Ich habe lange überlegt ob und wie ich diesen Beitrag veröffentliche. Der folgende Text ist nun schon fast zwei Monate alt. Immer wieder habe ich mit mir selbst diskutiert, ob ich das so veröffentlichen kann. Deswegen setze ich dem Ganzen ein kleines Statement vorne weg. Mein Beitrag richtet sich nicht gegen Männer, sondern gegen Sexismus. Ich habe viele wundervolle Männer in meinem Freundeskreis auf die keine meiner Anklagen zutrifft – im Gegenteil. Ich selbst möchte mich auch nicht als Opfer hinstellen, obwohl ich das wahrscheinlich bin. Besser gesagt: Ich möchte kein Mitleid, weil das hilft weder mir noch anderen. Was ich möchte ist eine Diskussion fern von „Wir müssen allen Männern den Schwanz abschneiden.“ und „Feministinnen sind Frauen, die nur mal richtig durchgenommen werden müssen.“ Beide Aussagen sind wenig hilfreich und diskriminierend, aber wem sag ich das?
Also: Was du jetzt liest, sind meine Gefühle und Gedanken die ich Anfang März festgehalten habe. Ich will daran nicht viel ändern. Und vielleicht schreibst du mir ja deine Gedanken dazu. An dieser Stelle möchte ich auch nochmal den lieben Lukas erwähnen, der viele meiner Blogartikel quer gelesen hat und meine katastrophale Kommasetzung ausbügelt 😀 Danke, dass du dir das immer wieder antust 😉
Lieber unbekannter Mann,
es macht mich unglaublich an, wenn du mir in der Öffentlichkeit zwischen die Beine fasst. Wie scharf es mich doch macht, wenn du meine Tritte ignorierst und voller Stolz über deinen eben gelungenen Beutezug von dannen ziehst. Es ist für mich immer wieder unglaublich erbauend, wenn ich durch dich die Bestätigung bekomme, dass mein Wert nicht über den von einem Stück Fleisch hinausgeht.
Wie schön, dass du die Fahne der Sexisten hochhältst. Es braucht Leute wie dich, die den Feminismus, die Frauenrechte und die Menschenwürde mit ihren Füßen auf ein unterirdisches Niveau stampfen. Genau da, wo sie hingehören. Ich freue mich, dass es anscheinend noch richtige Männer gibt, die sich nicht umgarnen und verweichlichen lassen von dem ewigen Gleichberechtigungsgesülze. Wer braucht denn Gender–Mainstreaming und wer braucht denn Feminismus? Keine Ahnung. Ich zumindest nicht. Denn ich finde es wundervoll, begrabscht zu werden, auch wenn ich schon fünfmal „Nein“ gesagt habe. Ich bin eine Frau und weiß nicht sehr viel. Besonders wenig weiß ich über die Dinge Bescheid, die mich betreffen. Ich habe mich dem Mann unterzuordnen, denn das ist meine Bestimmung als Frau. Hiermit unterwerfe ich mich offiziell dem männlichen Geschlecht. Das nächste Mal werde ich auch um Erlaubnis fragen, wenn ich etwas sagen möchte. Hierfür nochmal Entschuldigung.
Mit untergebenen Grüßen
Ich
Wie fange ich an, bzw. mach ich weiter?
Ich hatte es schon viel länger vor, einen Eintrag in dieser Art und Weise zu verfassen, aber ich habe es sein gelassen, weil ich dachte, dass es ein Einzelfall gewesen ist. Einer unter 10.000… Aber meine Erlebnisse bringen mich dazu, auch darüber zu berichten, Stellung zu nehmen und meine Rage nochmal konstruktiv zum Ausdruck zu bringen.
