… und zwar zugegebenermaßen schon seit fast zwei Monaten. Hui, und jetzt kommt endlich mein letzter Blogeintrag.
Ich bin also wieder zurück in Deutschland, habe meinen Flug gut überstanden und auch das ominöse „wiedereinleben“ ist in vollem Gange. In den letzten Wochen war hier schon wieder unglaublich viel los. Ich habe mich erstmal noch auskuriert, mein Weihnachtsessen nachgeholt, Freunde und Familie getroffen, ganz viel Schokolade verdrückt und eben all das gemacht, worauf ich mich in Bolivien schon lange gefreut hatte. Aber ich war auch auf einigen Behörden, habe viel zu viel Zettelkram erledigt und eine Weiterbildung gemacht. Ich war also gut beschäftigt, aber jetzt nehme ich mir endlich die Zeit, um noch ein paar Worte zu schreiben.
Viele Leute fragen mich, jetzt wo ich wieder da bin, wie es denn war, ob es sich gelohnt hat, ob ich es wieder tun würde und möchten Fotos sehen. Das mit den Fotos ist kein Problem, ich habe 29 GB (mehr oder weniger gut aussortierte) Fotos und Videos. Und wie war es so? Eine vermeintlich einfache Frage und trotzdem ist es schwer, sie in wenigen Sätzen zu beantworten. Es war auf jeden Fall toll, ich habe super Erfahrungen gemacht, tolle Menschen kennengelernt und ich möchte definitiv irgendwann mal wieder nach Südamerika zu Besuch.
Und es war auch ganz anders als hier in Europa. Anfangs hatten fast alle Freiwilligen ziemlichen Respekt was die Sicherheitslage im Land betrifft und wir waren wirklich sehr vorsichtig. Mit der Zeit haben wir aber gemerkt, dass es gar nicht so dramatisch ist. Klar, es ist anders als in Europa und mit meiner Haut- und Haarfarbe bin ich immer aufgefallen. Aber, wenn man sich dann irgendwann ein bisschen eingewöhnt hat und merkt wie dort alles funktioniert, dann wird die Angst weniger. Ich hab natürlich immer aufgepasst und so weiter, aber im Endeffekt hab ich bspw. sogar mein iPhone ganz öffentlich auf der Straße benutzt, bin selbst im Dunkeln manchmal allein durch die Stadt gelaufen oder gefahren und war ja auch eine Zeit lang allein auf Reisen. Das Einzige, das wirklich sehr anstrengend war, war dass ich ständig angegafft (Ja, das ist in diesem Falle das richtige Wort!) wurde. Von Frauen, von Männern, von Kindern – ganz egal, ich war schon allein durch mein Äußeres auffällig und dadurch immer von Interesse für andere Menschen. Viele Männer haben es dann übertrieben und mir (den anderen auch) wurde hinterhergepfiffen, von uns wurden „heimlich“ Fotos gemacht und wir bekamen viele „schöne“ Sprüche zu hören. Sowohl auf der Straße als auch in der Disco.
Mit Kriminalität bin ich in Bolivien selbst kaum in Berührung gekommen. Ich habe nur Geschichten von anderen Freiwilligen gehört, denen etwas geklaut wurde, einer wurde sogar zusammengeschlagen. Fast alle Geschichten hatten jedoch gemein, dass die jeweiligen Freiwilligen im Endeffekt gewisse landestypische Regeln missachtet hatten, das heißt sie waren nachts allein zu Fuß in Stadtvierteln unterwegs, in denen man das lieber sein lässt oder sie hatten ihre Tasche nicht im Blickfeld, irgendetwas in diese Richtung. Leider wurde auch unser Gastbruder während ich in Bolivien war überfallen und zusammengeschlagen. Also auch Einheimischen passiert sowas. Allerdings war auch er nachts zu Fuß unterwegs. Das sollte man in manchen Gegenden unbedingt vermeiden, das ist ja in Deutschland ähnlich.
Ein Ereignis gab es in diesem Zusammenhang für mich dann aber doch. Auf Reisen in Chile, in San Pedro de Atacama, als wir unseren Ausflug zu dem Geysirsfeld machten, da passierte ES. Spannuuuung! Ich war auf Toilette, es gab eine riesen Schlange – klar wir waren ja auf einem Touri-Ausflug – und ich war endlich dran, yeah. Das Einzige, das ich aus dem Bus mit rausgenommen hatte war mein kleiner Geldbeutel, kann ja sein man muss was zahlen für die Benutzung des WC´s. Diesen legte ich in meiner Kabine auf so einen kleinen Fließenabsatz und schon als ich im Begriff war die Toilette wieder zu verlassen, sehe ich wie eine Hand in meine Kabine reingeschoben wird, um den Geldbeutel zu nehmen. Scheinbar konnte man diesen Absatz auch von draußen sehen. Ich hab natürlich sofort auf die Hand geschlagen und als ich raus kam entschuldigte sich eine Französin überschwänglich auf Spanisch bei mir. Sie meinte, dass sie dachte, jemand hätte ihn vergessen und sie wollte den Geldbeutel nur deswegen an sich nehmen. Ja nee ist klar, da steht eine Schlange an den Toiletten an und die Kabine war ja besetzt von mir, dann ist es total nicht naheliegend, dass der Geldbeutel auch der Person gehört, die da drin ist… Naja, nichts passiert, ich hab meinen unglaublichen Reichtum ja heldenhaft verteidigt.
