man ständig angestarrt. Und die Chilenen scheinen auch keinen Skrupel oder Höflichkeit in dieser Hinsicht zu kennen. Ziemlich unangenehm! Ansonsten hat Santiago natürlich auch noch ein paar Touri-Highlights. Architektonisch fand ich wohl die “La Moneda” am eindrucksvollsten. Meine wirklichen Highlights waren allerdings der Cerro Santa Lucia und der Cerro San Cristobal. Die zwei Hügel in der Stadt sind ein tolle Oasen. Der Cerro Santa Lucia ist praktische das Fundament Santiagos. Hier ließen sich die Spanier zuerst nieder und gründeten die Stadt. Auch heute gibt es hier noch viele alte Gebäude und einen schönen Park. Der Cerro San Cristobal ist größer. Am Fuß des Hügels ist der Zoo angesiedelt, und wenn man mit der Seilbahn den Hügel erklimmt, kommt man durch einen schönen Wald. Oben angekommen hat meinen einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt – und den Smok. Noch weiter oben befinden sich eine riesige Maria-Statue und eine Art Wallfahrtsort. Runter sind wir natürlich ganz sportlich gelaufen. Das “Künstlerviertel” Bellavista hat nicht allzu viel zu bieten, wenn man nicht großer Pablo Neruda-Fan ist. Noch kommerzialisierter als das Schanzenviertel in Hamburg und Kunst muss man wirklich suchen. Bis auf einen radikalen und sehr politischen Stadtführer, der die ganze Führung nur hetzte und dabei die Sehenswürdigkeiten verpasste machte Santiago auf mich einen sehr ruhigen und viel leiseren Eindruck als Buenos Aires. Dadurch allerdings leider auch etwas kleinstädtisch.
Dann ging es nach VALPARISO, und wie immer entschieden wir uns erst in letzter Sekunde mitzufahren. Diesmal war es so spät, dass die anderen schon weg waren. Aber da wir die beste Reisegruppe Südamerikas hatten, warteten alle in Valpariso treu auf uns. Der erste Eindruck von Valparaiso: Hui, hier ist es kalt! Dann wurden die tollen Straßenstände mit Empanadas, einer Art frittiertem Fladen und Schaschlik Spießen entdeckt und alle der Reihe nach durchgetestet. Als die Bäuche voll waren, ging es mit dem Bus in unser Hotel. Es fällt auf, dass die Stadt nicht so sauber, modern und raus geputzt ist, wie Santiago. Man hat das Gefühl in dieser relativ kleinen Stadt wohnen alle Schichten zusammen. Man hat die Fischer und den großen Markt, man hat die Reeder, und man hat all die vielen Leute von den Hügeln. Das Hotel hier war günstiger als ein Hostel, denn wegen Silvester kletterten die Preise in Hostels bis auf 200 Euro. Unserm Hotel kehrten wir aber auch nach einer Nacht den Rücken, da es über einer Kneipe/Disco war. In der Silvesternacht wurde sportlich ganz auf ein Bett verzichtet und wir schafften es bis ca. 9 Uhr um die Häuser zu ziehen. – Das Feuerwerk war großartig und um Längen besser als das in Berlin. Nicht umsonst ist es das beliebteste Neujahrsfest in Lateinamerika. Leider wurde das Fest sehr rabiat durch die Polizei beendet, mit Tränengas. Zum Glück waren wir zu der Zeit am Bus-Terminal. Aber auch noch am nächsten Tag brannten die Augen, wenn man durch die Stadt ging.
Nun wurden wir zum zweiten Mal in Chile “Opfer” von Tränengas, nachdem wir schon in Santiago nach einem Fußballspiel ein erstes Kennenlernen mit diesem netten Stoff hatten. Keine gute Bilanz für Chile… Insgesamt trat die Polizei immer sehr massiv auf und immer schwer bewaffnet, beispielsweise an Silvester mit echten Panzern aufzufahren— ist nicht wirklich vertrauenerweckend. – Schließlich gönnten wir uns aber doch ein Nickerchen auf den Treppen, die ganz Valparaiso durchziehen. Die Stadt liegt direkt am Pazifik, allerdings gehen die Berge bis auf zum Teil nur 200 Meter ans Wasser heran. Es gibt unzählige Hügel und alle Hügel zeichnen sich durch eine ganz eigene Kultur/Bevölkerung/Schicht aus. Damit man nicht den ganzen Tag am Treppen steigen ist, gibt es heute noch 15 Aufzüge oder Seilbahnen, früher waren es deutlich mehr, aber da es heute viele Taxis gibt, werden immer mehr Aufzüge geschlossen. Wir wohnten ab Neujahr auf dem Cerro Alegre, der die Altstadt beheimatet und heute hauptsächlich von Studenten und Touristen bewohnt wird. In vielen winzigen Gassen gab es gemütliche Bars. Am Hafen gibt es die “Bar Hamburg” inkl. Labskaus und Hering und auch der Hafen von Valpariso wurde von einem Hamburger Konsortium zu Großteilen gekauft.
An vielen Stellen sieht man deutsche Spuren, es gibt eine deutsche Schule, ein Deutsches Krankenhaus, eine Calle Alemania, eine deutsche Feuerwehr mit Einsatzwagen aus Deutschland inkl. Aufdruck in Deutsch und Astra Bier im Supermarkt. Auf dem Cerro Bellavista sieht man viel Kunst, (anders als im gleichnamigen Bellavista von Santiago!) und auch Pablo Neruda wohnte hier die letzten Jahre seines Lebens. Valparaiso wird als das kulturelle Zentrum Chiles gesehen, nicht nur Rod von den Ärzten kommt aus Valparaiso. Sting schrieb einen Song mit dem Namen Valparaiso und viele andere Autoren wie Thomas Mann oder Jules Verne schreiben über Valparaiso. Außerdem ist Valparaiso die Heimat des Chilenischen Kongresses. Auch die beiden politischen Kontrahenten Pinochet und Allende stammten aus Valparaiso. Ansonsten punktet Valparaiso einfach durch seine tolle Stimmung, die Architektur und das Meer. Auch wenn es ein anderer Ozean ist, eine andere Sprache gesprochen wird, und die Mentalität ganz anders ist: ich fühlte mich ein bisschen wie zu Hause in Hamburg. Uns gefiel es dort so gut, dass wir gleich ein paar Tage verlängerten, bevor wir uns zur Weiterfahrt aufmachten.
Morgens um acht ging es mit dem Bus zurück nach BUENOS AIRES. Eine direkte Verbindung über die Anden, vom Pazifik an den Atlantik. Mehr als 24 Stunden später kamen wir gut ausgeschlafen in Buenos Aires an. Wie ich im Nachhinein rausgefunden habe, wäre ein zweistündiger Flug deutlich günstiger gewesen, aber später ist man immer schlauer…
Leider ist dieser Artikel wieder mal etwas länger geworden, aber ich hoffe, dass Ihr so einen ganz guten Eindruck über die Reiserute bekommen konntet. Mehr Fotos gibt es wie immer regelmäßig in unregelmäßigen Abständen hier: http://www.flickr.com/photos/leolindemann/