Aber was ist überhaupt passiert und was bewegt mich dazu diesen obenstehenden „Brief“ zu verfassen? Also zurück zum Anfang…
Am 8.März ist hier offizieller Frauentag, deshalb wurde das Wochenende nach hinten verschoben. Und da wir uns als Belarusfreiwillige schon länger nicht mehr gesehen haben, aber ein ganzes Wochenende wegzufahren nicht wirklich möglich war, haben wir uns für einen Sonntag in Minsk verabredet. Es war auch ein wundervoll entspannter Tag, an dem wir ein Café nach dem anderen und liebevolle „Hipsterläden“ besucht haben.
Abends auf dem Weg zum Bahnhof kam von hinten ein Mann auf mich zu, den ich erst bemerkt habe, als er mir exzessiv zwischen die Beine gefasst hat. Mein Glück war es, dass mein Mantel relativ lang und eng anliegend ist, sodass er nicht sehr weit kam, bevor ich ihn geschlagen habe und er mich völlig verwundert über meine Reaktion angeschaut hat. Völlig perplex und vollkommen angeekelt über so eine Dreistigkeit fing ich an zu weinen. Und leider ist es nicht das erste Mal, dass mir so etwas passiert. Auch wenn ich weiß, dass es hier nicht diejenigen lesen werden, für die der folgende Satz gedacht, schreibe ich ihn trotzdem auf: „KEIN MANN AUF DER WELT HAT DAS RECHT MICH ANZUFASSEN!“
Frauen sind in vielen Bereichen der Gesellschaft noch immer nicht wirklich gleichgestellt und Sexismus ist immer noch weit verbreitet. Gut, die Frau von heute darf wählen gehen und einen Beruf ausüben ohne vorher ihren Mann um Erlaubnis zu bitten. Doch es gibt immer noch Unterschiede bei den Löhnen und es soll unter anderem auch vorkommen, dass bevorzugt Männer eingestellt werden, weil Frauen ja eventuell schwanger werden könnten und der Firma weniger Gewinn bringen als Mann. Auch sind fast nur Frauen von, wie oben geschilderten, sexuellen Übergriffen oder häuslicher Gewalt betroffen. Mir ist natürlich auch bewusst, dass Frauen Männer, Frauen Frauen und Männer Männer vergewaltigen können bzw. sexuell belästigen. Und ja, das ist nicht weniger schlimm.
Frauen dienen als Verkaufsstrategie – sehen sie gut aus und zeigen ein bisschen Haut, so verkauft sich das Produkt wahrscheinlich besser. Eine gute Frau ist die, welche eine Jungfrau ist, wenn sie das erste Mal mit einem Mann zusammen kommt, ihn trotzdem hervorragend befriedigen kann und dabei noch eine gute Mutter abgibt. Warum diese Erwartungen? Hat eine Frau nicht das Recht, selbst zu entscheiden, wie sie gesehen werden möchte – ohne dafür verurteilt, oder schief angeschaut zu werden?
Ich hatte vor ein paar Monaten eine Diskussion mit Freunden, in dem meine Gegenüber mich davon überzeugen wollten, dass Feminismus unglaublich überflüssig ist und mir auch sagten, was sie vom „Genderwahn“ halten. Damals hat mich die Situation total überfordert und nun möchte ich meine Gedanken noch einmal festhalten.