Sonst hab ich zum Thema Kriminalität zum Glück nichts zu berichten. Gut, ich hab meine Kreditkarte in Bolivien gelassen, aber nicht weil sie mir geklaut wurde, sondern weil ich sie am letzten Tag in den letzten Minuten am Geldautomaten schon am Flughafen (!!) vergessen habe. Zum Glück war auch das kein großes Problem!
Sonst waren dort natürlich viele Sachen anders, als ich sie aus Europa gewohnt war. Gekauft wird dort so gut wie alles auf dem Markt. Es gibt zwar auch Supermärkte, die sind jedoch meist teurer. Das heißt Obst, Gemüse, Fleisch und auch Zahnpasta oder Klopapier holt sich die Mehrheit der Leute auf dem Markt. Auch unsere Familie hat auf dem Markt gekauft und oft für uns gekocht. Das traditionell bolivianische Essen war zwar gewöhnungsbedürftig, aber bei unserer Familie hat es immer gut geschmeckt. Es gab jedoch ziemlich oft Suppe, Reis, gekochtes Hühnchen und Kartoffeln in allen Variationen. Das wurde mit der Zeit wirklich unschön und derzeit bin ich noch in der Hühnchen-und-Reis-vermeiden-Phase. Und die Schokolade dort hat nicht gut geschmeckt. Nachdem wir unzählige Sorten durchprobiert hatten, haben wir zwar was Akzeptables gefunden, aber zum Glück hatte ich liebe Freunde, die mir leckere Schoki zugeschickt haben. Für alle, die sich jetzt fragen ob man nicht einfach mal ein halbes Jahr lang ganz ohne Schokolade auskommen kann: Nein, das ist leider unmöglich gewesen!
Immer wenn ich auf den Markt oder auch sonst wohin wollte, bin ich Minibus gefahren. Das sind die typischen öffentlichen Verkehrsmittel in La Paz. Die haben in der Frontscheibe vorn Schilder drin liegen oder stecken, anhand derer man erkennen kann, wo der Bus langfährt. Dann kann jeder ihn an jeder x-beliebigen Stelle, an der er vorbeifährt heran winken und einsteigen, wenn noch Platz ist. Genauso kann an jeder Stelle ausgestiegen werden, Haltestellen gibt es dort nicht. Unter anderem dadurch ist auf den Straßen in La Paz ganztags Stau. Da sind die Leute, die sich mittels Motorrad fortbewegen wirklich besser dran, die können sich meist irgendwie durchschlängeln. Fahrräder gibt es in La Paz so gut wie keine. Durch die Höhe und die vielen Berge wäre das super anstrengend. Naja jedenfalls: Als ich in La Paz war, habe ich mir immer ein Straßenbahn- und/oder Busnetz, wie es in Deutschland üblich ist, gewünscht – mit Haltestellen, mit Fahrplänen und so weiter, damit man weiß wann es losgeht und wie man von A nach B kommt. Manchmal musste ich nämlich in Bolivien auch ziemlich lange auf einen Minibus warten, der dann endlich mal dorthin fuhr, wo ich nun gerade hin wollte. Und wo man wie am besten umsteigt, falls das nötig ist, konnten einem nur die Einheimischen sagen. Ja, aber hier in Deutschland, da komme ich doch nicht umhin, mir manchmal zu wünschen einfach an der Straße, genau dort wo ich nun grade stehe, einen Minibus anhalten zu können, der mich dann mitnimmt. Und was lernen wir daraus: Es bestätigt sich einmal mehr; man will immer das, was man grad nicht haben kann.
Es gibt aber auch Dinge, die ich mir nicht zurückwünsche. In La Paz gibt’s nämlich bspw. ziemlich große Probleme, was den Müll angeht. Die Menschen stellen ihre Müllbeutel so wie sie sind an verschiedene Straßenecken und von dort holt sie dann an einem bestimmten Tag die Müllabfuhr. So der Plan… Jedoch gibt es in La Paz unglaublich viele Hunde. Die laufen alle frei durch die Straßen und die beißen natürlich dann die Müllsäcke auf, naja und dann sieht es lecker aus. Die Hunde sind aber – zu meinem Erstaunen – immer ganz lieb gewesen. Ich wurde nie irgendwie von denen angeknurrt oder ähnliches. Und ja, die laufen zwar frei durch die Straßen, aber größtenteils haben die Hunde schon einen Besitzer. Es ist dort aber üblich, dass man seinen Hund einfach auf die Straße lässt, der macht sein Ding und dann kommt er irgendwann mal wieder mit heim. So war das zu mindestens auch bei unserem Gastfamilien-Hund.
