Am Mittwoch war eindeutig mein Tag der ersten Male hier in La Paz. Alles fing noch ganz harmlos an: Ich hab hier zum Beispiel zum ersten Mal bewusst eine Frau mit grauen Haaren gesehen. Aaaber ich habe mich auch zum ersten Mal so richtig schön großzügig verfahren, bin zum ersten Mal alleine Taxi gefahren (sogar 2x), bin zum ersten Mal in meinem Leben Motorrad (mit)gefahren und hab zum ersten Mal hier in La Paz allein im Dunkeln nach Hause gefunden. Wie gesagt, viele erste Male! 😉
Aber der Reihe nach. Letzte Woche Freitag wurde ich endlich aus dem Krankenhaus entlassen, zwar mit Schmerzen, aber entlassen. Juhuu!! Eine der Nonnen holte mich freundlicher Weise mit dem Auto ab, sodass ich mit meiner schweren Tasche nicht laufen bzw. die öffentlichen Verkehrsmittel bemühen musste. Am selben Tag bin ich direkt noch in unsere neue Wohnung umgezogen. Nachdem ich meinen Koffer wieder vollgepackt und gerade so zu bekommen hatte (ich hab mich drauf gestellt :D), wurde ich abends von der Gastfamilie mit dem Auto abgeholt. Das war perfekt, um mein Gepäck sicher und einfach zu transportieren und für mich in meinem noch geschwächten Zustand ohnehin die komfortabelste Lösung. Nach einer leckeren Suppe zum Abendessen und einem netten Gespräch mit der Familie, fiel ich sofort todmüde ins Bett.
Am folgenden Wochenende ruhte ich mich größtenteils aus und räumte meine Sachen endlich aus meinem Koffer in eine Art Schrank. Endlich ein Schrank, endlich sehen was man so mitgenommen hat. Yeaah. Leider wurde mir dadurch auch schmerzlich bewusst, dass ich die unzähligen T-Shirts, die ich eingepackt habe, hier wohl gar nicht wirklich benutzen werde, da ich hier ja eher zum Frieren neige… Ich machte mit unserer Vermieterin, die übrigens die Tochter der Familie ist, noch einen kleinen Spaziergang zum nahe gelegenen Markt, um ein paar Kleinigkeiten zu besorgen, und auch in der Hoffnung, dass das meine Genesung fördert.
Nachdem ich am Montag noch einmal beim Arzt war, stand fest, dass ich mich weiter schonen und ausruhen soll. Scheinbar ist es einfach so, dass meine Entzündung von Blase und Nieren zwar schon abgeklungen ist, also keine Bakterien mehr da sind, die Schmerzen aber noch eine Weile anhalten. Auf der großen Höhe hier (La Paz liegt ja ca. 3600m hoch) braucht der Körper leider viel länger, um sich zu erholen als bspw. in Deutschland und deswegen fühle ich mich leider immer noch nicht wieder fit. Eine der Nonnen hat mir dazu sogar erzählt, dass sie in ihrer Anfangszeit hier in Bolivien für die Genesung einer Erkältung 5-6 Wochen gebraucht hat, für die sie in Deutschland vielleicht 1-2 Wochen benötigt hätte.
Ja, so hatte ich mir den Beginn meines Auslandsaufenthaltes definitiv nicht vorgestellt. Ich hab vielleicht mit einer Erkältung oder eine Magenverstimmung gerechnet – irgendwann mal. Aber nicht gleich am Anfang und auch definitiv nicht inklusive Krankenhausaufenthalt. Aber es nützt ja nichts, da muss ich jetzt durch und mich brav ausruhen und es vor allem nicht gleich übertreiben, wenn ich wieder durchstarte! Ein Rückfall wäre noch weniger geil. Aber es ist schon schwierig so viel rumzuliegen, während andere die Stadt erkunden oder coole Projekte in der Schule oder tolle Ausflüge machen. Wenn ich nur so da liege und mir immer nur was Kleines vornehme, dann kommt bei mir schon ab und zu mal der Gedanke auf, ob die Zeit überhaupt reichen wird, die ich hier zur Verfügung habe. Wenn es nach meiner Gastfamilie geht, soll ich ja sowieso auf ein ganzes Jahr verlängern. 😀
Meine Gastfamilie ist übrigens super lieb. Das ist ein Ehepaar mit vier Kindern und einem großen Haus. 😉 Wir wohnen quasi in der obersten Etage dieses Hauses und haben jeder ein eigenes Zimmer, ein großes Wohnzimmer, ein Bad und sogar eine Terrasse. Unter uns wohnt dann die Familie, deren Küche wir mit benutzen dürfen. Es wird jeden Tag gekocht und jeder darf sich davon nehmen wann er will und so viel er möchte. Dort wohnen allerdings nur der Vater, die Mutter und zwei der Kinder – die älteste Tochter (28 Jahre), die quasi unsere Vermieterin ist, und der jüngste Sohn (24 Jahre), der derzeit studiert. Im Erdgeschoss wohnt dann das dritte Kind, eine Tochter (ich glaube 27 Jahre), die schon verheiratet ist und selbst zwei kleine Kinder hat. Der andere Sohn, also das vierte der Kinder, wohnt in einer anderen Stadt.