„Mariana, hab dich doch nicht so. Was willst du schon gegen Sexismus und der Degradierung von
Frauen zu Sexobjekten tun?“
„Hab dich nicht so.“ Ich behaupte das jetzt vollkommen undifferenziert, aber wer „Hab dich nicht so“ zu einer Person sagt, die sexuell belästigt wurde oder zum Sexobjekt degradiert wurde, der/die weiß nicht, wie sich das anfühlt. Es ist kein Preis, den frau/man bekommt und der dann aussagt : „Siehs positiv, du bist doch gar nicht so unattraktiv.“ Nein, das einzige was frau/man bekommt, ist Scham, Ekel und den Vorwurf an sich selbst nicht achtsam genug gewesen zu sein. Ich habe es erlebt, dass Männer eine gewisse Macht gegenüber Frauen ausüben können. Ich glaube sehr viele Frauen haben sich schon oft den Satz anhören dürfen: „Geh abends nicht mehr allein auf die Straße.“ Oder: „Pass bloß auf, dass dich niemand wegfängt.“ Jede/r weiß was damit gemeint ist. Aber warum sollte ich aus Angst meine Freiheit einschränken? Oftmals tue ich es doch, einfach um schlimmen Dingen aus dem Weg zu gehen. Ein Beispiel hierfür haben wir in Grodno erlebt. Wir wurden, wie so oft, von einem belarussischen Mann angesprochen, als wir auf dem Weg ins Museum waren. Er hat sehr viel geredet und dann auch irgendwann seine Freunde her gewunken, die unübersichtlich betrunken waren und anscheinend auch dieses Museum besuchen wollten. Einer von ihnen kam auf Lea zu, irgendetwas von „Ich liebe Deutschland“ lallend, und wollte sie umarmen. Absolutes No–Go! Aus Angst und auch zum Selbstschutz haben wir erstmal das Weite gesucht. Nach hundert Metern und einer Diskussion über das eben Geschehene, haben wir den Entschluss gefasst uns nicht einschüchtern zu lassen, sondern das ersehnte Museum aufzusuchen, egal ob sich dort nun auch diese Männer befinden oder nicht. Warum sollten wir darauf verzichten?
„Feminismus ist nicht die Lösung. Feminismus ist frauenfeindlich.“
Und Vegetarismus richtet sich gegen Tiere. Man muss nicht mit allen Strömungen einverstanden sein. Für mich ist Feminismus die Bewegung oder der Ausdruck dafür, dass eine Frau machen kann, was sie will. Doch darüber hinaus ist es der Einsatz für mehr Rechte für Frauen, die gesellschaftliche Gleichstellung dem Mann gegenüber und der Kampf gegen die Degradierung und Reduzierung der Weiblichkeit.
„Die gegenderte Sprache geht mir auf den Geist. Vorher hat es doch auch ganz gut ohne funktioniert. Warum jetzt?“
Die deutsche Sprache bietet die Möglichkeit wundervoll an, beide Geschlechter in der Sprache zur Geltung kommen zu lassen. Warum sollte frau/ man es nicht nutzen? Es ist doch schön, wenn die Sprache von Vielfalt gesäumt ist und manche fühlen sich nicht von der männlichen Form eingeschlossen. Es gibt auch Leute, die sich keinem Geschlecht so richtig zugehörige fühlen. Vielleicht kommen wir irgendwann einmal dahin, in unserer grenzenlosen Kreativität uns auch eine Form für diese Leute zu überlegen. Und wenn frau/ man sich schon dazu entscheidet, auch die eigene Sprache zu überdenken, dann werden vielleicht auch das Handeln und die gesagten Dinge überdacht.
Machen wir einfach mal unsere Augen auf. Nehmen wir einfach mal ein bisschen mehr Rücksicht auf die Taktzonen anderer. Helfen wir, wenn Menschen öffentlich diffamiert oder angegriffen werden. Das schlimmste Gefühl ist nämlich – zumindest für mich – nicht, dass frau/ man gepeinigt wurde, sondern dass frau/ man in solchen Momenten oft sehr allein gelassen wird. Ach ja: Und wir fassen die anderen nur an, wenn diese es auch wollen und wenn sie es nicht wollen, lassen wir sie los und entschuldigen uns. Und falls du dich die ganze Zeit nicht angesprochen gefühlt hast: Danke für dich. Es gibt Hoffnung, dass es vielleicht irgendwann selbstverständlich wird.
Ein Dankeschön geht raus an Lea und Vicky. Danke für das Halten meiner Hand, danke für das Umarmen, als die Hilflosigkeit mich wieder überfiel. Danke für das wundervolle und erbauende Gespräch und dafür, dass ihr mich eben nicht allein gelassen habt. Danke für euch <3
Neueste Kommentare