Und was uns Freiwillige doch geschockt hat, womit wir überhaupt nicht gerechnet haben: Nicht nur die Hunde pinkeln in La Paz an irgendwelche Straßenecken. Auch einige Menschen. Ohne Witz. Es ist mir mehrmals passiert, dass ich um irgendeine Ecke gebogen bin und dann stand da einer und ich habe Dinge gesehen, die ich nicht sehen wollte. Am heller lichten Tag, inmitten von Menschen, in der Öffentlichkeit. Und nicht nur Männer machen das, auch einige Frauen. Die hocken sich an den Straßenrand und ab geht’s. In der Großstadt, weit und breit keine Wiese oder irgendwas und überall Menschen. Aber das macht denen nichts aus. Gut, die öffentlichen Toiletten sind meist so ekelhaft, da würde ich auch nicht drauf gehen wollen, aber Straßenrand ist schon nochmal eine andere Nummer. Nun gut, das ist eben dort so. Man muss es ja selbst nicht mitmachen… Hm, falsch gedacht, irgendwie muss man doch. Bspw. auf Reisen habe ich, wenn ich mir ein Busticket gekauft habe, oft mehrmals nachgefragt, ob es an Bord eine Toilette gibt und ob die auch wirklich funktioniert und ob die sich da sicher sind. Selbst wenn das 3x mit „ja“ beantwortet wurde, hieß das noch lange nicht, dass das auch stimmte. Blöd, weil unsere Busfahrten doch meistens so ca. 12h dauerten. Klar, der Busfahrer hat ab und zu Halt an „öffentlichen Toiletten“ gemacht aber wann das war, wusste man vorher nie. Einmal wollte ich bspw. nichtsahnend auf die wunderschöne Bustoilette gehen, da war die Tür abgeschlossen. Ich hab beim Busfahrer geklopft und gefragt was da los sei, ein paar kleine Mädels standen mit mir dort und hatten scheinbar das Gleiche Problem. Der Busfahrer fragte, was wir wollen, wir sagten, dass wir ein Klo wollen. Und schwuppdiwupp – rechts rangefahren, Tür aufgemacht, Bitteschön! Yeah, überall Schotterwiese, weit und breit kein Baum, Strauch oder irgendwas, der Bus hat Fenster, alle können zusehen… Meine Freude war unermesslich, aber immerhin waren wir irgendwo im nirgendwo, wo sonst kein Mensch zu sehen war und es war schon halbdunkel. Das war mein erstes aber bei weitem nicht mein letztes Mal, dass es auf Busfahrten so lief. Wobei das teilweise wahrscheinlich echt die bessere Alternative zu den öffentlichen WC´s war.
Es gibt also auch Dinge, die ich nicht vermisse. Es gibt aber auch viele, die ich vermisse. Zum Beispiel das schöne frische Obst und die leckeren frisch gepressten Säfte. Oder die lieben Menschen, die ich kennengelernt habe. Ziemlich viele Sachen eigentlich, zu viele, um sie aufzuzählen. Und um die Wie-war-es-Frage versuchen zu beantworten: Es war ein ganz anderes Leben, als wir es hier kennen und führen. Und was war anders? Ja, so fast alles irgendwie. Aber es war toll das zu sehen und zu erleben und ich bin so froh, dass ich das gemacht habe. Ich hab viele Erfahrungen gesammelt und viel gelernt. Und damit meine ich nicht nur, dass meine Spanischkenntnisse jetzt bisschen größer sind. Hätte mir im Vorhinein jemand gesagt, dass ich in Bolivien 3x stationär ins Krankenhaus aufgenommen werde, hätte ich wahrscheinlich einen Nervenzusammenbruch bekommen. Aber irgendwie ging es, es war nicht so schlimm, wie es sich der ein oder andere vielleicht vorstellt. Klar hatte ich auch schwierige Momente und klar sind Tränen geflossen, vor allem im Krankenhaus. Aber ich hatte zu keiner Zeit das Bedürfnis abzubrechen und wieder heim zu fliegen deswegen. Und es gab ja auch so viele unzählige schöne Momente.
Ich bekomm glatt Gänsehaut wenn ich das alles schreibe. Ich könnte noch so viel mehr schreiben und gleichzeitig lässt sich manches aber nicht mit Worten und auch nicht mit Bildern sagen… Ich danke auf jeden Fall allen, die mich unterstützt haben und da darf sich jetzt gern jeder angesprochen fühlen!
Und was hab ich nun eigentlich gelernt? Naja, viel eben! Auch viel, was man nicht in Worte fassen kann. Ich bin auf jeden Fall super froh und dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, so etwas unbeschreiblich Tolles zu erleben! Und eine Erkenntnis bleibt auf jeden Fall: Ich habe eine super Familie und die besten Freunde, die man sich nur wünschen kann. Anfangs hatte ich Respekt davor, ob sich irgendwas ändern wird, weil ich so lange weg war, ob der Kontakt abbricht oder so. Aber nein, gar nicht! Ich wurde so toll unterstützt von allen Seiten und hab immer wieder ganz liebe und süße Grüße aus Deutschland bekommen. Dadurch hab ich euch nur umso mehr vermisst und genau deswegen bin ich trotzdem auch froh, wieder hier zu sein – hier bei all meinen Lieben!
Muchos besitos y abrazos!!