Ein kleiner Bericht zur nicht mehr ganz aktuellen aber dennoch interessanten Wahl am Sonntag. Eindrücke, Bilder, das Ergebnis ist denke ich jedem bekannt.

Es ist der 11. Oktober, fällt mir ein, als ich morgens aufwache. Der Tag, der überall in der Stadt als Wahltag angekündigt wird, der Tag, der ausnahmsweise die mediale Aufmerksamkeit des Westens auf Belarus lenkt. Ich scrolle durch die App von Zeit online und entdecke zwei (!!) Artikel über die Wahl. Das ist ungefähr so viel Berichterstattung, wie ich in den letzten drei Monaten bis zum Nobelpreisgewinn von Светлана Алексие́вич (Svetlana Alexievich) in allen großen deutschen Zeitungen über Belarus lesen konnte.

Der Empfehlung meines Ansprechpartners folgend mache ich mich auf den Weg in die Schule, die heute ein Wahllokal ist. Als ich den Weg zum Bus laufe, höre ich von Weitem Musik, es sind viele Menschen unterwegs. Ich steige bei der Schule aus und bin erstaunt

über die Menschenmassen. Man hört Stimmengewirr, das ist nicht selbstverständlich, da sonst jedes Geräusch von den langen und sehr breiten Straßen verschlungen wird. In der Nähe ist ein Markt, entweder alle diese Menschen sind wegen der Wahl unterwegs oder ich war einfach noch nicht sonntags in der Nähe dieses Marktes. Ich vermute letzteres.

Auf dem Weg zur Schule höre ich wieder Musik, sie kommt aus

Lautsprechern vor der Schule. Menschen stehen vor der Tür, unterhalten sich, lachen, die belarussische Flagge hängt. Ich fühle mich etwas fehl am Platz. Als wäre ich die einzige erwachsene Person in dieser Stadt, die nicht wählen darf. Stimmt nicht, der

Italiener in meinem Sprachkurs darf auch nicht, fällt mir da ein. Dazu kommen noch die vielen Menschen, die nicht wählen gehen werden, einige von ihnen habe ich gesprochen. Es ist teils das Gefühl nichts ändern zu können, teils Protest, das die Menschen dazu bewegt und manche haben auch einfach den Sonntag anders verplant.

In der Schule angekommen fällt mir zuerst der Stand der Post ins Auge. Ein Infostand. Ich folge den Schildern die einen эконом (eine Supermarktkette) ankündigen. Sie führen mich in die Mensa, wo Essen, Getränke und Lebensmittel zu sehr günstigen Preisen verkauft werden. Eigentlich wollte ich aber in die Aula, dort findet ein kleines Konzert der Schüler statt. Es ist auf belarussisch und wird untermalt von einer Bildershow mit idyllischen Fotos der belarussischen Landschaft.

Auf dem Weg dorthin komme ich kurz durch den Wahlbereich. Der Boden ist mit einem Teppich ausgelegt, die Tische mit dunkelroten Tischdecken bedeckt. Es sitzen Polizisten in den Ecken und Lehrer sind als Aufpasser eingeteilt. Ich möchte ein Foto machen, trau mich aber nicht, zu viele Polizisten und wichtig aussehende Menschen. Also frag ich. Da wird es mir offiziell verboten, nur akkreditierte Journalsiten dürfen fotografieren.

Nach dem Konzert spiele ich mit einem Sportlehrer Tischtennis, unterhalte mich mit den als Aufpasser eingeteilten Lehrerinnen und versuche in den dritten Stock zu kommen. Funktioniert nicht, nur die ersten beiden Etagen sind frei zugänglich. Dann lasse ich mich dazu

überreden mir das Konzert ein zweites Mal anzugucken, dieses Mal mit bruchstückhafter englischer Übersetzung des Sportlehrers.

Auf dem Heimweg schallt mir noch ein paar Mal Musik entgegen. Dieses Mal weiß ich: Auch dort ist ein Wahllokal.

Später fahre ich ins Stadtzentrum und treffe mich mit einer Studentin aus Minsk. In den Straßen hängen grüne und rote Fahnen, an manchen Häusern die belarussische Flagge. Mit der Wahl in Kontakt komme ich erst wieder zu Hause, an meinem Laptop.

Für alle, die an den beiden Artikeln interessiert sind:

http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-10/weissrussland-alexander-lukaschenko-wahlen

http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-10/weissrussland-praesidentschaftswahl-alexander-lukaschenko