Wie lange bleibst du?

„Hast du viele Freunde in Shanghai gefunden?“

Tatsache, in Shanghai habe ich in den letzten sechs Monaten mehr neue Leute kennengelernt, als in den letzten zwei Jahren zuvor zusammen.
Verstohlene Blicke – ein Lächeln – schnell kommt man ins Gespräch, wenn der Anfangssatz „What are you doing in China?“ erst einmal gesetzt ist.

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Dabei fällt mir gerade auf, dass ich im Vergleich viel weniger lokale Chinesen kennengelernt habe, als Ausländer und ABCs (American born Chinese).
Es ist recht schwer mit lokalen Chinesen und recht einfach mit Ausländern in Kontakt zu treten, beidseitiges Interesse besteht natürlich – zumindest ein wichtiger Grundbaustein ist gelegt. Nun folgt die intensive Phase wie bei jedem trivialen Kennenlernen auch, wo bestimmte Faktoren entscheidend sind, ob langzeitige Freundschaften blühen oder ebend nicht. Zugegebenermaßen hemmen Sprachbarrieren das Kennenlernen zu Chinesen enorm, sodass man traurigerweise aus Gemütlichkeit dem Drang nach sozialen Kontakten unterlegen, in der internationalen Blase gefangen bleibt. Es wundert mich nicht, dass kulturweitler in chinesischen Kleinstädten mittlerweile viel besser Chinesisch sprechen. Wenn ich mich durch Blogeinträge klicke, fällt auf, dass ich wahrhaftig ein ganz anderes „China“ erlebe.

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De facto ist die Diversität und die Multikultur in Shanghai ausgesprochen auffallend, wie man sie in kaum einer anderen asiatischen Stadt findet, dies berichtete mir mein japanischer Mitbewohner, der selbst in der Weltstadt Tokio aufgewachsen ist und nun als Manager für eine bekannte japanische Unterwäschefirma im Großraum Shanghai tätig ist. Ein interkultureller Austausch zwischen chinesischer und westlicher Kultur findet viel zu einseitig statt. Chinesische Tradition in Shanghai verblasst, z.B meinte ein lokaler Shanghainese zu mir, dass hier das Neujahrsfest nur zwei Tage gefeiert wird, wohingegen anderorts in China, die Familie die ganzen 15 Tage nach dem Mondkalender zusammen das Fest verbringen. 

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Der Spruch: „Leute kommen und gehen“ ist allgegenwärtig bekannt und nimmt in Shanghai, so kommt es mir vor, nochmal einen besonders prägenden Stellenwert ein.
Manchmal frage ich mich woran es liegt, dass sobald ich neue Menschen besser kennengelernt habe, sie bereits wieder aus meinem Leben verschwinden. Öfters scheint es, als würde meine Einstellung temporär zu bleiben, sich auf mein Umfeld abzeichnen.

Shanghai scheint nach wie vor keine langfristige Einwanderungsstadt zu sein. Kinder aus Expat-Familien  – dessen Eltern aufgrund ihrer Arbeit hierher verlegt wurden – besuchen internationale Schulen,  legen ihre Abschlussprüfung ab und studieren dann meistens im Ausland. Alles im „internationalen“ Rahmen, die Schulgebühren vom Unternehmen der Eltern finanziert. 

Anfang diesen Jahres lernte ich den Chinesen Roger kennen, der selbst in Kanada – Montréal geboren wurde, später in Los Angeles – Californien aufwuchs, die Highschool in Shanghai besuchte, zurück in den Staaten sein Studium in Business Administration und Finance an der USC begann, in HongKong für eine Weile arbeitete, nach Shanghai reiste, um sich auf seine Bachelor Prüfung vorzubereiten (in dieser Zeit lernte ich ihn durch einen Freund kennen) und nun letztendlich bis Ende April in Taipeh – Taiwan wohnt. Dabei ist Rogers bisheriger Lebensweg keine Ausnahmebiografie, sondern reflektiert meiner Meinung nach den Zwischenstopp in Shanghai vieler Ausländer gut, die ich bisher kennengelernt habe.
Einmal gestand ich Roger wie aufregend ich sein Leben fand, doch mich fragte, ob er einen festen Freundeskreis hätte. Daraufhin erwiderte er mir:

„Well, things you never had – you’ll never miss. My environment changed steadily since I entered primary school, friends keep comin‘ ’nd goin‘. You meet lots of interesting people, interesting backgrounds, interesting stories – I’m grateful for this. Sometimes, however, I am tired not to have a place to call ‚home‘ for settlement…  can’t meet the friends I want to meet at certain times, because all within  my circle of friends share the same fate. I might be out of town when you are there and vice versa…“

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