Zu Beginn dieser Woche habe ich mich also noch viel ausgeruht und mir jeden Tag nur eine Kleinigkeit vorgenommen, bspw. haben wir hier mal aufgeräumt und geputzt. Das war zu Beginn mal dringend nötig. 😉 Am Mittwoch wollte ich dann morgens zu Interpol, um mein Zertifikat abzuholen, mich danach noch einmal hinlegen, bis ich am späten Nachmittag meinen Sprachkurs hatte. Das war zumindestens der Plan – aber wie anfangs beschrieben, war das ja mein Tag der vielen ersten Male! Anfangs hat der Plan auch super funktioniert. Ich habe mein Zertifikat ganz fix bekommen, war danach noch schnell im Supermarkt in der Nähe und wollte dann mit meiner schweren Tüte direkt wieder heim. Leider habe ich dann wohl den Minibus in die falsche Richtung erwischt. Da ich aber „wusste“, dass das der Minibus ist, der sonst zu mir fährt, blieb ich einfach sitzen, in der Hoffnung, dass er schon irgendwann wieder umdrehen und „heim“ fahren würde. Falsch gedacht. Irgendwann hieß es, dass dort Ende Gelände ist und dann stand ich irgendwo im nirgendwo weit weg von dem Ort, an den ich eigentlich wollte. Meine schwere Tüte vom Einkauf war mittlerweile gerissen und ich versuchte alles irgendwie noch zusammen zu halten und einen Bus in „meine“ Richtung zu finden. Das war gar nicht so leicht, da ich ganz schön ab vom Schuss war. Irgendwann klappte es dann doch, aber zu meinem Glück war Stau und die Fahrt dauerte ewig. Ich musste allerding nocheinmal umsteigen, doch es kam und kam einfach kein Bus in meine Richtung. Da ich keine Lust und Zeit mehr hatte, nahm ich kurzerhand ein Taxi und war dann 1,5h später daheim als eigentlich geplant – und ziemlich entnervt. Während ich mir schnell ein Brötchen als Mittag reinstopfte, versuchte ich nach Hause zu telefonieren bzw. zu skypen. Grade an diesem Tag funktionierte aber das WLAN dezent schlecht, das verbesserte meine Laune nicht unbedingt. Durch meinen kleinen Ausflug in eine andere Ecke von La Paz hatte ich auch kaum Zeit mich nochmal hinzulegen bevor es zum Sprachkurs ging. Das war natürlich weniger gut, da ich mich ja noch schonen muss. Naja, nicht zu ändern.
Unsere Vermieterin bzw. Gastschwester hatte mir einen Tag vorher angeboten mir zu zeigen wo hier die Minibusse abfahren, die mich direkt zum Ort meines Sprachkurses bringen, ohne Umsteigen. Als ich also schon 1h vor Beginn des Kurses hinunter ging, um sie zu fragen, ob sie mir das zeigen könne, hatte sie allerdings keine Zeit. Düdüm – passt ja zum Rest des Tages. 😉 Freundlicher Weise erklärte sich aber mein Gastbruder bereit mir den Weg zu zeigen. Als er dazu auf einmal sein Motorrad aus der Garage holte (bis dato wusste ich nicht mal, dass es seins ist), war ich aber doch erst einmal verwundert. Aber er machte mir schnell klar, dass er mich gleich zu der Stelle fahren würde und los ging es – ohne Helm natürlich. 😀 Aber ich muss feststellen, Motorrad fahren fetzt. Das sollten wir hier öfter machen. 🙂 Meine Laune besserte sich also und ich kam alles in allem grade noch pünktlich zum Kurs, obwohl ich eigentlich so viel Puffer eingebaut hatte. Der Kurs war gut, meinen Heizlüfter konnte ich auch noch kaufen, aber der Heimweg war wieder leicht kniffelig. Mittlerweile war es dunkel und es war offenbar grade Stoßzeit, alle wollten heim und alle Minibusse zu mir waren überfüllt. Nach 20min Wartezeit hatte ich keine Lust mehr und schnappte mir zum zweiten Mal an diesem Tag ein Taxi. Alleine Taxi fahren und dann noch im Dunkeln ist zwar ein bisschen heikel, aber ich hab ein vermeintlich sicheres Taxi genommen und es ist alles gut gegangen. Taxi fahren ist zwar teurer als Minibus fahren, aber ich war einfach so kaputt und wollte nur noch heim. Ich zahlte für 20min Fahrt umgerechnet ca. 2€ – im Vergleich zu Deutschland super billig, aber im Vergleich zum Minibus (ca. 0,20€) schon teuer. Egal, ich war super froh als ich daheim war und saß noch kurz mit meinen Gastgeschwistern zusammen, die sich köstlich über meine Geschichte zu meinen Verirrungen in La Paz amüsieren konnten.
Am nächsten Tag war ich nur kurz wegen meines Visums unterwegs. Endlich konnte ich alle gesammelten Unterlagen zur Migracion bringen, das ist die Behörde, die dann tatsächlich endlich den Stempel in den Reisepass reindrückt, sodass man dann legal im Land sein darf. Nächste Woche kann ich meinen Pass dann wieder von dort abholen. Ich bin gespannt, ob alles geklappt hat.
Heute war ich nochmal beim Arzt und alle meine Werte sind weiterhin ok. Ich werde dann nächste Woche endlich wieder anfangen zu arbeiten – aber erst einmal halbtags, um meinen lieben schwachen Körper nicht zu überfordern. Am Wochenende werde ich mich noch ausruhen und auch ein paar kleine Sachen unternehmen, um mich Schritt für Schritt weiter an Belastung zu gewöhnen. Ich komm mir ja ein bisschen so vor, als wäre ich schon 50 Jahre älter, wenn ich das hier so schreibe. Aber so ist es nun mal. 😀
P.S.: Den Blogeintrag hab ich schon am Freitag (09.10.) verfasst, konnte ihn aber erst heute hochladen, weil der Server von Kulturweit ja umgezogen war, also nicht wundern.