Indien ist ein großes Land. Es sieht immer so klein aus, im Atlas und auf den Landkarten, aber vielleicht liegt das nur daran, dass der restliche Kontinent Asien darüber so groß wirkt. In Indien leben so in etwa 1,2 Milliarden Menschen, die haben aber mehr Platz als die etwa 150 Millionen Menschen in Bangladesh. Ich muss auch sagen… es war fast ein bisschen leer in Indien. Und ruhig, verglichen zu Bangladesh… Glaubt ihr mir nicht? Ich mir ja auch nicht. Indien hat mich ziemlich von den Socken gerissen, mir die Schuhe ausgezogen und die Schnürsenkel verknotet. Warum? Du kommst von A nach B und stehst wieder in einer ganz anderen Welt, als die aus der du gekommen bist. Immer wieder. 50.000 km einmal quer horizontal über den Subkontinent. Indien ist Wahnsinn.
Kolkata liegt in Westbengalen. Kommt man aus Westbengalen nennt man sich Bengali. Nicht Bangladeshi, wie die Menschen in Bangladesh. Unabhängig von den geographischen Grenzen, gehören Westbengalen und Bangladesh zusammen wie Ost- und Westdeutschland, mit allen erfundenen oder vielleicht vorhandenen Unterschieden der Mentalitäten, so zumindest vergleicht es Chiro Sur unser Couchsurfer. (Ich persönlich finde, der Vergleich hinkt. Das sei aber zur Diskussion gestellt.)
Die Briten haben Eindruck hinterlassen in Kolkata. Vielleicht sind sie niemals wirklich gegangen. Im Coffee Shop in der Park Street vergesse ich, dass ich in Indien bin. East-London! Wo auch sonst? Eindeutig bin ich in East-London. Innit? Nein Indien, immer noch Indien. Kolkata. In dieser Stadt schlafen mehr Menschen auf der Straße als ich es in Dhaka gesehen habe. Betrunken nachts, fühle ich mich als würde ich in Leipzig nach Hause spazieren. Es sind immer noch Frauen auf der Straße, auch allein. Die Menschen sind wunderbar desinteressiert an uns (-erer Hautfarbe/Herkunft). Kaum einer fragt „Where are you from?“ und wir kriegen nur das allerletzte Taxi.
Kolkata flirrt und vibriert. Die Stadt legt sich auf alle meine Sinne, beeindruckt mich tief, von allen Seiten. Ich komme bestimmt wieder Kolkata und dann bleibe ich länger.
Jetzt muss ich erstmal zum Zwischenseminar in Bangalore. Der Seminarort liegt ein bisschen außerhalb. Von Bangalore selbst sehen wir nur den wohl tollsten Buchladen der Welt. Ansonsten gibt es in der IT-Hauptstadt nicht viel für uns. Das was da ist, ist vertraut. Vertraut Europäisch. Davon bekommt man ganz schlimm Heimweh.
Deswegen fliehen wir mit dem Nachtbus nach Hampi. Der Nachtbus lässt sich am ehesten mit dem fahrenden Ritter aus Harry Potter vergleichen. Was heißt am ehesten? Es IST der fahrende Ritter…
In Hampi haben irgendwelche Riesen ihre Murmeln in der orangenen Wüste verteilt und die Menschen haben ihre Tempel dazwischen gebaut. Super toller Hindu-Kunstkram aus von vor ganz langer Zeit. Da sind sie meine Freunde und ihre Geschichten. Der Visnu auf der Schlange Shesha, Ganesha und seine Familie mit Papa Shiva, Mama Parvati und Bruder Kartikeya. Brahma ist auch gekommen. Wir radeln vorbei um Hallo zu sagen und uns ihre Geschichten anzuhören. Super Cool. Wie aus der Power Point von der Hinduistischen Kunstgeschichte Vorlesung – Zack – in die Wirklichkeit gesprungen. Und auch wenn Miriam die Geschichten nicht hören will, irgendwem muss ich sie ja erzählen
In Panaji, Goa – und wieder bekomme ich meinen Mund vor Staunen nicht zu. Portugal. Naja nein, Indien, und trotzdem… Diese bunten neuen Farben die sich aus dem ergeben was war und was ist und was sein wird und noch dazu sieht es einfach verdammt hübsch aus.
Wir halten uns von Pilzpfannen und -eintöpfen fern. Es regnet. Wir sind mit der einen russischen Familie die letzten Überbleibsel der Hochsaison und entscheiden uns für eine Touritour im Touri Bus mit Touris ( indischen Touris!). In Deutschland heißt sowas wohl Kaffeefahrt. Es war großartig lustig.
Von Panaji nach Kolkatta zurück fahren wir mit dem Zug. 39 Stunden dauert das. Ein Tag, eine Nacht und noch einen Tag. Wir buchen zu spät. Die Tickets für die Züge in Indien sind immer ganz schnell weg und uns bleiben nur noch die RAC-Seats. Das heißt wir dürfen mitfahren. Sogar im Sleeper Abteil (was nach A/C 1 und A/C 2 sozusagen die 3. Klasse ist und damit immer noch im oberen Drittel der vorhandenen Klassen liegt). Wir haben zwei Sitze, die in der Nacht zu einem Bett werden. Eine Pritsche möchte ich sagen. Instinktiv wenden wir eine ähnliche Falttechnik an, wie die 15 Inder neben uns, die sich auf ganze 6 Betten verteilen. Ist eigentlich ganz kuschelig… so im Nachhinein.
Auch hier im Zug ist jede mögliche ökonomische Nische besetzt. Jungs kommen durch die Gänge und putzen, Solokünstler (wie in der Berliner U-Bahn) singen ihre Lieder, Essensverkäufer, Wasser, Tee und wieder Tee. An jeder Haltestelle steigen nicht nur Passagiere ein und aus, sondern ebenso die fliegenden Händler und jeder der sich erhofft im Zug einwenig Geld zu machen.
Nach 39 Stunden zurück in Kolkata sind wir so dreckig wie noch nie zuvor und einfach nur völlig hinüber. Ich habe das erste Mal so richtig schlechte Laune (so mit rummotzen und so…). Aber dann fängt Kolkata mich auf und schon sind wir auch wieder auf dem Heimweg nach Dhaka. Heimweg… tatsächlich.
… und es gibt noch so viel mehr zu erzählen!

Die heilige Maria in Panaji. Viele Menschen sind hier Christen. Anstatt den kleinen Heiligenstätten der Hinduisten gibt es hier Kreuze und Mariestatuen am Straßenrand.

Die Kreuze und Marienstatuen werden genauso geschmückt, wie die Bildnisse der hinduistischen Gottheiten.
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