Manchmal ist es echt praktisch ganz old school einen Reiseführer dabei zu haben. Darin fanden wir eine dreitägige Wanderung durch den Nationalpark Zentralbalkan entlang eines Wanderwegs über den Hauptkamm des Balkangebirges mit Hüttenübernachtungen – da wir beide gerne wandern, konnten wir uns das nicht entgehen lassen. Als dann noch die Wettervorhersage für das Wochenende gut aussah, beschlossen wir Anfang der Woche kurzfristig, uns am Freitag frei zu nehmen und uns über das Wochenende in die Berge zu begeben.
Die Planung war dann doch etwas komplizierter als erwartet. Auch wenn der Ausgangsort der Wanderung bei uns in der Nähe ist, heißt das nicht, dass dort auch ein Bus hinfährt, über die Telefonnummern der Berghütten erreichte man niemanden und als wir uns in der Touristeninformation erkundigten wurden wir als verrückt erklärt. Irgendwie ließ sich letztendlich aber für alles eine Lösung finden: zum Ausgangsort der Wanderung kamen wir mit Hilfe drei verschiedener Busse und einem Taxi, ein Mitarbeiter aus dem Museum half uns Kontakt zu den Hütten aufzunehmen und wir hofften einfach mal, dass wir nicht verrückt sind. Jetzt im Nachhinein können wir sagen: es hat sich sowas von gelohnt.
Unsere Route führte von dem Ort Ribaritsa aus durch die Buchenwälder des Nationalparks hinauf zur Hütte Vezhen. Am zweiten Tag ging es auf den Bergkamm, welchen wir bis zur Hütte Kozya Stena entlang wanderten. Von dort stiegen wir am letzen Tag zurück ins Tal ab und erreichten unseren Zielort Chiflik.
Das beeindruckendste an der Wanderung war wohl die sich verändernde Natur. Wir wissen gar nicht, was wir am schönsten fanden. Die grünen, sich langsam orange verfärbenden Buchenwälder, den Flussverlauf, welchem wir hoch zur Quelle folgten, die von Bäumen bewachsenen Berghänge oder doch den felsigen, kahlen Bergkamm. Es hat einen Grund, warum wir viel zu oft angehalten haben, um ein Foto zu schießen, denn alle paar Meter standen wir vor einem neuen Ausblick, der einem eine andere Perspektive auf die Berge bot.
Ganz reibungslos ist die Wanderung jedoch nicht verlaufen, denn das Wetter war wechselhafter als gedacht. Anfangs hatten wir noch strahlenden Sonnenschein, aber kurz nachdem wir den Bergkamm erreichten zogen Wolken auf und wir waren sowohl starkem Wind als auch etwas Regen ausgesetzt, was nicht die besten Bedingungen sind wenn man einen schmalen Wanderweg am Hang entlangläuft. Es ist ein komisches Gefühl in so einer Situation zu wissen, dass der nächste sichere Ort noch über eine Stunde entfernt ist, man nicht weiß wie sich die Lage entwickelt und sich bis dahin mit den Gegebenheiten arrangieren muss. Wir waren beide erleichtert, als wir die nächste Hütte erreichten und sich das Wetter wieder besserte. Trotzdem sind wir froh, dass nicht alles angenehm und einfach war und wir die Berge auch von der ungemütlicheren Seite kennengelernt haben. Gerade aus solchen herausfordernden Situationen kann man gut lernen und diese Erinnerungen bleiben lange im Gedächtnis. Ohne den Regen hätten wir wohl auch nicht den wunderschönen Regenbogen gesehen, der für ein paar Minuten über den Bergen erschien.
Beide Male war es ein tolles Gefühl, als wir es abends vor Sonnenuntergang schafften, an den Hütten anzukommen und uns sicher sein konnten, einen Schlafplatz für die Nacht zu haben. Schon am ersten Tag nach der Wanderung vermissten wir beide die Atmosphäre auf den Berghütten. Es war schön, das Wesentliche was man brauchte sehr wertschätzen zu können: eine warme Mahlzeit, ein Bett, Wasser und etwas Wärme. Das alles hat uns in dieser Situation sehr glücklich gemacht – wir haben es genossen abends einfach mal eine Runde Karten zu spielen und alles andere auszublenden. Auch hat man sich dort abgesehen von mancher sprachlicher Barriere wenig fremd gefühlt, da alle auf den Hütten in diesem Moment eine ähnliche Erfahrung machten. Alle waren dort, um die Zeit in den Bergen zu genießen, sich ähnlichen Herausforderungen zu stellen und niemand hinterfragte was wir als Deutsche dort machten. Obwohl fast kein Englisch gesprochen wurde, war es immer möglich sich mit den wenigen bulgarischen Wörtern, die wir kannten und ein paar Gesten zu verständigen.
Sogar nach der Wanderung wurde es dann nochmal aufregend, denn wir trampten ungeplanter Weise von Chiflik direkt nach Trojan zurück: Zwei Kilometer vor Chiflik wurde uns klar, dass wir nicht mehr rechtzeitig am Busbahnhof ankommen würden, um den Bus nach Trojan zu bekommen. Also haben wir einfach mal den Daumen rausgehalten und gehofft, dass uns jemand bis in die Mitte des Ortes fährt. Nach mehreren erfolglosen Versuchen hielt tatsächlich ein Auto an und ein Töpfer aus der Region, der gerade die für Trojan typische Keramik im Kofferraum transportierte, nahm uns mit. Da er jedoch kein Englisch sprach (und wir kein Bulgarisch), kam es zu einem Missverständnis: Anstelle uns zur Bushaltestelle zu fahren, von der aus wir nach Trojan weitergefahren wären, brachte er uns direkt zum Busbahnhof in Trojan und wir erreichten unser Ziel schneller als gedacht. Mit dem Google Übersetzer schafften wir es uns trotz der Sprachbarriere etwas zu unterhalten, denn auch er war sehr interessiert daran, wo wir herkamen und was wir hier machen würden. Diese Begegnung hat uns nochmal mehr motiviert Bulgarisch zu lernen, da wir uns gerne mehr mit ihm unterhalten hätten. Aber auch so haben wir viel aus der Begegnung mitgenommen und waren sehr dankbar auf so einfachem Weg zurück nach Hause gekommen zu sein.
Als wir am Montag dann im Museum von unserer Wanderung berichteten, wurden wir direkt gefragt auf welchen Berg es am nächsten Wochenende gehen würde. Wir sind selbst gespannt, welche Ecken von Bulgarien wir in den nächsten Wochen noch so entdecken werden …